Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: Alana am 21. Oktober 2009, 21:55:06

Titel: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Alana am 21. Oktober 2009, 21:55:06
Hallo ihr Lieben,

mir fällt in letzter Zeit extrem und sehr unangenehm auf, dass sowohl in Büchern als auch Filmen aller Genres immer mehr der Trend zur Folter geht.

Auch Jugendbücher sind da leider keine Ausnahme, nur wird es da nicht so ausführlich beschrieben.

Ich finde das sehr schade, wenn nicht sogar besorgniserregend.

Warum muss das sein?
Warum kommt ein Roman heutzutage nicht ohne grausame Folter oder anderweitiges Gemetzel aus?


Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 21. Oktober 2009, 22:00:24
... oder mit Ekelhaftem. Einige Filme, die mich sehr interessierten - und auch amüsierten - habe ich nicht zuende sehen können, weil irgendein bis ins Kleinste ausgearbeitete Detail, das wohl komisch sein soll, einen solchen Würgereiz in mir auslöste, der mich völlig aus dem Konzept brachte.

Es scheint mir aber auch so. Nur daß die Bösen eben foltern und die Guten "mit Nachdruck" für Gerechtigkeit sorgen. DAS finde ich viel bedenklicher.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 21. Oktober 2009, 22:02:22
Hm, ich habe gerade erst zwei Bücher von Kai Meyer gelesen und wenn ich jetzt den Beitrag hier lese, fällt mir schon auf, dass es da teilweise schon etwas blutrünstig zuging. Ich glaube, vor allem Jugendbücher werden immer härter, mehr "realistische" Schicksale, mehr Blut, mehr Tod. Eigentlich sollte ein Buch auch ohne all das auskommen können, aber vielleicht sagt die breite Masse und somit auch der Verleger etwas anderes. Sorgen machen würde ich mir, wenn Bücher nur noch wegen der Gewalt gekauft werden würde, wenn die Gewalt im Vordergrud  stehen würde. Hoffentlich kommt es nicht so weit und es interessiert sich noch jemand für die Geschichte. Allerdings glaube ich, dass ganz ohne jegliche Gewalt niemandem geholfen wäre, das würde den Büchern auch nicht gut tun.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Nachtblick am 21. Oktober 2009, 22:11:37
Hallo Alana,

das ist mir tatsächlich auch schon aufgefallen, aber eher noch im filmischen Bereich.
Neulich fragt der 13-jährige (!) Kumpel meines Bruders, ob wir auch "brutale Filme haben, aber richtig brutal". Ich, völlig verblüfft, hatte keine schlagfertige Antwort parat und habe verneint, und er starrt mich an, überlegt und sagt dann ebenso verblüfft: "Nicht mal Saw?" *augenreib*

Ich habe wirklich nichts gegen eine gut geschriebene Folterszene in einem Buch, das muss ich ganz ehrlich sagen, solange es sich in Grenzen hält und nicht nur auf den Würgreflex zielt. Aber sich ganze Filme und Bücher reinziehen, in denen Menschen zerhackstückelt werden? Ich kann da irgendwas nicht nachvollziehen. Wenn es für die Story nötig ist, dass ein Charakter gefoltert wird, warum sollte ich die Szenen dann weglassen? Aber solche Szenen künstlich einzubauen... ab und an hat man das Gefühl in Filmen wie Büchern.

Nee. Die tatsächlich üblich gewordene Gewalt in Büchern (auch Jugendbüchern, keine Frage) stört mich nicht groß, aber ich will wenigstens ab und an auch gern mal ein Buch lesen, in dem nicht ständig jemand reißerisch zerlegt wird.

Nox
Nachtblick
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: LoneRanger am 21. Oktober 2009, 22:17:04
Ich war einmal vor Jahren, als ich jung war (jetzt 48 !!!) in einem Film in dem die "Gremlins" kleine Wesen waren, die nicht in Berührung mit Wasser kommen durften, weil sie sich sonst in blutrünstige Monster verwandelten. Mir ist bei dem Film aufgefallen, das immer dann, wenn eine lustige Szene noch in der Luft hing, im Kino alle lachten, spontan etwas sehr grausames passierte. Es wurde nicht "gezeigt" aber angedeutet. Jeder wußte, was gemeint war.

Mich hat das betroffen gemacht den mir schien es schon damals als eine de-sensibilisierung für Brutalität.

Gipfel war dann vor einem Jahr, als ich "Sumo" von Walter Moers gelesen habe. Immer ein wenig brutaler, als es für den Plot wirklich notwenig ist. Warum? Und was macht so etwas mit uns? Ist das gut, wenn wir so etwas aufnehmen und es normal wird?

Mit nachdenklichen Grüßen

Stefan, der Lone Ranger
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Alana am 21. Oktober 2009, 22:25:13
@Stefan: Ja mir fiel das bei Rumo auch unangenehm auf.
Ich fand das Buch zwar wirklich gut, aber auch unglaublich brutal.

@Nachtblick: Mich stört es deshalb, weil es kaum noch möglich ist, solche Bücher bewusst zu umgehen.
Diese Szenen tauchen ohne Vorwarnung und in meinen Augen auch meist ohne größeren Sinn für den Plot mitten im Buch auf.

Und es stört mich auch deshalb, weil es den Eindruck erweckt, dass Unterhaltung ohne ein gewisses Maß an Gewalt nicht möglich ist.
Was mich insbesondere an Folterszenen stört, ist die unglaubliche Grausamkeit, mit der Menschen sich gegenseitig die schlimmsten Dinge antun.
Da geht es nicht um seelenlose Orks, nein, es geht um Menschen.
Warum muss das sein?
Warum gerade Folter?

@Moa-Bella: Klar, ohne Gewalt geht es nicht und das wäre auch ein verzerrtes Bild von der Welt.
Aber früher sind die Bücher immerhin ohne derlei grausame Schilderungen ausgekommen.
Ich denke da an Die unendliche Geschichte und viele andere.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 21. Oktober 2009, 22:44:19
Ich denke, das liegt zum Teil daran, dass Jugendliche heute in den Medien (und damit meine ich Zeitungen, Nachrichten usw.) einfach zwangsläufiger mit Gewalt und Brutalität konfrontiert werden.  Ich glaube nicht, dass unsere Zeit brutaler ist als - sagen wir 1650 - aber es wird alles schlichtweg besser dokumentiert. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendwo jemand einen Selbstmordanschlag verübt und die Nachrichten sind dann voll von Bildern Verwundeter und Toter. Oder von Geiseln irgendwo in Afrika.

Vielleicht wird Gewalt in Büchern einfach nötiger, um das Gesehene in den Medien Gesehene zu verarbeiten.

Die Gothic Novel geschrieben, die Urversion des Horrorromans,  tauchte auch ziemlich zeitgleich mit den Greueln der Französischen Revolution auf, und wurden dann im Laufe der Zeit immer härter.  Dieser Zusammenhang ist nicht zufällig.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Feuertraum am 21. Oktober 2009, 22:51:51
Leider hat sich die Hemmschwelle zur Gewalt immer mehr gesenkt. Wenn man bedenkt, dass Jugendliche schon halb zu Tode prügeln, was auch noch mit dem Handy aufgenommen und im Internet verbreitet wird, dann denke ich bleibt er nicht aus, der nächste Kick, der noch intensivere Kick.
Und wenn Splatterfilme den einen oder anderen auf Ideen bringen... :'(
Ich mag mir gar nicht ausmalen, was noch alles passieren kann, wenn Fantasien auf dies Art ausgelebt werden. Und ich werde auch keine Szenen, in denen gefoltert wird, schreiben.

Traurige Grüße
Feuertraum
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Churke am 22. Oktober 2009, 00:08:55
Zitat von: Alana am 21. Oktober 2009, 21:55:06
Warum muss das sein?
Warum kommt ein Roman heutzutage nicht ohne grausame Folter oder anderweitiges Gemetzel aus?

Vielleicht, weil es zum Setting passt?
Ich sage es ganz offen: Bei mir wird auch gefoltert. Ganz einfach deshalb, weil etwas faul im Staate ist. Vergangene Gesetze sind die reinsten Splatterorgien. Und das fand man gut und richtig.

http://de.wikisource.org/wiki/Datei:Bamebergensis_34r.jpg
Wo du Geduld hast in der Pein/ So wird sie dir gar nützlich sein / darum gib dich willig darein

http://de.wikisource.org/wiki/Datei:Bamebergensis_35v.jpg
Wem trewe straff nit bringet frucht
Der kumpt dick in des meysters zucht
Des werck vnd zeug wirt hie anzeygt
Wol dem der sich zu tugent neygt

Man beachte den generalpräventiven Ansatz. Abschreckung durch Folter.  ::)
Solche Quellen inspirieren mich. Ich will hier keine sinnlosen Folterszenen verteidigen, aber wenn sie zum Setting gehören, dann gehören sie dazu. Und ich kann auch nicht finden, dass im Vergleich zu *ganz* früher irgendwelche Hemmschwellen gesunken sind. Die meisten Heiligengeschichten wären heute auf dem Index. 
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Silvia am 22. Oktober 2009, 00:36:28
Hm, ist mir letztens leider auch extrem aufgefallen, wenn auch vor allem bei Filmen. Ich war neugierig auf "Der Aufstand der Lykaner", und hinterher hätte ich mich dafür treten können. So ein sinnloses Gemetzel! Ich hatte am Ende nur noch das Gefühl - der Sinn dieses und ähnlicher Filme ist: Wer nicht genauso ist wie ich (Werwolfwesen oder Vampir), der gehört samt seiner Sippe zu Tode gemetzelt. Und zwar alle und zwar sofort.
Meine Güte. Hinterher bin ich in der Buffy-Serie, die ich eigentlich ganz gern mag, auch noch über eine Folge gestolpert, in der der Bösewicht sowas von nebensächlich sein Messer in ein, zwei junge NSCs sticht, dass ich die Folge nicht mehr weiterschauen mochte und jetzt eine derartige Abneigung gegen solche geistlose Töterei habe, dass es schon nicht mehr schön ist.  :(

Bei Büchern ist es mir eher selten untergekommen, außer bei Kai Meyers Sturmkönigen schon im ersten Teil ... und bei einigen Fantasy-Romanen. Ich sortier das gern vor, weil ich auch keine Lust auf zu viel Geschnetzel zwischen den Buchdeckeln habe. Das ist wohl auch ein Grund, warum ich gern Jugendfantasy lese  ;) Da ist dieser Trend noch nicht so extrem.
Ich weiß auch nicht, warum manches Buch schon mit Leichen anfängt und Konflikte so oft mit der Waffe oder einer Schlacht gelöst werden müssen? Man könnte es ja auch mal mit dem Endziel gegenseitiger Verständigung versuchen?
Aber anscheinend bringt das nicht genug Quote oder Adrenalinschübe beim Anschauen und Lesen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 22. Oktober 2009, 00:51:35
Zitat von: Silvia am 22. Oktober 2009, 00:36:28

Aber anscheinend bringt das nicht genug Quote oder Adrenalinschübe beim Anschauen und Lesen.

Ich finde es ziemlich schade, dass Gewalt in Büchern und Filmen gleich als "Blutgeilheit" gleichgesetzt wird anstatt zu überlegen, woher das Bedürfnis über Gewalt zu schreiben und zu lesen wohl herkommt.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: HeiligeSandale am 22. Oktober 2009, 01:00:27
Wenn Gewalt drastischer und offensiver geschildert wird trägt das doch eigentlich nur dazu bei, dass sie bewusster ist. Wenn ein Autor schreibt "Der Held kämpfte sich bis zum bösen König vor" klingt das nett. Was tatsächlich aber passiert ist, dass der "Held" sein Schwert in andere Menschen rammt, ihr Blut durch die Gegend spritzt, er Körperteile abtrennt und Leben beendet. Das ist hässlich und sicher nicht nett. Wenn der Autor es drastisch beschreibt ruft er also eher zu einem kritisch reflektierenden Umgang mit Gewalt auf als wenn er es weglässt. Das nämlich wäre im Grunde eigentlich nichts weiter als Verharmlosung und Verharmlosung von Gewalt ist quasi Verherrlichung von Gewalt. Was könnte die Hemmschwelle weiter senken als der Glaube, dass das "alles nicht so schlimm" sei?
Physische Gewalt ist hässlich, böse und real (jede andere auch, aber hier geht's ja um Gemetzel). Ich denke, wenn man ein gewalthaltiges Szenario beschreibt, dann doch wenigstens so angemessen dass es sich nicht liest wie ein Kindergeburtstag. Gewalt muss dem Leser sauer aufstoßen, sonst bringt es nichts, sie zu erwähnen. Und dass sie sauer aufstößt sieht man ja an den Reaktionen.
Sicherlich sollte eine Schilderung von Gewalt nicht sinnlos passieren, nur um den Text interessanter zu machen.  Aber niedere Instinkte der Quote wegen ansprechen ist eine "Kunst" die schon im altgriechischen Theater zu finden ist. Und schon damals wurde das scharf kritisiert, als demoralisierend und verrohend. Seit es Unterhaltung gibt, haben Kritiker Angst vor ihrer Wirkung. Die alten Griechen waren trotzdem eine Hochkultur. Und bis heute ist die Menschheit nicht an Unterhaltungsmedien, in welcher Form auch immer, zugrunde gegangen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Tenryu am 22. Oktober 2009, 01:03:28
Ich denke, die heutigen Kinder und Jugendlichen sind durch das Fernsehen und Computerspiele schon derart an visuelle Gewalt gewöhnt und entsprechend abgestumpft. Und viele der jüngeren Autoren gehören ebenfalls bereits der TV- und Spielegeneration an.

Und Folter ist schließlich heutzutage auch nichts mehr, was so schlimm angesehen wird, da ja auch die Guten sie anwenden. Nicht umsonst heißen Folterknechte heute "Verhörspezialisten".

Außerdem nach der Abschaffung von Moral und Sitten können die modernen Menschen viel ungezwungener ihrer natürlichen Lieblingsbeschäftigung nachgehen: sich gegenseitig umbringen oder Zuschauen, wie andere umgebracht werden.
Ob Zirkusspiele in Rom, oder Kriegsfilme und Splattergemetzel im TV. Die Menschen lieben es solche Dinge zu sehen. Das liegt in ihrer Natur. 
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: HeiligeSandale am 22. Oktober 2009, 01:26:40
ZitatAußerdem nach der Abschaffung von Moral und Sitten können die modernen Menschen viel ungezwungener ihrer natürlichen Lieblingsbeschäftigung nachgehen: sich gegenseitig umbringen oder Zuschauen, wie andere umgebracht werden.

Na na na ... Die natürliche Lieblingsbeschäftigung des Menschen ist glaube ich etwas anderes, viel weniger düsteres ...  ;)
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Tenryu am 22. Oktober 2009, 01:33:56
In meinem Alter nicht mehr...  :engel:
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Cythnica am 22. Oktober 2009, 06:42:33
War die Lieblingsbeschäftigung des Menschen nicht schon von der Steinzeit an, mit einer Maus auf einer animierten Oberfläche rumzuschießen, bis man knöcheltief in virtuellem Blut steht?  Mysteriös...

Ich denke bei diesem Thema auch, dass da sehr viel Kritik drin versteckt sein soll, gerade, weil ein großer Staat im weiten Westen in den letzten Jahren stark durch berichte über Folter und dergleichen, welche sich aller Menschlichkeit entzogen haben, glänzte, und zunächst einmal niemand etwas davon zu merken schien.
Ich denke, die Darstellung von Folter ist in vielen Sinnen zweischneidig. Sicherlich wirkt es für manche Menschen senkend auf die allgemeine Hemmschwelle, wenn sie solche Szenen sehen und auch noch spaß dabei haben - aber viele Filme sind ja auch gerade so gedacht, dass Menschen sich letzten Endes davor ekeln sollen und so zu der Frage kommen, wieviel Gewalt in jedem Menschen stecken kann und was man dagegen tun kann.
Für mich war die Bordsteinszene in American History X zum Beispiel immer eine essentielle Sache - Natürlich war sie ekelhaft und schockierend aber meiner Ansicht nach gehört sie einfach in den Film, gerade weil sie auf solch erschreckende Weise zeigt, was passiert, wenn man unter all seinem Hass seine Menschlichkeit verliert.

In meinen Büchern geschieht denke ich auch relativ viel Gewalt, zwar größtenteils im Kampf gegen fiktionale Wesen, aber für mich macht das nicht wirklich Unterschied zu Gewalt gegen Menschen... aber ich hab mir eigentlich schon Mühe gegeben, die Beschreibungen eher Schwach zu halten und es nicht allzu herrlich darzustellen. Jeder Charakter, der wirklich eine positive Einstellung zur Gewalt hat, scheitert letztlich auch irgendwo wieder daran.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Artemis am 22. Oktober 2009, 08:50:00
Gewalt gehört zum Leben dazu. Als Schutzmechanismus, als Kampf um den Platz des Alphatieres, als Überlebensinstinkt. Jedes Tier tötet, um sich zu schützen oder nicht zu verhungern. Wir bezeichnen es als Folter und Gemetzel, wenn ein Mensch bis zu seinem Tod gequält wird. Aber wenn ein Krokodil in Afrika eine Antilope schnappt und auffrisst, während diese noch lebt ... ist das keine Folter? Oder wenn die vollgefressene Mietze eine Maus fängt und so lange mit ihr spielt, bis das Tierchen tot ist, um es daraufhin einfach liegen zu lassen - ist das kein Mord aus niederen Gründen?

Versteht mich nicht falsch, ich heiße Gewalt und Folter auch nicht gut. Aber mir geht es auf den Senkel, dass sich die Lager teilweise derart extrem verhalten. Die einen, die nach Splatter und Blut hungern, und die anderen, die es absolut verdammen und alles Böse der Welt auf den Schultern jener Fans fiktionaler Gewalt abladen. Bestes Beispiel ist ja immer noch der Punkt Shooter-Fan = Amokläufer.

Dass der Hang zu Gewalt heutzutage gestiegen sein soll, halte ich für Unfug. Mag sein, dass die Jugend vermehrt zu Splatter und blutigen Action-Spielen tendiert. Früher hatte man die nicht, dafür gab es eben andere hübsche Sachen: Folterkeller, öffentliche Hinrichtungen, blutige Gemetzel und Überfälle, Gladiatorenkämpfe, Opferzeremonien, was weiß ich. Damit konnten sich schon immer die Massen begeistern lassen.
So was in unserer modernen Welt? Undenkbar, viel zu brutal!

Aus dem Grund kann ich über den ewigen Kampf von Politik und USK gegen die Gewalt nur den Kopf schütteln. Die Menschen haben sich schon immer gern in das geflüchtet, was sie erschreckt, verstört, fasziniert. Und da wird man mit Verboten und guten Worten kaum was ändern können. Im Gegenteil - das Verbotene war schon immer das Interessanteste.

Zitat von: Nachtblick am 21. Oktober 2009, 22:11:37
Neulich fragt der 13-jährige (!) Kumpel meines Bruders, ob wir auch "brutale Filme haben, aber richtig brutal". Ich, völlig verblüfft, hatte keine schlagfertige Antwort parat und habe verneint, und er starrt mich an, überlegt und sagt dann ebenso verblüfft: "Nicht mal Saw?" *augenreib*

Du hast Saw noch nicht gesehen, oder?
Ich gebe ganz offen zu: Ich hab den ersten Teil gesehen, und ja, ich fand ihn gut. Auf seine Weise. Pyschologisch und handwerklich betrachtet war er einer der besten Horrorstreifen, die ich je gesehen habe. Die Gewalt war nicht blutrünstig und eklig, schockierend zwar, aber erträglich. Und die Entwicklung und Windungen der Story haben mich am Ende mit offenem Mund dastehen lassen.
Die anderen Filme der Saw-Reihe suhlen sich nur noch in fantasievollen Gewaltorgieren, denen fehlt der eigentliche tiefgründige Sinn. Offenbar sind da die Macher dem Mainstream verfallen und backen Weißbrot-Filme für die breite Masse, die ihr Hirn nicht einschalten will.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Geli am 22. Oktober 2009, 08:54:42
@Tenryu - Du isst nicht mehr?
Fantastisch! Kannst Du mir verraten, wie Dir das gelingt?

Nein, Scherz beiseite und zurück zum eigentlichen (Folter)Thema.
Ja, Ihr Lieben!
Es ist nun einmal so. Wenn in Buch oder Film A ein Mann auf die Streckbank muss, müssen in Buch oder Film B mindestens ein paar Glieder ausgerissen werden. Streckbank ist ja schon nicht mehr neu.

Die Olympiade des Schreckens richtet sich ebenfalls nach schneller, höher, weiter.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: FeeamPC am 22. Oktober 2009, 09:06:39
Wenn ich in meinen Büchern die ganze Bandbreite menschlichen Verhaltens nutzen will, umd Charakter und Handlung interressant und vielschichtig zu machen, komme ich manchmal nicht um Gewalt, Folter und Brutalität herum.
Ich finde diese Themen erst dann falsch, wenn sie auf Gewaltverherrlichung hinauslaufen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 22. Oktober 2009, 09:14:34
Zitat von: FeeamPC am 22. Oktober 2009, 09:06:39
Ich finde dieses Themen erst dann falsch, wenn sie auf Gewaltverherrlichung hinauslaufen.

Das finde ich auch. Warum sollte Jugendfantasy weichgespült sein? Wenn der Plot eine Folterszene braucht, dann ist das eben so. Vielleicht liegt der Aufschwung von Gewalt auch einfach daran, dass Autoren nicht mehr so sehr darauf bedacht sind, ihre Leser als zu behütende Schützlinge anzusehen sondern als junge Menschen, denen man ernste Themen zutrauen kann. Übrigens glaube ich nicht, dass irgendwer auf der Suche nach dem schnellen Kick nach Blut ein vierhundert-Seiten langes Buch zur Hand nimmt. Wer wirklich einfach nur sehen will, wie jemand abgestochen wird, der geht auf youtube.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Ary am 22. Oktober 2009, 09:46:59
Das Krokodil und die Antilope oder die mit der Maus spielende Katze kann man aber nicht wirklich mit dem vergleichen, was Menschen tun, finde ich. Sicher - es sieht unglaublich grausam und brutal aus, was da in freier Wildbahn abgeht, aber es als "Morden" zu bezeichnen finde ich arg vermenschlicht.
Nüchtern und mit den Augen der Zoologin betrachtet, die ich nun mal bin - Das Krokodil jagt die Antilope und frisst sie. Raubtiere tun das. Sie jagen, sie fressen, um zu überleben. Sie folgen ihrem Instinkt. Sie wollen nicht bewusst ihre Beute quälen.
Die Katze, die mit der  Maus spielt, trainiert ihre Jägerfähigkeiten. Ich will damit nicht sagen, dass ich das toll finde. Wenn unser Kater sowas macht, kriege ich regelmäßig die Krise. Aber die Katze folgt ihrem angeborenen Instinkt. Sie wird sich nicht ändern. Sie weiß nicht, was "Folter" ist. Sie weiß nicht, dass das, was sie tut, in den Augen des beobachtenden Menschen grausam ist. Sie tut, was ihr Instinkt ihr sagt, und das ist das, was sie zum Überleben braucht - sie übt, sie jagt und sie frisst. Zumindest, wenn sie eine Wildkatze ist oder eine ausgewilderte Hauskatze, die nicht jeden Morgen den Napf mit Whiskaskittekatbrekkis vorgesetzt bekommt.
Je länger ich unseren kater beobachte, desteo mehr sehe ich, dass auch in der schon seit Generationen domestizierten Hauskatze noch immer ein Raubtier steckt. 

Wenn ein Mensch ganz bewusst einen anderen quält, ist das in meinen Augen etwas vollkommen anderes. Wenn ein Mensch einen anderen foltert, dann will er ja quälen und will bewusst Schmerz zufügen. genaos, wenn ein Wensch ein Tier quält, einfach aus Lust am leid eines anderen Wesens. Und wenn solche Darstellungen übertrieben blutig sind, dann dreht sich mir auch der Magen um.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 22. Oktober 2009, 09:53:26
Zitat von: Aryana am 22. Oktober 2009, 09:46:59
Und wenn solche Darstellungen übertrieben blutig sind, dann dreht sich mir auch der Magen um.

Aber das ist ja der Sinn der Sache, denke ich, und eine völlig normale und gesunde Reaktion darauf, und zeigt ja gerade dass solche Szenen nicht als "Yay, mehr Blut! GEIL!" empfunden werden. Wie gesagt, ich denke nicht dass jemand, der die Muße hat zu lesen es tut, weil er Blut "sehen" will.

Ich mag auch keine Gewalt in Büchern, die der Gewalt wegen drin ist, und nach der vierten Folterszene in einem Buch nutzt sich das Prinzip auch irgendwann ab. Trotzdem finde ich, dass solche Szenen als Spiegel der menschlichen Natur dazugehören, auch in Jugendbüchern--vorausgesetzt, es passt zum Plot.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Silvia am 22. Oktober 2009, 10:25:44
"Spiegel der menschlichen Natur" und "Zeigen der Realität" gut und schön ... aber warum  zum Kuckuck sind Gewalt und Rachefeldzüge denn so oft am Ende DAS Mittel, um einen Konflikt zu lösen? Warum wird so selten dabei versucht, auch mal nach anderen Wegen zu suchen, die ebenso möglich wären? Warum muß eine Handlung oft derart ausgereizt werden, dass ich am liebsten rufen möchte - hallo Leute, kommt mal wieder runter auf den Teppich, das geht auch anders und etwas weniger verschwenderisch im Umgang mit Körpern und Menschenleben?
Im täglichen Leben zeigt sich ja auch - der Mensch kann beide Seiten, wenn er denn will. Denn einfach ist es sicher nicht, nen Konflikt, auch auf dem Papier oder im Film, auf andere Weise zu lösen als den jeweiligen Gegner ins Gras beißen zu lassen. Aber wahrscheinlich zu langwierig - oder zu langweilig? - für den Leser/Zuschauer.
Ich weiß es nicht. Das ist eine Sache, bei der ich immer wieder mit dem Kopf schüttle, die mir einfach fremd ist.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 22. Oktober 2009, 10:36:44
Mir kommt Gewalt und Sex in mancher Literatur und auch in Film und Fernsehen zu oft vor. Ich spreche jetzt absichtlich beides an, weil es mir ganz häufig als absolut überflüssig vorkommt.
Nun ist es natürlich ganz normal, dass in Literatur ab und an mal eine Szene vorkommt, wo man die Beweggründe kaum nachvollziehen kann und sowieso die ganze Szene relativ nutzlos ausschaut, aber als Idealist denke ich da, Grenzen sind einfach unheimlich wichtig!

Wenn es der Geschichte dient, wenn es real erzählt werden soll, dann muss es eben so sein. "Pans Labyrinth" - da hat es für mich gepasst.

Aber gerade bei Jugendbüchern - ich weiß ja nicht. Pornoszenen einbauen, weil nunmal der Prota sein erstes Mal erlebt? Damit will ich sagen: Klar kann man Gewalt zeigen, aber die Gewalt muss ja nicht zwangsläufig gewaltig ausgeschrieben werden. Weswegen das "Wie" zumindest für mich eine sehr große Rolle spielt.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 22. Oktober 2009, 10:44:45
Ich glaube, hier werden zwei völlig verschiedene Diskussionen geführt. Einmal, ob Gewalt an sich zu oft in Büchern vorkommt und dann die Art, wie solche Gewalt beschrieben wird.

Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moni am 22. Oktober 2009, 11:12:28
Zitat von: Steffi am 22. Oktober 2009, 10:44:45
Ich glaube, hier werden zwei völlig verschiedene Diskussionen geführt. Einmal, ob Gewalt an sich zu oft in Büchern vorkommt und dann die Art, wie solche Gewalt beschrieben wird.

Danke für diese Feststellung, der Gedanke kam mir nämlich auch gerade...  Seid doch so gut und einigt euch auf ein Thema.  ;)
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Tenryu am 22. Oktober 2009, 11:18:03
Ich denke, daß der übermäßige Gebrauch von Gewalt in manchen Fällen auch einfach in der Unfähigkeit der Autoren (vielleicht auch ihrer Faulheit) begründet liegt. Denn es ist natürlich einfacher, eine Figur durch eine simple böse Tat als Bösewicht zu qualifizieren, denn sie mit einer differenzierten Persönlichkeit auszustatten. Und ihren Charakter auf subtilere Art auszuloten. Das ist im Film nicht anders. Ein paar Liter Kunstblut lasen sich leichter beschaffen, als ein Regisseur, der die symbolhafte Bildsprache eines Alfred Hitchcock beherrscht.

Zum anderen gibt es eine unerfreuliche Tendenz, die jugendlichen Leser zu unterschätzen. Anscheinend traut man ihnen nicht zu, auch zwischen den Zeilen zu lesen, sich ein Bild von dem Wesen der Figuren und ihrer Motivation zu machen. Also läßt man den Bösewicht irgend eine (oft völlig unmotivierte) Grausamkeit begehen, und schon weiß der Leser, mit wem er es zu tun hat.

Viele Bücher stotzen nur so von Stereotypen und Clichés, und dazu gehört leider auch oft die Schilderung von Gewalt.

Ich persönlich werde (wie wohl die meisten Menschen) durch Gewalt mit der Zeit abgestumpft. Filme mit Schockeffekten verlieren ihre Wirkung. Dabei sind die gruseligsten Filme in der Regel, jene, in denen nicht literweise Blut fließt, sondern, die, wo das Monster die meiste Zeit unsichtbar bleibt.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Möchtegernautorin am 22. Oktober 2009, 11:34:49

Bedauerlicherweise muss ich zugeben, mir ist die Fülle an Gewalt auch schon aufgefallen.
Ich schließe nicht aus, dass ich seit ich Mutter bin, was so etwas angeht einfach sensibler geworden bin, aber allgemein frage ich mich schon des Öfteren, weswegen das nun sein musste; wenn ich wirklich keinen Sinn dahinter sehe. Ich denke mir: ja gut, der ist brutal, das weiß ich doch schon, hatten wir vorher schon mal.

Bei Filmen stolpere ich öfter darüber, als bei Büchern. Zum einen scheine ich eingutes Händchen für meinen Lesestoff zu haben und zum anderen habe ich ohnehin nicht so viel Zeit, dass ich alle zwei Wochen etwas Neues bräuchte.
Gerade das Buch, welches ich jetzt lese – ein Rollenspielroman – hatte allerdings eine Folterszene, bei der ich mich gefragt habe, ob das jetzt notwenig war. Andeutungen hätten mir gereicht – zum Glück kann ich so etwas immer noch realistisch medizinisch hinterfragen, wenn ich mich schon nicht hineinversetzen möchte ::)
Andererseits muss ich aber zugeben: Das Buch, welches ich gerade davor gelesen habe, hätte eine gute Folterszene gebrauchen können ... da erschienen mir die Bösen alle so flach und ... unspektakulär. Es wurde immer gesagt, dies und jenes sei total böse, Weltenzerstörer, bla bla. Es wurden sogar verschiedene Szenen geschrieben, in denen sie sich gegenseitig vernichteten aber das war alles sehr blass und emotionslos.

Von daher: Eine Szene lasse ich mir gefallen, wenn sie wirklich Sinn macht. Aber dauernd? Nein, da feuer ich das Buch in die Ecke oder schalte im Fernseher ein anderes Programm ein.

Zitat von: Silvia am 22. Oktober 2009, 00:36:28
Meine Güte. Hinterher bin ich in der Buffy-Serie, die ich eigentlich ganz gern mag, auch noch über eine Folge gestolpert, in der der Bösewicht sowas von nebensächlich sein Messer in ein, zwei junge NSCs sticht, dass ich die Folge nicht mehr weiterschauen mochte und jetzt eine derartige Abneigung gegen solche geistlose Töterei habe, dass es schon nicht mehr schön ist.  :(
<hand reich> Zumindest bin ich da nicht die einzige, auch wenn es bei mir sicherlich mehr mit meiner Überempfindlichkeit zusammenhängt, was Kinder angeht.
Dabei bin ich mit der Serie noch sehr glücklich. Es wird zwar geschlagen und gekämpft, aber das ist alles nicht so ... ernst.

Allerdings ziehe ich daraus noch einen anderen Schluss: Ich sehe die Dinge anders, als ich sie noch vor zehn Jahren gesehen habe. Ich habe mich schließlich auch verändert. Früher hätten mich solche Dinge, solche Überlegungen nicht gekratz. Vielleicht habe ich sie einfach hingenommen oder sie übersehen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 22. Oktober 2009, 12:38:37
Ehrlich gesagt war ich von der "Tiefgründigkeit" von "Underworld" überrascht - ich hatte eigentlich nur sinnloses Gemetzel erwartet, habe ich dann auch bekommen, inclusive der sinnlosen Verschwendung von Munition. Der Film hatte im Grunde eine ganz gute Story und hätte die ganze Gewalt garnicht gebraucht, wenn man es nur richtig gemacht hätte.

Ich weiß nicht, ob ein Buch detailliert beschriebene Folterszenen wirklich nötig hat. Es müssen nicht nur Andeutungen sein, aber so genau will ich das alles dann auch nicht wissen. Wenn ich allerdings ein Buch oder einen Film habe, der sich genau mit dieser Thematik, der sinnlosen Gewalt oder so etwas, auseinander setzt, dann sind soclhe Szenen sogar nötig. Auch um einen Protagonisten ins schlechte Licht zu rücken im Sinne von "er mordet, um seine Ziele durchzusetzen, die er für Richtig hält" könnte ich mir Gewalt als angebracht vorstellen.

Filme wie Saw sind aber wirklich unnötig - es geht nur um Gewalt. Vielleicht hatte der erste Film noch eine etwas subtilere Story, aber z.B. in Teil 4 ging es nur noch darum Menschen auf möcglichst grausame und - zugegeben - kreative Art und Weise umzubringen.

Gewalt wird immer brutaler, vielleicht wird die breite Masse auch anspruchsloser. Wenn es geht werde ich auf jeden Fall auf zu brutale gewalt verzichten. Bei Kai Meyers Sturmkönigen aht das für mich mehr oder weniger dazugehört - grausame Welt, grausame Gewalt. Ich denke, vielleicht wäre weniger gewalt sogar unrealistisch gewesen, ob es gefällt, ist jedoch eine andere Frage.

Gewalt sollte eher in der Geschichte sein und keine Geschichte in der Gewalt, ich hoffe jemand versteht was ich damit meine.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 22. Oktober 2009, 13:40:59
Zitat von: Silvia am 22. Oktober 2009, 10:25:44
"Spiegel der menschlichen Natur" und "Zeigen der Realität" gut und schön ... aber warum  zum Kuckuck sind Gewalt und Rachefeldzüge denn so oft am Ende DAS Mittel, um einen Konflikt zu lösen?

Leider nicht erst am Ende, sondern von Anfang an - und jeder Handlungsablauf zielt genau darauf hin.


Zitat von: Silvia am 22. Oktober 2009, 10:25:44
Warum wird so selten dabei versucht, auch mal nach anderen Wegen zu suchen, die ebenso möglich wären?

Im täglichen Leben zeigt sich ja auch - der Mensch kann beide Seiten, wenn er denn will.

Weil ebendies nicht vom Instinkt des Menschen getrieben wird, sondern erlernt werden muß. Jeder Lernprozess in dieser Hinsicht lenkt den eigenen Blick zwangsläufig auch auf die eigene Person. Da könnte man ja mit sich selbst konfrontiert werden, etwas finden, was vielleicht nicht so glorreich, nicht so perfekt ist, nicht so stark ... . Die eigene Fehlbarkeit zu erkennen kann sich als überaus schwierig erweisen, und diese dann noch vor anderen entblößen macht verwundbar ... Insofern könnte natürlich auch kein Bedarf an alternativen Lösungen bestehen, also warum darüber lesen, warum sehen?
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Wuo Long am 22. Oktober 2009, 14:20:37
Ich würde gerne auch noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen, der in der Diskussion bisher glaube ich nur angekratzt wurde: Die Unterscheidung zwischen körperlicher und seelischer/psychologischer Gewalt oder Folter. Hauptdiskussionspunkt bisher bezog sich ja auf den körperlichen Aspekt. Einerseits denke ich, dass dieser körperliche Aspekt der Gewalt in vielen Medien (besonders Filme oder Computer-Spiele) überhand nimmt, zur Abstumpfung führt und manchmal in die Gewaltverherrlichung abdriftet, was auch die Meinung einiger anderer Beiträge wiederspiegelt.

Andererseits sehe ich in der übermäßigen Darstellung körperlicher Gewalt noch ein anderes Problem: Sie lenkt von der Anwendung seelischer Gewalt ab, die denke ich genauso verachtenswert ist, allerdings im Gegensatz zur körperlichen Gewalt ein viel schattenhafteres Dasein führt.
Was ist z.B. Mobbing anderes als systematische Anwendung von seelischer Gewalt, die sich gegen eine einzelne Person richtet? Ist es in unserer modernen, westlichen Gesellschaft nicht wesentlich häufiger als ein Amoklauf? Mobbing kannte ich aus meinem persönlichen Umfeld in der Schule, Amokläufe nur aus dem Fernsehen. Bekommt es dieselbe Medienpräsenz? Ist es weniger schlimm?

Ich benutze Gewaltszenen in meinen Geschichten, auch körperliche Gewalt. Beim Detail der Darstellung habe ich fast keine Hemmungen, so lange ich es für den Plot als wichtig oder unterstützend erachte. Mein Hauptkriterium für eine "schlechte" Gewaltszene ist es, wenn nur oder hauptsächlich der Aspekt der körperlichen Gewalt zum Tragen kommt, ohne dass auf den seelischen Aspekt eingegangen wird.
Was tut sich im Inneren einer Person, die gefoltert wurde? Wie kommt sie damit zurecht? Kann sie dieses Erlebnis ohne bleibende psychische Schäden überhaupt verarbeiten? Wagt sie es überhaupt noch in Zukunft, einer anderen Person näher zukommen, ohne sich um ihre körperliche Unversehrtheit zu fürchten?
Das sind Aspekte, die finde ich viel zu oft vernachlässigt werden.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Kati am 22. Oktober 2009, 17:29:03
Mir ist auch aufgefallen, dass in vielen Büchern (besonders in Jugendbüchern) mehr Gewalt beschrieben wird, als noch vor ein paar Jahren. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ungefähr seit den 60ern alles lockerer geworden ist. Heute schreit doch kaum noch jemand empört auf, wenn in einem Film oder Buch jemand brutal gequält wird.

Meiner Meinung nach ist das allerdings nicht besonders gut. Natürlich gehört Gewalt zu Geschichten dazu, sie kommt nun einmal leider auch im wahren Leben vor, und ein Bösewicht, der alles nett ausdiskutiert...wer kann sich den vorstellen?
Trotzdem muss die Gewalt nicht so beschrieben werden, dass mir davon schlecht wird oder ich Albträume bekomme (oder beides).

Zu HeiligeSandale: Ja, auch, wenn es nicht so offensichtlich und brutal beschrieben wird, geschieht eigentlich die gleiche Handlung. Trotzdem finde ich nicht, dass das Verharmlosung ist. Ich finde, es ist einfach anspruchsvoller. Wenn sich ein Held "bis zum König durchkämpft", weiß ich doch trotzdem, dass die feindlichen Krieger ihn nicht einfach höflich durchgelassen haben. Ich weiß das und deshalb muss der Autor mir nicht seitenlang erklären, was genau der Held mit welchem Krieger anstellt.

LG,

Kati
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lucien am 22. Oktober 2009, 17:35:54
Zu Wuo Long:
Ich gebe zu, ich beschreibe auch die eine oder andere Folterszene, aber auch nur dann, wenn sie wichtig ist und detailiert beschreibe ich sie nur dann, wenn es sich um eine Schlüsselszene handelt (ich bin der Meinung, Schlüsselszenen müssen einfach detailiert sein).
Wenn ich in meinen Werken foltere, kommt die rein physische Folter für gewöhnlich nicht alleine.
Der Reiz der seelischen Folter liegt meiner Meinung nach darin, dass sie komplizierter ist. Sticht man einem Opfer ein Messer in die Seite, beginnt es zu schreien. Zweck erfüllt. Aber was muss man tun, damit es Seelenqualen erleidet? Wann erleidet es den totalen Nervenzusammenbruch?

Gewalt geht so tief in die menschliche Psyche. Wer fragt sich schon, was in einem Menschen vorgeht, der einer alten Frau über die Straße hilft? Kaum jemand. Aber wehe, selber Mensch geht hin und schießt die alte Frau einfach über den Haufen! Dann fragt man sich, warum tut der das?
Ich denke, in einem Buch, in dem Gewalt und Folter überlegt und sinnvoll angewendet werden, wird der gleiche Effekt erzielt. Ich finde in solchen Büchern oder Filmen - wenn vielleicht auch nur für mich persönlich - einen tieferen Sinn, eine Aussage hinter der hübschen Geschichte, die vielleicht bei weitem erschreckender ist.
In solchen Fällen kann ich mir vorstellen, dass der Autor bewusst ein Ziel erreichen will, wenn er Gewalt beschreibt.
Was allerdings das völlig sinnlose Gemetzel angeht, schließe ich mich der Meinung an, dass sowas nicht unbedingt sein muss, es aber - leider - oft den Geschmack der Leser trifft.
Andererseits habe ich eben über Alternativen zur Gewalt nachgedacht, die ein Buch ebenfalls spannend machen und bin im Geiste mal ein paar Bücher durchgegangen, die wirklich ohne Folter und Gemetzel auskommen (da sind mir nur Liebesromane eingefallen  :-\ ).
Da bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich persönlich dann zu verstricken Rätsel-Handlungen greifen würde, in denen der Reiz darin besteht, hinter ein Geheimnis zu kommen. Allerdings mag sich vielleicht nicht jeder Autor die Mühe machen, sich solch verstrickte Plots auszudenken?

LG

Jenny
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 22. Oktober 2009, 17:37:39
Ich denke auch, dass das "Wie" stark mit der Häufigkeit zusammenhängt. Denn von der angesprochenen Szene, wie sich der Held zum König durchschlägt, gibt es seit jeher genug Szenen. Da sich aber da Wie geändert hat, hat sich auch die Häufigkeit geändert oder eben auch nicht - es ist vielleicht auch nur offensichtlicher geworden.

Aber den Punkt des Anspruchs finde ich ziemlich gut. Wenn jemand durch die Tür geht, muss ich eben nicht zwangsläufig beschreiben, wie er die Klinke runterdrückt. Selbst wenn das Durchschreiten der Tür das Charakterbild prägt, kann die Tat in einem Satz abgehandelt werden.

Ob nun tatsächlich mehr gefoltert wird als früher ... das weiß ich eigentlich gar nicht genau. Könnte es auch einfach relativ sein - gemessen an den vermehrten Bücherveröffentlichungen?

Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Nachtblick am 22. Oktober 2009, 17:38:04
Zitat von: Artemis am 22. Oktober 2009, 08:50:00Du hast Saw noch nicht gesehen, oder?

Ich geb zu, ich wollte es eigentlich vermeiden. Ich erinnere mich, dass wir einen Film aus der Saw-Reihe auf einem Austausch in Schweden gesehen haben, auf irgendeiner DVD-Nacht, und das, was ich mitgekriegt habe, war nicht schön, aber auch nicht viel, daher kann ich dazu eher wenig sagen. Vorerst bleibt das auch so ;D
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Agrona am 22. Oktober 2009, 18:03:58
Weil das Böse faszinierend ist.
Was wäre das denn für ein Buch oder ein Film ohne böse Charaktere?
Sicher man könnte den Bösen auch wie bei Dornröschen nur einen Fluch belegen lassen aber Folter ist realistischer. (Bei Fantasie spielt das zwar weniger eine Rolle aber bei dem Rest...)
Zu dem kommt das man sich mittlerweile an eine bestimmte Bösartigkeit gewohnt hat... und der Böse muss natürlich wirklich richtig böse sein.. also lässt man ihn foltern. Das Böse muss dir einen Kick geben.. (finde ich persönlich) du musst Angst haben.. das Böse fühlen und denken - Oh mein Gott!
Es geht natürlich auch ohne Folter.. und sogar sehr gut und bösartig ;)
Naja.. nun bin ich meine Meinung los.. ah noch was:
Vielleicht auch weil manche oder viele Menschen taub sind.. sich dran gewöhnt haben und der "Kick" größer werden muss um sie zu erschrecken.. abgestumpfte Wesen. Man könnte sich das wie einen Junky vorstellen..

Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 22. Oktober 2009, 20:26:45
Gewaltdarstellungen und -beschreibungen finde ich einfach nur plump und phantasielos. (Das ruft bei mir auch nicht den Würgereiz hervor. Den bekomme ich nur dann, wenn jemand spukt, sich übergibt oder - pardon - rotzt ... oder bei der Vorstellung, das Essen in einem Spuknapf zu kochen, auch wenn der dreimal vorher ausgewaschen wurde  :-\)

Man braucht keine ekzessiven Foltermethoden vor die Nase gesetzt bekommen, um sich zu gruseln. Kennt jemand den Film "Der Wolf hetzt die Meute" mit Clint Eastwood? Na gut, die Opfer wurden dort gezeigt, das Ergebnis, aber nicht die Tat an sich. Dennoch ging der fürchterlich unter die Haut. In etwa zu der Zeit, als dieser Film gedreht wurde, gab es eine Diskussion zu einem anderen Film, dessen Titel mir leider entfallen ist. In diesem Film wurde jemandem der Finger abgeschnitten. Den eigentlichen Vorgang haben sie nicht gefilmt, dennoch haben die Zuschauer das gesehen. Einige hätten sicherlich sämtliche Eide darauf geschworen es gesehen zu haben. In meiner Jugend standen "Freitag, der 13te" und "Muttertag" auf dem Index aufgrund der Gewaltdarstellungen. Damals wurde noch darüber diskutiert, sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Heutzutage habe ich das Gefühl, daß es als gegeben hingenommen wird, daß nichts mehr hinterfragt wird.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Cythnica am 22. Oktober 2009, 21:00:39
Wobei ein Beispiel für Filme, die einen unglaublich starken Einfluss nehmen können, indem sie die furchtbare Gewalt zwar deutlich machen, aber nicht überziehen "Die durchs Feuer gingen" ist - Mit Robert de Niro und Cristopher Walken.
Ein Antikriegsfilm dessen Kriegssequenz vielleicht 15 Minuten der 3 Stunden Gesamtzeit ausmacht, aber diese 15 Minuten mitsamt der Reaktionen der Soldaten darauf und deren Unfähigkeit, in ihr altes Leben zurückzukehren, machen den Film für mich um einiges hefitiger als z.B. "Der Soldat James Ryan" - der ja im Prinzip kaum eine Gemetzelfreie Szene hat.

Ich muss auch ehrlich zugeben, ich habe den Streifen 300 gesehen, der nun wirklich nichts als sinnlose Gewalt beinhaltet und vllt mal 1-2 ganz gute Zitate... ( "Eine Ehre, an eurer Seite gelebt zu haben" ) - und ich fand ich schon ganz nett zu gucken.
Ich nehm mir solche fiktionalen Sachen nicht immer direkt zu Herzen, genaugenommen tu ich das nichtmals immer mit den Realen, sonst würde ich sicherlich auch mit meinem Job unmöglich auf mein Leben klar kommen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Churke am 22. Oktober 2009, 21:09:53
Ich habe mal ein Foto aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert gesehen.
Das Foto war nach einem Duell aufgenommen. Da standen ein paar Schaulustige herum und... vorne auf dem Boden lag ein Körper. Etwas daneben der Kopf.
Der Typ ist beim Duell mit einem Säbel geköpft worden. Absolut krass, weil es nämlich brutal schwer ist. Außerdem muss der Hieb mit direktem Tötungsvorsatz geführt worden sein.

Schwertkampf ist keine edle Veranstaltung wie im Film und ich sehe keinen Grund, weshalb ich das verharmlosen sollte. Wenn mir das nicht gefällt, dann brauche ich den Helden ja nicht zum Schwertkämpfer zu machen. 
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Joscha am 22. Oktober 2009, 21:15:27
Übermäßige Gewaltdarstellungen sind mir bisher vor allem in Filmen untergekommen, in Büchern weniger. Was vielleicht auch daran liegt, dass die meisten Bücher, die ich lese, etwas älter sind. Ich glaube prinzipiell nicht, dass Killerspiele oder die zunehmende Gewalt in Filmen und anderen Medien Menschen schaden oder gar ihre Hemmschwelle senken, aber ich finde Filme, die sich eigentlich nur um Gewalt drehen, schlicht und ergreifend langweilig bzw. muss mich manchmal überwinden, sie weiter anzusehen. Das fällt mir vor allem bei den neuen James-Bond-Filmen auf. Die alten Bondfilme mag ich gern, deren Hauptthema ist zwar Gewalt und Schießerei, aber sie haben in gewisser Weise etwas parodierendes. Bei den neueren Bonds (besonders Casino Royale) habe ich allerdings häufig den Eindruck, dass dieser Charme verloren geht und der puren Gewaltdarstellung geopfert wird.

In Büchern habe ich diese Tendenz allerdings weniger beobachten können und sie würde mir auch nicht so viel ausmachen. Ich beurteile ein Buch seit jeher an seiner Handlung und der Vielschichtigkeit seiner Charaktere, Gewalt ist für mich kein Bewertungskriterium, ich finde sie nur schlecht, wenn aufgrund ihrer auf subtilere Charakterdarstellungen oder Entwicklungen verzichtet wird.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 22. Oktober 2009, 21:18:44
Es geht eigentlich nicht um die Frage Gewalt ja oder nein, es geht um das wo, wie und warum. Wenn es wie gesagt um einen Film über traumatisierte Soldaten geht, dann könnte man gar keinen gewaltfreien Film machen und of unterstreicht Gewalt den Charakter eines Protagonisten, z.B. kann sie zeigen, wie skrupellos er vorgeht um seine Ziele durchzusetzen. Gewalt einfach nur der gewalt wegen, einfach weil es Spaß machen und Unterhalten soll halte ich jedoch nicht für sinnvoll. Dahinter steht immer das Leid einer anderen Person und daran sollte man sich nicht ergötzen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Rhiannon am 22. Oktober 2009, 21:52:04
Also es gibt Filme und wohl auch Bücher, die in meinen Augen völlig sinnfrei sind und nur dazu dienen, die Blutrünstigkeit der Zuschauer bzw. Leser zu befriedigen.  Und Menschen sind nun einmal nicht gerade wenig blutrünstig. Was früher Gladiatorenkämpfe waren und später öffentliche Hinrichtungen sind heute eben die Filme. Es gab immer Menschen die das mochten und Menschen, die das nicht leiden konnten.

Ich gehöre auch zu Letzteren, aber deswegen gibt es in meinen Werken trotzdem manchmal gewalttätige Szenen. Eine meiner Protas ist eine Kriegstreiberin und Mörderin der Schlimmsten Sorte, aber nicht um der Gewalt willen, sondern, weil ich hier zeigen will, was aus einem vergessenen Gewaltopfer werden kann.

Was ich damit sagen will ich denke, es kommt sehr darauf an, was man mit der Gewalt anstellt und aus welchem Blickwinkel man sie zeigt. Zeige ich sie verherrlichend oder mache ich eher auf ihre Schrecken aufmerksam? Lobe ich den Helden für etwas, wofür ich den Bösewicht auspfeife, oder gebe ich zu, dass der Held sich die Hände ebenso mit Blut bekleckert hat, wie der Bösling?

Und weiterhin: Da viele Bücher in einem mittelalterlichen Setting spielen, da gehört so etwas dazu. Den einfach nur fragenden Inquisitor, oder den nicht vorhandenen Henker oder so nimmt mir keiner ab.
Allerdings kann man es natürlich auch übertreiben und dann stehe auch ich kopfschüttelnd da. Aber sagen: Gewalt darf nicht sein! ist auch Quatsch, denn Gewalt wird es, wo es Menschen gibt, immer geben
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Alana am 22. Oktober 2009, 22:54:40
Wenn Gewalt dazu dient, den Leser dazu zu animieren, etwas dagegen zu tun, dann ist das auf jeden Fall akzeptabel.
Aber ich habe das in fast keinem Buch so empfunden.
Ich habe es wirklich mehr so empfunden: Es ist der Trend der Zeit und daher muss so eine Szene rein.

Ich wünsche mir jedenfalls die Zeit zurück, in der ich dachte, der Tod wäre das schlimmste, was einem passieren kann.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lomax am 22. Oktober 2009, 23:35:03
Zitat von: Nightingale am 22. Oktober 2009, 17:29:03Zu HeiligeSandale: Ja, auch, wenn es nicht so offensichtlich und brutal beschrieben wird, geschieht eigentlich die gleiche Handlung. Trotzdem finde ich nicht, dass das Verharmlosung ist. Ich finde, es ist einfach anspruchsvoller. Wenn sich ein Held "bis zum König durchkämpft", weiß ich doch trotzdem, dass die feindlichen Krieger ihn nicht einfach höflich durchgelassen haben.
Ähm, nein - "anspruchsvoller" finde ich das nicht, sondern im Gegenteil besonders plump. Und, ich muss mich der Sandale da anschließen - auf subtile Art gewaltverherrlichend. Es ist nämlich ein Euphemismus, hinter dem die Gewalt des Helden versteckt wird. Umso schlimmer, wenn der Leser sich trotzdem vorstellen kann, was der Held getan hat - aber der Autor die Folgen nicht zeigt, sondern sich gleich wieder auf das "gute Ende" und den "guten Zweck" konzentriert, dem das alles dient. Letztendlich ist das ebenso gewaltverherrlichend, als hätte man das Durchmetzeln des Helden zum bösen König in allen Einzelheiten beschrieben und dabei gesagt, wie toll es ist, nur dass die Gewalt durch das Weglassen weniger zelebriert, sondern eher verharmlost wird - was man nicht sieht, ist auch nicht so schlimm.

Anspruchsvoll wäre es, wenn man die Gewalt des Helden spürbar macht, eine zweite Deutungsebene damit eröffnet und die Frage anstößt, ob das "Durchkämpfen" gerechtfertigt war, oder den Preis wert. Diese Chance, den Helden neben dem Kampf gegen den "bösen König" auch noch vor eine moralische Herausforderung zu stellen, blendet man durch das Weglassen aus seinem Werk aus.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 23. Oktober 2009, 11:24:05
Zitat von: Lomax am 22. Oktober 2009, 23:35:03
Ähm, nein - "anspruchsvoller" finde ich das nicht, sondern im Gegenteil besonders plump. Und, ich muss mich der Sandale da anschließen - auf subtile Art gewaltverherrlichend. Es ist nämlich ein Euphemismus, hinter dem die Gewalt des Helden versteckt wird. Umso schlimmer, wenn der Leser sich trotzdem vorstellen kann, was der Held getan hat - aber der Autor die Folgen nicht zeigt, sondern sich gleich wieder auf das "gute Ende" und den "guten Zweck" konzentriert, dem das alles dient.

Aber das würde ja dann auch nur in dieser Form zutreffen, wenn danach tatsächlich das "gute Ende" oder der "gute Zweck" eintritt. Es könnte ja genauso gut "gewaltlos" geschrieben worden sein und hinterher wird vom Protagonisten oder sonst einem Charakter reflektiert (Vielleicht ein Blick auf die toten Soldaten etc.).

Euphemismus ist es in meinen Augen erst dann, wenn etwas verheimlicht werden soll, aber eigentlich ziemlich wichtig ist. In manchen Fällen kann es aber auch schlicht weg keine Rolle spielen, wie die Gegner überwältigt worden sind. Es kommt doch hier entschieden auf den Grundton an, der die Geschichte beherrscht. Star Wars würde ich zum Beispiel nicht als plump bezeichnen, weil es eben ein "Märchen" ist. Zwangsläufig natürlich auch diesbezüglich nicht anspruchsvoll, eben ziemlich neutral in dieser Hinsicht, weil der Fokus anders gesetzt wurde.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 18:09:50
Euphemismus heißt beileibe nicht Verheimlichung, lediglich Verniedlichung.
"Kollateralschaden" ist zum Beispiel ein wundervoller Euphemismus für "Gemetzel an Zivilisten".
"Endlösung der Judenfrage" einer für "Verfolgung und brutale Ermordung von mehreren Millionen Menschen".
"Wurstherstellung" ist einer für "Brutale Ermordung von Tieren zu Konsumzwecken".
Durch Sprache wird nur all zu gern manipuliert und die Wahrheit verwischt. Man lügt nicht, man drückt es nur freundlich aus.
Gewalt ist in unserer Realität und auch in den Geschichten die wir lieben allgegenwärtig. Psychische Gewalt sowieso (fängt mit der Schulpflicht an. Ein Kind zu etwas zwingen, was es nicht will ist Gewalt. Ist es deshalb falsch?) physische verstecken wir gern hinter hohen Mauern und netten Worten. Niemand macht sich gern bewusst wo die Wurst her kommt. Wenn ein Film wie "Earthlings" dann mal gnadenlos die Kamera drauf hält ist das plötzlich "widerlich" ...
Was unsere Behörden Menschen antun, die aus ihrem Herkunftsland fliehen mussten und Schutz suchen ist widerliche, brutale Gewalt an der jährlich tausende sterben. Weiß keiner, spricht man nicht gern drüber.
Seit 1993 sind in Deutschland über 140 Menschen durch rechte Gewalt ums Leben gekommen. Doch erst wenn es einen Polizisten trifft taugt das ganze zu einem Medienskandal.
Gewalt jeglicher Form, widerlich und abstoßend, umgibt uns nunmal, da können wir so angestrengt weg gucken wie wir wollen. Dass wir es als weniger schlimm empfinden als es ist machen oft eben auch die Worte, mit denen diese Gewalt beschrieben wird. Wenn von "zurückgehenden Zahlen der politisch motivierten Straftaten von Rechtsextremisten" die Rede ist statt von immernoch jedes Jahr stattfindenden Morden durch den rechten Mob klingt das eigentlich nicht als hätten wir ein Nazi Problem. Wenn man von "restriktiver Asylpolitik" spricht kommt doch kaum einer auf die Idee dass man mehrere tausend Tote im Jahr meint.

Mit unserem Held in seiner Fantasiewelt ist das kaum anders. Wenn wir sein Gemetzel nicht wirklich ausführen ist es nicht so bewusst. Wenn wir aber einen Helden haben, der ein Mörder ist (und mal ehrlich, klassische Fantasy Geschichten ohne einen Helden der ab und an mal den ein- oder anderen Bösen "über die Klingen springen" lässt gibt es kaum, heute nicht und früher noch weniger.) haben, dann ist die Gewalt, durch die er seine Ziele erreicht bitteschön niemals "Nebensache". Es ist schwerer zu ertragen, wenn das Blut quasi aus den Zeilen quillt, aber da ist auch gut so. Eine Schlacht, die sich angenehm liest ist eine angenehme Schlacht. Das ist eigentlich von der Aussage her nicht okay. Was habe ich teilweise bei den "Herr der Ringe" Filmen während dieser großartigen, epischen Schlachten gelacht (Legolas surft den Olifantenrüssel runter - herrlich!). Die "Herr der Ringe" Filme sind tolle Unterhaltung, keine Frage, aber die Aussage zu Gewalt die hier gemacht wird ist eigentlich problematisch. Ich will nicht fordern, dass jetzt alle gewalthaltigen Szenarien gefälligst düsterer und expliziter werden, ich will nur sagen, dass eigentlich nicht die Filme und Bücher das Problem sind, die Gewalt drastisch schildern, sondern eher die, die mit ihr umgehen als sei sie ein selbstverständlicher kleiner Spaß der so nebenher läuft.
(Star Wars übrigens ist in seinen Gewaltdarstellungen teilweise äußerst explizit. Hätte hinter diesem Film nicht so viel Geld gestanden, wäre die deutsche Alterbeschränkung sicher wesentlich weniger mild ausgefallen...)
Ich spreche jetzt gar nicht unbedingt von konkreten Büchern und Filmen, und erst Recht nicht von dieser Torture Porn Welle (Saw, Hostel und co) sondern generell von expliziter Gewaltdarstellung. Gewalt ist da. Gewalt ist real. Gewalt ist hässlich und brutal. Und wenn man Gewalt zum Inhalt einer Geschichte macht (was, sofern man eine spannende Geschichte erzählen möchte, zumindest was psychische Gewalt angeht, absolut unumgänglich ist) dann sollte man die Freiheit haben, sie so darzustellen wie sie ist. Das mag sauer aufstoßen aber plump, phantasielos, pervers oder verrohend ist das ganz sicher nicht.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 23. Oktober 2009, 18:15:21
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 18:09:50
Ich spreche jetzt gar nicht unbedingt von konkreten Büchern und Filmen, und erst Recht nicht von dieser Torture Porn Welle (Saw, Hostel und co) sondern generell von expliziter Gewaltdarstellung. Gewalt ist da. Gewalt ist real. Gewalt ist hässlich und brutal. Und wenn man Gewalt zum Inhalt einer Geschichte macht (was, sofern man eine spannende Geschichte erzählen möchte, zumindest was psychische Gewalt angeht, absolut unumgänglich ist) dann sollte man die Freiheit haben, sie so darzustellen wie sie ist. Das mag sauer aufstoßen aber plump, phantasielos, pervers oder verrohend ist das ganz sicher nicht.

Vielen, vielen Dank dafür. Ich stimme dir absolut zu.

(Ich bin großer HdR-Fan, aber selbst mir stößt dieses Gemetzel unter den Orks, wo niemals je Blut gesehen wird, sauer auf. Und was habe ich bei "Casino Royale" gejubelt als tatsächlich mal in einem Bondfilm gezeigt wurde, wie schmutzig und grausam es ist, ein menschliches Leben auszulöschen.)
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 23. Oktober 2009, 18:33:53
Ist ja alles gut und schön und letztendlich oft unrealistisch, besagt aber trotzdem nichts über den tatsächlichen Maßstab, den man ansetzen muss oder kann.

Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 18:09:50... dann sollte man die Freiheit haben, sie so darzustellen wie sie ist. Das mag sauer aufstoßen aber plump, phantasielos, pervers oder verrohend ist das ganz sicher nicht.

Freiheiten hat man alle der Welt, darum geht es doch auch gar nicht. Die Frage nach der Notwendigkeit wird dadurch trotzdem nicht beantwortet. Und die Notwendigkeit ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt, sondern zum Beispiel auch aus dem Stil.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 23. Oktober 2009, 19:12:26
Auch wenn man Fantasy schreibt, schafft man damit in gewisser Weise ein Abbild der Realität, ausgenommen ganz absurde Fälle. Damit meine ich mehr oder weniger unsere Gesellschaft oder die Gesellschaft in einer fiktiven Welt. Gewalt gehört nunmal immer mit dazu, wie mit ihr umgegangen wird hängt jedoch meist von der Meinung des Autors ab. Findet dieser es nicht schlimm, wenn ein paar Menschen sterben, während der Held die Welt rettet, merkt man das daran, wie mit Gewalt umgegangen wird. Jemand, der die selbe Ansicht vertritt, wird daran nichts schlimmes finden, Pazifisten zum Beispiel werden sich aber darüber ärgern.
Ich finde Gewalt muss meistens sogar in einer Geschichte vorkommen, es gibt schließlich kaum eine Welt ohne Gewalt, kommt eben auf die Geschichte an, in Fantasy eher als in Liebesromanen. Detaillierte Darstellungen von Gewalt finde ich aber nicht so toll, ich will mir nicht vorstellen müssen, wie Knochen knacken, etc. Es geht einzig um das wie, wo und warum. Unnötige Gewalt (d.h. Gewalt, die die Geschcihte nicht vorantreibt, keinen neuen Verhaltenszug des Charakters zeigt, etc, nicht unnötige Gewalt im Sinne von "er hätte den Mann nicht töten müssen, verletzen hätte gereicht") und Gewalt zu Unterhaltungszwecken finde ich fragwürdig.

Wie Gewalt dargestellt wird hängt auch von verschiedenen Faktoren ab. Wenn ein skrupelloser Charakter tötet, kann das ruhig auch mal nebensächlich und kalt beschrieben sein, schließlich drückt das dann auch den Charakter desjenigen aus, aus dessen Sicht die Passage geschrieben ist. Der Sympathieträger wird sich dann vielleicht noch den flehenden Blick des Opfers einprägen und später von Gewissensbissen geplagt werden. Die Frage ist, wie es beim Leser rüberkommt.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Silvia am 23. Oktober 2009, 22:09:16
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 18:09:50
Und wenn man Gewalt zum Inhalt einer Geschichte macht (was, sofern man eine spannende Geschichte erzählen möchte, zumindest was psychische Gewalt angeht, absolut unumgänglich ist) dann sollte man die Freiheit haben, sie so darzustellen wie sie ist.

Denkst Du das wirklich?
Daß man keine spannende Geschichte ohne Gewalt erzählen kann?
Spannung kann doch noch so viel mehr bedeutend und durch so viel mehr erzeugt werden als durch die immer nächste drohende Gewaltaktion.
Erst gestern habe ich ein für mich sehr spannendes Hörbuch gehört, in dem es um einen Einbruch mit ner Menge Hindernissen und diversen unerwarteten Wendungen ging, die man am Anfang nicht erwartet hatte, vor allem der Schluß ... und das größte, was an handfester Gewalt darin vorkam, war eine zerquetschte Spinne, ein, zwei Beulen an ein, zwei Köpfen von einem Treppensturz ... na gut, um am Ende wurde noch erwähnt, dass der fast gänzlich unsichtbare Bösewicht der Story jemanden eingesperrt und für seine Zwecke magisch manipuliert hat. Ach ja, und ein schlecht gezielter Feuerzauber. Ernsthaft verletzt wurde keiner ... außer der Spinne, die war tot.
Ich hab gelacht dabei, ich war neugierig, ich hab nicht mehr mit Hören aufhören wollen, es war faszinierend, endlich mal wieder eine Geschichte ohne Gemetzel zu erleben, vor allem nach den Metzelorgien in den letzten Filmen, die ich hinter mir habe. Und ich will mehr davon! Für mich gibt es davon einfach noch zu wenig. Ich bin immer wieder froh über jede Story, die nur ein Mindestmaß an Haudrauf und Schlagmichtot enthält. Wennschon Gewalt, warum nicht etwas weniger verschwenderisch mit dem Leben meines Gegenüber umgehen? (Auch Redshirts und NSCs sind Menschen  ;D )
Aber wahrscheinlich gehöre ich da zu einer kleinen Randzielgruppe  ;D

Das erinnert mich an eine Software-Spielesammlung, auf der stand "100% gewaltfrei" und an die Mutter, die zu mir sagte: Ist das nicht total langweilig? ...  ???
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 23. Oktober 2009, 22:25:20
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 18:09:50
Was habe ich teilweise bei den "Herr der Ringe" Filmen während dieser großartigen, epischen Schlachten gelacht (Legolas surft den Olifantenrüssel runter - herrlich!).

Hast Du ebendiese großartigen epischen Schlachten auch gelesen? Die sind alles andere als komisch. Die zeigen, ohne allzu übertrieben ins Detail zu gehen, all die Grausamkeit eines Krieges, das Leid, die Hoffnungslosigkeit, die Trauer um den Verlust von Freunden.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 23. Oktober 2009, 22:59:23
Geschichten können auch ohne rohe körperliche gewalt spannend sein. Bei meinem eigenen derzeitigen Projekt kommt im Grunde garkeine physische gewalt vor, es geht viel mehr um die Psyche des Protagonisten und ich finde die Geschichte trotzdem spannend. Allerdings ist Gewalt in vielen Büchern wirklich unumgänglich und sie konsequent wegzulassen ist der Geschichte nicht unbedingt zuträglich. Ein Buch, dass an Gewaltfreiheit appeliert kommt in vielen Fällen nicht ohne Gewalt aus.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lomax am 23. Oktober 2009, 23:01:59
Zitat von: Silvia am 23. Oktober 2009, 22:09:16... und das größte, was an handfester Gewalt darin vorkam, war eine zerquetschte Spinne
Aaaah! :o
Brutale, haarsträubende, sinnlose Brutalität. Und das ist für dich ein Beispiel für spannende Geschichten ohne Gewalt? Ich bin entsetzt!  :seufz:
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Silvia am 23. Oktober 2009, 23:18:10
 ;) Sogar diese zerquetschte Spinne hatte in der Geschichte ihren Grund und ihre Wichtigkeit ... und ich bin mir im Nachhinein nicht mal sicher, ob sie auch wirklich zerquetscht wurde. Ich sollte die Stelle wohl nochmal anhören  ;D Auf alle Fälle war das arme Tier hinterher eine Zeitlang unsichtbar.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 23:24:09
ZitatDenkst Du das wirklich?
Daß man keine spannende Geschichte ohne Gewalt erzählen kann?

Ja, das denke ich. Ich habe ja auch ausdrücklich geschrieben, dass das psychische Gewalt mit einschließt. Und die geschichte, die du als gewaltfreies Gegenbeispiel anführt ist voller Gewalt. Ein Einbruch geht selten ohne Gewalt gegen Sachen von statten, zudem ist er meist ein Eingreifen in die Periferie bzw. die Privatsphäre eines Anderen. Hinzu kommt die Freiheitsberaubung, die du noch erwähnst, auch das ist Gewalt.
Auf psychischer Ebene sind wir permanent dabei, einander Gewalt anzutun. Sobald wir in Kontakt gehen und das nicht harmonisch abläuft hat das etwas mit Gewalt zu tun. Und eine Geschichte, in der sich perm,anent nur alle gegenseitig anschmachten und es keinerlei Hindernisse gibt ist wirklich absolut langweilig, nichts kann mich vom Gegenteil überzeugen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 23. Oktober 2009, 23:38:41
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 23:24:09
Und eine Geschichte, in der sich perm,anent nur alle gegenseitig anschmachten und es keinerlei Hindernisse gibt ist wirklich absolut langweilig

Bin ich fiese, weil ich sofort an Stephenie Meyer denken musste? :D

Aber ich stimme HeiligeSandale zu. Denkt mal scharf an die Bücher von Astrid Lindgren zurück--gewaltfrei? Keine Spur. Grandiose Bücher? Auf jeden Fall.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 23. Oktober 2009, 23:46:10
Ich kenne genügend spannende Bücher, die völlig ohne körperliche Gewalt auskommen. Es gibt noch mehr Themen als nur Krieg und Liebe ;).

Ähm - klärt mich auf - Bullerbü? Ich kann mich an keine gewalttätige Szene erinnern, in keinem der Bücher.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 23. Oktober 2009, 23:48:32
Zitat von: Maran am 23. Oktober 2009, 23:46:10
Ich kenne genügend spannende Bücher, die völlig ohne körperliche Gewalt auskommen. Es gibt noch mehr Themen als nur Krieg und Liebe ;).

Körperliche. Heilige Sandale erwähnte aber auch extra die psychologische.


Zitat von: Maran am 23. Oktober 2009, 23:46:10
Ähm - klärt mich auf - Bullerbü? Ich kann mich an keine gewalttätige Szene erinnern, in keinem der Bücher.

Mio, mein Mio? Die Brüder Löwenherz?  Oder wo wir schon dabei sind: was ist mit den Grimms Märchen?

Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 23. Oktober 2009, 23:52:19
Die psychologische Gewalt liegt auch im Auge des Betroffenen. Was der eine einfach wegsteckt oder als belanglos empfindet, ist für den anderen ein Problem.

[edit] Sich aneinander reiben heißt nicht zwangsläufig Gewalt ausüben.

"Mio, mein Mio", "Die Brüder Löwenherz", "Ronja Räubertochter": ja. Aber Bullerbü? Pippi Langstrumpf habe ich beim Lesen auch nicht als gewalttätig empfunden, sonst hätte ich es in dem Alter nicht mit so großem Vergnügen gelesen - ich war als Kind leicht zu erschrecken :D
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Joscha am 24. Oktober 2009, 08:36:57
Aber auch in Pippi Langstrumpf kommt es zu Gewaltszenen, wenn auch nicht in Maßen, die wirklich körperliche Verletzungen hervorrufen. Zumindest in der Verfilmung, als sie auf der Pirateninsel sind (ich habe mir diese Serie als Kind bestimmt dreißig Mal angeschaut...), wirft Pippi Fässer auf Piraten, die sie verfolgen und dergleichen.

Selbst eine solche Kindergeschichte kommt also nicht ganz ohne Gewalt aus. An die Kinder von Bullerbü kann ich mich leider nicht mehr so genau erinnern. Meiner Meinung nach ist Gewalt notwendig (Folterei nicht), aber es muss nicht unbedingt physische Gewalt sein, wie schon so viele vor mir zustimmten.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 24. Oktober 2009, 09:55:56
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 23:24:09
Und eine Geschichte, in der sich perm,anent nur alle gegenseitig anschmachten und es keinerlei Hindernisse gibt ist wirklich absolut langweilig, nichts kann mich vom Gegenteil überzeugen.

Aber Hindernisse bedeuten ja nicht gleich Gewalt! Einen Hürdenlauf würde ich jetzt spontan als nicht gewaltigtätig bezeichnen. Bezieht sich dein "Nichts kann mich vom Gegenteil überzeugen" auf bereits gegebene Vorschläge und gelesene Werke oder auf alles, was noch kommen wird?

Ich habe auch das Gefühl, es driftet ein wenig ab. Gut und gerne ist also Gewalt immer dann, wenn jemand oder etwas gegen den "eigenen Willen" überwunden wird? Mal grob gesprochen. Habe ich das soweit richtig verstanden?

Dann würde ich mich dazu hinziehen lasse, zu behaupten, dass die Selbstüberwindung ein riesiges Feld abdecken kann, mit dem Literatur geschrieben werden kann, die spannend ist. Und ich habe auch schon solche Bücher gelesen. Also Werke, in denen das Überwinden der eigenen Grenzen im Mittelpunkt steht.

Aber ganz davon sehe ich ja auch, dass überall Gewalt mal vorkommt, aber dann sind wir definitiv beim "Wie" angelangt. Und um auf den Eingangspost zurückzukommen: Nein, es braucht definitiv nicht immer Folter und Gemetzel. Und selbst ein Werk über Krieg bedarf nicht immer Gemetzel, genauso wenig wie ein Außerirdischen Film immer UFOs (selbst wenn sie da sind) braucht. Was ich damit sagen will ist: Realismus alleine ist nur eine Richtlinie, die aus einer gewissen Perspektive verzerrt werden kann. Bewusst oder unbewusst.

Und wenn physische Gewalt so permanent in vielen unserer Settings vorhanden ist, dann ist die Wichtigkeit der Nennung vielleicht auch (zum Teil!) dadurch ausgehebelt, weil es eben so normal ist und bedarf keiner näheren Beschreibung. Oder anders ausgedrückt: Der Autor entscheidet, was er zeigen will und das Andeuten (Nicht das reine Verniedlichen) ist ein ganz normales Mittel des Schreibens, was sicher jeder schon in der ein oder anderen Form benutzt hat.

Es könnte zudem sein, dass der Charakter sich im Buch wiederholt durch gegnerische Truppen schlägt und immer auf die gleiche Weise. Hier könnte zum Beispiel die Wiederholung ein Grund der Aussparung sein, was ebenfalls ein ganz normales Mittel ist und nicht zwangsläufig auf Beschönigung zurückzuführen ist.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: FeeamPC am 24. Oktober 2009, 10:10:49
Gewalt in Büchern und (mündlichen) Erzählungen ist so alt wie die Menschheit. In der Bibel beginnt die Gewalt bei Kain und Abel, und in den diversen Schöpfungsmythen und Götterlegenden der Menschheit steht Gewalt meist an erster Stelle (auch die Götter meucheln und morden sich nach Strich und Faden).

Wir können also davon ausgehen, daß gewaltfreie Erzählungen, außer in der Gattung Liebesromane, eher selten sind und unser Publikum durchaus auch Gewalt in unseren Büchern erwartet. Wie schon gesagt, ich habe nur dann ein Problem damit, wenn Gewalt zum Selbstzweck wird oder wenn sie verherrlicht wird.

Und Folter ist für mich Gewalt in ihrer extremsten Form.  Was logischerweise bedeutet, daß auch sie ihren Platz in unseren Büchern haben darf, allerdings den ihr gebührenden, also sorgsam dosiert.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Dämmerungshexe am 24. Oktober 2009, 12:17:15
Ich denke dass ein Großteil der Vervielfältigung und Steigerung von Gewalt in Büchern und Filmen auf den typisch menschlichen Wettbewerbsgedanken zurückzuführen ist. Jeder der heutzutage, in einem absolutem Überangebot an Geschichten, herausstechen will, tut das meist in dem er sein Werk mit Superlativen füllt: es muss den bösesten aller Bösewichte haben und den heldenhaftesten aller Helden!
Aber wie zeige ich, dass mein Bösewicht so viel böser und schrecklicher ist als alle anderen und deshalb mein Held, der ihn bezwingt, der stärkste und beste aller Helden ist? Einfach in dem ich die Taten der beiden immer weiter überzeichne, sprich den Bösewicht das grausamste und schrecklichste tun lasse, das ich mir vorstellen kann und dem Leser das ganze auch so schildere. Der Held hingegen darf sich davon am Ende nicht wirklich von seinem Kampf abhalten lassen, er muss also all diese Grausamkeiten heldenhaft ertragen.

Was ich in dieser Hinsicht am bedenklichsten und auch am unrealistischten halte, ist dieTatsache, dass so manch junger Held in einer Geschichte loszieht und an irgendeiner Stelle des Buches dann seinen ersten echten Kampf hat und wahrscheinlich gewinnt, womöglich, indem er einen Gegner tötet. Und oft genug hat solch eine Tat keinerlei Auswirkungen auf den Charakter und die Psyche des jungen Helden. Entweder weil er einfach getan hat was nötig war um sich, bzw. seine Freunde zu retten, oder weil er einfach "cool" ist und nach getaner Meuchelarbeit noch einen Spruch loslässt.

Gewalt gehört zu den Urinstinkten des Menschen, sie war früher DAS Mittel um sein eigenes Leben und seine Lebensgrundlage zu verteidigen. Aus diesem Grund glaube ich, dass in jedem Menschen irgendwo der Drang zur Gewalt (bzw. die andere Möglichkeit, der Drang zur Flucht) begraben liegt und nur darauf wartet geweckt zu werden. Insoweit ist für mich Gewalt in Büchern und Filmen nicht nur logisch nachvollziehbar, ich betrachte sie - man könnte es so sagen - als eine Art "Therapie" - eine Möglichkeit unseren Drang zumindest in unserer Fantasie auszuleben.

Doch der heutige Mensch, einige Tausend Jahre von der Kreatur entfernt, die Gewalt als einiziges Mittel der Handlung kannte, reagiert auf Schmerzen und Gewalt sehr schizophren - während wir uns in Film, Fernseh und PC-Spielen (ebenso in Büchern) immer mehr Gewalt ansehen und zuführen, sind Soldaten aus aller Welt, die in einem Kriegseinsatz waren und dort mit realer Gewalt konfrontiert wurden, ein Leben lang von dieser gezeichnet, und das weniger in körperlicher, als vielmehr seelischer und psychischer Hinsicht. Wer heutzutage Opfer von Gewalt wird, behält nicht nur Narben auf der Haut zurück, sondern vor allem auch solche, die niemand anderes sehen kann, die aber ein Leben lang schmerzen werden.
Das solche Aspekte des Themas Gewalt in Geschichten (ob nun Film oder Buch) zu wenig beleuchtet werden - DAS finde ich bedenklich.

Man mag hier jetzt um Realismus oder Fiktion diskutieren, aber letztendlich schreiben und beschreiben wir Menschen (selbst wenn wir über Elfen, Orks, Zwerge oder sonstige Kreaturen schreiben - wir gehen immer von einer menschlichen Basis aus, da wir als Menschen zu gar nichts anderem in der Lage sind.) Insoweit sollten wir uns mit mehr befassen, als dem Leser möglichst deutlich klar zu machen, dass unser Held allem Bösen wiederstehen kann, egal wie Schrecklich es daher kommt. Ich als Autorin (und es mag an der kleinen Silbe -in liegen oder auch nicht) bin wesentlich mehr daran interessiert was in den Köpfen und Herzen meiner Figuren vorgeht, wenn sie mit Gewalt und ähnlichem konfrontiert werden, als wie sie sich selbst aus dieser Situation befreien. Und ich hoffe, dass ich das auch meinen Lesern vermitteln kann, denn ich halte es für wichtig, dass sie verstehen, dass, egal was ein Mensch tut, er damit immer einen anderen beeinflusst, ob ob im negativen oder positivem Sinne.

Ich möchte mich hier nicht anmaßen eine Lösung für dieses "Problem, bzw. diese Diskussion parat zu haben. Ich habe meine Meinung davon und versuche sie nach bestem Wissen und Gewissen in meine Geschichten einfließen zu lassen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 24. Oktober 2009, 13:44:30
Wenn man das so auslegt, ist ein Sreit oder eine zerstörte Vase auch schon Gewalt. Dann kommt eben kaum eine Geschichte ohne Gewalt aus, wohin eine gewaltfreie Schlacht führt, hat Stephenie Meyer im vierten Twilight-Band ja schon demonstriert. Allerdings ist die Frage völlig irrelevant, ob Gewalt in einer Geschichte vorkommen darf. Es geht ja schließlich immer um einen Konflikt und solche kommen selten ohne aus, schon garnicht, wenn man psychische Gewalt mit einschließt.
Ich denke, in der ursprünglichen Diskussion ging es darum, wieviel und welche Gewalt eine Geschichte nötig hat und wann es zuviel ist.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lomax am 24. Oktober 2009, 14:11:04
Zitat von: Dämmerungshexe am 24. Oktober 2009, 12:17:15Doch der heutige Mensch, einige Tausend Jahre von der Kreatur entfernt, die Gewalt als einiziges Mittel der Handlung kannte, reagiert auf Schmerzen und Gewalt sehr schizophren
Nun, dazu muss man aber einwenden, dass gerade in der Fantasy oft über "Zeiten" bzw. kulturelle Prägungen geschrieben wird, die von unseren heutigen Zuständen ebenso weit entfernt sind und in denen die Reflexion des Helden über die Gewalt durchaus einen anderen Stellenwert haben kann. Abgesehen davon, dass auch heute jeder Mensch anders darauf reagiert und die "traumatisierten Soldaten" ja nur diejenigen sind, die am meisten auffallen - nicht unbedingt diejenigen, die die typischste und häufigste Reaktion auf Gewaltanwendung zeigen.

Ansonsten, zum ausufern der Debatte: Ich bin ohnehin der Ansicht, dass es sich bei der hier aufgeworfenen Frage vor allem um das "wie" der Gewaltdarstellung geht. Und dass man die Definition von Gewalt nicht allzu weit auslegen soll, weil Definitionen, die alles umschließen, am Ende nichts mehr abgrenzen und damit keine Aussagekraft mehr haben.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Chuck am 24. Oktober 2009, 14:20:10
Vielleicht ist in diesem Zusammenhang der Begriff "Brutalität" besser?

Ein Kampf zwischen Soldaten kann noch so blutig sein, muss aber deswegen nicht zwangsläufig übermäßig brutal ablaufen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 24. Oktober 2009, 15:30:35
Vielleicht sollten wir "Gewalt" erst einmal genauer definieren und eingrenzen. Vermutlich hat jeder da so seine eigenen (gefühlten) Grenzen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 24. Oktober 2009, 15:47:07
Ich glaube, anfangs ging es eher um brutale, körperliche Gewalt wie z.B. aus Filmen wie Saw. Psychische Gewalt wäre nochmal ein anderes Thema, aber vielleicht weitet das die Diskussion dann zu weit aus.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Joscha am 24. Oktober 2009, 15:47:53
Zitat von: Maran am 24. Oktober 2009, 15:30:35
Vielleicht sollten wir "Gewalt" erst einmal genauer definieren und eingrenzen. Vermutlich hat jeder da so seine eigenen (gefühlten) Grenzen.

Das stimmt. Ohne mir jetzt über die genaue Definition im Klaren zu sein, würde ich prinzipiell sagen: Gewalt ist in jeder Geschichte drin und muss eigentlich auch in jede zumindest ein bisschen rein, bei Brutallität kommt es auf Stil, Schilderung und Hintergrund an.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Kati am 24. Oktober 2009, 16:00:02
Da stimme ich jetzt mal Joscha zu.  :)

ZitatIch will nicht fordern, dass jetzt alle gewalthaltigen Szenarien gefälligst düsterer und expliziter werden, ich will nur sagen, dass eigentlich nicht die Filme und Bücher das Problem sind, die Gewalt drastisch schildern, sondern eher die, die mit ihr umgehen als sei sie ein selbstverständlicher kleiner Spaß der so nebenher läuft.

Aber wenn jemand Gewalt zwar beschreibt, allerdings nicht zu explizit oder brutal, dann bedeutet das doch nicht, dass er sie als "kleinen Spaß" darstellt. Man kann auch ein gutes, zum Nachdenken anregendes Buch über den Krieg oder sonstige Gewalt schreiben, ohne alles, was geschieht so genau zu beschreiben, das dem Leser schlecht wird.
Das ist jedenfalls meine Meinung.

LG,

Kati
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Nachtaktive am 24. Oktober 2009, 21:50:44
@nightingale

sicher kann man Gewalt auch "netter" beschreiben ohne sie zu verharmlosen. Aber ich glaub nicht, dass das immer gut ist
Als Beispiel kann ich da nur das Buch "Im Westen nichts Neues" benennen. Meiner Meinung nach eines der besten Anti-Kriegsbücher
die jemals geschrieben wurden.
Gewalt kann man nicht richtig beschreiben wenn man nicht detailiert zeigt was sie anrichtet.
Ich bin dagegen Kampfszenen so zu schreiben, als wäre es witzig oder "cool" wenn meine Helden andere Figuren verletzen.
Aber wenn ich Gewalt in meinen Storys zu lasse muss ich auch b sagen können und dann nach einem "Blutrausch" auch meine Helden
(und damit auch dem Leser) zeigen, was sie da eigentlich angerichtet haben. Gewalt ist nie schön. Und sie schön zu schreiben macht sie
nicht besser, im Gegenteil sowas verharmlost viel mehr
Lg
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Silvia am 24. Oktober 2009, 22:14:00
Zitat von: HeiligeSandale am 23. Oktober 2009, 23:24:09
Ja, das denke ich. Ich habe ja auch ausdrücklich geschrieben, dass das psychische Gewalt mit einschließt. Und die geschichte, die du als gewaltfreies Gegenbeispiel anführt ist voller Gewalt. Ein Einbruch geht selten ohne Gewalt gegen Sachen von statten, zudem ist er meist ein Eingreifen in die Periferie bzw. die Privatsphäre eines Anderen. Hinzu kommt die Freiheitsberaubung, die du noch erwähnst, auch das ist Gewalt.
Auf psychischer Ebene sind wir permanent dabei, einander Gewalt anzutun. Sobald wir in Kontakt gehen und das nicht harmonisch abläuft hat das etwas mit Gewalt zu tun. Und eine Geschichte, in der sich perm,anent nur alle gegenseitig anschmachten und es keinerlei Hindernisse gibt ist wirklich absolut langweilig, nichts kann mich vom Gegenteil überzeugen.

Daß die Geschichte "gewaltfrei" sei, habe ich nie behauptet. Sie beinhaltet natürlich eine gewisse Art Gewalt - in Maßen, wenn man ein kaputtgemachtes Fenster dazuzählt (was ich nicht tue, für mich gehts bei sowas um Verletzungen von Menschen) oder eben die Schlußbemerkung mit der Gefangenen, die die ganze Story auslöste.
Aber nicht in Massen und auch nicht als vordergründiger Lösungsweg des Plots.
Das ist für mich der springende Punkt.
Aber wahrscheinlich sollten wir wirklich erstmal klären, ab wann für jeden Gewalt anfängt und was dazuzählt und ab wann sie für jeden zu viel wird. Und da jeder da andere Vorstellungen und andere Grenzen hat, werden wir wahrscheinlich nie zu einem gemeinsamen Punkt dabei kommen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 25. Oktober 2009, 00:55:35
Mir fällt mehr und mehr auf, daß sich die Sichtweise auf die "Gewalt", der Umgang damit, in den letzten Jahren/Jahrzehnten stark verändert hat. Filme wie "Die Brücke" (warum nur wurde der neu verfilmt?), Bücher wie "Im Westen nichts Neues" (ich weiß, Weltkrieg Numero Uno) zeigten nicht die Gewalt auf, sondern die Sinnlosigkeit ebendieser - unter anderem. Daß Gewalt existiert und auch in der Natur des Menschen liegt, kann man nicht leugnen. Nur "früher" wurde es durch Medien wie Filme und Bücher bewußt gemacht mit dem Ziel (so denke ich, so habe ich es gelernt) etwas zu ändern. Heute scheint mir, daß Gewalt (körperliche und psychische - und das eine bedingt auch das andere/läßt sich nicht trennen) dazu dient die Umsatzzahlen zu steigern, die Einschaltquoten und somit auf eine - pardon - Gewinnmaximierung hinausläuft. Wenn ich hier lese, daß ein gewaltfreies Buch langweilig und somit (wie ich vermute) uninteressant ist, dann fühle ich mich in meinem Gedankengang bestätigt und frage ich mich, was eigentlich in der Gesellschaft (allgemein, nicht speziell) eigentlich schief läuft.

"Brot und Spiele" der Römer dienten dazu das Volk ruhig zu halten, es abzulenken von ihren Sorgen/Nöten/Problemen, es daran zu hindern die Dinge zu hinterfragen und sich aufzulehnen gegen die Obrigkeit. Man unterhält die Menschen am besten, indem man die niedersten Instinkte anspricht und befriedigt. Dann denkt er nämlich nicht mehr nach. 

Remakes "Im Westen nichts Neues" ist ein Antikriegsroman, kein Antigewaltroman. Natürlich kann man das eine vom anderen nicht trennen. Aber der erste Weltkrieg war ein Wendepunkt in - mir fehlen gerade die richtigen Ausdrücke, um es einfach zu beschreiben - der "Kriegsführung". Der Einsatz von Panzern, die Reichweite der Waffen, die vorher noch nicht in dem Ausmaße Relevanz zeigten, all das schaffte einen gewissen Abstand zum Gegner. Es ging nicht mehr "Mann gegen Mann", sondern Maschine gegen Menschen. Der Gegner besaß kein Gesicht mehr. Es ist schon ein Unterschied, ob man Gewalt gegen ein Individuum ausführt oder gegen einen gesichtslosen Gegner. Und somit änderten sich wohl auch die "Regeln" ...  ähm ... kann mir da jemand weiterhelfen es zuverdeutlichen?
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Nachtaktive am 25. Oktober 2009, 01:23:17
Zitat von: Maran am 25. Oktober 2009, 00:55:35

Remakes "Im Westen nichts Neues" ist ein Antikriegsroman, kein Antigewaltroman. Natürlich kann man das eine vom anderen nicht trennen. Aber der erste Weltkrieg war ein Wendepunkt in - mir fehlen gerade die richtigen Ausdrücke, um es einfach zu beschreiben - der "Kriegsführung". Der Einsatz von Panzern, die Reichweite der Waffen, die vorher noch nicht in dem Ausmaße Relevanz zeigten, all das schaffte einen gewissen Abstand zum Gegner. Es ging nicht mehr "Mann gegen Mann", sondern Maschine gegen Menschen. Der Gegner besaß kein Gesicht mehr. Es ist schon ein Unterschied, ob man Gewalt gegen ein Individuum ausführt oder gegen einen gesichtslosen Gegner. Und somit änderten sich wohl auch die "Regeln" ...  ähm ... kann mir da jemand weiterhelfen es zuverdeutlichen?

Glaub ich weiß was du meinst. Es ist unpersönlich. Eine Maschiene hat keine Gefühle oder fühlt keine körperlichen Schmerzen. Wenn man als Mensch nicht mehr sieht was man da anrichtet (man fährt mit nem Panzer über Menschen oder rattert aus meterweiter Entfernung mit einem Maschiengewehr auf ein paar sich bewegende Punkte) vergisst man leicht, dass es auch auf der anderen Seite ebenso viel Schmerz und Leid gibt wie in den eigenen Lazartten.
Remarque ( ;) ) zeigt das wie ich finde sehr gut, ich meine, was so passiert nachdem die Bombe geschmissen wurde.
Deßwegen finde ich es auch richtig. Wenn man mal weiter denkt, als bis zu dem Punkt, wo irgendjemand irgendwen niederknüppelt.
Ich denke, dass wenn Gewalt als das dargestellt werden würde was sie ist (nämlich Gewalt und keine sehr skurile Art von....Kunst) würden viele Leute den Spaß daran verlieren. Das zeigt mir schon die Reaktion von vielen hier :) Sie schreiben, dass sie das nicht sehen wollen, oder sich nicht vorstellen wollen.
Ich glaube, das Problem ist nicht, dass Gewalt mittlerweile in jeden "guten" Film gehört. Ich glaube, sie wird einfach falsch dargestellt.
Sicher hat es einen beindruckenden Effekt, wenn in einem Film ein Auto in ein Haus rast und alles explodiert. Aber fand es irgendwer spektakulär oder unterhaltsam, als die Flugzeuge in die Twintowers flogen? Nein, und warum nicht? Weil wir nicht nur sahen, wie die Flugzeuge da rein krachten, sondern weil wir auch sahen, wie Menschen verzweifelt aus dem 20. Stock sprangen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 25. Oktober 2009, 01:48:59
Ja, stimmt, Remarque :)

Und ja, unpersönlich stimmt auf eine Art auch. Die "Maschine" steht zwischen dem Täter und dem Opfer - nicht der "Täter" macht sich schuldig, sondern "die Maschine". hmm - Bei standrechtlichen Erschießungen war in der Regel nur eine Waffe mir scharfer Munition geladen. Das diente dazu, die Schützen vor Schuldgefühlen, einem Menschen sein Leben genommen zu haben, zu schützen. Das "einem Menschen sein Leben nehmen" war noch ein Thema. Ist es das heute auch noch? Das "weiter denken", ich denke, daran hapert es heutzutage.

Hmm ... ich schweife vom eigentlichen Thema dieses threads ab, würde dieses "Abschweifen" aber gerne vertiefen. Einen neues Pfad aufmachen fände ich ungünstig, weil m.E. alles irgendwie zusammenhängt.  :bittebittebitte: Hilfe bitte, Obermotze.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Nachtaktive am 25. Oktober 2009, 02:02:10
*zurück Blätter bis auf Seite 1* "Geht es wirklich nicht ohne Gewalt und Folter?"
Natürlich geht es ohne Gewalt und Folter, jeder Autor der nicht in der Lage ist Spannung aufzubauen ohne Blut oder sonst was hat ein tiefgründiges kreatives Problem (mein Gott ist das schön ausgedrückt  ;D)
Aber, ich finde es nicht schlimm Gewalt darzustellen, Gewalt ist ein Spannungsträger, machen wir uns nichts vor und der Mensch hat den Hang zur Gewalt in seinen Genen. Nur sollte Gewalt einfach nicht als angenehmer Zeitvertreib dargestellt werden oder als Zeichen von Stärke.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 25. Oktober 2009, 02:25:31
Zitat von: Nachtaktive am 25. Oktober 2009, 02:02:10
Nur sollte Gewalt einfach nicht als angenehmer Zeitvertreib dargestellt werden oder als Zeichen von Stärke.

Genauso sehe ich es auch. Gewalt, sei sie physisch oder psychisch, um ihrer selbst willen - oder um das Interesse des Lesers zu wecken - kann und darf nicht Sinn und Zweck der Übung, der Sache, sein. Meine Meinung, auch wenn es andere geben mag. Gewalt ist in meinen Augen kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 25. Oktober 2009, 13:57:26
Gewalt kann man so gesehen nicht im Allgemeinen betrachten. Es kommt immer darauf an, wie sie dargestellt wird. Das ist heutzutage nunmal leider immer wieder in einer Art und Weise, die einem erzählen will, dass Gewalt an sich nichts schlimmes ist wenn es eben die Guten sind, die Gewalt anwenden.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 25. Oktober 2009, 17:19:43
Zitat von: Nachtaktive am 25. Oktober 2009, 02:02:10
Natürlich geht es ohne Gewalt und Folter, jeder Autor der nicht in der Lage ist Spannung aufzubauen ohne Blut oder sonst was hat ein tiefgründiges kreatives Problem (mein Gott ist das schön ausgedrückt  ;D)

Oder er beschäftigt sich einfach am liebsten und schwerpunktmäßig mit anderen Aspekten der menschlichen Psyche als die Autoren, die ihre Geschichten gerne ohne Blut schreiben.  ::)
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lucien am 25. Oktober 2009, 18:52:14
ZitatOder er beschäftigt sich einfach am liebsten und schwerpunktmäßig mit anderen Aspekten der menschlichen Psyche als die Autoren, die ihre Geschichten gerne ohne Blut schreiben.  ::)
Ich bekenne mich zu einer solchen Autorin.  :darth: Ich liebe die Herausforderung, welche die Psyche einer "bösen" Person darstellt. Und ich beschreibe gerne, wie man sich durch Erfahrung von Gewalt verändern kann.
Und ich bin mir sicher, dass es viele andere gibt, denen es genauso geht. Vielleicht sind Gewalt und Folterei deshalb auch ein so starkes Element in der Literatur.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 25. Oktober 2009, 19:03:27
Zitat von: Jenny am 25. Oktober 2009, 18:52:14
Ich liebe die Herausforderung, welche die Psyche einer "bösen" Person darstellt. Und ich beschreibe gerne, wie man sich durch Erfahrung von Gewalt verändern kann.
Und ich bin mir sicher, dass es viele andere gibt, denen es genauso geht. Vielleicht sind Gewalt und Folterei deshalb auch ein so starkes Element in der Literatur.

Ich gehöre definitiv dazu und lese auch gerne solche Geschichten. Die Abgründe der menschlichen Psyche faszinieren mich. Eine meiner Lieblingsserien ist nicht umsonst "Criminal Minds".
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Joscha am 25. Oktober 2009, 20:18:32
Zitat von: Steffi am 25. Oktober 2009, 19:03:27
Ich gehöre definitiv dazu und lese auch gerne solche Geschichten. Die Abgründe der menschlichen Psyche faszinieren mich. Eine meiner Lieblingsserien ist nicht umsonst "Criminal Minds".

Und noch ein Anhänger. Nicht umsonst habe ich einige Charaktere, die mutwillig und ohne Grund Morde begehen. Es sind zwar Protagonisten, aber das heißt jedoch keineswegs, dass ich gutheiße, was sie tun oder das auch nur dem Leser so herüberzubringen versuche. Meiner Meinung nach gehört Gewalt zu manchen Charakteren und diese ziehen zwangsläufig eine gewaltbeladenere Story nach sich. Schlimm finde ich es erst, wenn die Story "sinnlose" Gewalt enthält, z.B. einfach nur um zu demonstrieren, was für ein toller Kämpfer der Protagonist doch ist.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Vali am 25. Oktober 2009, 22:24:52
Puh, ich habe gestern beim Videoabend Watchmen geguckt. Da musste ich gleich an die Diskussion hier denken. Der Film strotzte nur so vor Splatterszenen und Gewaltorgien, dass sich mir der Magen umgedreht hat. Die Gewaltdarstellungen sollten den Sinn haben, die Grausamkeit der Menschen zu visualisieren. Das sollte dann die Rechtfertigung für die Vernichtung der Menschen sein, die die arme arme Erde mit ihrer Grausamkeit vergewaltigen. Mal davon abgesehen, dass ich die Botschaft für großen, menschenverachtenden Schwachsinn halte, fand ich die Gewaltszenen einfach nur sinn- und geschmacklos. Es kam so vor, als ob die "kleinen" Grausamkeiten des Lebens nicht reichten. Nein, es reichte nicht, dass die Figur das Kind niederschlägt, nein, er muss sich noch draufwerfen und dem Kind die Wange mit den Zähnen ausreißen. Und warum müssen die Därme bis an die Decke fliegen und dort kleben bleiben?? :-X Was soll denn das? Dem Plot bringt das keine weiteren Facetten.
Was mich auch gestört hat, ist dass es die Figuren nach ihren Folter- und Gewaltorgien kein bißchen gerührt hat. Kein Nachdenken, kein schlechtes Gewissen und wenn wir bei bösen Antas sind, noch nicht mal Genugtuung. Stattdessen wird das Prügeln und Morden als "Spaß" verkauft. Das macht man halt so nebenbei.
Das ist für mich sinnlose Gewalt.

Manche Geschichten kommen natürlich ganz ohne Gewalt aus, z.B. Romanzen. Manchmal geht es leider nicht ohne Gewalt. Wenn eine Gesellschaft oder wichtige Figuren dadurch geprägt sind, dann gehört die Gewalt dazu. Das sollte allerdings in Maßen geschehen. Und wenn die genaue Durchführung nicht wichtig für den Plot ist, dann braucht man auch nicht zu sehr ins Detail gehen. Also z.B. Mit aller Kraft schlug er mit seinem Schwert zu und traf den Gegner am Bauch. Schreiend ging dieser zu Boden - statt - Dann schlug er zu und schlitzte dem Gegner die Bauchdecke auf. Das warme Blut spritzte ihm ins Gesicht und es gab ihm den Kick! Mit einer drehenden Bewegung hebelte er dem Bösewicht die Därme aus seinem verfluchten Bauch und verteilte sie auf dem Schlachtfeld. Röchelnd und glucksend ging der Fiesling zu Boden und zuckte bis der Tod ihn einholte.
Das ist sinnlos. Es sei denn dieser Mord ist ein Schlüsselereignis für den Helden und er leidet seitdem an Blut und Innereien Phobie. ;D
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lomax am 25. Oktober 2009, 23:12:31
Zitat von: Vali am 25. Oktober 2009, 22:24:52Das sollte dann die Rechtfertigung für die Vernichtung der Menschen sein, die die arme arme Erde mit ihrer Grausamkeit vergewaltigen.
Hm, das ist aber auch nicht die Botschaft, wie ich sie aus dem Comic in Erinnerung habe ??? Da fragt man sich doch, ob in dem Fall die Gewalt den Plot übertönt hat, oder ob sie in dem Film wirklich so viel geändert haben. Das wäre jedenfalls eine recht platte Rechtfertigung für den Antagonisten - und vor allem eine sehr "leichte" für den Zuschauer. Weil es das dem Zuschauer leicht machte, ob der Blödsinnigkeit des Plans auf Distanz zum "Schurken" zu gehen und sich im Dünkel seiner moralischen Überlegenheit zu suhlen, während der Comic den Leser durchaus geködert hat, der Argumentation des "Bösen" zu folgen und seinen Gewaltexzess für gerechtertigt zu halten - womit der Leser selbst moralisch herausgefordert ist.
  Ob das die Gewaltdarstellung besser macht, wer weiß? Zumindest macht es sie in sofern plotrelevanter, als der Plot selbst hinterfragt, in welchem Maße Gewalt zu rechtfertigen ist, und wo genau die Grenze zwischen den Taten der Protagonisten und denen des Antagonisten verläuft.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Cythnica am 25. Oktober 2009, 23:44:44
Also ich habe sowohl den Film als auch den Comic näher betrachtet und leider hat der Film einiges an Gewalt überzogen, die die Comics eigentlich nur schnittweise dargestellt haben - doch viele dieser düsteren Elemente, die beide Seiten wiederspiegelten haben mir in beiden Versionen sehr gut gefallen.
Rorschach, der selbst in ewigen Gewaltexzessen verfällt, weil er meint, er würde der Welt etwas mehr Gerechtigkeit geben, und der Comedian, der lange allen Sinn in den Kriegen aus den Augen verloren hat, und alles auf Erden nur noch als Spaß sieht... ich fand, da konnte man zwischen den Gewaltszenen und teils auch sehr gut durch einige Gewaltsszenen sehr gut noch draus lesen, wie sich Eskalationen und dergleichen ausbauen -

und ich muss sagen, dass ich das, was Lomax im Bezug auf das Buch erwähnte, auch durchaus im Film wiedererkennen konnte.
Die Menschheit hat ja auch durch den Plan zum Ende des Filmes überlebt ( zumindest fürs erste) und gerade das macht das Ende ja so bedrückend, weil man weis, dass der Plan falsch war, aber dennoch zur Rettung verhalf---
aber damit gleiten wir dann wohl doch ein wenig zu sehr ins OT
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Joscha am 26. Oktober 2009, 07:58:15
Zitat von: Vali am 25. Oktober 2009, 22:24:52
Puh, ich habe gestern beim Videoabend Watchmen geguckt. Da musste ich gleich an die Diskussion hier denken. Der Film strotzte nur so vor Splatterszenen und Gewaltorgien, dass sich mir der Magen umgedreht hat. Die Gewaltdarstellungen sollten den Sinn haben, die Grausamkeit der Menschen zu visualisieren. Das sollte dann die Rechtfertigung für die Vernichtung der Menschen sein, die die arme arme Erde mit ihrer Grausamkeit vergewaltigen. Mal davon abgesehen, dass ich die Botschaft für großen, menschenverachtenden Schwachsinn halte, fand ich die Gewaltszenen einfach nur sinn- und geschmacklos. Es kam so vor, als ob die "kleinen" Grausamkeiten des Lebens nicht reichten. Nein, es reichte nicht, dass die Figur das Kind niederschlägt, nein, er muss sich noch draufwerfen und dem Kind die Wange mit den Zähnen ausreißen. Und warum müssen die Därme bis an die Decke fliegen und dort kleben bleiben?? :-X Was soll denn das? Dem Plot bringt das keine weiteren Facetten.

An dieser Stelle ziehe ich dann die Grenze zu überflüssiger Gewalt. Das taugt nicht viel, um Charakter oder Plot noch weiter auszuprägen, sondern solche Szenen sind ekelerregend.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lavina am 26. Oktober 2009, 09:10:25
Zuerst will ich einen Kommentar zu Watchman abgeben. Ich habe den Film noch nicht gesehen aber er stand auf meiner Liste der Filme, die ich gerne sehen würde. Nach den gelesenen Informationen kann ich allerdings gut darauf verzichten. Es gab in letzter Zeit ohnehin kaum einen Film, bei dem mich die Story irgendwie mitgerissen hätte und es sind genau diese Filme, die dann überladen werden mit Gewalt, weil man sonst einfach ausschalten würde (ich schalte trotzdem aus, da mich dann das Ende auch nicht mehr interessiert und meistens vollkommen hirnrissig ist). :seufz:

Zitat von: Nachtaktive am 25. Oktober 2009, 02:02:10
*zurück Blätter bis auf Seite 1* "Geht es wirklich nicht ohne Gewalt und Folter?"
Natürlich geht es ohne Gewalt und Folter, jeder Autor der nicht in der Lage ist Spannung aufzubauen ohne Blut oder sonst was hat ein tiefgründiges kreatives Problem (mein Gott ist das schön ausgedrückt  ;D)
Aber, ich finde es nicht schlimm Gewalt darzustellen, Gewalt ist ein Spannungsträger, machen wir uns nichts vor und der Mensch hat den Hang zur Gewalt in seinen Genen. Nur sollte Gewalt einfach nicht als angenehmer Zeitvertreib dargestellt werden oder als Zeichen von Stärke.

Mit dieser Meinung Stimme ich vollkommen überein.
In Jeder Geschichte kommt Gewalt vor (in unterschiedlichen Formen eben), ich versuche aber eine klare Grenze zu ziehen, alles im Rahmen zu halten und die Gewalttätigen grundsätzlich den Kürzeren ziehen zu lassen.

Es kommt natürlich auch immer auf die Geschichte an, denn eine Story über einen Serienkiller gibt es nicht ohne Gewalt, doch auch da braucht man ein Feingefühl dafür was zu viel ist. Denn auch wenn die Story noch so gut ist, bei zu viel Gewalt, Folter, etc... kann das alles ganz schnell unter gehen.

Zitat
Natürlich geht es ohne Gewalt und Folter, jeder Autor der nicht in der Lage ist Spannung aufzubauen ohne Blut oder sonst was hat ein tiefgründiges kreatives Problem (mein Gott ist das schön ausgedrückt  ;D)

Nachtaktive hat es für meinen Geschmack allerdings in einem Satz auf den Punkt gebracht! :jau:
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 26. Oktober 2009, 16:26:20
Wenn ich da mal an meine Libelingsfilme denke... es kommt durchaus Gewalt vor, auch brutale Gewalt, aber wenn sie wirklich einen Zweck erfüllt, dann ist das für mich auch ok... Ich denke das zum Beispiel an "das Schweigen der Lämmer", ein toller Film, ein tolles Buch, trotzdem gewalttätig. Oder "Match Point", der Film ist an kaltblütigkeit kaum zu übertreffen, trotzdem ein toller Film. Auch bei "Fight Club" oder "Identität" geht es teilweise doch schon ziemlich brutal zu. In all diesem Filmen ist die Gewalt meiner Meinung nach storytechnisch keineswegs sinnlos. 
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Kati am 26. Oktober 2009, 16:31:23
ZitatIch bekenne mich zu einer solchen Autorin.   Ich liebe die Herausforderung, welche die Psyche einer "bösen" Person darstellt.

Ich auch.  :) Ich finde es sowieso total interessant was da so in den Köpfen meiner Charaktere vorgeht...

Wir lesen für die Schule gerade "A Star Called Henry" von Roddy Doyle. Das spielt während der Aufstände um das Easter Rising 1916 in Irland. Und seit einigen Tagen muss ich beim Lesen ständig an diesen Thread denken...denn der Protagonist, Henry, tötet ohne jegliche Gefühlsregung. Das hat mich schon stutzig gemacht. Die Gewalt scheint dem Ich-Erzähler rein gar nichts auszumachen. Irgendwie stimmt mich so etwas traurig...

LG,

Kati
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Lucien am 26. Oktober 2009, 18:04:17
ZitatDie Gewalt scheint dem Ich-Erzähler rein gar nichts auszumachen. Irgendwie stimmt mich so etwas traurig...
Mich auch.  :'( Deshalb gebe ich mir immer Mühe, dass meine Bösewichte - auch wenn sie noch so gefühlskalt erscheinen - immer auf irgendeine Art und Weise unter ihrer Lebensführung leiden. Wenn auch nur ein ganz kleines bisschen.

Was mich aber noch trauriger stimmt, ist, dass es solche Menschen wirklich gibt.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 26. Oktober 2009, 18:09:45
Wenn die Einstellung so einer Person in irgendeiner Weise kritisiert oder thematisiert wird, dann habe ich eigentlich nichts dagegen. Schlimm finde ich es, wenn solche Personen sympathieträger sind und ihre Haltung in keiner Weise kritisiert wird.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 26. Oktober 2009, 18:24:35
Zitat von: Moa-Bella am 26. Oktober 2009, 18:09:45
Wenn die Einstellung so einer Person in irgendeiner Weise kritisiert oder thematisiert wird, dann habe ich eigentlich nichts dagegen. Schlimm finde ich es, wenn solche Personen sympathieträger sind und ihre Haltung in keiner Weise kritisiert wird.

Die Sache ist die, dass Henry in "A Star Called Henry" ("Henry, der Held" im Deutschen) keineswegs Sympathieträger des Romans ist. Ja, er ist der Protagonist aber wirklich mögen tut man ihn nicht. Seine Kaltblütigkeit schreckt ab, und macht ihn nicht zum lieben Kerl. Sie trägt bloß dazu bei, die Brutalität des irischen Widerstandskampfes auf beiden Seiten zu beleuchten. Von daher emfinde ich die Gewalt in dem Roman nicht schlimm, sondern eher alls wichtige Charakterzeichnung der Figur.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Churke am 26. Oktober 2009, 18:50:00
ZitatSchlimm finde ich es, wenn solche Personen sympathieträger sind und ihre Haltung in keiner Weise kritisiert wird.
Sollte man die Wertung nicht dem Leser überlassen dürfen? An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Damit ist doch eigentlich alles gesagt - oder?
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Steffi am 26. Oktober 2009, 19:07:54
Zitat von: Churke am 26. Oktober 2009, 18:50:00
Sollte man die Wertung nicht dem Leser überlassen dürfen? An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Damit ist doch eigentlich alles gesagt - oder?

Finde ich auch. Wenn ein Leser diese Figur als Sympathieträger wertet, trotz seiner Taten--ist das dann nicht eine Aussage über den Leser? Selbst wenn diese Figur als Sympathieträger dargestellt wird, dann sollte der Leser sich doch nicht nur berieseln lassen, sondern die Intentionen des Autors und der Figur hinterfragen.   Klassenziel ereicht :)
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 27. Oktober 2009, 16:46:38
Zitat von: Churke am 26. Oktober 2009, 18:50:00
Sollte man die Wertung nicht dem Leser überlassen dürfen? An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Damit ist doch eigentlich alles gesagt - oder?

Wenn man das so erkennen kann. Oft wird Gewalt in einer Art und Weise dargestellt, die den Gedanken an die Sinnlosigkeit der Brutalität garnicht aufkommen lässt. Solange man erkennen kann, was der Held da eigentlich tut, ist das in meiner Definition von kritisiert mit eingeschlossen, also wenn dem Leser selbst die Möglichkeit gegeben ist, darüber zu Urteilen.
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Maran am 27. Oktober 2009, 17:54:22
Ich vermute mal sehr stark, daß nicht alle Leser kritische Leser sind. ;) (Selbst Lektoren scheinen es ab und an mal nicht zu sein nach einigen Büchern zu urteilen, die ich schon in der Hand hatte - aber das ist ein anderes Thema :D)

Das Gros der Leser (also Otto-Normal-Leser) liest doch vorrangig, um unterhalten zu werden. Wenn sie durch Gewalt/Brutalität unterhalten werden, dann besteht dahingehend ein Markt. Wenn keine/kaum interessante Alternativen zur Verfügung stehen, wie sollen sie dann etwas bewerten?
Titel: Re: Gewalt und Folterei - geht es denn gar nicht mehr ohne?
Beitrag von: Moa-Bella am 27. Oktober 2009, 18:16:57
Da liegt das Problem. Wenn Leser nicht werten und ein brutales Buch lesen, in dem Gewalt auf subtile Art und Weise kritisiert wird und dabei denken "boah, geil", dann kaufen sie danach weiter solche Bücher uns wollen solche Filme sehen. Die Kritik muss man ihnen dann meistens noch ausführlich erklären, damit sie erst darauf kommen, dass Gewalt überhaupt kritisiert wird. Zum Glück sind nicht alle Menschen so, aber leider viele.