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Protagonist bleibt im Hintergrund - ist das möglich?

Begonnen von Philian, 06. Oktober 2018, 09:33:33

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Philian

Liebe Autoren
Haltet ihr ein Buch ohne Hauptprotagonist für möglich?

Das ist jetzt keine theoretische Frage, es handelt sich dabei um ein ganz konkretes Projekt von mir. Die Szenen sind bereits geschrieben, bis jetzt aber noch Teil anderer Bücher von mir. Die Szenen beleuchten den Hintergrund und sind durchaus interessant, ziehen das Geschehen in den beiden Büchern aber leider in die Länge, ohne es wirklich voranzutreiben. Ich denke also darüber nach, sie aus den beiden Büchern herauszunehmen und zu einem eigenen Buch zusammenzufügen. Ein Buch mit dem Arbeitstitel: "Lehrjahre einer Göttin"

Angedachter Klappentext:
ZitatER ist alles, was existiert und unendlich einsam in seiner Macht. Darum erschafft ER einen Raum, den er seiner eigenen Kontrolle entzieht – die Erde! Das ist die Voraussetzung dafür, eines Tages vielleicht doch noch ein Gegenüber zu gewinnen.

Jahrtausende lang wartet ER darauf, dass die Göttin entsteht, die das Potential in sich trägt, zu seiner Partnerin heranwachsen zu können. Dann ist es endlich soweit: Ein bösartiger Daimon provoziert ihre Entstehung, doch der Daimon entstellt auch ihren Charakter, noch bevor sie vollständig ins Dasein getreten ist. So entfernt er allen Ehrgeiz aus ihrem Charakter und belegt sie stattdessen mit Jähzorn und Rachsucht.

Ungünstige Voraussetzungen für IHN. Soll ER das Experiment an dieser Stelle nicht besser beenden? Doch das hieße auch, all SEINE Hoffnung zu begraben und dazu ist ER noch nicht bereit. Ein Drahtseilakt beginnt:
Wenn ER sich zu viel in die Geschehnisse einmischt, unterwirft ER den Raum, in dem das Wunder geschehen soll, SEINEM eigenen Willen und zerstört ihn damit.
Greift ER dagegen gar nicht ein, steht ER am Ende mit leeren Händen da.

ER selbst ist zu mächtig, als dass ER in einem Buch auftreten könnte. Doch die Geschehnisse zeugen von ihm und nicht zuletzt auch die Stimmen im All. Hört ihnen zu und begreift SEIN Tun.
Doch denkt immer daran: ER darf den Willen der Götter nicht manipulieren, sonst endet alles mit einem einzigen, tödlichen Knall!

Soweit zum Klappentext.
In dem Buch selbst berichtet die Göttin über ihren Werdegang. Ab und zu unterbrochen von den "Stimmen im All", die das Geschehen auf einer Metaebene beleuchten, jedoch nicht mit IHM gleichzusetzen sind.

Ich bin gespannt auf eure Meinung und Argumente für oder wider ein solches Unternehmen, das mir selbst recht gewagt erscheint, aber meiner Meinung nach auch nicht eines "gewissen Charmes entbehrt", um es mal hochgestochen auszudrücken.

Natürlich könnte ich auch einen Klappentext zu ihr, der Göttin, verfassen. Das Problem dabei ist nur, dass ihr eben gerade der Antrieb fehlt, den ein Protagonist aufweisen muss, um als Protagonist zu taugen. Der Drahtzieher hinter allem ist nun mal ER. IHM muss es gelingen, sie auf den Weg der Reifung zu bringen, und Methoden zu finden, wie er ihren fehlenden Ehrgeiz ersetzen kann. Deshalb dachte ich, sollte auch ER im Klappentext erscheinen.
Aber vielleicht überzeugt ihr mich ja auch vom Gegenteil?

Trippelschritt

Grundsätzlich ist es möglich, dass der Protagonist gar nicht auftaucht. Aber dann muss der Leser aus dem Erzählen anderer darüber erfahren. Überraschenderweise kann gerade dadurch, dass die Figur überall das Denken bestimmt, eine besondere Nachdrücklichkeit erfahren. Dass das nicht so einfach zu erzählen ist, wenn auch in diesem Fall "show don't tell" gelten soll, liegt auf der Hand.

Bestimmt die Figur allerdings erst im Folgeband die Aufmerksamkeit, handelt es sich um einen Wechsel des Protagonisten mit all den Schwierigkeiten, die sich für die Identifikation des Lesers mit einer Figur dabei verbinden.

War das hilfreich?
Hoffentlich   ;)

Trippelschritt

Angela

Aber wenn die Göttin berichtet, wird sie dann nicht in dem Moment dein Prota? Oder erzählst du auktorial?
Der jüdische Gott ist auch ein mächtiger Prota, der überwiegend im Verborgenen bleibt. Selbst sein Name darf nicht benutzt werden, er wird zu Adonai, Eloheinu , Melech ha Olam. Er ist der Drahtzieher, Moses und Co haben nur Visionen und Träume von ihm.

Jen

Ich arbeite grob mit der Regel, dass der Protagonist derjenige ist, der die Entscheidungen trifft. Da in den allermeisten Geschichten Entscheidungen getroffen werden, müsstest du auch zwangsläufig einen Protagonisten haben. Sobald jemand aktiv wird (irgendeine Person), hat dieser Charakter eine Entscheidung getroffen.
Wenn es mehrere Entscheidungsfäller gibt, ist der Protagonist meist der POV, der sich evtl auch lange davor scheut, eine Entscheidung zu treffen (zum Beispiel am Anfang der klassischen Heldenreise) ... aber das nur nebenbei. :)
Guilty feet have got no rhythm.

Philian

Zitat.. einen Wechsel des Protagonisten mit all den Schwierigkeiten, die sich für die Identifikation des Lesers mit einer Figur dabei verbinden.

Hm, die Identifikation des Lesers mit dem Helden könnte in der Tat ein Problem sein. Ich bin mir nicht sicher, mit wem sich der Leser identifizieren wird. Mit dem abwesenden, allmächtigen Gott, oder mit der Ich-Erzählerin, die ihn an ihrem Erleben teilhaben lässt, und die er vermutlich von den vorhergehenden Büchern bereits kennt. Vermutlich letzteres, doch sicher bin ich mir damit nicht.

Da das Buch aber in sich geschlossen sein wird - ein Zusatzband zur eigentlichen Philian-Reihe - habe ich keine Probleme, wenn sich der Leser in diesem Band mit dem unbekannten Gott identifiziert, obwohl er ansonsten mit dem Daimon und der Göttin mitfiebert.

ZitatGrundsätzlich ist es möglich, dass der Protagonist gar nicht auftaucht. Aber dann muss der Leser aus dem Erzählen anderer darüber erfahren. Überraschenderweise kann gerade dadurch, dass die Figur überall das Denken bestimmt, eine besondere Nachdrücklichkeit erfahren. Dass das nicht so einfach zu erzählen ist, wenn auch in diesem Fall "show don't tell" gelten soll, liegt auf der Hand.

Das wirft ein weiteres Problem auf. Niemand der Akteure ahnt, dass es da einen Gott gibt, der die Strippen zieht. Deshalb können sie auch nicht ständig an ihn denken und ihn damit präsent halten. Ich befürchte, dass der unbekannte Gott und sein Anliegen früher oder später in Vergessenheit geraten wird, auch wenn er dem Leser zu Beginn vorgestellt wird.
Vermutlich werde ich die Szneen mit den 'wispernden Stimmen im All' aufstocken müssen. Sie sind ein geeignetes Instrument um den Leser immer wieder an den großen Gott und seine Pläne zu erinnern.
Doch ob das genügen wird?

ZitatAber wenn die Göttin berichtet, wird sie dann nicht in dem Moment dein Prota? Oder erzählst du auktorial?
Nein, die Göttin ist eine Ich-Erzählerin und damit sehr nah an dem Leser dran. Sie ist auf jeden Fall ein Protagonist, wenn auch ein problematischer, weil ihr der 'eigene Wille' fehlt, bzw. dieser erst geweckt werden muss.

ZitatDer jüdische Gott ist auch ein mächtiger Prota, der überwiegend im Verborgenen bleibt. Selbst sein Name darf nicht benutzt werden, er wird zu Adonai, Eloheinu , Melech ha Olam. Er ist der Drahtzieher, Moses und Co haben nur Visionen und Träume von ihm.

Da hast du recht, Angela. in meinem Buch ist es ein bisschen ähnlich. Doch die Bibel ist kein modern geschriebenes Buch und erhebt auch gar nicht den Anspruch, irgendwelchen Leseransprüchen genügen zu wollen. Außerdem kennen die Helden der Bibel ihren Gott, oder wissen zumindest um dessen Existenz, und bemühen sich, seinen Willen herauszufinden. Das tun die Helden in meiner Geschichte nicht. Und er darf sie auch nicht auf sich aufmerksam machen oder gar Gehorsam von ihnen fordern, weil er damit den Raum seines Experiments zerstören würde.

ZitatIch arbeite grob mit der Regel, dass der Protagonist derjenige ist, der die Entscheidungen trifft.

Damit werden alle meine Personen zu Protas. Denn natürlich sind sie nicht untätig, sondern reagieren, wollen auch etwas in dem entsprechenden Augenblick, tun ihren Willen kund. Was meiner Göttin fehlt, ist eben nur das übergeordnete Ziel, dem sie alle anderen ihrer Entscheidungen unterordnet.
Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Meine Göttin fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und dem Schutz der Schwachen. Für diejenigen, die sie liebt, kämpft sie wie eine Löwin. Doch das sind reaktive Strebungen, damit reagiert sie auf die Gegebenheiten, doch sie geht nicht aktiv hin, um ihre eigene Vorstellung der Welt bspw. zu verwirklichen. Das kann sie auch nicht, schließlich wurde ihr jeder Ehrgeiz geraubt.

Die wahren Akteure der Geschichte sind der unbekannte Gott und der Daimon, die jeweils miteinander unvereinbare Ziele verfolgen und an der Göttin herumzerren, weil sie jeder für seine Zwecke gewinnen will.

Puh, ich finde meine Geschichte wundervoll, aber manchmal will ich an ihr verzweifeln!

Trippelschritt

Denke einfach mal daran, dass Du Deine Geschichte anderen Leuten erzählen willst und vergiss für einen Moment das Schreiben. Denn wenn Du Deine Geschichte nicht erzählt bekommst, dann brauchst Du sie auch nicht zu schreiben. Insofern sind solche Spielchen nicht schlecht, wenn man mal vor einer entscheiduhng steht.

Liebe grüße
Trippelschritt

Philian

Zitat von: Trippelschritt am 06. Oktober 2018, 14:05:25
Denke einfach mal daran, dass Du Deine Geschichte anderen Leuten erzählen willst und vergiss für einen Moment das Schreiben. Denn wenn Du Deine Geschichte nicht erzählt bekommst, dann brauchst Du sie auch nicht zu schreiben. Insofern sind solche Spielchen nicht schlecht, wenn man mal vor einer entscheiduhng steht.

Liebe grüße
Trippelschritt

Was für Spielchen meinst du? Diese theoretischen Überlegungen hier im Thread? Oder doch etwas anderes?

Trippelschritt

Ja, das, was ich gerade schrieb. Den Wechsel vom Schreiber zum Erzähler und wieder zurück.

Sorry für die Unverständlichkeit
Trippelschritt

Fianna

Grundsätzlich würde ich sagen, die Göttin ist der Protagonist. Allerdings klingt Dein Klappentext bzw. die Erklärungen dazu sehr missverständlich. Als wäre sie eine Marionette, die nur reagiert, bis er an den Fäden zieht und andere Impulse gibt...

Philian

Zitat von: Fianna am 06. Oktober 2018, 16:31:28
Grundsätzlich würde ich sagen, die Göttin ist der Protagonist. Allerdings klingt Dein Klappentext bzw. die Erklärungen dazu sehr missverständlich. Als wäre sie eine Marionette, die nur reagiert, bis er an den Fäden zieht und andere Impulse gibt...

Naja, ganz so ist es natürlich nicht. Doch wenn ER will, dass sie ihr Potential vollständig ausschöpft und zur mächtigsten Göttin aller Zeiten heranreift, dann muss ER sich schon einiges einfallen lassen, wie er sie dazu bringen kann, ohne zu sehr in das Geschehen einzugreifen und damit alles bisher Erreichte zu riskieren.

Interpretiere ich eure bisherigen Antworten richtig, wenn ich behaupte, dass euch der obenstehende Klappentext nicht wirklich zusagt. Würdet ihr mir raten lieber nach einer Formulierung zu suchen, in der die Göttin die Agierende des Klappentextes ist?

Minna

Hallo Philian,

verstehe ich das richtig, dass es dir hier nur um die Formulierung des Klappentextes geht und gar nicht so sehr um den Inhalt deines Romanes?

Grundsätzlich ist es möglich einen Klappentext zu formulieren, ohne den Protagonisten zu benennen. Terry Pratchett's Romane sind ein ganz gutes Beispiel dafür (der hier zum Beispiel)
Das Problem ist eher, dass dein Klappentext sich so liest als wäre ER der Protagonist und ich habe das Gefühl, das ist gar nicht der Fall, sondern eher, dass die Göttin die Protagonistin ist und ER mehr der Antagoist.
Darum empfinde ich den Klappentext so wie er ist irreführend. Würde ich das Buch auf schlagen, dann würde ich erwarten SEINE Geschichte zu lesen.

Liebe Grüße Minna

Fianna

Wenn er doch nicht in Richtung Marionettenspieler gehen soll, sondern man sich eher vorstellt, dass er vielleicht mal eine Weiche umstellt: auf jeden Fall umformulieren!

In episch erzählten Fantasygeschichten gibt es auch häufig die Figur des nahezu allwissenden Drahtziehers, der selten ins Geschen eingreift oder eher versucht, die Figuren in die richtige Richtung zu lenken.
Die erscheinen auch nicht so prominent im Klappentext und werden schon gar nicht als Protagonist wahr genommen oder dargestellt - obwohl der Autor weiß, dass ohne diese Person nichts funktionieren würde.

Die Person, die die wichtigsten Entscheidungen für den Plot trifft, muss doch nicht automatisch mit dem Protagonisten identisch sein... und hier ist es nach meinem Verständnis auf keinen Fall identisch.

Czara Niyaha

Hallo Philian,

ehrlich gesagt finde ich, dass sich der Klappentext etwas verwirrend liest.  Du legst ständig die Betonung auf IHN, obwohl ER gar nicht wirklich auftaucht in der Geschichte. Zumindest habe ich da so verstanden. Außerdem wird meines Erachtens nach bereits zuviel in dem Text preisgegeben. Ich empfehle dir den Klappentext zu überarbeiten, weil er sich teilweise in Widersprüchen verstrickt. Gerne bin ich bereit dir dabei zu helfen.  :)

Nun aber zu deiner eigentlichen Frage.  Du erzählst aus der Sicht der Göttin. Wie andere bereits vor mir geschrieben haben, wird sie dadurch zum Protagonisten, oder nicht?! Und dann gibt es die Metaebene, die Stimmen aus dem All, die aber irgendwie eine Verbindung zu IHM haben?!   ??? In deinem Klappentext schreibst du, dass ein Dämon verantwortlich ist für die Entstehung der Göttin. Ihr jedoch den Ehrgeiz nimmt und sie stattdessen mit Jähzorn und Rachsucht belegt. Weiter unten erwähnst du, dass diese Göttin sich der Wahrheit und dem Schutz der Schwachen verpflichtet fühlt. Passt für mich so gar nicht zusammen. Jemand, bei dem Gefühle wie Jähzorn und Rachsucht dominieren, würde sich niemals Schwächeren annehmen.
Ich bin nicht mit deiner Geschichte vertraut, aber nachdem was ich lese, solltest du vielleicht noch einmal in dich gehen und dir Gedanken machen. Die Grundidee an und für sich finde ich spannend, aber jetzt kommt es darauf an, dass in die richtigen Worte zu verpacken und eine, nämlich deine Welt zu erschaffen.
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Zit

#13
Ich denke, dass man in dem Fall erstmal klar trennen muss zwischen dem, was der Autor weiß (Meta-Ebene, Handlungen im Hintergrund) und dem, was der Leser weiß (Geschichte aus Sicht der Göttin und dem Dämon). Bisher habe ich den Eindruck gewonnen, dass deine Geschichte ähnlich wie Faust aufgebaut ist. Der Stein des Anstoßes ist ja die Wette zwischen Gott und Mephisto, und auch wenn Gott Gretchens Seele rettet, so ist der Protagonist (die erste Hauptfigur) Faust, weil sein Werdegang, seine Probleme, seine Wandlung thematisiert und dargestellt werden (und Mephisto ist Fausts Antagonist). Also auch wenn dein Gott im Hintergrund die Fäden zieht, so ist er nicht der Protagonist, wenn der Text selbst kein Wort über seine Wandlung und seine Konflikte verliert. Insofern stimme ich den anderen zu, dass dein Prota in dieser Geschichte die Göttin ist. Es ist nicht von Belang, ob sie einen Willen hat, was sie zur Prota macht ist, dass ihr Werdegang im Mittelpunkt steht.

Was mir allerdings noch auffällt, das nur am Rande: Du sagst, du willst die Geschichte aus Szenen stricken, die du aus einer anderen Geschichte entnommen hast... Ich frage  mich gerade, ob die Szenen dann auch stark genug sind, eine eigene Geschichte zu tragen. Wenn sie stark genug wären, dann hättest du sie wohl kaum aus der ersten Geschichte herausgenommen (weil, dann wären sie ja handlungswichtig gewesen und hätten gar nicht herausgeschnitten werden können). Ich hoffe, es wir klar, worauf ich hinaus will, ich kann das gerade nicht so richtig zusammen fassen. :versteck:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Philian

@Minna
Als Antagonisten würde ich IHN nun nicht bezeichnen. Setzt der Status als Antagonist nicht voraus, dass er Ziele hegt, die denen des Protagonisten entgegenstehen?
Tatsächlich hätte die Göttin nichts gegen die Pläne des großen Gottes, wenn sie sie denn kennen würde. Sie würde sich nur darauf verlassen, dass er als 'Entwicklungshelfer' fungiert und ihm alles überlassen. Damit jedoch stünde sie ihrer eigenen Reifung im Weg - ein Grund mehr für IHN seine Pläne nicht öffentlich zu machen.

ZitatDarum empfinde ich den Klappentext so wie er ist irreführend. Würde ich das Buch aufschlagen, dann würde ich erwarten SEINE Geschichte zu lesen.

Das ist ein sehr schwerwiegendes Argument gegen den Klappentext. Nichts steht mir ferner, als falsche Erwartungen wecken zu wollen. Aber vielleicht muss ich IHN, als den großen Drahtzieher gar nicht nennen, so wie Fianna das so schön formuliert hat:

Zitat von: Fianna am 06. Oktober 2018, 18:17:42
Wenn er doch nicht in Richtung Marionettenspieler gehen soll, sondern man sich eher vorstellt, dass er vielleicht mal eine Weiche umstellt: auf jeden Fall umformulieren!

In episch erzählten Fantasygeschichten gibt es auch häufig die Figur des nahezu allwissenden Drahtziehers, der selten ins Geschen eingreift oder eher versucht, die Figuren in die richtige Richtung zu lenken.
Die erscheinen auch nicht so prominent im Klappentext und werden schon gar nicht als Protagonist wahr genommen oder dargestellt - obwohl der Autor weiß, dass ohne diese Person nichts funktionieren würde.

Die Person, die die wichtigsten Entscheidungen für den Plot trifft, muss doch nicht automatisch mit dem Protagonisten identisch sein... und hier ist es nach meinem Verständnis auf keinen Fall identisch.

Schade eigentlich, ich hätte IHN gern mehr ihn den Vordergrund gerückt. Aus SEINER Sicht die Ereignisse zu betrachten ist unwahrscheinlich spannend und birgt viele Konflikte, denn ihm wird einiges abverlangt. Dennoch bleibt das Wissen um SEINE Geschichte dann wohl mir allein vorbehalten. Der Leser bekommt von IHM nichts mit, bis ER ganz am Ende in Erscheinung tritt.
Aber dann ist das Buch ja schon vorbei und der Leser kann allenfalls im Rückblick betrachten, welche Entscheidungen ER getroffen hat und warum. Doch er wird nicht mehr mit IHM leiden oder hoffen und bangen. Einmal mehr muss ER in der Einsamkeit seiner Position verbleiben, ausgeschlossen von dem Leben, das wir kennen, verkannt in seiner Bedeutung für den Verlauf der Geschehnisse.
Ihr merkt, ER tut mir richtiggehend leid. Aber ich danke euch, dass ihr mir geholfen habt, Klarheit über SEINE Position zu erlangen. Er muss im Hintergrund bleiben.

Zitat von: Czara am 06. Oktober 2018, 19:15:41
Ich empfehle dir den Klappentext zu überarbeiten, weil er sich teilweise in Widersprüchen verstrickt. Gerne bin ich bereit dir dabei zu helfen.  :)


Das ist lieb von dir, Czara! Darauf komme ich gerne zurück, wenn ich einen Grobentwurf für einen Klappentext formulieren konnte, der die Geschichte aus Sicht der Göttin beschreibt.

Zitat von: Czara am 06. Oktober 2018, 19:15:41
Und dann gibt es die Metaebene, die Stimmen aus dem All, die aber irgendwie eine Verbindung zu IHM haben?!

Nein, eine Verbindung zu IHM haben sie nicht. Die körperlosen Stimmen im All stellen nur eine Art unbeteiligter Beobachter dar, die SEINEN Plan kennen und die Geschehnisse daran messen, ob sie SEINEM Anliegen weiterhelfen oder nicht. Sie unterhalten aber keinen Kontakt zu IHM, ganz im Gegenteil: Sie glauben, ER wüsste nichts von IHRER Existenz und dabei wollen sie es auch gern belassen.

Zitat von: Czara am 06. Oktober 2018, 19:15:41
In deinem Klappentext schreibst du, dass ein Dämon verantwortlich ist für die Entstehung der Göttin. Ihr jedoch den Ehrgeiz nimmt und sie stattdessen mit Jähzorn und Rachsucht belegt. Weiter unten erwähnst du, dass diese Göttin sich der Wahrheit und dem Schutz der Schwachen verpflichtet fühlt. Passt für mich so gar nicht zusammen. Jemand, bei dem Gefühle wie Jähzorn und Rachsucht dominieren, würde sich niemals Schwächeren annehmen.

Verständlich, doch Jähzorn und Rachsucht gehörten nicht ursprünglich zum Charakter der Göttin. Sie wurde von Prometheus erschaffen. (Nicht von dem Daimon, der gab nur den Anlass für ihre Erschaffung) Prometheus rief die Göttin ins Leben, damit sie den Daimon zerstören sollte. Der jedoch bekam das spitz und schlug zurück, indem er unbemerkt in den Schöpfungsakt hineinpfuschte, der Göttin jeglichen Ehrgeiz raubte und sie mit Jähzorn und Rachsucht entstellte. Dennoch würde ich nicht sagen, dass bei ihr diese Gefühle dominieren. Sie sind eigentlich Fremdkörper in ihrem Charakter, gehören nicht wirklich zu ihr, machen ihr aber das Leben schwer, wenn sie ihnen einmal wieder erlegen ist.

Zitat von: Czara am 06. Oktober 2018, 19:15:41
Ich bin nicht mit deiner Geschichte vertraut, aber nachdem was ich lese, solltest du vielleicht noch einmal in dich gehen und dir Gedanken machen. Die Grundidee an und für sich finde ich spannend, aber jetzt kommt es darauf an, dass in die richtigen Worte zu verpacken und eine, nämlich deine Welt zu erschaffen.

Nun, die Welt ist längst erschaffen, sehr komplex, ein ganzes Sonnensystem mit mehreren Planeten und die entstellte Göttin ist der Mittelpunkt des Ganzen. Doch ich frage mich, ob ich es mir nicht doch etwas zu schwer gemacht habe, indem ich dem Daimon erlaubte, ihr so viel Ehrgeiz zu rauben. Sie besitzt zwar noch einen starken Willen,Trotz und auch Widerspruchsgeist, (den ER sich übrigens zu Nutzen macht, um sie anzutreiben), aber mit ihr wäre leichter auszukommen, wenn sie von Anfang an für irgendetwas brennen würde. Etwas, das sie unbedingt erreichen will.
Ursprünglich hatte sie das auch. Prometheus hatte sie mit überaus viel Ehrgeiz ausgestattet, aus dem heraus sie danach streben würde, möglichst schnell zu der mächtigen Göttin heranzuwachsen, die sie sein kann.
Das musste der Daimon natürlich verhindern. Er sorgte dafür, dass sie über ihr Anfangsstadium nicht hinauskommen würde. Und wie hätte er das eleganter erreichen können, als eben dadurch, dass er ihr den Ehrgeiz raubt?
Insofern ist der Geschehensablauf nur logisch. Doch er beschert mir eine schwierige Protagonistin, der es schwer fällt, mehr Sympathien einzuheimsen, als der Daimon, der zwar bösartig ist, dafür aber bereit, alles zu tun, um das zu bekommen was er so unbedingt haben will.

Ja, ich werde mir noch einmal den Kopf zerbrechen, ob ich nicht doch noch eine Möglichkeit finde, wie ich meine Göttin auch ohne Ehrgeiz aktiver für ihren Herzenswunsch kämpfen lassen kann.
Einen Herzenswunsch hegt sie nämlich durchaus, verfolgt ihn aber nicht, weil er ihr aussichtslos erscheint.

Ich danke euch auf jeden Fall schon mal für die Anregungen, die ihr mir mit euren Worten gegeben habt!

Gerade sehe ich, dass du Zitkalasa geantwortet hast, bevor ich meinen Beitrag loschicken konnte. (Meine Güte ich habe offensichtlich wirklich lang über meiner Antwort gebrütet!)  Dein Beispiel mit Faust gefällt mir gut und bringt das Problem sehr schön auf den Punkt: Die Göttin ist der Protagonist, egal wie viele Probleme sie mir bereitet.

Deine Bemerkung zu den herausgeschnittenen Szenen ist auch sehr scharfsinnig. Und du hast recht: Warum schneide ich sie heraus, wenn sie doch wichtig sind? Tatsächlich weiß ich nicht, ob ich ohne sie auskomme. Sie decken einen Zeitraum von über 200 Jahren ab, in denen die Göttin das Sonnensystem erschafft, in dem Daimon und Göttin erneut aufeinandertreffen und ihren tödlichen Kampf fortsetzen.
Ich erzähle aus Sicht der Göttin. Sie gerät in die Gefangenschaft des Daimons, doch es gelingt ihr zu fliehen. Nun schwenke ich zur Perspektive des Daimons über und er berichtet, was er alles unternimmt, um seine Todfeindin wiederzufinden, die nämlich genau das besitzt, was er so dringend haben will. Endlich findet er ihre Spur und taucht in dem fernen Sonnensystem auf. Er spioniert ihre Planeten aus, will einen Ansatzpunkt finden, wo er sie angreifen kann.
Bis hier her ist es nicht problematisch. Der Leser weiß nicht, wie die Göttin zu den Planeten gekommen ist, oder wie es zu den Problemen kam, mit denen sie jetzt zu kämpfen hat. Der Daimon weiß es nämlich auch nicht, stellt allenfalls vage Spekulationen darüber an.
Doch dann wechselt die Perspektive wieder zu der Göttin und der Leser erlebt aus ihren Augen den Angriff des Daimons auf ihr neugeschaffenes Planetensystem.
An dieser Stelle, so befürchte ich, wird mir der Leser Vorhaltungen machen, weil ich ihm einfach ein ganzes Sonnensystem vor den Latz knalle, ohne ein Wort darüber zu verlieren.  Und die Göttin selbst erklärt natürlich auch nichts, sie kennt die Entstehungsgeschichte ihres Reiches ja, warum sollte sie also darüber philosophieren? Dazu sieht sich der Leser einer veränderten, weil gereiften Göttin gegenüber.
Da es sich um eine Serie handelt, endet der erste Band hier mit der Sichtweise der Göttin.

Zum Glück habe ich eine Testleserin gefunden, die mir die zusammengeschnittene Version der Geschichte (aus Band 1 und 2) austestet. Bleibt abzuwarten, was sie dazu sagen wird. Aus Rückmeldungen von Lesern weiß ich jedenfalls, dass ihnen die Zeit bis zum erneuten Auftreten des Daimons zu lange dauerte. Wie bereits angedeutet ist er der heimliche Liebling der Leser, was ich durchaus nachvollziehen kann, ich schwärme auch für ihn.