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Wann den Prota und die Welt charakterisieren?

Begonnen von Tintenvers, 28. September 2018, 22:25:35

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Tintenvers

Hallo ihr Lieben,

zur Zeit drängt sich mir während des Schreibens immer wieder eine Frage auf:
Wann ist der richtige Moment, den Prota und auch die Welt, in der er lebt, dem Leser näher zu bringen, zu charakterisieren und auch zu zeigen.  Und zwar wirft folgendes diese Frage auf:
Mein erstes Kapitel beginnt gleich mit einer aktiongeladenen Szene, um genauer zu sein, mit einer Verfolgungsjagd bzw Flucht. Um die Spannung zu halten, bleibt da nicht viel Platz, um den Prota zu charakterisieren oder gar die Welt zu erläutern, wobei ein Wissen über die Welt in diesem. Moment such nicht unbedingt wichtig ist. Die Charakterisierung beider erfolgt in Kapitel zwei, also direkt im Anschluss.
Und doch bleibt da die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, ein Kapitel voran zu schieben. Für mich stellt sich die Frage ob es für den Leser in diesem Falle das eigentliche erste Kapitel spannender ist, wenn bereits eine gewisse Bindung zum Prota besteht.
Wie handhabt ihr das Ganze denn und wie findet ihr euch in eine neue Geschichte ein?

Christopher

Actionszenen am Anfang einer Fantasygeschichte finde ich, aus eigener Erfahrung, schwierig wirklich gut zu machen. Aus den von dir genannten Gründen: Man kennt weder den Charakter, noch die Welt, die Umstände etc.
In einem Urbanen oder an die Gegenwart angelehnten Setting kann man schnell mit wenigen Worten und Eindrücken eine Kulisse schaffen. Da kann das gut funktionieren, aber in Fantasy? In Filmen, Comics oder ähnlichen Medien geht das gut, in Büchern eher nicht. Die Versuchung ist natürlich groß - in Filmen erzeugt eine Actionszene am Anfang schnell Spannung und lässt weiterschauen - aber ich würde an deiner Stelle ein Kapitel voran stellen.

Das Reinfinden in eine Geschichte ist jedes mal schwer. Da habe ich leider kein gutes Rezept :(
Be brave, dont tryhard.

Sprotte

Figuren kann man auch in Action-Sequenzen charakterisieren. Es sind dann mehr die leisen Töne, wie eine Figure auf eine Situation reagiert. Auch die Welt erklären ich ungern in einem reinen Erklärbär-Kapitel, sondern führe sie, ihre Besonderheiten (Magie, Völker etc.) lieber häppchenweise und mitunter auch in actionlastigen Szenen ein.

Holger

Ich halte es da ähnlich wie Sprotte: Gerade Action-Szenen können in meinen Augen sogar ziemlich gut einen Protagonisten beschreiben und charakterisieren - wenn man ein wenig aufpasst kann man da sicherlich auch die Welt gut reinpacken.

Eventuell könnte das sogar besser sein, denn man lässt nicht den "Erklärbär" raushängen. Insofern würde ich es sogar über eine solche Szene eventuell eleganter empfinden. Denn Handlungen und Ereignisse können schöner charakterisieren als reine Beschreibungen - ganz nach dem altbekannten "Show don't tell".

Trotzdem würde ich wohl auch mit der Länge der Acton-Szene aufpassen und sie nicht zu ausufernd werden lassen. Ich persönlich langweile mich schnell bei Action-Szenen in Büchern, wenn sie lediglich Action darstellen. Aber das ist vermutlich Geschmackssache. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass viele Leser so was sogar mehr mögen als ich. Sicher bin ich mir da aber nicht.
"No one asks for their life to change, not really. But it does. So, what are we? Helpless? Puppets? No. The big moments are gonna come, you can't help that. It's what you do afterwards that counts. That's when you find out who you are."
(Buffy: The Vampire Slayer; S02E21: Becoming - Part 1)

FeeamPC

Wenn jemand in einer Action-Szene von einem axtschwingenden Krieger verfolgt wird, erklärt mir das bereits einiges über die Welt dieser Geschichte.

Lila

#5
Zitat von: FeeamPC am 29. September 2018, 00:44:11Wenn jemand in einer Action-Szene von einem axtschwingenden Krieger verfolgt wird, erklärt mir das bereits einiges über die Welt dieser Geschichte.

Etwas in der Art ging mir ebenfalls durch den Sinn, als ich das Thema dieses Threads las. Im Grunde gibt es keinen perfekten Zeitpunkt. Meiner Meinung nach sollten sich das Bild vom Charakter und der jeweiligen Welt automatisch nach und nach entwickeln. Ich als Leser finde explizite Beschreibungen wie "Sie betrachtete ihr haselnussbraunes lockiges Haar im Spiegel und fuhr mit den Fingern ihre kantigen Gesichtszüge nach." immer kritisch und oft schlichtweg unpassend, weil es eigentlich unnötig ist das Aussehen des Charakters derart zu erwähnen, wenn man es richtig und geschickt anstellt. Was noch immer geht, finde ich, ist, wenn der Charakter von einem anderen Charakter beschrieben wird, wobei auch das grenzwertig ist. Am besten lässt man die Charakterisierung der Welt und der Figuren ganz natürlich in den Text einfließen, ohne darauf einen besonderen Fokus zu legen. Wenn es zum Beispiel windig ist und sich die weibliche (oder männliche) Figur die langen Haare aus dem Gesicht streichen und zu einem Zopf zusammenbinden muss. Oder wenn die Figur eine Wunde an sich selbst versorgt und dabei die krustigen Wundränder auf ihrer dunklen/blassen Haut mit einer Tinktur säubert. Wenn es halt nicht total offensichtlich und in-your-face ist, sondern sich elegant in den Text/Lesefluss einflicht. Alles andere aka exzessive Charakter- und Weltenbeschreibungen können sonst sehr schnell in puren Info-dump ausarten, so dass sich der Leser am Ende nur erschlagen fühlt, bzw. die Geschichte und der Lesefluss dadurch ins Stocken geraten.

Zitat von: Holger am 28. September 2018, 23:42:59(...)

Eventuell könnte das sogar besser sein, denn man lässt nicht den "Erklärbär" raushängen. Insofern würde ich es sogar über eine solche Szene eventuell eleganter empfinden. Denn Handlungen und Ereignisse können schöner charakterisieren als reine Beschreibungen - ganz nach dem altbekannten "Show don't tell".

(...)

Ganz genau! :jau:
Livid Oppressed King: Ignite!
Tyranny Has Overcome Rules."
(oder: was man nicht alles aus LOKI & THOR machen kann!) - TasTä (aka Lila)

Maja

Ich habe das in den Workshop verschoben, weil es eine allgemeine Frage ist. Eine Frage in "Autoren helfen Autoren" muss immer ein ganz konkretes Plotproblem sein, nicht die Frage, wie etwas grundsätzlich oder von anderen Autoren gelöst wird.

Zur Frage selbst stimme ich @Tastentänzerin voll zu. Beides, Welt und Hauptfigur, werden nicht auf einen Schlag vorgestellt. Man lernt sie nach und nach kennen. Natürlich ist relevant, in welcher Situation wir eine Figur das erste Mal kennenlernen. Treffen wir deinen Protagonisten, während er in den Morgenstunden durch die Gosse nach Hause gekrochen kommt, verrät das mit sehr wenigen Sätzen schon sehr viel. Sitzt die gleiche Figur be ihrer ersten Begegnung mit dem Leser passiv an einer Bushaltestelle, bleibt erst einmal deutlich mehr offen - die Frage ist dann, wohin der Bus fährt. Oder ob sie überhaupt einsteigt.

Stellt euch immer die Frage, was der Leser schon weiß, was er gerade wissen soll, und was er lieber noch nicht erfahren sollte. Dann verfüttert die Informationen häppchenweise, langsam, nach und nach. Ich bin noch nie einem Leser begegner, der so etwas gesagt hätte wie "Ein Infodump! Geil! Mehr davon!". Tolkiens Einleitung über Hobbits hat genau einmal funktioniert. Don't try this at home.

Eine Welt lernt man am besten kennen über die Menschen, die in ihr leben, nicht über seitenlange historische Abhandlungen oder Landschaftsbeschreibungen. Es reicht erst einmal, wenn der Leser ein Gefühl für den einen Ort, wo sich die Handlung gerade abspielt, bekommt. Nach und nach kann man das ausdehnen, aber man muss es nicht. Wichtiger ist, dass das, was da ist, lebendig wirkt, als ob dort echte Leute wohnen, auch wenn sie gerade nicht im Bild sind. Dazu gehören zum Beispiel Hintergrundgeräusche, Gerüche, kleine Details wie dreckige Fensterscheiben, wehende Gardinen, freilaufende Hühner, Straßenkehrer, balzende Igel. nicht zu viel davon, es muss beiläufig bleiben, weil es sonst von der eigentlichen Handlung ablenkt - Hauptsache, die welt fühlt sich nicht an wie eine Pappkulisse, auf deren Rückseite man auf nacktes Sperrholz blickt.

Aber so gut es auch ist, wenn ein Autor jedes einzelne Detail seiner Welt kennt - Leser wollen das nicht unbedignt alles wissen. Sie sind mehr an den Figuren interessiert, an deren Motivation, Zielen, Ängsten, und nehmen die Welt als Schauplatz durchaus wahr, aber sie sollte immer nur die zweite Geige spielen und nie zum Selbstzweck geraten.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Yamuri

Ich benutze Landschafts bzw. Wetterbeschreibungen ganz gern als Intro, allerdings nicht ausschweigend, sondern mehr als Triggerpunkt für eine Stimmung eines Charakters oder ein Ereignis, das folgt und eben Einfluss auf den Handlungsträger hat. Beschreibungen des Aussehens nutze ich dann, wenn beispielsweise ein Charakter etwas besonders charakteristisches trägt. Die Augenfarbe finde ich dann wichtig, wenn sie ungewöhnlich ist, oder in irgendeiner Weise eben auffällig und andren sofort ins Auge sticht. Insofern gehe ich bei Beschreibungen der Charaktere eher vom Blickwinkel des Charakters aus. Was sieht der Charakter, was fällt ihm auf? Hat jemand eine ungewöhnliche Frisur, ist die Kleidung eher typisch oder untypisch? Ich gehe auch nicht unbedingt direkt ins Detail, das tue ich dann, wenn aus irgendeinem Grund ich es als wichtig empfinde, dass eine klare Beschreibung vorhanden ist. Dieser Grund muss für den Leser finde ich, nicht direkt ersichtlich sein, es genügt erstmal für sich einen Grund zu haben. Wenn jemand eine für seine Umgebung besonders typische Kleidung trägt beispielsweise, dann kann ich damit die Botschaft vermitteln -> er wirkt so normal, dass er in der Masse untergeht. Oder jemand hat feuerrotes Haar in einer Gesellschaft in der die Menschen eher blond oder schwarzhaarig sind -> damit zeige ich, diese Person ist auffällig, man merkt sich, dass sie an einem Ort war, weil ihr Haar so charakteristisch und markant ist, so auffällig, dass sie einem eben ins Auge sticht. Ohne dass ich extra drauf hinweisen muss und sagen, ist unauffällig oder ist auffällig kann ich mit der Beschreibung des Charakters subtil drauf hinweisen. :) Bei Wetterzuständen wiederum kann man allgemeine Stimmungen transportieren. Auch landschaftsbeschreibungen lösen Gefühle aus, die wiederum auf Charaktere wirken. Oder die Beschreibung von Architektur.

Was deine Frage zur Bindung angeht. Mir ist es sehr wichtig, dass eine Bindung zum Handlungsträger besteht. Wenn man mit mehreren Handlungsträgern arbeitet, ist das deutlich schwieriger, da sie eben erst nach und nach in Folgekapiteln auftauchen. Habe ich nur einen Protagonisten ist es mir wichtig im ersten Kapitel eine Bindung her zu stellen. Ich beginne auch meist auktorial und zoome dann quasi in den Charakter hinein. Das bedeutet, wie eine Kamera beschreibe ich zuerst, was sieht man als Leser, beispielsweise Wellen, die an eine Klippe schlagen, an welcher der Protagonist steht und hinaus auf das Wasser blickt. 'In seinen Augen spiegelt sich das Licht der Abendsonne und verleiht ihm einen rotbraunen Glanz.' Damit weise ich drauf hin, der Grundfarbton der Augen ist wohl braun, und wir haben Abendrot, daher der rotbraune Glanz. Ich zeige zuerst die Außensicht und dann geh ich auf die Gefühlslage ein, auf den Vergleich zwischen dem Wetter und dem Innenleben und zoome in den Kopf hinein. Schreibe in kursiv was denkt der Charakter. Das alles ist im Grunde nur ein Absatz, ein paar Zeilen. Es besteht auch die Möglichkeit eine weniger friedliche Szene zu nehmen. Wenn der Charakter auf der Flucht ist beispielsweise, sich gehetzt umsieht, sich in den Fenstern seine Silhuette wiederspiegelt. Er spürt die Kiesel unter sich, weil seine Schuhe schon durchgetreten sind, der Wind zerrt an der zerschlissenen Kleidung usw. Beschreibungen finde ich sehr wichtig um Stimmungen und Atmosphäre zu vermitteln. Ich denke da immer ein bisschen auch an die Wirkung die Geräusche, Hintergrundmusik, das Wetter, Bekleidung und das Äußere in Filmen haben und versuche das umzusetzen.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Trippelschritt

Es gibt keine Regel. Der Anfang ist immer so schwierig, dass viele Autoren ihn recht spät in den Griff bekommen und ihn erst schreiben, wenn sie schon etliches vom Haupttext stehen haben. Insofern verstehe ich Dein Problem und kann auch keine Patentlösung präsentieren.

Ein Anfang hat immer zwei Funktionen: Einmal soll er dem Leser Orientierung anbieten und zum anderen soll er einen Sog entwickeln, der den Leser in den Text hineinzieht. Wie man das macht, ist schwer zu sagen, weil es unzählige Möglichkeiten gibt. Vielleicht ist es besser zu sagen, was man vermeiden sollte.

Infodump!

Wenn ein Leser das Gefühl hat, ihm wird Information angeboten, damit er sich zurechtfindet, ist der Sog zerstört. Ich persönlich mag kurze stimmungsvolle Beschreibungen, weil man einen Sog leicht über die Sprache erzielen kann. Die Infos kommen beiläufig.
Es geht aber auch mit Action. Ein Krieger auf der Flucht spürt nicht die Schläge einer Karabaska-Ranke und überhört auch die Warnrufe eines Marmara-Schreiers, weil er nur auf die platschenden Schritte hinter sich lauscht.

Und auf jeden Fall auf einen Prolog verzichten. In 99% aller Fälle gibt es eine bessere Lösung als einen Prolog. Selbst Schreiber wie Martin passiert das manchmal. Er hätte bei seinem Lied von Eis und Feuer auch mal besser auf den Prolog verzichtet.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Yamuri

Was Prologe anbelangt habe ich eine andere Meinung als jene, die in jüngster Zeit anscheinend immer vorherrschender wird. Das mag aber auch daran liegen, dass ich Prologe liebe. Ich lese sie wahnsinnig gern. Sie sind für mich ein toller Teaser. Natürlich geht ohne Prolog auch, keine Frage. Doch ich fände es persönlich schrecklich, wenn es keine Autoren mehr gäbe die Prologe schreiben. Dann würde ich sie wohl zum Trotz schreiben, damit ich sie wenigstens in meinen Werken lesen kann. Prologe können eine sehr schöne, in sich abgeschlossene Rahmenhandlung bilden, sie können aber auch ein Ereignis zeigen, das in der Vergangenheit geschah und direkte Auswirkungen auf das Jetzt hat. Zwar könnte man auch im Laufe der Geschichte eine Rückblende machen, doch Rückblenden passen nicht immer, insbesondere wenn das Ereignis eine Vorgeschichte ist, die Auswirkungen hat, aber nicht mehr explizit thematisiert werden soll, sondern eine Ursache umschreiben. Außerdem bieten sie für mich oft den Anreiz zum Nachdenken (Was hat das jetzt mit der Hauptstory zu tun? -> will ich wissen und lese weiter) und sie können auch ein Foreshadowing enthalten, etwas das später von Relevanz sein wird. Es gibt so viele Möglichkeiten einen Prolog zu gestalten, und ich finde es sehr schade, dass sich die Mode entwickelt den Prolog für unnötig zu erachten. Aber wie gesagt, ich lese einfach gern Prologe und ich bin sicher es gibt noch andre Leser, die Prologe auch mögen. Falls du also Prologe magst, solltest du dich nicht einschüchtern lassen und sie dennoch schreiben. Wenn du sie nicht magst, lass sie weg. :) Es gibt so viele potentielle Leser auf der Welt. Für Alle gleichzeitig schreiben geht eh nicht, also überleg dir: für welche Art von Leser du schreiben möchtest und akzeptiere, dass es immer welche geben wird, denen der Stil/ die Konzeption/das Genre eben nicht zusagt.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Churke

Zitat von: Majaky am 28. September 2018, 22:25:35
Wann ist der richtige Moment, den Prota und auch die Welt, in der er lebt, dem Leser näher zu bringen, zu charakterisieren und auch zu zeigen. 

Meine These lautet, dass es diesen Moment in einem guten Roman nicht gibt. Stichwort show don't tell. Die Kunst besteht darin, dass der Leser am Schluss alles weiß, ohne, dass man es ihm gesagt hat. Und nein, ich behaupte nicht, dass es einfach ist.

Trippelschritt

Entschuldigt, wenn ich mich noch einmal ganz kurz melde.

Einmal, um Churke grundsätzlich recht zugeben, und die Frage zu stellen, was die machen können, die in ihrem Handwerk noch eher am Anfang stehen als am Ende.

Und zum anderen, um einmal kurz OT zu werden.
Ich war einmal selber ein Liebhaber von Prologen und habe mich auch mühsam überzeugen lassen müssen.
Jeder Prolog hat einen grundsätzlichen Nachteil. Er produziert zwei Anfänge. Einmal den eigenen. Und dann den zweiten, wenn die eigentliche Geschcihte anfängt  Das bedeutet für den autor ein doppeltes Risiko bei der Erzeugung des Sogs. Zumal die beiden Anfänge sich grundsätzlich unterscheiden. Täten sie das nicht, brauchte man auch keinen Prolog.

In diesem Sinne
Trippelschritt

(und nun zurück zum Thema)

Gilwen

Ja, schwieriges Thema. Ich kämpfe da gerade auch etwas mit... Habe jetzt nochmal das erste Kapitel komplett neugeschrieben. Die Handlung bleibt gleich, aber ich war mit der Sprache nicht zufrieden, es hat sich unrund gelesen, und nach einigem Rumbasteln hab ich es einfach über den Haufen geworfen und nochmal neu gemacht. Meistens kennt man ja nach einem Buch seine Figur viel besser und es fällt einem viel leichter!

Das erste Kapitel finde ich extrem wichtig. Da entscheidet der Leser, ob er dir eine Chance gibt und weiterliest oder nicht. Also irgendwie muss man diesen Spagat schaffen zwischen Spannung erzeugen, nicht zuviel und nicht zuwenig Beschreibung, und am besten noch die Stimmung aus dem kompletten Buch einfangen, damit der Leser weiß, womit er rechnen kann.
Ich bin jetzt kein Profi, aber ich mache es auch so, dass ich in kleineren Häppchen beschreibe, und sonst versuche, alles zu zeigen.

Zum Prolog: Ich habe mich entschieden, einen reinzunehmen. Er ist sehr kurz und es geht um ein Ereignis, das einige Zeit vor meiner Handlung passiert ist und wichtig ist, um die Handlung zu verstehen. Ich wollte nicht mitten im Buch eine Rückblende machen, weil ich sonst verschiedene Zusammenhänge gezeigt hätte, von denen ich möchte, dass der Leser selbst darauf kommt. Und ich sehe es als Möglichkeit, Spannung aufzubauen, weil der Leser sich dann fragt: Wer ist das jetzt eigentlich? Was ist da passiert? Wie ging es weiter? Irgendwann wird das nach und nach aufgeklärt, als eine Art roter Faden.
,,Ist schon gut", sagte das Feuer. ,,Du musst das sicher erstmal alles sacken lassen."

Tintenvers

Ich glaube, ich habe mich etwas missverständlich ausgedrückt. Auf infodump habe ich es gar nicht abgesehen. Das der von Nachteil ist, ist mir bewusst. Aus diesen Kinderschuhen bin ich längst raus gewachsen.
Mir stellte sich eher die Frage, ob für den Leser mehr Spannung aufkommt, wenn er bereits die Absichten und Ansichten des Protas kennt, wenn dieser in Gefahr schwebt.
Ich habe mir heute nacht ziemlich den Kopf über diese Frage zerbrochen und habe mich jetzt letztlich dazu entschieden, doch noch ein Kapitel voran zu stellen. Das hat aber tatsächlich weniger mit dem ursprünglichen ersten Kapitel zu tun, als dass ich im weiteren Verlauf unnötige Rückblenden vermeiden will, um die Überzeugung des Protas zu verdeutlichen. Ansonsten wäre ich vielleicht sogar zum Infodump gezwungen, was sich aber mit einem voran gestellten Kapitel vermeiden ließe. Sollte sich heraus stellen, dass ich dich darauf verzichten kann, kann ich es ja auch immer noch streichen.
Einen Prolog. Möchte ich jedoch nicht.. Ich habe nichts gegen solche, aber zu meiner Geschichte passt es einfach nicht bzw würde völlig fehl am Platz wirken.

Christopher

Zitat von: Trippelschritt am 29. September 2018, 09:00:28
Und auf jeden Fall auf einen Prolog verzichten. In 99% aller Fälle gibt es eine bessere Lösung als einen Prolog. Selbst Schreiber wie Martin passiert das manchmal. Er hätte bei seinem Lied von Eis und Feuer auch mal besser auf den Prolog verzichtet.

Hier widerspreche ich. Ich fand den Prolog in GoT ziemlich gut und gelungen. Er zeigt außerdem deutlich was eigentlich der große, überspannende Bogen der Geschichte ist. Die ~8 Bände dazwischen sind zwar unterhaltsam, dienen aber bloß der Vorbereitung ;D

Aber zurück zum Thema.
Etliche der gewählten Beispiele für Szenen (siehe @Maja) funktionieren gut und hervorragend, auch gerne als erste Szene. Nur eine Actionszene würde ich nicht wählen. Action sollte grundsätzlich sehr dynamisch sein (gibt es überhaupt langsame Action?) und für den Anfang ohne einen Rahmen oder Bilder die der Leser im Kopf hat bereits in eine hochdynamische Szene hineingeworfen werden funktioniert - zumindest bei mir - überhaupt nicht.
Actionszenen sind schon mitten im Buch schwierig. Dort, wo man sie sauber und langwierig vorbereiten konnte. Wo der Leser ein Bild der Figuren im Kopf hat, sich auskennt, und eine Grundstimmung vorherrscht. Wenn man ganz am Anfang damit beginnt, wo all das fehlt, halte ich es für extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das gut zu lösen.
Daher auch meine Beispiele Film oder Comic, bzw. ein Setting das Urban oder in der Gegenwart angelegt ist. Comic und Film erfordern keine Vorstellungskraft, ein Urbanes Setting in der Gegenwart auch nicht - wir leben alle in der Gegenwart. Da reicht schon ein kurzer Beginn ala:
"London. Der Big Ben schlug gerade Zwölf Uhr als ich bei Rot über die Straße rannte..." - und ab hier actionreich weiter.
Jeder hat eine ungefähre Vorstellung von London und viele Probleme werden damit gelöst.

Aber die genannten Probleme (Figur kennenlernen, Besonderheiten der Welt kennen, Grundstimmung etc.) sind in einem Fantasysetting deutlich schwerwiegender. Darum würde ich bei Fantasy nie mit einer Actionszene einsteigen. Nach ein paar Absätzen kann gerne etwas Action kommen, aber nicht unmittelbar als Einstieg.
Da muss man dann einen anderen Einstieg finden, der Sog erzeugt. Action ist ja nicht das einzige, was Interesse weckt (auch wenn Hollywood das zu oft glaubt). Majas Beispiele z.B. gefallen mir beide und ich würde schon ein paar Seiten weiterlesen und dann erst entscheiden, ob mich die Story mitnimmt oder nicht. Interesse kann man auch anders wecken als mit Action ;)
Be brave, dont tryhard.