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[Kriminalistik] Bedingungen für Untersuchungshaft/Fluchtgefahr

Begonnen von Alaun, 31. Oktober 2014, 09:47:42

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Alaun

Hallo ihr Lieben,

ich habe eine Frage, die mir gerade ein wenig Bauchschmerzen in Bezug auf mein Nano-Projekt macht.
Mein "Roter Hering" muss unbedingt von der Polizei vernommen werden und bestenfalls eine Weile in Untersuchungshaft - allerdings gibt es nur eine etwas dubiose Aussage, die ihn zum Verdächtigen in diesem bestimmten Fall macht. Ein Verdacht genügt üblicherweise aber nicht für eine Untersuchungshaft. Außer, es würde z.B. Fluchtgefahr als Grund in Frage kommen, um die Person festzuhalten? Der Verdächtige ist nicht EU-Bürger und hat den Hauptwohnsitz in der Schweiz - da könnte man dieses Ass glaubwürdig aus dem Ärmel ziehen, oder? Kennt sich damit jemand aus?

Danke für eure Hilfe!
*Aquamarin





Antonia Assmann

Hallo Aqua,

ich würde das als Grund überzeugend finden. Als Leserin wie selber Krimischreiberin. Wenn jemand seinen Hauptwohnsitz nicht in Deutschland hat, ist das m.M.n. schon genug Grund.

:winke: Antonia

Churke

1. Niemand ist verpflichtet, bei der Polizei eine Aussage zu machen.

2. Haftgründe sind *dringender Tatverdacht* + *Fluchtgefahr*, *Verdunkelungsgefahr* oder *Wiederholungsgefahr*

Wenn der Staatsanwalt bzw. Ermittlungsrichter meint, dass er's war ("etwas dubiose Aussage"?) und dass der Delinquent sich absetzen, Beweise beiseite schaffen oder es noch einmal machen wird, ergeht Haftbefehl.

Allerdings ist zu prüfen, ob die Fluchtgefahr durch geeignete Maßnahmen, Stichwort Kaution, ausgeräumt werden kann. Doitsche Gerichte sind damit aber eher zurückhaltend.

Pestillenzia

Zitat von: Churke am 31. Oktober 2014, 10:51:22
1. Niemand ist verpflichtet, bei der Polizei eine Aussage zu machen.

Das stimmt so nicht ganz. Jeder, egal ob Beschuldigter oder Zeuge, muss bei der Polizei Angaben zu bestimmten persönlichen Daten machen wie u.a. Name, Geburtsdatum, Anschrift.
Zeugen, sofern sie kein Zeugnisverweigerunsrecht haben (z.B. weil sie mit dem Beschuldigten/Betroffenen in gerader Linie verwandt, verlobt oder verheiratet sind oder in einer Lebenspartnerschaft leben), müssen auch Angaben "zur Sache" machen. Sprich, sie müssen aussagen, was sie über die Tat wissen, sonst machen sie sich ggf. der falschen uneidlichen Aussage schuldig.

Nur Beschuldigte und Betroffene (von Betroffenen spricht man im Ordnungswidrigkeitenverfahren) dürfen schweigen oder auch lügen, weil sie sich nicht selbst belasten müssen.

Zitat von: Churke am 31. Oktober 2014, 10:51:22
2. Haftgründe sind *dringender Tatverdacht* + *Fluchtgefahr*, *Verdunkelungsgefahr* oder *Wiederholungsgefahr*

Wenn der Staatsanwalt bzw. Ermittlungsrichter meint, dass er's war ("etwas dubiose Aussage"?) und dass der Delinquent sich absetzen, Beweise beiseite schaffen oder es noch einmal machen wird, ergeht Haftbefehl.

Allerdings ist zu prüfen, ob die Fluchtgefahr durch geeignete Maßnahmen, Stichwort Kaution, ausgeräumt werden kann. Doitsche Gerichte sind damit aber eher zurückhaltend.

Damit, dass die deutsche Gerichtsbarkeit mit der Anordnung einer Sicherheitsleistung eher zurückhalten sind, stimmt so pauschal auch nicht. Es kommt immer auf die Tat an sich an. Zitat Strafprozessordnung:
ZitatSie [die Untersuchungshaft] darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

Bei einem ausländischen Ladendieb, der etwas im Wert von 25 EUR hat mitgehen lassen, wird genauoswenig eine Untersuchungshaft angeordnet wie bei jemandem, der an einem geparkten Auto einen Spiegel abgefahren hat und abgehauen ist. Da wird nur eine Sicherheitsleistung angeordnet.
Bei Straftaten gegen das Leben siehts natürlich ganz anders aus. Grob gesagt: sobald der Täter eine empfindliche Strafe (sehr hohe Geld- oder Freiheitsstrafe) zu erwarten hat, wird in der Regel Untersuchungshaft angeordnet.

Alaun

#4
Super, dankeschön! Der werte Herr steht unter Verdacht, mehrere Kinder entführt und ermordet zu haben, insofern muss man über die Angemessenheit dann wohl wirklich nicht diskutieren :-)

Aber, was sich da gleich noch für mich ergibt: Gibt es denn dann eine Option, dass der auch wieder aus der U-Haft entlassen werden kann, auch wenn man nicht sicher ist ob er es war oder nicht? Kann so jemand gegen Kaution freikommen? Ich müsste den nämlich nach einigen Tagen wieder in die Freiheit schleusen ... :d'oh:

Pestillenzia

Ja, die Strafe sollte empfindlich genug für einen Haftbefeh ausfallen.  ;)

Zitat von: Aquamarin am 01. November 2014, 16:19:37
Gibt es denn dann eine Option, dass der auch wieder aus der U-Haft entlassen werden kann, auch wenn man nicht sicher ist ob er es war oder nicht? Kann so jemand gegen Kaution freikommen? Ich müsste den nämlich nach einigen Tagen wieder in die Freiheit schleusen ... :d'oh:

In der StPO heißt es:
ZitatDer Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen
Sprich wenn z.B. berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft aufkommen (beispielsweise weil sich herausgestellt hat, dass der einzige Zeuge gelogen hat), muss der Haftbefehl aufgehoben und der Beschuldigte freigelassen werden. Eine Sicherheitsleistung ist dann nicht mehr notwendig, weil der Haftbefehl ja nicht mehr besteht.

Auf deinen Fall bezogen: wenn der dringende Tatverdacht weiterhin besteht, ist rein rechtlich eine Aussetzung des Haftbefehls gegen eine Sicherheitsleistung oder eine andere Maßnahme nicht möglich, weil die Taten so schwerwiegend sind, dass für sie zusätzliche Haftgründe wie Flucht- oder Verdunkelungsgefahr nicht notwendig sind. Du müsstest den Herrn also irgendwie entlasten, damit er freikommt.



Sternenlicht

Zitat von: Pestilenzia am 01. November 2014, 16:16:43
Zeugen, sofern sie kein Zeugnisverweigerunsrecht haben (z.B. weil sie mit dem Beschuldigten/Betroffenen in gerader Linie verwandt, verlobt oder verheiratet sind oder in einer Lebenspartnerschaft leben), müssen auch Angaben "zur Sache" machen. Sprich, sie müssen aussagen, was sie über die Tat wissen, sonst machen sie sich ggf. der falschen uneidlichen Aussage schuldig.

Nein, Churke hat Recht: als Zeuge muss man gegenüber der Polizei keine Aussage machen. Man hat auch keine Verpflichtung einer Vorladung nachzukommen. Die fehlende Angabe zu Personalien ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
Anders sieht es gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft aus. Diese können Ordnungsgeld/Beugehaft verhängen, wenn die Zeugenaussage zu Unrecht verweigert wird.

Eine falsche Zeugenaussage vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft (anders bei der richterlichen Vernehmung) ist auch nicht per se strafbar, sondern nur sofern dadurch Straftatbestände verwirklicht werden.



Pestillenzia

Zitat von: Sternlicht am 02. November 2014, 01:11:28
Nein, Churke hat Recht: als Zeuge muss man gegenüber der Polizei keine Aussage machen. Man hat auch keine Verpflichtung einer Vorladung nachzukommen. Die fehlende Angabe zu Personalien ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
Anders sieht es gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft aus. Diese können Ordnungsgeld/Beugehaft verhängen, wenn die Zeugenaussage zu Unrecht verweigert wird.

Eine falsche Zeugenaussage vor der Polizei oder der Staatsanwaltschaft (anders bei der richterlichen Vernehmung) ist auch nicht per se strafbar, sondern nur sofern dadurch Straftatbestände verwirklicht werden.

Man sollte sich seine Sachen doch mehrfach durchlesen ... Das stimmt natürlich. Ich hab mich in meinem Text bei der Pflicht zur Aussage vor der Polizei auf die Personalien bezogen, bei der Aussage zur Sache hab ich "vor der StA/dem Richter" zwar gedacht, aber nicht geschrieben ...  :wums: Und was die Straftatbestände angeht: da habe ich das "ggf." tatsächlich auch geschrieben, nicht nur gedacht.