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[erledigt] Jünginnen, Arbeitinnen und Forschinnen - das generische Femininum

Begonnen von Churke, 15. April 2018, 13:34:36

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Churke

Mahlzeit,

in meinem Setting sind die Helden staatenbildende Insekten. Da es unter diesen Umständen keinen Sinn ergibt, die weibliche Endung -in ans Maskulium anzuhängen ("Forscherin"), geschieht die Wortbildung über das generische Femininum, das im Deutschen freilich nicht existiert:

Jüngin, Arbeitin, Forschin, Anhängin, Redaktin...

Zum generischen Feminium gehört auch, dass männliche Personen mitgemeint sein können. Unter den "Helfinnen" können also auch "Helfer" sein.

Ich kann das System in der Story nicht erklären, nur inflationär verwenden. Bin mir aber nicht sicher, ob man a) die Semantik und b) den Gag versteht. Wenig ist peinlicher, als eine Pointe erklären zu müssen...  :gähn:

Shedzyala

Ich finde deine Idee interessant, auch weil ich gerade selbst einen Roman schreibe, bei dem einer der Hauptpersonen aus einem Matriarchat stammt und deshalb nur im generischen Femininum spricht. Allerdings habe ich mich entschlossen, das gängige Femininum zu benutzen, weil es ohnehin schon ungewohnt genug klingt und ich nicht noch mehr Verwirrung schaffen wollte.

Deine Idee finde ich gut. Ohne Erklärung würde ich beim Lesen zwar erstmal stutzen und von einem Rechtschreibfehler ausgehen, beim Weiterlesen würde ich das System aber verstehen und mich nicht länger daran stören. Allerdings sind wir als Schreibende ja meist etwas geschulter, was Sprache angeht, als der Durchschnittsleser. Da wäre jetzt die Frage, wie du deine Zielgruppe einschätzt. Ist sie neuen sprachlichen Konzepten gegenüber aufgeschlossen oder eher konservativ?
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Golden

Die Frage ist ja, ob der Schritt notwendig ist.
Brauchst du die Sprachdrehung, um den Leser den (weiblichen) Insektenstaat vorzustellen, oder ginge es eventuell besser mit einer dem Leser bekannten und gewohnten Sprache? Am Wesen des Staates ändert sich ja nichts und du kannst es ja auch so beschreiben. (Salvatore verwendet ja auch normales "Deutsch", auch wenn die Drow-Zivilisation eindeutig weiblich dominiert ist)

Der Punkt ist ja zudem der folgende, dass die weiblichen "Forscher" des Insektenstaates mit diesem Wort ganz normal sich selbst meinen können und für männliche Drohnen dann ein "männlich" voran setzen und so die Besonderheit hervorheben. Für den Leser gibt's dann keine Verrenkungen.

Aber wenn du tatsächlich die Sprache verändern willst, habe ich keine Lösung für dich - wird sich komisch anhören beim Lesen und wahrscheinlich Leser verschrecken (und manche auch anlocken). Persönlich finde ich es interessanter, wie intelligente Insekten denken. ;D

Lasien Faturon

Hallo Churke!

Gar nicht so leicht einzubinden. Aber was ist schon leicht im Leben?  ;D

Das generische Femininum würde nur allzu gut zu deinem Setting passen. Doch glaube ich, dass es ohne unterschwellige Erklärung zu Verwirrungen kommen könnte. Vielleicht kann man ja mit umgekehrter Logik heran gehen und es so in deinem Setting verpacken (vielleicht im Erzählfluss einbinden, falls du als auktorialer Erzähler schreibst), dass der Leser die Tatsache glaubt, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Oder tatsächlich im Gespräch die Erklärung als 'Detail' fallen lassen.
Z.B.: "Wie lächerlich würde es klingen, wenn man statt 'Forschin' so etwas wie 'Forscher' sagen würde. Wo würden wir denn da hinkommen?" oder 'Revolutionskämpfe, Neuauslegung der Sprache, Geschlechterrollenwechsel. Alles gescheiterte Vorhaben verzweifelter Männer, die unbedingt die Gleichberechtigung fordern.' 

Natürlich kommt es dann noch drauf an, wie ernst dein Setting ist.  ;)

Gruß,
Sacha

Trippelschritt

Chapeau, Churke,

ich finde Deine Idee Klasse und glaube nicht, dass Du da etwas erklären musst, weil Deine Wortwahl für sich spricht.
Was ich nicht beurteilen kann, ist, ob die Geschichte funktioniert. Eine derartige Verdrehung der Lesegewohnheiten macht die Geschichte wohl zu einer Satire, Groteske, Parodie Humoreske oder was sonst. In einem "ernsthaften" Text kann ich es mir schwer vorstellen, weil der Spracheffekt erst einmel den größten Teil der Aufmerksamkeit einfängt, bis er sich dann irgendwann abgeschliffen hat. Aber what shall's, machen, dann sieht man, was dabei heauskommt.

Daumen drück
Trippelschritt

Kerstin

Zitat von: Trippelschritt am 15. April 2018, 14:44:49
Eine derartige Verdrehung der Lesegewohnheiten macht die Geschichte wohl zu einer Satire, Groteske, Parodie Humoreske oder was sonst. In einem "ernsthaften" Text kann ich es mir schwer vorstellen, weil der Spracheffekt erst einmel den größten Teil der Aufmerksamkeit einfängt, bis er sich dann irgendwann abgeschliffen hat.

Anne Leckie mit "Die Maschinen" lässt grüßen.  :)
Das Buch wurde u.a. mit dem Hugo-Award ausgezeichnet.

@Churke: Ich kann dir oben genanntes Buch empfehlen, da es (wenn ich dich richtig verstanden habe), genau so geschrieben ist, wie du es gerne machen würdest.
Ich fand es gerade deswwegen klasse, auch wenn es am Anfang gewöhnungsbedürftig war z.B. von Offizierinnen zu lesen.

Churke

Danke für die Meinungen - und auch für den Lesetipp.  :jau:

Die Geschichte ist nicht übermäßig ernst gemeint. Daran wird es nicht scheitern.  :)

Zitat von: Lasien Faturon am 15. April 2018, 14:02:17
Z.B.: "Wie lächerlich würde es klingen, wenn man statt 'Forschin' so etwas wie 'Forscher' sagen würde.

Da kommt mir gerade eine Idee.  :hmmm:


Aphelion

Ich hätte damit kein Problem, aber ich hatte auch mit "Dune" und "Clockwork Orange" kein Problem, die manchen sprachlich ja auch zu kompliziert waren. ::) Entscheidend ist vermutlich, wer deine Zielgruppe ist. Ich bin der Meinung, dass Menschen beim Lesen durchaus ein bisschen gefordert werden dürfen, auch wenn es primär um Unterhaltung geht. Wenn sie das nicht wollen, sollen sie halt etwas anderes lesen, es gibt genug Auswahl.

Mit deiner Bildung des generischen Femininums habe ich allerdings ein Problem, denn das angehängte -in ist immer noch ein Kompromiss, der in einer Sprachumwelt des generischen Maskulinums entstanden ist - selbst wenn du es direkt an den Wortstamm anhängst. Ein echtes generisches Femininum, das in einer Welt entstanden ist, in der es nie etwas anderes gab, müsste anders aussehen. Das wird auch an den wenigen generisch feminenen Wörtern im Deutschen sichtbar, die überwiegend auf "-e" enden. Diese taugen in meinen Augen eher als Vorbild als die Endung "-in", denn anders als "-in"-Wörter sind jene Begriffe eben nicht im Nachhinein als Kompromiss geschaffen worden.

Churke

Zitat von: Aphelion am 15. April 2018, 18:23:45
Mit deiner Bildung des generischen Femininums habe ich allerdings ein Problem, denn das angehängte -in ist immer noch ein Kompromiss, der in einer Sprachumwelt des generischen Maskulinums entstanden ist - selbst wenn du es direkt an den Wortstamm anhängst.

Ich könnte hier jetzt lange Einwände erheben, aber ich denke, das entscheidende Argument für meine Lösung isst deren Verständlichkeit.