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Verben des Sprechens nach wörtlicher Rede

Begonnen von Philian, 16. September 2018, 09:39:44

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Mindi

Auf "lachte er/sie" reagiere ich irgendwie recht allergisch, während "entscheid sie" für mich vollkommen in Ordnung wäre.

Meine Tochter hat einmal aus der Bibliothek eines der mittleren-Conni Bücher mitgenommen und da wurde auf jeder Seite mindestens einmal ein Satz gelacht.  :gähn: Das war fürchterlich und ich hab die beim Vorlesen fast alle ersetzt. Aber okay, die waren jetzt sprachlich sowieso kein Paradebeispiel, aber seitdem kann ich das gar nicht mehr lesen.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Sascha

Och ja, die Schulbildung ...
Hat nicht der BaWü-Kretschmann letztens allen Ernstes vom Stapel gelassen, auf die Rechtschreibung müsse man in der Schule nicht mehr so achten, weil ja eh kaum noch jemand mit der Hand schreibt? Noch drastischer kann man eine verfehlte Bildungspolitik wohl nicht mehr eingestehen. Die Lehrer sind überlastet, oft im Burnout, insgesamt eh zu wenige, also was machen wir? Das System wieder auf stabile Füße stellen? Nö. Anforderungen und Bildungsziele runterschrauben. :brüll: :brüll: :brüll:
(Und der Grundschulverband stimmt auch noch zu. Na Mahlzeit. Beruf verfehlt.)

Und meine Kinder meinen dann, "wegen dem Dativ" und solche Sachen sind völlig in Ordnung, weil Sprache sich halt ändert. Nein, es ist einfach nur FALSCH!!! :wums:

Aphelion

#77
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier im Forum Jugendliche gibt, insofern wäre es vielleicht ganz nett, jungen Leuten nicht pauschal Unfähigkeit oder "Sprachschlampigkeit" vorzuwerfen, die angeblich die Regel ist, nur weil der eigene Stil ein anderer ist. Solche Beleidigungen werden durch "liebe" Grüße nicht besser, @Trippelschritt. Das, was du in der Schule gelernt hast, ist nicht grundsätzlich richtiger oder besser. Es repräsentiert einen kleinen Ausschnitt einer damals vertretenen Sichtweise – so, wie du dich daran erinnerst.

Abgesehen davon ist der Deutschunterricht keine Schriftstellerausbildung. Dass es eine solche nicht verbindlich gibt und auch Literaturkurse nur Möglichkeiten aufzeigen, hat seinen Grund: Stil ist keine pauschale Frage von "richtig" oder "falsch". Du kannst bei einer bestimmten Person in einem bestimmten Kontext eine bestimmte Wirkung mit Worten erzielen. Diese Wirkung kann beabsichtig sein oder nicht. Es führen allerdings viele Wege nach Rom.

@Sascha
Schön und gut Ich könnte dazu jetzt viel schreiben, aber das hat nichts mit dem Thema zu tun. Verben wie "lachte", "entschied" usw. sind eben nicht falsch.

"sagte" bei Fragen wirkt heute vermutlich nicht nur auf mich etwas seltsam, war aber lange Zeit gängig. "fragte" suggeriert, drückt aber nicht explizit aus, dass die Stimmbänder in Schwingung geraten. Das ist eher die Art von Sprachwandel, um die es gerade geht.

Sascha

#78
Das ist wohl einfach zu OT geworden ...

Trippelschritt hat die heutige Schulausbildung moniert, und damit hat er meiner Erfahrung nach Recht. Wo er pauschal alle jungen Leute beleidigt haben soll, erschließt sich mir nicht.

Zitat von: Aphelion am 31. Januar 2020, 13:47:34
Abgesehen davon ist der Deutschunterricht keine Schriftstellerausbildung.
Da hast Du völlig Recht. Der Deutschunterricht in der Schule sollte dazu führen, daß die Kinder ihre Muttersprache sauber beherrschen. Das bedeutet Rechtschreibung, Grammatik und saubere Ausdrucksweise. Die Inquit-Sache ist da schon ein bißchen drüber raus ...

Zitat von: Aphelion am 31. Januar 2020, 13:47:34
@Sascha
Schön und gut Ich könnte dazu jetzt viel schreiben, aber das hat nichts mit dem Thema zu tun. Verben wie "lachte", "entschied" usw. sind eben nicht falsch.
Richtig, das war zu OT, die Inquits meinte ich da auch gar nicht.
Ich hab mich nur über Kretschmann tierisch aufgeregt. Liegt wohl daran, daß ich mit meinen beiden Kindern gerade das Schulsystem live mitbekomme. Und dabei sind wir in Bayern (und eigentlich auch BaWü) noch vergleichsweise gut dran, wenn die jährlichen Schülervergleiche halbwegs stimmen ...
Die Rechtschreibung einfach mal als unwichtig abzutun disqualifiziert die Leute meines Erachtens komplett. Denn das ist Basiswissen und gehört eben dazu, seine Muttersprache sauber zu beherrschen.
Aber, wie gesagt, zu OT.

EDIT: Und bevor Du's ansprichst: Daß ich daß mit ß schreibe, ist Absicht. Mache ich im Forum, aber nicht in wie auch immer zur Veröffentlichung gearteten Texten. Weil ich die neue Linkschreibung einfach dämlich finde. ;D

Trippelschritt

@ Danke Sascha, genau das habe ich getan.

@ Aphelion, da scheine ich bei dir einen Knopf gedrückt zu haben, dass du da so hochgehst und mir einige recht böse Dinge unterstellst. Und über Schreibstile habe ich gar nichts gesagt.

Trotzdem liebe Grüße
Trippelschritt

Judith

#80
Zitat von: Trippelschritt am 31. Januar 2020, 09:42:57
Ich habe in der Schule noch gelernt, dass es zu einem guten Deutsch gehört, sich präzise auszudrücken. Damit geht mein Unbehagen manchen "falschen" Inquits gegenüber nicht auf antrainiertes Autorenwissen zurück, sondern auf meine Schulbildung, in der von Anfang an ab der Volksschule darauf geachtet wurde, dass jeder die Deutsche Sprache beherrschte.
Ich habe in der Hinsicht ein bisschen andere Erfahrungen gemacht, ohne dass bei mir in der Schule Sprachschlampereien gelehrt/geduldet worden wären. Und zwar ist es bei den Aufsätzen in der Volksschule sehr stark auch darum gegangen, den eigenen Wortschatz zu erweitern und abwechslungsreiche Ausdrücke zu gebrauchen. Daher waren zu häufige "sagte" überhaupt nicht gern gesehen. Um präzises Ausdrücken ist es dann verstärkt erst im Gymnasium gegangen, wobei man da halt keine Aufsätze mehr schreibt, sondern Erörterungen, Interpretationen, etc. - insofern haben Inquits beim Deutschunterricht jenseits der Volksschule meiner Erfahrung nach praktisch keine Rolle mehr gespielt.
Mein Unbehagen mit ständig wechselnden, oft bemüht "originellen" Inquit-Formeln ist bei mir tatsächlich erst durch das Lesen von Schreibratgebern und die vermehrte Lektüre von englischen Büchern entstanden, wo es üblicher ist, durch die Bank nur "said" zu verwenden.

Trippelschritt

Es sieht so aus, als hätte ich mich missverständlich ausgedrückt. Das passiert, wenn man zu knapp formulliert. Deshalb zur Sicherheit noch einmal.

Mein Argument richtete sich gegen die Meinung, dass die Empfindlichkeit manchen Inquits gegenüber angelerntes Autorenwissen sei.
In der Volksschule ging es in der Tat nur darum ein korrektes Deutsch zu lernen. Da lag der Schwerpunkt auf der Orthographie und der rechten Betonung beim Lesen.
Präziser Ausdruck begann in der Tat erst auf dem Gymnasium. In wie weit das auch auf de Realschulen gelehrt wurde, kann ich nicht sagen, aber das waren damals separate Schulen mit einem recht hohen Niveau und keine zwei Ergänzungsjahre. Deshalb halte ich es für möglich, kann es aber nicht definitiv sagen, weil ich es einfach nicht weiß. Und alle meine Erfahrungen stammen aus Nordrhein-Westfalen.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Aphelion

#82
Ich überlege gerade, ob sich sehr häufige Inquit-Formeln auch aus einer Notwendigkeit heraus entwickelt haben. Seit wann werden Anführungszeichen eigentlich flächendeckend so verwendet, wie wir es heute kennen?

In (einigen?) Übersetzungen von Jule Vernes Geschichten werden sie z.B. nur am Anfang und Ende eines Dialgos verwendet, zwischendurch stehen Gedankenstriche – und eben jede Menge Inquit-Formeln. Allerdings kenne ich auch Geschichten aus ungefähr derselben Zeit, bei denen die Anführungszeichen "modern" verwendet werden.


Edit: OT gelöscht.

Fianna

#83
Ich schlage mal den Bogen zurück zu Büchern aktueller Autoren: es ist stark Genre-abhängig, ob das erwünscht ist oder nicht. Ich habe mal ein paar historische Romane von deutschen Autoren aus dem Schrank genommen, weil ich mich zu erinnern glaubte, dass "sagte er" dort eher vermieden wird mit Synonymen.

Häufig werden zwei der im Thread bereits erwähnten Taktiken versucht: mit kurzen eingeschobenen Sätzen der Tätigkeit zwischen den Sätzen gekennzeichnet, welchem der auftretenden Figuren man den Satz jetzt zuordnen soll. Oder vor bzw. nach dem gesprochenen Satz eine Beschreibung geben, damit man es zuordnen kann.

Je nach Stil des Autor werden mehr oder weniger kreative Inquits genutzt, wenn diese genutzt werden, dann aber sehr abwechslungsreich.
Gelächelt, geschmatzt oder geknurrt wird dort nicht, es werden beinahe ausschließlich Verben verwendet, die man auch für eine Gesprächsäußerung verwenden kann. "Wörtliche Rede", freute er/sie sich kommt jedoch auch vor, das ist für mich eher so ein Grenzfall. Wenn ich es lese, ohne mich daran zu stören oder wenn ich es selbst verwenden würde, hätte ich sofort einen bestimmten Gesichtsausdruck oder Tonlage im Kopf. Ob man diese im Umkehrschluss beim Leser auch auslösen kann, indem man dieses 'Synoym' verwendet oder einfach in der Achtung des Lesers sinkt, weiß man vorher natürlich nicht.

Also in den Büchern werden als Synonyme z.B. genutzt: rufen, nuscheln, begrüßen, meinen, flüstern, ergänzen, versichern, fuhr fort, flehen, murmeln, wiederholen, erklären. Ob das jetzt 1-2 mal pro Seite oder beinahe 10 mal pro Seite vorkommt, liegt am Stil.

Mein persönlicher Eindruck, der nur von der Durchsicht meiner Bücher besteht: je weiter die Zielgruppe gefasst ist, desto abwechslungsreicher und häufiger die Synonyme. Das fällt in den Rezensionen wohl durch "lebendige Sprache" auf.  ;)

Eigentlich hatte ich den Eindruck, dass historische Romane deutscher Autoren eher diese kreativen Inquit-Synonyme verwenden als deutsche Fantasyautoren; allerdings habe ich einige Bücher aufgeschlagen von Autoren, bei denen ich das mit den kreativen Inquits nicht vermutet hatte und eher geschätzt hätte, dass sie auf Vermeidung setzen; aber das war ein Trugschluss.
Bei Fantasy scheint es also noch verbreiteter zu sein!?

Vielleicht mache ich, wenn ich meine Bücherregale im Urlaub aufräume, mal eine kleine Statistik zu den deutschen Autoren und ihren Inquit-/Vermeidungen...

Christopher

Hm. Da muss ich aber sagen, dass ich "flehte er" in dieselbe Schublade stecken würde wie "freute er sich" und in beiden Fällen würde ich darüber nachdenken, ob der Inhalt der Aussage das nicht eher widerspiegeln sollte, dass er sich freut/dass er fleht als das Inquit.

Will sagen: Das fiel dir nicht auf, obwohl dir das "freute er sich" aufgefallen ist. Ich weiß auch, dass ich nahezu jedes Buch bei mir im Regal aufschlagen kann und etliche Inquits finden werde. Aber wenn du mich fragen würdest, ob mir das irgendwo aufgefallen ist oder ob ich eines nennen könnte, wo ich meine, dass es mehr als sonst sind... Keine Ahnung.

Probe aufs Exempel bei dem Buch was ich als nächstes wieder lesen wollte gibt mir Recht: Da wird zu ca. 50% "sagte er/sie" genutzt, die anderen Hälfte ein bunter Blumenstrauß an Inquits (erklärte, brüstete, entgegnete, etc.) aufgefallen ist mir das beim ersten lesen nicht.
Ist übrigens eine Übersetzung aus dem Englischen, daher vermutlich die Häufung der "sagte er/sie".

In kurz:
Ich denke nach wie vor, dass man sich da zu viele Gedanken macht. Inquits gehören für mich zum Bild und werden einfach überlesen. Die nehme ich nicht mal wahr und ich vermute, dass es vielen genauso geht. Für mich sind sie einfach eine gute Hilfe um Dialoge unmissverständlich und gut nachvollziehbar (wer spricht wann) zu gestalten.


Ich hab aber gerade auch ein bisschen Zeit (Corona undso), ich könnte daher auch eine kleine Übersicht aus meinen Büchern hier im Schrank machen. Hast du ne Idee für ne Tabelle oder so wo man das eintragen könnte? Gefühle sind immer so eine Sache, nackte Zahlen besser ;D
Be brave, dont tryhard.

canis lupus niger

#85
Stephen King, der nach meiner Meinung einen grandiosen Stil hat, welcher sich auch bei guten Übersetzungen ins Deutsche wiederspiegelt, hat dieses Thema in seinem Buch "Über das Leben und Schreiben" folgendermaßen behandelt.

Nachdem er im Kapitel "Werkzeugkasten" zwei Seiten lang erklärt hat, warum es in einem Dialog in der Regel nachteilig ist, Begleitverben des Sprechens mit Adverbien aufzuhübschen ("rief er" - "rief er mutig" oder "sagte er"- sagte er bescheiden"), geht er ziemlich spöttisch auf andere Verben des Sprechens ein:

Zitat:
Manche Autoren versuchen das Adverbienverbot zu umgehen, indem sie das einleitende Verb mit Steroiden vollpumpen. Das Ergebnis ist jedem Leser von Pulp-Magazinen vertraut.
"Legen Sie die Waffe weg, Utterson", knirschte Jeckyll.
"Hör niemals auf, mich zu küssen!", keuchte Shayna.
"Du verfluchtes Flittchen!", brach es aus Bill hervor.

Tun Sie so etwas nicht. Bitte nicht!
Die beste Art und Weise, wörtliche Rede einzuleiten, lautet sagte wie in er sagte, sie sagte, Bill sagte, Monica sagte.

Zitatende

Er schreibt weiter, dass er ebenso wie andere Schriftsteller diese Adverbien oder sogar die Steroidverben wider besseres Wissen schon eingesetzt hätte, aus Angst, seine Leser würden ihn vielleicht nicht verstehen. Und dass  diese Angst der Grund für viele schlechte Texte sei. Aber [noch ein Zitat]"wahrscheinlich haben Sie Ihre Geschichte so gut erzählt, dass der Leser weiß, wie er etwas sagt, wenn Sie er sagt schreiben - ob schnell oder langsam, glücklich oder traurig. Sollte er in einem Sumpf versinken, werfen Sie ihm in jedem Fall ein Seil zu ... Sie müssen ihn ja nicht mit einem dreißig Meter langen Stahlkabel bewusstlos schlagen."
[Zitatende]

Ich finde, das hat er sehr hübsch und treffend formuliert, und ich stimme ihm sehr zu.

Häufungen in Dialogen in der Form von
"Blabla", sagte er,
"Blabla", sagte sie,
"Blablubb", sagte er,
Sie sagte: "Blablabla.",
"Blubblubb",sagte er
finde ich allerdings schrecklich zu lesen, schrecklicher als ein gelegentliches Adverb, oder ein "murmelte er". 

Aber in einem Dialog kann man ohnehin das Begleitverb zur wörtlichen Rede ganz weglassen, solange klar ist, wer redet. Und wie derjenige redet oder dabei empfindet, kann man mit kleinen, eingeschobenen Sätzen mindestens so gut zeigen.

Die richtige Mischung macht auch hier den angenehm zu lesenden Stil, denke ich. Damit bin ich bisher ganz gut zurecht gekommen. Aber ich lerne immer noch und lasse mich gerne von guten Argumenten überzeugen.  :)

*edit* Ups, @Felsenkatze hatte das ja auch schon mal erwähnt.
Zitat von: Felsenkatze am 19. September 2018, 10:14:45
Hat sogar Stephen King mal in seinem Schreibratgeber propagiert.





Graukranz

Das "sagte er/sie" finde ich ein total spannendes Thema. Mich stört es überhaupt nicht, weil ich es meistens überlese und nur den Namen aufnehme. Natürlich sollte es nicht hinter jeder Aussage stehen, aber Formulierungen wie "lachte er/sie" stören mich weit mehr, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie jemand etwas lacht. Dann bleibe ich beim Lesen an diesem Wort hängen. Aber andere nehmen das natürlich ganz anders wahr.
Über "gab sie zu bedenken" oder "forschte er nach" würde ich stolpern, weil sie irgendwie zu gestelzt klingen, bzw. das Gesagte in den Hintergrund rücken lassen, wie hier auch schon erwähnt wurde. Darum würde ich spezifische Inquit-Formeln nur dann benutzen, wenn es einen bestimmten Grund dafür gibt, und nicht, wenn es nur den Sprecher hervorheben soll.
Ich benutze viel lieber Aktionen statt Inquit-Formeln.
Mir sind aber auch schon in vielen Büchern (auch Bestsellern) Dialoge aufgefallen, in denen nicht immer klar ist, wer gerade spricht. Vor allem, wenn viele Personen in einem Raum sind, die sich beim Reden oft abwechseln. Das finde ich aber ehrlich gesagt auch schwierig umzusetzen, weil es für die Leser ermüdend wird, wenn man vor oder hinter jede Aussage eine Aktion oder eine Inquit-Formel stellt.