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Risiko/Nachteile als Autor bei Kleinverlagen?

Begonnen von Curlincess, 22. August 2021, 12:22:03

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Curlincess

Da ich vor einiger Zeit meinen ersten Roman fertiggestellt habe, frage ich mich jetzt natürlich, wie ich diesen veröffentlichen soll/kann. Ich habe mich diesbezüglich schon schlau gemacht und habe wo gelesen, dass man es zuerst bei einer Agentur und dann bei einem Verlag versuchen soll, da man im Nachhinein sowieso bei keiner Agentur mehr genommen wird...
Jetzt will ich natürlich realistisch bleiben und sage schon im Vorhinein, dass ich als Neuling ohnehin keine Chance bei einer Agentur bzw. einem Großverlag habe. Und mein Manuskript bzw. das Exposee unnötig in der Weltgeschichte herumzusenden will ich jetzt auch nicht unbedingt... Deshalb habe ich mir ein paar kleinere Verlage herausgepickt und fand die soweit auch ganz sympathisch.
Jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich als Autor irgendwelche Risiken habe, wenn mein Manuskript irgendwen dieser Kleinverlage tatsächlich überzeugen sollte. Ich habe hier im Forum schon oft gelesen, dass viele dieser Verlage nach ein paar Jahren wieder "verschwinden". Was würde mit meinem Roman passieren? Welche Nachteile habe ich überhaupt bei einem Kleinverlag?
Und ist es realistisch oder unklug von mir, es gleich bei einem Kleinverlag zu versuchen?

LG

Alana

#1
Wenn du einen guten Stoff hast, der sich gut verkaufen lässt, hast du als Neuling sogar sehr gute Chancen bei Agenturen. Verlage kaufen gern vielversprechende Debüt-Autoren ein, vorausgesetzt die Qualität und Vermarktungsmöglichkeiten sind da.

Wenn du eigentlich lieber den Weg in den Großverlag gehen möchtest, bewirb dich doch erst mal bei Agenturen, damit verdirbst du dir nichts. Kleinverlage kannst du danach immer noch anschreiben.

Ich habe selbst im Kleinverlag angefangen und wir haben in Deutschland eine wirklich tolle Kleinverlagsszene, besonders im Fantasybereich. Aber du kannst im Normalfall beim Kleinverlag nicht mit wahnsinnigen Verkaufszahlen rechnen und bekommst auch normalerweise keinen Vorschuss. Beim Großverlag ist auch nicht alles Gold, was glänzt, aber man verdient deutlich mehr, die Bücher schaffen es meist in den Buchhandel (leider nicht alle, aber sehr viele, während das im Kleinverlag sehr selten ist) und du solltest niemals denken "die wollen mich eh nicht" und es deshalb nicht mal versuchen.

Viel Erfolg!
Alhambrana

Malinche

#2
Es gibt ein paar Dinge, die man natürlich im Blick haben sollte, wenn man sich für die Zusammenarbeit mit einem Kleinverlag entscheidet:


  • Es wird keinen oder bestenfalls einen symbolischen Vorschuss geben.
  • Kleinverlagsbücher stehen selten im stationären Buchhandel - Ausnahmen gibt es natürlich, aber im Vergleich zu Großverlagstiteln fällt da natürlich ein Sichtbarkeitspotenzial weg. (Realistischerweise muss man aber auch sagen, dass du auch im Großverlag keine Garantie hast, dass dein Buch in Filialen vorrätig ist oder gar schick auf den Tischen präsentiert wird.)
  • Kleinverlage haben in der Regel auch ein eher kleines Budget für Lektorat und Cover sowie für Marketing.

Demgegenüber stehen aber auch andere Aspekte. Viele Kleinverlage sind sehr umtriebig in den sozialen Medien sowie auf Messen und Conventions (Letztere sind während der Pandemie als Einnahmequelle natürlich weggefallen). Wenn sie schon länger dabei sind, haben sie oft auch ein treues Publikum und Blogger*innen, die eben genau zum Verlagsprogramm passen. Das heißt, dass Kleinverlage im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei ihrer Zielgruppe auch eine gute Sichtbarkeit für ihre Titel schaffen können.

Viele Kleinverlage arbeiten auch für Lektorat und Cover auf einem professionellen Level und grundsätzlich hast du den Vorteil, dass du potenziell mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung hast - oder auch da, wo es um Marketingaktionen und Goodies geht. (Auch im Großverlag kannst du mit dem Lektorat grundsätzlich Pech haben, wenn du und Lektor*in z.B. nicht auf einer Wellenlänge seid.)

Es gibt mittlerweile so einige gut etablierte Kleinverlage, bei denen ich denke, dass die so schnell nicht verschwinden werden. Gerade bei ganz neuen Verlagen gibt es natürlich immer eine gewisse Unsicherheit, wobei es oft auch hilft, sich die Webpräsenzen genau anzugucken und auszuloten, ob die Sache grundsätzlich seriös ist und die Leute am Steuer wissen, was sie tun. (Verlage, die enthusiastisch Manuskripte aller Genres an sich rupfen wollen und für alle Autor*innen Hardcover im Glitzerschmuckschuber versprechen, verraten damit mindestens eine gewisse Blauäugigkeit.)

Und: Im Großverlag kann es dir passieren, dass dein Buch nach Ablauf der Vertragslaufzeit verramscht wird und ebenfalls aus dem Programm verschwindet. Da hast du mit einem langlebigen Kleinverlag ggf. sogar bessere Chancen auf längerfristige Verfügbarkeit. (Wobei auch Kleinverlage ihr Programm verschanken und erneuern können.) Wenn ein Kleinverlag wirklich verschwindet, bekommst du die Rechte am Buch zurück und kannst dir überlegen, was du damit machst.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich speziell mit "meinem" aktuellen Kleinverlag eine unglaublich wertschätzende und aufmerksame Zusammenarbeit erlebe und für mein Buch einiges an Sonderwünschen und Ideen umgesetzt wurde (und auf einige davon kam die Verlegerin von selbst). Für dieses Projekt und mich war Kleinverlag da definitiv die beste und passendste Lösung. (Fun Fact: Das Buch war zuvor schon in einem anderen Kleinverlag erschienen, der aber dann vor einigen Jahren seine Pforten schloss. Das vielleicht als Beispiel, dass auch so etwas nicht das Ende bedeuten muss. :))

[EDIT] Es kommt natürlich auch aufs Projekt selbst an. Manche Stoffe und Genres passen besser in Kleinverlagsprogramme, aber wie Alana sagt, wenn das Projekt gutes Vermarktungspotenzial hat, kannst du auch bei einem Großverlag unterkommen.

Und wiederum demgegenüber kann es auch ein Vorteil bzw. eine Strategie sein, sich im Kleinverlags-/Indiebereich erstmal einen Namen und eine Leser- und Followerschaft aufzubauen und dadurch mittelfristig dann bessere Chancen bei einer Agentur-/Großverlagsbewerbung zu haben. Keine Garantie, natürlich, aber eine Möglichkeit.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Curlincess

Vielen Dank @Alana und @Malinche für die schnellen Antworten, hat mir wirklich weitergeholfen  :)
Ich werde mein Glück einfach mal bei ein paar Agenturen versuchen, ist ja nichts verloren. Und falls das nicht klappen sollte, kann ich mich immernoch bei den Kleinverlagen bewerben und bin nicht enttäuscht, da ja auch diese viele Vorteile mit sich bringen (die Frage bleibt natürlich offen ob mich überhaupt ein Verlag nimmt, ist ja auch nicht so selbstverständlich ^^)

Maja

Du musst jedenfalls keine Angst haben, dass eine Veröffentlichung im Kleinverlag dich für die Veröffentlichung späterer Bücher im Großverlag irgendwie behindert. Es gibt zwar da auch groß gefeierte Debüts, aber die meisten haben irgendwo klein angefangen. Daumen sind gehalten!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Azora

Ich schließe mich mal der Frage an, da ich gerade bei einem ähnlichen Schritt bin. Welche Kleinverlage würdet ihr denn zählen unter "schon länger dabei und werden wohl nicht in den nächsten zwei Jahren verschwinden", und "sind aktiv in den sozialen Medien oder anderweitig engagiert"...?

Liebe Grüße aus der Versenkung,
Azora

Kaeptn

ZitatWelche Kleinverlage würdet ihr denn zählen unter "schon länger dabei und werden wohl nicht in den nächsten zwei Jahren verschwinden", und "sind aktiv in den sozialen Medien oder anderweitig engagiert"...?

Leider kann man über Kleinverlage solche Aussagen schwer treffen, vor allem jetzt durch Corona. Keiner weiß, wie schwer der Wegfall von Messen und Cons welchen Kleinverlag getroffen hat und ich glaube man darf gespannt sein, wer auf der Leipziger Buchmesse 2022 (so sie denn wie gewohnt stattfindet) in welchem Umfang vertreten sein wird und welche von den gewohnten Pappenheimern plötzlich nicht mehr da sind.

Ich bin was Kleinverlage angeht ein gebranntes Kind, bin 2x mit Kleinverlagen reingefallen, die mir sogar von anderen Autoren empfohlen wurden (die dann mit untergegangen sind) und die einen soliden Eindruck machten und schon mehrere Jahre am Markt waren, auch in den Sozialen Medien umtriebig usw... Das ist leider kein Maßstab für die Zuverlässigkeit. Manchmal ist das eben mehr Schein als Sein.

Am besten wird sein, du schaust dich um, welche Autoren der Verlag sonst noch veröffentlicht, vielleicht findest du ja jemanden hier aus dem Forum oder kannst sonstwie Dinge in Erfahrung bringen. Und das persönliche Gespräch mit der/dem Verlegenden ist sowieso mit am Wichtigsten, denn abgesehen von der wirtschaftlichen Situation, muss es auch persönlich passen und es sollte geklärt werden, ob man dieselbe Vision für das Buch hat.
 
Noch ein anderes Thema:
Im Eingangspost klang es ein wenig so, als ob es zwar schwer sei von Agenturen angenommen zu werden, aber bei Kleinverlagen sei das einfacher. Man sollte sich da nun auch keinen Illusionen hingeben. Kleinverlage werden auch mit Manuskripten überschwemmt und haben meist nur ein überschaubares Programm an Titeln pro Jahr, auch hier wird viel abgelehnt. Der Unterschied liegt mMn vor allem darin, dass bei Kleinverlagen auch Nischenthemen eine Chance haben, die Großverlage schon aus Prinzip (Nische = wenig Verkäufe) ablehnen. Aber die Qualität muss auch im KV stimmen und die Konkurrenz um die wenigen freien Programmplätze ist immer noch groß, zumal auch viele Kleinverlage ihren Autorenstamm haben, die einen gewissen Teil der Plätze schon belegen.

Coppelia

#7
Meine Erfahrung ist auch, dass Agenturen sogar eher mal eine Antwort schicken als Kleinverlage, die oft gar keine Kapazitäten haben, offenbar nicht einmal für eine Antwort per Mail. Und ich habe auch schon gehört, dass Debütromane bei Agenturen recht beliebt sind. Da der Buchmarkt aber generell hart ist, ist es natürlich sehr schwierig, sich dauerhaft einen Platz zu sichern. Das gilt für große Verlage genauso wie für kleine, denn alle müssen wirtschaften.

Ich bin aktuell bei einem Kleinverlag, mit dem die Zusammenarbeit sehr angenehm ist, war vorher bei Agenturen und plane für die Zukunft verstärkt Selfpublishing. Mein Tipp wäre nach vielen Jahren vor allem schlechter Erfahrung am Buchmarkt, sich nicht auf eine Sache festzulegen, sondern immer mindestens Plan B, besser C - Z zu haben. ;)

Ich bin gern bei meinem Kleinverlag, aber für mich hat die Sache vor allem zwei Nachteile:
- Es ist vermutlich die finanziell ungünstige Option, denn die meisten Kleinverlage zahlen kein Honorar und haben außerdem kleine Auflagen.
- Ich kann nicht selbst (wie beim Selfpublishing) Amazon-Werbeanzeigen für meinen Roman schalten (es wäre natürlich auch nur begrenzt sinnvoll).

Abgesehen davon gibt es für mich aktuell einige Vorteile:
- Cover und Buchsatz werden vom Verlag übernommen (allerdings ist nicht jeder Kleinverlag hier professionell).
- Ich kann die Reichweite und Nische des Verlags für mich nutzen. Wie hilfreich das letzten Endes ist, wird sich aber erst noch zeigen.
- Normal erhälst du vom Kleinverlag auch ein Lektorat. Das war in meinem Fall nicht nötig, da ich mir schon vorher selbst eins "gegönnt" hatte.
- Die Zusammenarbeit ist freundlich und persönlich.

Marketing ist bei den meisten Kleinverlagen vom Budget her nicht drin. Es gibt allerdings auch ein paar Ausnahmen. Marketing ist aber auch bei Großverlagen alles andere als selbstverständlich.

Azora

Danke @Coppelia und @Kaeptn für eure Erfahrungen!

Ja, dsa macht natürlich Sinn. Es ist einfach etwas frustrierend, wie lange das alles dauert. Wenn man nach und nach verschiedene Optionen abklappert, selbst nicht allzu viel Erfahrung hat, Wartezeit einrechnet... da gehen fröhlich die Monate ins Land, ohne dass viel passiert.
Am Ende werde ich wahrscheinlich alles mal durchprobieren, und auf eine Portion Glück und jemanden hoffen, der oder die sich einfach in mein Manuskript verliebt.  :omn:

Maja

Zitat von: Coppelia am 28. August 2021, 06:18:19
Marketing ist bei den meisten Kleinverlagen vom Budget her nicht drin. Es gibt allerdings auch ein paar Ausnahmen. Marketing ist aber auch bei Großverlagen alles andere als selbstverständlich.
Nach meiner kläglichen Erfahrung: Marketing bekommt man oft auch im Großverlag nicht. Ich hatte einen Titel mit anständigem Marketingbudget, da hat der Verlag sich reingekniet, aber andere Bücher von mir sind ohne jedwedes Marketingbudget gestartet (in einem der größten deutschen Taschenbuchverlage) und hat sich dementsprechend auch nicht verkauft.

Was man im Groß- aber nicht im Kleinverlag hat, ist Buchhandelspräsenz. Auch ohne richtiges Marketing hat man die Chance, dass Buchhandlungen den Titel für ihren Bestand (also nicht nur per Kundenbestellung) ordern und ans Lager nehmen. Das ist bei Kleinverlagen praktisch nicht möglich, außer in der Buchhandlung am eigenen Ort, die sowas für ihre lokalen Autoren schon mal macht. Die Kleinverlagsbücher verkaufen sich eigentlich immer nur über das Engagement von Verleger und Autor selbst.

Nichtsdestotrotz war, trotz Buchhandlespräsenz und Großverlagen, mein bisher mit Abstand bestverkauftes Buch ein reines Ebook, das ohne jede Buchhandelspräsenz in einem kleineren, auf Ebooks spezialisierten Verlag erschienen ist. Es kann sich also durchaus lohnen, vor allem, wenn alle Großen bereits abgeklappert sind, es mit den Kleinen zu versuchen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

treogen

Zitat von: Kaeptn am 27. August 2021, 21:07:55
Kleinverlage werden auch mit Manuskripten überschwemmt und haben meist nur ein überschaubares Programm an Titeln pro Jahr, auch hier wird viel abgelehnt.

Das ist ein wichtiger Punkt, der gerne immer wieder vergessen wird.
Kleinverlage nehmen nicht etwas alles, was die Großverlage liegen lassen - im Gegenteil. Viele Kleinverlage haben sich halt auch in Nischen eingerichtet und suchen dann auch die entsprechenden Bücher für eben diese Nische.
Und die fehlenden Kapazitäten ... das ist gerade in den Kleinverlagen, die als sogenannte "Feierabend- und Wochenendverlage" neben einem normalen Brotjob betrieben werden, ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad immer wieder ein Problem.
www.verlag-torsten-low.de

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