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Pacing - Das Problem mit der Geschwindigkeit

Begonnen von Debbie, 06. Januar 2013, 02:46:52

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Debbie

Beim Schreiben ist mir gerade aufgefallen, dass ich im Grunde keinen wirklichen "Einsteig" in die Geschichte habe. Und dieses Problem findet sich nicht nur am Anfang von Buch 1, sondern zieht sich durch den gesamten Roman. Nirgendwo plätschert mal was vor sich hin, und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich die Leser mit Problemen, Rätseln und Drama geradezu bombardiere ...  :-\

Hattet ihr als Leser schon einmal Probleme mit der Geschwindigkeit einer Geschichte?
Wann ist viel zu viel, und wie merkt ihr als Autoren, dass ihr den Leser jetzt vielleicht überfordert?
Oder mögt ihr es vielleicht sogar lieber, wenn alles Bedeutung hat, und die Story "komprimiert" ist?

Wie immer, gespannt auf eure Antworten wartend  :)

Debbie

Shin

Also ich kenne es als Autor, in meinen Geschichten zu rennen. Vor allem, wenn es ein Höhepunkt ist oder eine Szene, auf die ich mich schon lange freue, dann schreibe ich geschwind rauf los und dann ist die Sache, auf die ich mich so gefreut habe, ganz schnell runter geschrieben. Und meistens auch etwas knapp geblieben. Bisher konnte ich mich da noch nicht zügeln und merke mein Rennen auch erst im Nachhinein und hetze weiter.
Ich denke, man sollte sich selbst kurz eine Pause zum Durchatmen lassen und vielleicht dann weiter schreiben. Wenn man wirklich nur durchrast, ist es an Eindrücken wohl wahrhaftig zu viel für den Leser. Im Nachhinein kann man zwar noch strecken, aber es während des Schreibens zu vermeiden, wäre natürlich noch besser.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Tanrien

Zitat von: Shin am 06. Januar 2013, 03:34:20
Ich denke, man sollte sich selbst kurz eine Pause zum Durchatmen lassen und vielleicht dann weiter schreiben. Wenn man wirklich nur durchrast, ist es an Eindrücken wohl wahrhaftig zu viel für den Leser. Im Nachhinein kann man zwar noch strecken, aber es während des Schreibens zu vermeiden, wäre natürlich noch besser.

Finde deine Antwort wirklich interessant, Shin, weil mir erst dadurch klargeworden ist, dass Debbie mehrere Sachen gemeint haben könnte, so wie der Post klingt. Pacing  als das Tempo einer Szene selbst ist, oder Pacing als Strukturmerkmal, dass man also auf eine sehr dramatische Szene eine ruhigere folgen lässt, oder eine, die einem anderen Plotstrang folgt. Und Pacing als wie der Autor durch die Geschichte hetzt.
Kurze Konkretisierung, Debbie, von deiner Seite aus?

Pestillenzia

Ich habe Debbie so verstanden, dass es um die Geschwindigkeit der Geschichte geht, nicht um die Geschwindigkeit, in der man sie schreibt.

Als Leser mag ich es zwar, wenn die Geschichte Tempo hat, Szenen dürfen auch gerne galoppieren - aber ich brauche unbedingt auch Erholungsphasen zwischendurch. Das heißt jetzt nicht, dass die Verschnaufpausen aus langweiligem Blabla bestehen und sich endlos in die Länge ziehen sollen und der Spannungsbogen einen Durchhänger haben soll; die Geschichte soll auf jeden Fall vorangetrieben werden, aber ich muss auf jeden Fall auch mal durchatmen können.

Zitat von: Debbie am 06. Januar 2013, 02:46:52
Nirgendwo plätschert mal was vor sich hin

Ich weiß nicht, ob wir unter "plätschern" dasselbe verstehen. Für mich hört sich das nach dezenter Langeweile für den Leser an. Seiten, auf denen eine Geschichte nur dahinplätschert sind oft diejenigen, die Leser gerne überlesen und die nicht wirklich notwendig für die Geschichte sind bzw. die man als Autor stark straffen kann.

Verschnaufpausen können auch Drama oder Rätsel enthalten - sie sollen sogar so etwas enthalten, nur die Action sollte zwischendurch Pause machen.
Wenn der Held vom Kampf mit dem schwarzgeschuppten Säbelzahnkampfhan nahtlos die Schlucht hinunterstürzt, wo sich mit Daumen und Zeigefinger gerade noch an einem Felsvorsprung festhalten kann, dabei von den dämonischen Feuerpygmäen mit Giftpfeilen beschossen wird, der Felsvorsprung abbröckelt und er in den blubbernden Sumpf stürzt, wo er den König aller Blutegel erwürgt, der sich in sein **** verbissen hat, um ihn auszusaugen und der Held nebenbei das große Sonntagsrätsel der New York Times lösen muss, weil dort das Codewort verborgen ist, das das Tor zu der schleimigen, stinkenden Höhle öffnet, wo die hübsche Küchenmagd (die in Wirklichkeit aber eine Prinzessin ist) von fiesen Gorgonzolatrollen gefangen gehalten wird - und das alles vor Sonnenuntergang, weil sich die Küchenmagd sonst in Stein verwandelt und die Sonne eigentlich schon seit dem Kampf mit dem schwarzgeschuppten Säbelzahnkampfhahn dem Horizont nähert - dann ist mir das als Leser definitiv zu viel.

(Notwendige) Actionpausen bedeuten nicht Langeweile oder Handlungslosigkeit. Wenn der Leser mit dem Helden am Tisch/in einer Höhle/auf einem Schiff sitzt und versucht, die Mosaiksteine eines Rätsels zusammenzusetzen oder ihm beim Lesen eines Briefes, der ein Rätsel enthält, über die Schulter schaut, dann passiert einerseits etwas, andererseits aber "wenig genug", dass er sich vom Rennen, Kämpfen und Flüchten erholen kann.

Als Autor geht es mir so, dass ich manchmal ziemlich schlecht einschätzen kann, ob meine Geschichte ein gutes Maß an Tempo hat. Ich bin dahingehend betriebsblind, weil ich ja weiß, wie es weitergeht und ich beim Schreiben einer "actionfreien" Szene schon weiß, dass es bald zur Sache gehen wird und ich der Szene schon entgegenfiebere, mir die eventuelle Langeweile also gar nicht bewusst wird.

Ferndiagnosen sind deshalb schwierig; wirklich weiterhelfen wird Dir wohl nur ein Betaleser.

FeeamPC

Der schwarzgeschuppte Säbelzahntiger klingt nach einem guten Plot für Pulp-Fiction!

Thaliope

Ich würde Pestis Post noch hinzufügen wollen, dass es durchaus auch rein idyllische Szenen geben kann, ohne Drama, ohne Geheimnisse. Einfach nur verschnaufen für Leser und Figuren, in denen alle zur Ruhe kommen und das Leben genießen, ein tolles Essen, ein Zusammentreffen mit Freunden. Etwas, dessen Verlust in der nächsten actiongeladenen Szene schmerzt. Die Ruhe vor dem Sturm, wenn ein kleinerer Spannungsbogen gerade zu Ende gegangen ist.


LG
Thali


RubinaGela

Zitat von: Pestilenzia am 06. Januar 2013, 07:20:47
Wenn der Held vom Kampf mit dem schwarzgeschuppten Säbelzahnkampfhan nahtlos die Schlucht hinunterstürzt, wo sich mit Daumen und Zeigefinger gerade noch an einem Felsvorsprung festhalten kann, dabei von den dämonischen Feuerpygmäen mit Giftpfeilen beschossen wird, der Felsvorsprung abbröckelt und er in den blubbernden Sumpf stürzt, wo er den König aller Blutegel erwürgt, der sich in sein **** verbissen hat, um ihn auszusaugen und der Held nebenbei das große Sonntagsrätsel der New York Times lösen muss, weil dort das Codewort verborgen ist, das das Tor zu der schleimigen, stinkenden Höhle öffnet, wo die hübsche Küchenmagd (die in Wirklichkeit aber eine Prinzessin ist) von fiesen Gorgonzolatrollen gefangen gehalten wird - und das alles vor Sonnenuntergang, weil sich die Küchenmagd sonst in Stein verwandelt und die Sonne eigentlich schon seit dem Kampf mit dem schwarzgeschuppten Säbelzahnkampfhahn dem Horizont nähert - [...]

:rofl:     Meine Güte! Bin in der Tat vollkommen außer Atem.

@ Debbie: Diesen Zustand, verbissen der Handlung hinterherzuschreiben, die im Kopf ja meist schon viel weiter vorne stattfindet, kenne ich auch. Daher habe ich mir angewöhnt, die Texte auszudrucken, um sie dann möglichst aus der Sicht eines Lesers durchzulesen. Das gelingt am besten, wenn etwas Abstand zwischen Schreiben und Lesen liegt. Da bin ich selbst immer wieder erstaunt, dass ich das geschrieben haben soll - in positivem wie auch negativem Sinn. Aber gerade dadurch kann ich Korrekturen, Kürzungen und das Einfügen weiterer Szenen (vielleicht zur besseren Verständlichkeit - oder eben zum Abbremsen der Geschwindigkeit) vornehmen. Oftmals fallen mir in diesem Stadium außerdem weitere oder sogar ganz andere Dinge ein, die eine Szene, vor allem auch Dialoge, noch passender werden lassen. Ganz am Schluss versuche ich jedes Mal kräftig zu streichen - Augenmerk auf: versuche ...


Kati

Ich habe genau das gegenteilige Problem: Ich baue auf und baue auf und baue auf und dann geht es zum Ende hin zu schnell, weil ich am Anfang so viel aufgebaut habe. Ob das für den Leser generell langweilig ist, weiß ich nicht, aber es passiert halt nicht viel wirklich Spannendes und dann ändert sich das sehr plötzlich. Fast alle meine älteren Geschichten verlaufen so und wirklich toll finde ich das als Leser auch nicht.

Was mir dabei hilft das zu umgehen und wohl auch helfen würde eine zu spannende, hecktische Handlung zu vermeiden, ist mir wirklich vorher aufzuschreiben, was genau wann passiert. Das geht gut mithilfe eines Zeitstrahls, der die Kapitel umfasst. Da sieht man dann, ob die Handlung in einigen Kapiteln zu geballt kommt, oder ob sie am Anfang zu dünn oder mit zu viel Rätseln gespickt ist. Wenn sich nämlich alle wichtigen Ereignisse bei den Kapiteln 20-30 ballen, weiß ich, dass ich wieder zu viel aufbaue und kann ein paar der Actionszenen einfach weiter nach vorn schieben. Gleichzeitig würde man wohl sehen, ob man zwischen die actionreichen Szenen nicht noch ein paar ruhigere einbauen sollte.

Ich denke, die Mischung machts. Ich mag ruhige Bücher, aber ganz ohne spannende Verfolgungsjagd oder einen großen Kampf ist das auch nichts. Und Bücher voller Verfolgungsjagden, Kämpfe und Hetzereien sind auch nicht so meins, wenn nicht zwischendurch ein paar schöne ruhige Szenen stehen. Die müssen, wie Thaliope sagte, auch nicht unbedingt die Handlung vorantreiben. Sie sollten aber natürlich auch nicht nichts enthalten. Man kann sie aber gut zum Weltenbau nutzen, um Figuren vorzustellen und die Beziehungen zwischen Figuren zu stärken. Das kann einem Roman ja auch viel geben.

Debbie

#8
@Tanrien:
Zitat von: Tanrien am 06. Januar 2013, 03:49:19
Finde deine Antwort wirklich interessant, Shin, weil mir erst dadurch klargeworden ist, dass Debbie mehrere Sachen gemeint haben könnte, so wie der Post klingt. Pacing  als das Tempo einer Szene selbst ist, oder Pacing als Strukturmerkmal, dass man also auf eine sehr dramatische Szene eine ruhigere folgen lässt, oder eine, die einem anderen Plotstrang folgt. Und Pacing als wie der Autor durch die Geschichte hetzt.
Kurze Konkretisierung, Debbie, von deiner Seite aus?

Alles davon  ;) - außer das mit dem Autor, ich fürchte ich hetze selbst nicht wirklich ... Aber die anderen Dinge haben ja alle Einfluss auf das Pacing der Geschichte. Und ich denke, ich werde jetzt vielleicht wirklich mal eine Szene mit einem anderen Viewpoint-Charakter einfügen (das wollte ich ja ursprünglich auch, hatte es aber irgendwie wieder vergessen  :versteck:). Und ja, ich hab schon ruhigere Momente, und richtige Action, so wie Pesti sie beschreibt, kam bisher eigentlich fast garnicht vor - aber am Ende jeder Szene, egal wie idyllisch sie beginnt, gibts wieder Drama, Spannung und weitere Rätsel.

Zitat von: Pestilenzia am 06. Januar 2013, 07:20:47
Ich habe Debbie so verstanden, dass es um die Geschwindigkeit der Geschichte geht, nicht um die Geschwindigkeit, in der man sie schreibt.

Als Autor geht es mir so, dass ich manchmal ziemlich schlecht einschätzen kann, ob meine Geschichte ein gutes Maß an Tempo hat. Ich bin dahingehend betriebsblind, weil ich ja weiß, wie es weitergeht und ich beim Schreiben einer "actionfreien" Szene schon weiß, dass es bald zur Sache gehen wird und ich der Szene schon entgegenfiebere, mir die eventuelle Langeweile also gar nicht bewusst wird.

Ferndiagnosen sind deshalb schwierig; wirklich weiterhelfen wird Dir wohl nur ein Betaleser.

Stimmt, es geht um die Geschwindigkeit der Geschichte.  :jau: Vielleicht geht es mir da ja insgeheim wie dir, und ich hab einfach ein Brett vor dem Kopf - aber ich halte es für eher unwahrscheinlich. Ich hab noch keine "neutralen" Betaleser zurate gezogen, aber die Betaleser im Familien- und Bekanntenkreis fragen ständig nach neuen Szenen; und können sich überraschenderweise auch immer noch an die Details des letzten Kapitel erinnern. Das werte ich jetzt einfach mal als gutes Zeichen.
Das Stadium für objektive Betaleser, die sich mit dem Schreibhandwerk auskennen, hat die Geschichte noch nicht erreicht; das nehme ich definitiv erst in Angriff, wenn ich das Gefühl habe, dass ich für den Text nichts mehr tun kann. Er also quasi "agenturreif" wäre.
Ich will potentiellen Betalesern kein unausgegorenes Zeug liefern, dass noch an allem krankt, nur um möglichst schnell eine professionelle Resonanz zu kriegen. Das mag ich als Betaleser auch nicht sonderlich ...

Und das mit dem "Plätschern" bedarf tatsächlich einer genaueren Definition, danke für den Hinweis!  :knuddel:

Unter "Plätschern" verstehe ich längere Beschreibungen, Szenen die nur der Charakterdefinition dienen (da hab ich aber tatsächlich ein paar - wenige  :-[  Meistens packe ich selbst die noch in plotrelevante Szenen  ::)) und solche Sachen. Dinge, die man aus dem Text rausnehmen könnte, ohne das dem Leser Verständnis von Plot oder Figuren verloren ginge. Dinge, die nicht nötig sind, aber eben in eine Geschichte gehören. Z. B. die Weihnachtsszene von Harry Potter im ersten Buch. Als alle in der großen Halle beim Essen sitzen. Ich mag die Szene, obwohl sie keinerlei relevante Informationen liefert, den Plot nicht vorantreibt und über die Charaktere praktisch nichts erzählt was entweder nicht schon bekannt oder wichtig wäre.
Deshalb liebe ich den Schreibstil von J. K. Rowling so: Solche Dinge einzubauen und zu einem Genuss/Spaß für den Leser zu machen, ist eine echte Kunst, und verleiht dem Text Perfektion. Da bin ich ein bisschen neidisch, und ich fürchte daran muss ich hart arbeiten!

Ich bin selbst jemand, der gerade so Dinge wie detailierte Beschreibungen in Büchern gerne mal skippt. Habe ich gerade wieder bei "Gott schütze dieses Haus" bemerkt. Und E. George schreibt wirklikch toll, ich mag ihren Stil, und die Ausarbeitung von Plot und Figuren; bei ihr ist alles schön rund, und gibt ein homogenes Gesamtbild ab. Und dennoch überfliege ich manchmal einfach Zeilen ...

In meinem eigenen Text tendiere ich dazu, nur Beschreibungen einzubauen, die plotrelevant sind - selbst zu weltenbaurelevanten Beschreibungen muss ich mich zwingen. Da hab ich glücklicherweise den Szenebogen, der mir beim Nachbearbeiten hilft. Sonst gäbe es in meinem Geschreibsel nur Handlung und Dialog, fürchte ich  :wums:

Dann bediene ich den Leser mit einem Mysterium nach dem anderen - quasi in jeder Szene mindestens ein neues - und fange langsam echt an, mich zu fragen, ab wann einem das zuviel wird. Meine Betas mögen es bisher, aber die bekommen ja auch nur immer "kleine Dosen" des Ganzen. Wie wirkt das wohl, wenn man sowas über längere Zeit geliefert bekommt?

Zitat von: Thaliope am 06. Januar 2013, 12:27:43
Ich würde Pestis Post noch hinzufügen wollen, dass es durchaus auch rein idyllische Szenen geben kann, ohne Drama, ohne Geheimnisse. Einfach nur verschnaufen für Leser und Figuren, in denen alle zur Ruhe kommen und das Leben genießen, ein tolles Essen, ein Zusammentreffen mit Freunden. Etwas, dessen Verlust in der nächsten actiongeladenen Szene schmerzt.

Ja Thali, perfekt auf den Punkt gebracht!  :knuddel: Ich fürchte genau das fehlt mir/der Story bisher.  :-\  Daran muss ich, wie gesagt, jetzt mal vermehrt arbeiten, und sehen, wo ich in meiner Plotline sinnvollen Platz für sowas schaffen kann  :hmmm:

Zitat von: RubinaGela am 06. Januar 2013, 13:54:40
@ Debbie: Diesen Zustand, verbissen der Handlung hinterherzuschreiben, die im Kopf ja meist schon viel weiter vorne stattfindet, kenne ich auch. Daher habe ich mir angewöhnt, die Texte auszudrucken, um sie dann möglichst aus der Sicht eines Lesers durchzulesen. Das gelingt am besten, wenn etwas Abstand zwischen Schreiben und Lesen liegt. Da bin ich selbst immer wieder erstaunt, dass ich das geschrieben haben soll - in positivem wie auch negativem Sinn. Aber gerade dadurch kann ich Korrekturen, Kürzungen und das Einfügen weiterer Szenen (vielleicht zur besseren Verständlichkeit - oder eben zum Abbremsen der Geschwindigkeit) vornehmen. Oftmals fallen mir in diesem Stadium außerdem weitere oder sogar ganz andere Dinge ein, die eine Szene, vor allem auch Dialoge, noch passender werden lassen. Ganz am Schluss versuche ich jedes Mal kräftig zu streichen - Augenmerk auf: versuche ...

Das mach ich ganz genauso!  :lehrer:  Ausdrucken, Korrigieren; Liegenlassen, Korrigieren. Nur ich fürchte, ich muss mein Augenmerk mehr auf das Einfügen, als das Rausstreichen richten ...

Zitat von: Kati am 06. Januar 2013, 14:05:56
Ich habe genau das gegenteilige Problem: Ich baue auf und baue auf und baue auf und dann geht es zum Ende hin zu schnell, weil ich am Anfang so viel aufgebaut habe. Ob das für den Leser generell langweilig ist, weiß ich nicht, aber es passiert halt nicht viel wirklich Spannendes und dann ändert sich das sehr plötzlich. Fast alle meine älteren Geschichten verlaufen so und wirklich toll finde ich das als Leser auch nicht.

Ich auch nicht - weil ich das Buch dann leider meist schon weggelegt habe  :wart:  Und wahrscheinlich hat das auch meinen "High-Speed-Stil" größtenteils mit geprägt/verursacht. Zusammen mit diversen Schreibratgebern, die nicht müde werden zu propagieren, dass alles, was die Geschichte nicht weiterbringt, gnadenlos gestrichen werden muss. Aber das einem das so in Fleisch und Blut übergehen kann ... Unheimlich!   :darth:

Zitat von: Kati am 06. Januar 2013, 14:05:56
Was mir dabei hilft das zu umgehen und wohl auch helfen würde eine zu spannende, hecktische Handlung zu vermeiden, ist mir wirklich vorher aufzuschreiben, was genau wann passiert. Das geht gut mithilfe eines Zeitstrahls, der die Kapitel umfasst. Da sieht man dann, ob die Handlung in einigen Kapiteln zu geballt kommt, oder ob sie am Anfang zu dünn oder mit zu viel Rätseln gespickt ist. Wenn sich nämlich alle wichtigen Ereignisse bei den Kapiteln 20-30 ballen, weiß ich, dass ich wieder zu viel aufbaue und kann ein paar der Actionszenen einfach weiter nach vorn schieben. Gleichzeitig würde man wohl sehen, ob man zwischen die actionreichen Szenen nicht noch ein paar ruhigere einbauen sollte.

Ich hab einen formidablen Zeitstrahl - Storybook sei Dank!  :wolke: - Das Problem ist eher, dass die Handlung in allen Kapiteln geballt ist. Die nehmen sich da, ehrlich gesagt, nichts. Und ja, das mit den ruhigeren, genau das brauche ich. Thalis Ausführung hat da einen Nerv getroffen, denke ich.  Genau das, was ich gebraucht hab: Die Rechtfertigung für augenscheinlich bedeutungslose Idylle!

Naudiz

Bei mir ist das wahnsinnig interessant (zumindest für mich ;)): In meinem Fantasy-Monster "Flammen der Lügen" bin ich waaaaahnsinnig langsam, es gibt viel Gelaber und wenig Action, auch wenn sich das nach den ersten ~100 Seiten ein wenig bessert. Aber die Geschichte kommt trotzdem viel zu langsam ins Rollen, wie ich finde. Doof nur, dass sich da nichts straffen lässt, weil sonst Informationen verloren gehen, die der Leser braucht, um die anschließenden Ereignisse nachzuvollziehen.

Bei "Rebellion", dem Sci-Fi-Projekt, ist das genau andersherum: Ich jage den Leser von einer Actionszene in die nächste, lasse kaum Verschnaufpausen und wohl auch öfter mal die ein oder andere wichtige Info viel zu sehr zum Randereignis verkommen. Allgemein wollte ich genau das haben - schnelle, actionreiche SciFi. Aber wenn der Leser nicht mehr mitkommt, ist das auch nicht so optimal, weswegen ich vorhabe, beim Rewrite ein paar mehr Szenen zum Verschnaufen einzubauen.

Im Prinzip müsste ich also nur "Flammen der Lügen" ein paar Laberszenen klauen und durch Actionszenen in "Rebellion" ersetzen, und alles wäre schicki  :D

Tanrien

Was mir dabei hilft ist die Mischung und Vermischung von unterschiedlichen Handlungssträngen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Sowas wie "Die Überwindung des Traumas, dass die Eltern so und so gestorben sind" kann man nicht und so Sachen wie "Aufkeimende Liebe zwischen den Hauptcharaktere" will man oft nicht schnell schreiben. Damit sind diese Stränge automatisch mit langsameren, ruhigeren Szenen gepflastert und vermischt man nun die schnelleren und die langsameren Stränge, folgen schnellere und langsamere Szenen aufeinander.

Wichtig ist dann nur, aufzupassen, dass das nicht zu offensichtlich wird, also sollten die Szenen nicht exklusiv für einen schnellen/langsamen Strang sein, sondern diesen nur in den Vordergrund rücken. Während des knisternden Näher Kennenlernens der beiden Hauptcharaktere in einer ruhigen Szene am Lagerfeuer kann dann vielleicht gleichzeitig eine wichtige Info zu den gerade stattfindenden Plänen zur Ermordung der Königin ausgetauscht werden. Das macht die Szene nicht schnell, bringt es aber trotzdem mit rein, und weil es ja zu einem langsamen Strang gehört, schreibt man es automatisch langsam.

Klappt zumindest für mich, diese Methode.

AlpakaAlex

Ich stelle als Leser häufig fest, dass ich ein Problem mit dem Pacing vor allem vieler deutscher Fantasy-Romane habe. Aus dem einfachen Grund, dass es häufig eine gefühlte Ewigkeit braucht, bis es zum Auslösenden Moment kommt. Ich hatte beispielsweise letztens Talus gelesen und das Buch braucht einfach so endlos lange, um zum auslösenden Moment zu kommen und bis dahin plätschert das alles so vor sich hin. Aber das Buch ist halt damit nicht allein. Meine Theorie ist, dass ein großer Punkt ist, dass viele noch aus dem Deutschunterricht die Drei-Akt-Struktur mit auslösendem Moment als Bruch in den zweiten Akt im Kopf haben (und drei gleichlange Akte) und deswegen es dann halt auch wirklich so geschrieben wird.

Ich sehe dabei übrigens weniger Romane, die wirklich wegen dem Überbeschreiben von Dingen mit dem Pacing zu kämpfen haben - was natürlich auch daran liegen mag, dass ich in erster Linie Urban Fantasy schreibe und das Genre diese Neigung allgemein weniger hat. Das ist mir nur einige wenige Male untergekommen und das war dann in englischen Romanen, die meistens zu obsessiv mit dem Aussehen und der Kleidung ihrer Protagonist*innen waren und wo dann auch jeder Kleidungswechsel in aller ausführlichkeit beschrieben werden musste   ::) Aber allgemein sehe ich das Problem in der Urban Fantasy eher selten.

Gerade in der englischen Urban Fantasy muss ich ehrlich sagen, dass ich nur selten Romane gefunden habe, wo mich das Pacing stört. Selbst bei Büchern, die ich selbst sehr hasse (wie die Dresden Files) würde ich definitiv nicht das Pacing kritisieren. Es mag sogar einer der Gründe sein, warum ich Urban Fantasy allgemein so gerne lese: Die Bücher sind meistens sehr schnell gepaced.

Ich selbst versuche es halt auch immer mit dem schnellen Pacing, wie gut es mir gelingt ist aber eine andere Frage. Ich muss zugeben, dass ich zuletzt jetzt bei 7 Nächte sehr damit gekämpft habe. Weil der eigentliche Auslösende Moment liegt sogar vor Beginn der Handlung. Aber es dauert bis Seite 65, dass die Protagonistin in die Handlung mit hineingezogen wird und das ist eigentlich zu lang. *seufz* Ja, den Roman muss ich dringend noch ordentlich überarbeiten. Aber dafür brauche ich das richtige Headspace.
 

Graukranz

Ich gehöre eher zu den Lesern, die "Plätschern" unbedingt brauchen.
Um auf die Weihnachtsszene bei Harry Potter zurückzukommen: sie hat mMn durchaus eine Bedeutung. Sie zeigt, welche Bedeutung Hogwarts für Harry hat, dass es sein "wahres" Zuhause ist, wo er zum ersten Mal überhaupt ein "richtiges" Weihnachten erlebt. Sie sagt etwas über Dumbledores und McGonagalls Charakter, und sie zeigt auch, wie die Weasleys immer mehr zu Harrys (Ersatz-)Familie werden.
Solche Szenen sind mMn essentiell für eine gute Geschichte, weil erst sie es sind, die den Leser voll und ganz in eine Welt und in die Figuren eintauchen lassen (um bei der Weihnachtsszene zu bleiben: McGonagall wird im Rest des Buchs als streng und zugeknöpft dargestellt, aber diese Szene lässt sie in einem ganz anderen Licht erscheinen. Im fünften Buch gibt es eine ähnliche Szene zwischen McGonagall und Umbridge, bei der es um die Berufsberatung geht, was für den Plot eigentlich komplett irrelevant ist. Die Dynamik zwischen den beiden sagt aber viel über die Figuren aus).
Wenn man etwas aus einem Text streichen kann, ohne dass etwas verloren geht, dann sollte man es auch streichen. Jede Szene sollte mMn einen Sinn haben, auch die "plätschernden" Szenen. Es gibt ja einen Grund, warum man als Autor den Lesern etwas über eine Figur erzählen will. Das ist ein Punkt, warum ich Harry Potter so sehr mag. Es gibt dort keinen Absatz (zumindest kann ich mich an keinen erinnern), bei dem ich mich frage, warum der jetzt dort steht.
Kürzlich habe ich ein Buch gelesen, in dem die Helden pausenlos verfolgt werden und von einem Versteck ins andere fliehen müssen. Es blieb kaum Zeit, um die Figuren kennenzulernen, weil sie ununterbrochen um ihr Leben fürchten müssen. Das ist zwar spannend, weil man nie weiss, ob bald jemand stirbt, andererseits hat es mich überhaupt nicht gepackt, weil ich nicht mit den Figuren mitgefiebert habe. Sie waren mir fast egal (überspitzt ausgedrückt), weil ich sie viel zu wenig kennenlernen konnte.
Ein gegenteiliges Beispiel wäre Persuasion von Jane Austen, das mich fasziniert hat, weil eben sehr wenig geschieht, aber man trotzdem bis zum Ende mitfiebert, weil die Autorin es irgendwie schafft, die Leser total in die Geschichte und die Figuren hineinzuziehen.

Für meine Geschichten versuche ich das so zu lösen: Bei der Überarbeitung frage ich mich regelmässig, welche Informationen der Leser braucht. Will ich z.B., dass sich alle Leser ein kleines, blaues Haus mit runden Fenstern und schiefem Dach vorstellen, oder sollen sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen? Wenn die Architektur des Hauses nicht wichtig ist, lasse ich sie weg. Es kann aber auch sein, dass sie etwas über die Geschichte einer Stadt aussagt, dann sollte die Beschreibung rein. Oder die Beschreibung des Hauses sagt etwas für die Figur (die Figur betrachtet ein Haus und beschreibt es, dann weiss man als Leser gleich, wie die Figur ihre Umgebung wahrnimmt).