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Wie detailliert recherchiert ihr?

Begonnen von HauntingWitch, 08. Dezember 2011, 15:08:36

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HauntingWitch

Die Frage an sich beschäftigt mich schon seit längerer Zeit, aber aus aktuellem Anlass stelle ich sie nun endlich: Wie detailliert recherchiert ihr? Muss in einer "realen" Welt (gerade bei Urban Fantasy) wirklich jede letzte Einzelheit der Wirklichkeit entsprechen oder kann man auch mal etwas erfinden? Wo würdet ihr die Grenze ziehen?

Im Thread bezüglich "emotionale Textkritik" (um den es mir hier aber nicht geht und den ich jetzt nur still verfolgt habe), hat Dani geschrieben:

ZitatJemand, der sich mit Veröffentlichungsabsichten trägt, kann nicht einfach sagen: Hm, da war's dann schwierig zu recherchieren, also hab ich mir den Rest ausgedacht.

Aber da gibt es doch auch eine Grenze, oder? Ich meine, ich erfinde zum Beispiel Locations wie eine Bar oder ein Café gerne mal, einfach weil es mir wirklich zu anstrengend ist, jetzt recherchieren zu gehen, ob es irgendwo in einer deutschen Stadt vor Berlin an einer eher breiten Strasse ein reales Café gibt, das meinen Ansprüchen gerecht wird. Da kann doch ein fiktives Café nehmen.

Handkehrum verstehe ich aber auch die andere Seite: Für einen Einheimischen eines bestimmten Ortes ist es natürlich irritierend, wenn so ein Ort in real nicht existiert und er das weiss, sich das aber vorstellen soll.

Das sind jetzt nur Orte. Aber auch betreffend Handlungen/Situationen/Umstände: Habe ich einen Prota, der unter der Hand einen Job bekommen soll, weil er zufällig an einem wichtigen Ort etwas Wichtiges tut; Soll ich jetzt recherchieren gehen, ob es in angesetztem Jahr in der spielenden Stadt irgendeine wichtige Location gegeben hat, in der etwas Entsprechendes stattgefunden hat? Ist doch Quatsch, wie soll denn das gehen? Da bräuchte ich für mich konkret jetzt dermassen viel Zeit für die Recherche, dass sich das imo gar nicht mehr rechnet. Kann ich da mein wichtiges Ereignis nicht einfach erfinden?

Worauf es hinausläuft, ist folgendes: Da ein Roman, vor allem ein Fantasy-Roman, ja sowieso unter der Prämisse "erfunden" geschrieben wird, stört das dann irgendjemanden? Eine wie grosse Rolle spielt das? Was ich verstehe ist, dass, wenn man reale Vorbilder nimmt, man sich auch im Roman an die Fakten halten sollte. Aber wenn es keine entsprechenden realen Vorbilder gibt, bzw. wie oben gesagt, man nicht weiss, ob es diese gibt - ist es dann ein Problem?

Joa, das sind jetzt doch mehr Fragen geworden, ich hoffe, sie sind einigermassen verständlich.

LG Witch

Thaliope

Ich denke, man sollte die Frage, wie viel bzw. wie detailgenau man recherchiert, nicht nur vom Arbeitsaufwand abhängig machen, sondern davon, welches Endergebnis man gerne hätte.
Wenn ich ein besonders authentisches Flair wiedergeben möchte, zum Beispiel von einem bestimmten Kiez/Viertel, das wiedererkennbar sei sollte, ist es sicher hilfreich, die Cafés und das entsprechende Interieur genau zu recherchieren.
Für einen rein fiktiven Roman ist es - wie schon in dem anderen Thread angedeutet - eher wichtig, dass die Läden glaubwürdig sind. Da würde ich große Bauwerke, Wahrzeichen, Institutionen übernehmen, aber Cafés und Kneipen wechseln ja auch so oft ... Wenn es glaubwürdig ist, dass in dieser oder jener Straße ein solches Café existiert (hat), ist es gut. Dann kann man auch ganze Straßen erfinden, die es auf der Karte gar nicht gibt - aber geben könnte. Ich denke, das ist der springende Punkt.
Die Entscheidung, ob ich recherchiere oder erfinde, sollte aber auf jeden Fall vom gewünschten Effekt abhängig gemacht werden und nicht aus Angst vor zu viel Arbeit fallen.

Ein Beispiel aus dem Fernsehen: Der Münster-Tatort. Da gibts tolle Szenen, wie ein Auto durch die Stadt fährt. Unverkennbar Münster. Aber wenn man darauf achtet, wo der Fahrer rauskommt, wenn er um diese oder jene Ecke biegt, merkt man, dass sie es ganz anders zusammengesetzt haben. Das ist okay, finde ich. Es ist der Handlungsort einer fiktiven Geschichte.
Gerade wenn man Geschäfte oder Kneipen in der Geschichte verwendet, in denen sich wichtige, hässliche oder gesetzeswidrige Handlungen vollziehen, ist es wahrscheinlich sogar sinnvoller, sich einen ähnlichen Laden auszudenken, anstatt dem real existierenden die Geschichte unterzujubeln.

So. Jetzt hab ich aber viel gebabbelt. War wohl Nachholbedarf :)
LG
Thali

Runaway

Ich hab das drüben geschrieben, weil es drüben für mein Empfinden eher nicht um Fantasy ging, sondern schon um etwas Realexistierendes, wo nur ordentlich viel Fiktion statt Recherche ihr Unwesen trieb. So wie ich das verstanden habe, ging es ja um eine Romanze in der heutigen Welt und nicht um Fantasy.
Bei Fantasy recherchier ich mir auch keinen Wolf! Ganz klar. Die einzige Recherche, die ich bei Fantasy betrieben habe, drehte sich um Kampfkunst, viel Medizinisches und noch irgendsoein Zeug, mit dem meine Protas in ihrer Welt in Berührung gekommen sind.

ZitatIch meine, ich erfinde zum Beispiel Locations wie eine Bar oder ein Café gerne mal, einfach weil es mir wirklich zu anstrengend ist, jetzt recherchieren zu gehen, ob es irgendwo in einer deutschen Stadt vor Berlin an einer eher breiten Strasse ein reales Café gibt, das meinen Ansprüchen gerecht wird. Da kann doch ein fiktives Café nehmen.
Kann man. Mach ich auch. Das ist aber dann auch so ein kleines unwichtiges Detail, wo man ruhig kreativ werden und sich was ausdenken kann. Das ist ja nicht so handlungstragend wie im genannten Indianer-Beispiel, wo einfach mal der Indianerstamm, um den es geht, erfunden wird.

Ich finde, das ist der wichtige Punkt. Man sollte bei allem, was nicht Fantasy ist (und da gern trotzdem auch!) die wirklich wichtigen Elemente recherchieren, so daß man ein glaubhaftes Konstrukt erschafft. Wenn man darüber hinaus bei den Details in die Fiktion geht, nimmt einem das keiner übel.

In meinem konkreten Beispiel war's schon so, daß ich mir einen ganzen Tag in der Stadt angetan hab, in der meine Geschichten spielen. Ich hab mir die Orte angeguckt, von denen ich wußte, daß sie vorkommen und ich hab Fotos wie ein Weltmeister gemacht.
In der Folge passiert es jetzt auch immer mal wieder, daß Orte vorkommen, die ich nicht kenne. Ich hab da zum Beispiel kein Kino gesehen, aber meine Protas gehen da mal hin. Einmal kurz. Da steck ich dann keine Energie rein und schreib dann halt: Sie gehen ins Kino.
Was die Handlung und den ganzen Psycho-Krams angeht, hab ich sehr genau recherchiert, um mich nicht schämen zu müssen, wenn den Text mal einer liest, der sich auch damit auskennt.
Ich glaub, im Grunde genommen kann man sagen: Man muß glaubhaft sein. Das hat ja drüben im Thread meines Wissens auch einer gesagt. Wenn man insgesamt kundig rüberkommt und sich keine dicken Schnitzer bei irgendwelchen Fakten erlaubt, darf auch mal ein bißchen Phantasie gestattet sein! Schließlich sind wir ja Künstler und keine Journalisten.

Malinche

ZitatAber da gibt es doch auch eine Grenze, oder? Ich meine, ich erfinde zum Beispiel Locations wie eine Bar oder ein Café gerne mal, einfach weil es mir wirklich zu anstrengend ist, jetzt recherchieren zu gehen, ob es irgendwo in einer deutschen Stadt vor Berlin an einer eher breiten Strasse ein reales Café gibt, das meinen Ansprüchen gerecht wird. Da kann doch ein fiktives Café nehmen.

Das sehe ich auch so – wenn es wirklich nur darum geht, dass es irgendeine Bar, irgendein Café, irgendeine breite Straße ist. Es würde mich jetzt auch nicht stören, wenn ich z.B. deinem Beispiel folgend von einem Café in Berlin lese, dann dort vorbeikomme und es gibt das gar nicht. Carlos Ruiz Zafón hat das im »Schatten des Windes« sehr schön vorgemacht: Er beschreibt ein sehr reales Barcelona, teilweise auch mit ganz genauen Ortsangaben, aber wenn man hinfahren und nachsehen würde, würde man feststellen, dass es an der Adresse dann doch keine kleine Buchhandlung oder eine verfallene Villa gibt. Und das stört selbstverständlich niemanden.

Bei Ruiz Zafón funktioniert das, weil er Barcelona kennt und beschreiben kann. Und ich denke, genau das ist der Punkt.

Wenn wir von Orten sprechen, ist Recherche vor allem dazu da, das Bühnenbild stimmig zu gestalten. Wir können einen fiktiven Ort – einen Park, ein Café, eine Bibliothek, einen Vorlesungsraum – in Berlin, Barcelona oder sonstwo beschreiben, und niemand wird uns deshalb auf die Füße treten, weil es den in echt nicht gibt. Er muss sich nur »echt« anfühlen. Man muss also nicht recherchieren, ob es an der Müllerstraße in Berlin-Wedding ein Café gibt, das zu meinem Plot passt, aber man sollte vielleicht ungefähr herausfinden, wie es in dieser Straße denn sonst so zugeht, ob da Plattenbauten stehen oder Altbauten mit Stuckfassade, ob die Straße von Designershops oder doch eher türkischen Gemüseläden gesäumt wird. Ich behaupte mal, dass das alles nicht unbedingt im Text stehen muss, aber ich als Autor sollte das Bild im Kopf haben. Wenn ich behaupte, es ist ein Café in Berlin-Wedding, dann sollte der Leser mir das abnehmen.

Meine Projekte spielen fast immer in der realen Welt und Recherche ist für mich darum unheimlich wichtig. Ich recherchiere relativ genau, und zwar soweit, dass ich mich selber beim Schreiben sicher fühle. Als ich meinen NaNo-Roman 2010 begann, stolperte ich gleich am Anfang, weil ich nicht wusste, wie man in einem kleinen Andendorf des 18. Jahrhunderts wohl Licht gemacht hat. Kerzen? Öllampen? Feuersteine? Streichhölzer? Den Leser wird das Detail vielleicht nie interessieren, aber mir war es wichtig, weil ich das Gefühl hatte, dass es für den Gesamteindruck einfach wichtig ist.

ZitatHabe ich einen Prota, der unter der Hand einen Job bekommen soll, weil er zufällig an einem wichtigen Ort etwas Wichtiges tut; Soll ich jetzt recherchieren gehen, ob es in angesetztem Jahr in der spielenden Stadt irgendeine wichtige Location gegeben hat, in der etwas Entsprechendes stattgefunden hat? Ist doch Quatsch, wie soll denn das gehen? Da bräuchte ich für mich konkret jetzt dermassen viel Zeit für die Recherche, dass sich das imo gar nicht mehr rechnet. Kann ich da mein wichtiges Ereignis nicht einfach erfinden?

Wenn es nur darum geht, dass er unter der Hand einen Job bekommt, reicht Erfinden vielleicht aus. Wenn es für den Plot und den Prota auch wichtig ist, was für einen Job er bekommt, könnte man durchaus noch mal gucken. Wenn es z.B. ein Bauarbeiter sein soll, findet man doch ziemlich schnell heraus, ob es in der Zeit irgendwelche Großbauprojekte gegeben hat ... Ich finde es sehr reizvoll, Fiktion und Realität bei so etwas zu mischen. Ich mag das bei Büchern auch ganz gerne, wenn Fiktives auf diese Weise real unterfüttert wird. Es kann dem Leser, wenn man es gut macht, meiner Meinung nach eben vermitteln, dass der Autor sorgfältig recherchiert hat und weiß, wovon er spricht.

Und Details können ungeheuer viel ausmachen.

Gerade habe ich eine Kurzgeschichte geschrieben, die an einem ganz bestimmten Tag in Perú spielt, an dem ein furchtbares Erdbeben stattgefunden hat. Länger als das Schreiben hat auf jeden Fall die Recherche gedauert. Ich habe mir endlos Dokumentationen und Videos auf Youtube angesehen – langwierig, mühsam, aber anders hätte ich nicht herausbekommen, was an jenem Tag für ein Wetter war, dass an genau diesem Tag das Eröffnungsspiel einer Fußball-WM ausgetragen wurde usw. und so fort. Für mich hat sich der Aufwand gelohnt, weil ich dann das Gefühl hatte, eine runde Geschichte schreiben zu können. Von daher: Ich recherchiere meistens solange, bis ich meinen schriftstellerischen Seelenfrieden habe. :)
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

TheaEvanda

Eine wichtige Regel habe ich mal von einem Lokalkrimi-Autor gelernt:

Orte wo die Bösen wohnen/hantieren/agieren MÜSSEN erfunden sein.
Orte, wo die Guten wohnen/hantieren/agieren DÜRFEN erfunden sein.

Und wenn man etwas erfindet, muss es sich ins Lokalkolorit einfügen. In der Biedermannstraße stehen nur vierstöckige Bürgerhäuser. Ein weiteres dazuerfinden ist OK, aber das dazuerfundene Haus als modernen Glaspalast darstellen ist nich in Ordnung.

Zusätzlich ist es immer gesund, nicht zu konkret zu werden - man muss als Autor nicht schreiben, dass es zwanzig Schritte von Haustür A nach Haustür B sind, solange es nicht plotrelevant ist. Gesünder für Autoren und fan-atische Leser ist es, "von A nach B war es nicht weit" zu schreiben. Eine gewisse Unschärfe macht die Geschichte lesbarer und überschüttet den Leser nicht mit zu vielen Fakten.

(Außerdem ist es dann einfacher, weitere Geschichten in der gleichen Gegend anzusiedeln oder eine Fortsetzung zu schreiben)

Recherche ist sehr wichtig in Sachen Ambiente und plotrelevante Details. Ich verwende trotzdem nicht mehr als 10% der recherchierten Fakten in einem Roman - der Rest klüngelt in meinem Hinterkopf herum und sorgt dafür, dass die Atmosphäre besser rüberkommt.

Ein Schauplatz-Beispiel:
Setzung: Edles Großbürgerdomizil 2011
Unterstützende Details: Knüpfteppiche auf dem Boden, Designersofa, Schlüssel mit Lochmuster statt Bart. Alles ist blitzeblank aufgeräumt - man betritt offensichtlich den öffentlichen Teil des Hauses.

Das reicht schon um die Atmosphäre zu transportieren. Dass im Vorbild dieses Hauses (ein ganzer Satz Einrichtungszeitschriften und Möbelkataloge der höheren Preisklasse) die Teppiche echte hochflorige Nomadenteppiche mit Farbfehler sind, das Designersofa und die Küche in der 40.000 Euro-Preisklasse (Vollholz vom Schreiner, 2008 und Büffelleder, 2010 erworben) liegen, dass der Hausherr wegwerfend über seine Teppiche sagt, dass er im Irak auf dem Markt schwach geworden ist, dass der Schaukelstuhl Baujahr 1988 ist und die Harfe in der Ecke vom amerikanischen Harfenbauer Venus stammt und mit echtem Blattgold verziert ist... das braucht es nicht wirklich für diesen Ort.

Das ist nur schön-zu-wissen, falls der Protagonist in einem dieser Bereiche ein gebildetes Auge hat. Den Leser würde man damit schnell erschlagen.
Viel Recherche ist gut, die Ergebnisse gut zu dosieren ist besser. Aber dafür braucht man die Recherche, um das Wesentliche zu finden und ein Gefühl für die Dosis zu entwickeln.

--Thea
Herzogenaurach Germany

Michaela

ZitatWorauf es hinausläuft, ist folgendes: Da ein Roman, vor allem ein Fantasy-Roman, ja sowieso unter der Prämisse "erfunden" geschrieben wird, stört das dann irgendjemanden? Eine wie grosse Rolle spielt das? Was ich verstehe ist, dass, wenn man reale Vorbilder nimmt, man sich auch im Roman an die Fakten halten sollte. Aber wenn es keine entsprechenden realen Vorbilder gibt, bzw. wie oben gesagt, man nicht weiss, ob es diese gibt - ist es dann ein Problem?


Gebäude können erfunden werden, viele Schriftsteller tun das, sogar bei nicht Fantasy Romanen. Es ist kein Problem solange du kein Reales Setting wählst. Wenn du über einen bestimmten Berufszweig etwas schreibst, solltest du über das Berufsbild bescheid wissen. Sonst könnte es peinlich werden. Es gibt Dinge die sachlich korrekt niedergeschrieben werden sollten, wenn es sich um etwas reales handelt.
Wenn du eine neue Tierart oder Pflanzenart erfindest, entscheidest ja auch du allein, wie sie aussieht, duftet und sich anfühlt.

Ich hoffe das hilft dir weiter.

Liebe Grüße Michaela

Nirathina

Also viel gibt es dazu ja nicht mehr zu sagen, das haben meine Vorredner bereits erledigt.

Dennoch: Vor allem, wenn ich High Fantasy mit Mittelalter-Setting schreibe, bin ich viel mit Recherche beschäftigt. Schmieden, Gerben, all so was wird ja ab und zu mal näher beschrieben und dann reicht es mir nicht, wenn ich nur was von "Schmiede" dahinklatsche. Esse, Hammer, Amboss, Wasser, gefalteter Stahl - das ist eine authentische Schmiede  :)

Auch die Bestandteile einer Rüstung kommen nicht von ungefähr, genauso wie Steinmetzarbeiten oder Werkzeuge. Oder Schiffsbau und die Einzelteile eines Schiffes, das Herstellen von Netzen, der Aufbau einer Werft oder einer mittelalterlichen Feudalgesellschaft: Das sind alles Dinge, die ich nicht wusste, bis ich sie recherchiert hatte.

Und wie Malinche es so schön ausdrückte: Auch ich beende die Recherche erst dann, wenn ich glaube, dass alles stimmt und ich genug weiß, um damit arbeiten zu können.

Nycra

Hm, ich denke auch, Recherche ist wichtig. Bis zu einem gewissen Grad. Natürlich kann man im Fantasy Naturgesetze außer Kraft setzen. Aber wenn ich beschreiben will, wie etwas nicht funktioniert, muss ich vorher wissen, wie es funktioniert.

Meine Dhraden spielen z.B. in Neuseeland. Meine Recherchen waren langwierig, weil man zwischen Nord- und Südinsel unterscheidet, und dort Flora und Fauna unterschiedlich sind. Ich habe diverse Links abgespeichert, in Foren gestöbert und teilweise derart unterschiedliche Informationen erhalten, dass ich nicht mehr weiter wusste. Ich habe daher beschlossen, erstmal runterzuschreiben und alles an dem von mir geplanten Ort anzusiedeln.

Aber: Der springende Punkt ist, jemand der sich dort auskennt, wird in der aktuellen Fassung sofort merken, dass ich keine Ahnung habe, wovon ich da schreibe und dass ich nur des Nutzens Willen diesen Ort gewählt habe. Gleichsam bedeutet das für mich, weiter zu recherchieren (über persönliche Kontakte in diversen Foren), und dann nachzuarbeiten. In diesem Fall eine bewusste Entscheidung.

Habe ich die Recherchen im Vornhinein gründlich durchgeführt (und eine Bar, ein Haus oder Café an einem bestimmten Ort würde ich nicht dazu zählen, es sei denn, es ist ein allgemeinbekanntes Gebäude (Museum, Polizeistation etc. pp)), bekomme ich hinterher nicht allzu große Probleme, glaubhaft zu machen, wo ich mich in der Erzählung befinde.

Viel Wichtiger finde ich Recherchen zu Themen, über die fast jeder ein bisschen was, aber nicht alles weiß. Wenn ich auf die Dinge zurückgreife, die ich vielleicht mal irgendwo aufgeschnappt oder übers TV verkauft bekommen habe.

Ein wie ich finde passendes Beispiel:

Jeffrey Deaver hat in seinem letzten Romane eine Killer mithilfe von Strom töten lassen. Ahem. Ich war so frei und habe die darin vorgegeben Erklärungen von meinem Mann (Elektroniker) prüfen lassen - auch aus dem Grund, weil ich den ganzen Schmodder darin sehr gut und für mich verständlich erklärt fand. Mein Holder hat mir dann bestätigt, dass das sehr gut recherchiert und alles der Wahrheit entsprechend war. Hätte er den Roman gelesen und es wäre alles falsch gewesen, hätte er das Buch beiseite gelegt und gesagt, was für ein Schrott. So aber: Hut ab!

gbwolf

Ich gehöre zu den Leuten, die meistens sehr genau recherchieren. Liegt zum einen daran, dass ich selbst Authentizität sehr schätze und zum anderen schreibe ich viel SF und da hauen einem die meisten Leser einen auf die Nase, wenn man plötzlich Lasergeräusche im All hören kann oder der Flug zum Jupiter 2 Tage dauert, obwohl ich einen konventionellen Antrieb habe.

Generell aber muss die Recherche zum Roman (Novelle/Kurzgeschichte/...) passen und die Welt in sich glaubhaft sein. Da hat man es mit der realen Welt eigentlich sogar am einfachsten: Wir kennen alle die Naturgesetze, nach denen sie funktioniert, der Tabakladen an der Ecke steht nunmal dort und den geschichtlichen Hintergrund einer Statue weiß man auch. Die Welt in sich funktioniert einfach. Bei einer erfundenen oder teilweise erfundenen Welt muss ich meine Teile so ausbalancieren, dass alles in sich authentisch ist. Dabei ganz entscheidend ist die Lesererwartung.

Schreibe ich für einen Leserkreis, der Star Wars heiß und innig liebt und mehr Wert auf Action legt als auf Physik, dann muss es im All knallen, Naturgewetze hin oder her! Aber dann auch gleichmäßig. Will meinen: Dann darf ich nicht den ganzen Roman akkurat halten und an einer Stelle schummeln. Dann muss es sich passend einfügen und die ganze Handlung muss klar machen: Hier geht es nicht um Pi auf die letzte Stelle genau, sondern um Action, mitreißende Figuren, eine Space Opera-Story, die einen alles vergessen lässt!
Genauso ist es momentan ja mit den sogenannten "Love & Landscape"-Romanen. Die wenigsten der Autorinnen waren je in Neuseeland, Afrika, Südamerika und selbstverständlich erst recht nicht im 19. Jahrhundert! Die Romane halten sich an die Erwartungen der Leser. Das führt natürlich zu moppernden Kommentaren von Leuten, die sich dort auskennen, aber so lange man in einem gewissen freien Rahmen bleibt (Also beispielsweise ein fiktives Dorf gestaltet, in dem die Leute aber so leben, wie Leute damals in der Gegend gelebt haben), dann darf man selbstverständlich auch ein wenig Romantisieren und Idealisieren. Als Recherche bieten sich hier vor allem gängige Genreromane an, um zu verstehen: Was wünschen sich die Leser an Realismus und was wünschen sie sich an romantisierten Idealen?

Dann kann ich natürlich kleine Dinge in ein bestehendes System einfügen. Die ausgedachte Bar ist so ein Fall. Klar ist das Stadtviertel real und auch die Leute, die dort herumrennen, aber man kann aus diversen Gründen nicht immer eine echte Bar benutzen. Hauptsache, man hat so gut recherchiert, dass die Leser dem Autor glauben, dass eine solche Bar mit einem solchen Publikum in einem solchen Viertel möglich ist. Also kein blinkendes Edelbordell im muslimischen Viertel. Das ist ja mit den Werwölfen und Vampiren genauso: Ihr Auftauchen und ihre Existenz haben eine Begründung. Es steht nicht plötzlich ein Wer-Pinguin in einer völlig normalen Welt beim Bäcker, weil dem Autor nichts besseres einfällt, um anzudeuten, wie fischig die Brötchen schmecken. Der Alligator steht da, weil in der Welt ein gewisser Grad an Seltsamkeiten normal ist (Was man dann wiederum mit der Historie in Deckung bringen muss. Dann steht in Leipzig halt kein Goethe aus Bronze, sondern ein Goethe-Kätzchen aus Blei).

Und selbst wenn ich alles komplett erfinde, muss die Welt passen. Mich hat es bei der Neuverfilmung von "Planet der Affen" fürchterlich aufgeregt, dass die Affen Möbel wie Menschen haben. Affen hätten Möbel, die nach ihren Möglichkieten gestaltet wären! Also einen Basketballkorb, der mit wagemutigen Klettereien zu erreichen ist, ein Spielfeld, dass zu ihrer Bewegungsart passt und keinen flachen Platz.
Natürlich hat man auch hier Freiraum, wenn die Leser die Geschichte so akzeptieren, aber schöner sind stimmige Welten wie die Null-Schwerkraft bei Karl Schroeder "Planet der Sonnen" oder die Fliegerkultur mit ihren Stürmen aus George R. R. Martins "Sturm über Windhaven".
Und ein Schwertschlag ist nunmal ein Schwertschlag und ein Mensch ein Mensch: Die Verletzungen sind die selben wie bei uns. Und wenn Leder nicht magisch gegerbt wird, dann muss man nunmal draufpinkeln und dann stinken billige Lederrüstungen und der Ritter in der Plattenrüstung ersäuft im Fluss oder ist zu langsam gegen den Drachen.

Wir sehen: Ich bin in Sachen Recherche Puristin und kaum etwas sträubt mir mehr die Nackenhaare als Andeutungen, bei Fantasy, SF oder Alternativhistorie dürfte man alles. Man darf alles - aber man muss viel Arbeit in die Glaubwürdigkeit stecken!

Grey

Zitat von: Malinche am 08. Dezember 2011, 15:26:36
Von daher: Ich recherchiere meistens solange, bis ich meinen schriftstellerischen Seelenfrieden habe. :)

Sehr gut auf den Punkt gebracht. ;D

Was für mich immer an erster Stelle steht, ist die Glaubwürdigkeit. Wenn ich über "echte" Orte schreibe, dann will ich diese Orte auch in meinem Buch einfangen, so dass man sie wiedererkennt. Wenn ich über eine bestimmte Zeitepoche schreibe oder ein bestimmtes Land, dann möchte ich nicht, dass mir jemand, der sich intensiv mit diesem Land und/oder dieser Epoche beschäftigt hat, mir mein Buch einfach auseinandernehmen und mir beweisen kann, dass es so niemals hätte stattfinden können - während ich nur hilflos gucken und sagen kann: "Aber es ist doch eine *fiktive* Geschichte!" Das befriedigt meinen Anspruch an mich selbst nicht. Ich möchte wissen, wovon ich rede.

Ein Beispiel: In der "Blutgabe" habe ich mir einen Virus ausgedacht, der für Vampirismus verantwortlich ist. Natürlich gibt es den nicht. Trotzdem habe ich mehrere Biologen und Biochemiker/Immunologen, die sich schon sehr viel länger mit der Materie beschäftigen als ich, drüberschauen lassen, ob dieses Konstrukt zumindest theoretisch so plausibel ist.

Ich gehe da immer von meinen eigenen Ansprüchen als Leserin aus. Ich habe es am liebsten, wenn eine Geschichte so glaubwürdig erzählt ist, dass Realität und Fiktion verschwimmen. Mein liebstes Beispiel dafür ist "Schattenlichter" von Theodore Roszak. Darin geht es um Filmgeschichte und eine Verschwörungstheorie. Roszak verwebt historisches (Fach-)Wissen und die Geschichte, die er erzählt, so gut, dass ich ziemlich oft nachgeschlagen habe, welche der Filme und Persönlichkeiten, die er auftreten lässt, nun erfunden und welche "echt" sind. Man nimmt ihm alles ab, von vorn bis hinten. Genau so möchte ich schreiben. Aber dafür muss man sich eben gut auskennen in dem Thema, das man behandelt. Sonst kann man das nicht.

Snöblumma

Als jemand, der bisher nur reine Fantasy ohne Berührung zur realen Welt geschrieben hat, muss ich sagen, dass ich trotzdem unwahrscheinlich viel recherchiere. Medizinische Details sind mir wichtig, beispielsweise. Im Bezug auf Kampftechniken habe ich meine Freunde in der Hinterhand, die fechten, diverse Kampfsportarten betreiben und so weiter. Mein Lieblingsprojekt spielt unter Piraten und auf Segelschiffen - ich weiß gar nicht mehr, wie viele Bücher zu Nautik, Schiffsbau, Schiffsarten und Segeln ich als Landratte gewälzt habe. Das war weder einfach noch spaßig, aber ich wollte mir nicht nachsagen lassen, dass das alles so gar nicht geht, wie ich das schreibe. Bei so etwas bin ich pingelig.

Natürlich hat man im Fantasy immer den Ausweg, Dinge passend zu machen. Weil man zum Segeln bestimmte Techniken im europäischen Mittelalter nicht hatte, heißt das ja nicht, dass ich die in meiner Welt nicht doch schon haben kann. Dann muss ich aber trotzdem wissen, worauf diese Techniken aufbauen, um sie logisch einbauen zu können.

Noch mehr Recherche habe ich in wirtschaftliche und soziale Hintergründe gesteckt. Hier kommt mir mein Interesse zum Glück entgegen, aber ich habe auch da eigentlich nichts dem Zufall überlassen. Ich will wissen, wie und warum die Dinge in meiner Welt so sind, wie sie sind. Der Leser erfährt davon fast nichts. TheaEvandas 10% sind wahrscheinlich eine ganz gute Richtschnur im Bezug darauf, wie viel meiner Recherche der Leser wirklich mitbekommt. Dennoch brauche ich dieses Hintergrundwissen, um mich sicher zu fühlen und die Dinge logisch erklären zu können.

Was Romane anbelangt, die in der realen Welt spielen: Hier kann man meiner Meinung nach gar nicht genug recherchieren. Natürlich darf man ein Café in einer Stadt erfinden. Allerdings muss es in die Gegend passen. Ich kann kein schickes Szenecafé in das Glasscherbenviertel setzen, ohne eine Erklärung dazu, dass es vielleicht gerade deswegen so schick ist, als Geheimtipp, als Adventuretrip für verwöhnte Großstädter oder ähnliches. Anders herum ist es seltsam, wenn plötzlich ein Indie-Studentencafé im schicksten Viertel der Stadt steht. Location und Umgebung müssen zusammenpassen - oder es braucht eine Erklärung, warum sie gerade nicht zusammenpassen. Die Atmosphäre muss stimmen, und wenn ich in der realen Welt schreibe, brauche ich eine Atmosphäre, wie sie in der realen Welt sein könnte. Natürlich darf ich ein Internat für einen Schulroman erfinden, aber es muss wirken, als gäbe es dieses Internat wirklich. Dazu muss ich wissen, wie das Schulsystem derzeit funktioniert, welche Schultypen es gibt, welche Organisationsformen, welche pädagogischen Ansichten, was das Recht des Staates, in dem es liegen soll, mir erlaubt, und und und. Das alles wird im Buch nicht auftauchen, aber nur aus diesen Details werde ich eine glaubwürdige Location zusammenbasteln können.

TheaEvandas Tipp, nicht zu konkret zu werden, finde ich gut. Man muss eine Stimmung transportieren, kein Abbild einer Wirklichkeit fotografieren. Dazu genügt es, einige wenige Details anzudeuten - aber die müssen dann 100% stimmen.

Lomax

Zitat von: Thaliope am 08. Dezember 2011, 15:24:45Ich denke, man sollte die Frage, wie viel bzw. wie detailgenau man recherchiert, nicht nur vom Arbeitsaufwand abhängig machen, sondern davon, welches Endergebnis man gerne hätte.
Damit hat Thali eigentlich alles wichtige gesagt. Im Prinzip gibt's da gar kein "Muss". Du kannst sogar den größten unrecherchierten Schmonzes zusammenschreiben, mit aneneinandergereihten Klischees, und damit einen Bestseller landen. Hat es schon gegeben, und muss dich gar nicht stören ... selbst wenn jede Menge Leute sich aufregen, kann es dir egal sein, solange du nicht ausgerechnet auf die Leute, denen es nicht gefällt, als Käufer gezielt hast.
  Also, du hast alle Freiheiten - solltest aber dabei darauf achten, was am Ergebnis wichtig ist und was die Leute interessiert, die das Buch kaufen sollen. Was du darüber hinaus für einen persönlichen "Recherchekodex" hast, ist dann eher dein privates Luxusproblem. ;)
  Aber genauso, wie du in dein Buch reinschreiben kannst, was du willst, dürfen auch alle Kritiker später über dein Buch schreiben, was sie wollen - auch die, für die du's eigentlich nicht geschrieben hast. Tun sie auch oft genug. Wie sehr dich das stört und wie sehr du dir das zu Herzen nimmst, ist dann auch dein persönliches Problem. Bei steigender Auflage wird es dann wohl auch zum Luxusproblem. ;D Du kannst also tun, was du willst; du darfst nur nicht damit rechnen, dass es jedem gefällt und musst ggf. damit leben, wenn dir jemand mangelnde Recherche vorwirft.

Ansonsten hindert dich natürlich keiner daran, viel zu recherchieren und dann trotzdem zu erfinden - weil einfach das, was du erfindest, besser passt als das, was die Wirklichkeit hergibt. Ist meines Erachtens der beste Weg, weil man natürlich umso besser entscheiden kann, wo es am besten fürs Buch ist, wenn man von der Wirklichkeit abweicht, wenn diese Abweichung nicht von der eigenen Unkenntnis diktiert wird, sondern wenn du eine bewusste Abwägung zwischen beiden Alternativen vornehmen kannst. Recherche vs. Erfindung ist nach meinem Empfinden kein Widerspruch.
  Ich find's traurig, wenn Kreativität als Entschuldigung für besseres Wissen und Sorgfalt herhalten muss. Aber das ist dann auch wiederum nur meine persönliche Meinung.

Jara

Seit mir meine Mitbewihnerin damals in Tschechien gesagt hat ( weil ich mir einen Wolf abrecherchiert habe, inwieweit ein unterirdisches Erdöllager oder etwas entsprechendes explodieren und dabei Umweltzerstörungen hervorrufen kann, die dann in meiner Parallelwelt als schweres Erdbeben in Erscheinung treten):
Es ist doch egal. Wenn es soetwas nicht gibt, erfinde es und lass die Folgen beliebig sein, so wie es dir passt. Es ist doch nur Fantasy.
Wie man sich denken kann, hat sie kaum Fantasy gelesen. Aber an diesem Satz sieht man, wie viel Respekt dem Genre Fantasy von vielen Leuten zuteil wird. Nämlich kaum einer bis keiner.
Und da ich als Schriftsteller ( auch wenn dieses Wort für mich natürlich viel zu groß ist ;)) ernst genommen werden möchte, gebe ich mir Mühe außerhalb aller genretypischen Elemente, die ich nutze, alles logisch und plausiebel zu gestaltet.
Haben meine Charas keine Eidechsengene oder ähnliches, was es erklären könnte, ist das Bein weg, wenn es abgesäbelt wird. Schreibe ich Urban Fantasy und es gibt keine unterirdischen riesigen Erdöltanks, die detornieren können, muss ich mir etwas anderes überlegen. Egal ob jemals irgendwer herausfindet, dass es sie nicht gibt.
Klar bei Cafes, die ohnehin nur Randomschauplatz sind, ist das egal.
Geht mein Prota regelmäßig in ein bekanntes Szenelokal, schaue ich es mir an, inklusive Speisekarte und Veranstaltungen, die dort stattfinden.
Immerhin geben wir uns genauso viel Mühe wie jeder Krimiautor. Fantasy ist auch ein lesenswertes Genre. Und eben nicht jeder kann qualitative Fantasy schreiben Und ich finde eben, Recherche ist ein gutes Merkmal dafür, wie qualitativ wertvoll ( nicht nur) ein Fantasyroman ist.

Kati

Erstmal muss man ja sagen, dass jeder Roman fiktiv ist und dass ein Leser das auch annehmen muss und nicht erwarten kann, dass alles ganz genau so ist, wie beschrieben (was manche aber leider tun, aber egal).

Trotzdem ist es natürlich wichtig, große Dinge richtig zu beschreiben. Zum Beispiel kann ich nicht einfach in einer meiner London-Geschichten die Tower Bridge schon im 18. Jahrhundert bauen lassen, obwohl sie erst seit Ende des 19. steht. Das geht nicht. Oder bei normaler Urban Fantasy 2011 einfach mal ganz wegnehmen. Wenn man das jetzt mal etwas übertreiben möchte. Ich würde mir auch keine "großen Dinge" ausdenken, wie ein riesiges Bürogebäude mitten in der Stadt. Ich würde schon bei einem Park halt machen. Aber ein Haus einfach dazu erfinden oder ein Café oder einen Supermarkt, das lässt sich doch gar nicht vermeiden. Man kann sich ja nicht einfach ein Haus aussuchen und dort seinen Prota wohnen lassen.  ;D Bei Städten halte ich es ähnlich: Kleine Dörfer ausdenken ist für mich okay, weil die oft nicht mal auf Karten eingezeichnet sind. Große Städte aber würde ich mir nicht ausdenken, das fällt sofort auf.

Hin und wieder habe ich aber den Drang, selbst bei sehr kleinen Details genau zu sein. Ich hatte das letztens erst. Meine Prota klettert über ein Tor zu einem Park. Ich habe Stunden gebraucht um ein Bild von diesem Tor im Internet zu finden. Obwohl ich selbst schon dort war, wusste ich nicht mehr, ob man über das Tor einfach rüberklettern kann, oder nicht. Und ich wollte es nicht falsch machen. Weil: Das Tor ist da seit Jahren und wird da sicherlich auch noch Jahre bleiben. Ein Café hingegen kann morgen zumachen und weg sein. Da überlege ich immer, wie wahrscheinlich es ist, dass etwas so austauschbar ist, dass man es sich ausdenken kann. Sobald ich mir bei sowas nicht sicher bin, gucke ich es nach um bloß keinen Unsinn zu schreiben. Beim Lesen fällt mir das nämlich schon auf, wenn ich den Ort gut kenne. Ich habe mal einen Roman gelesen, indem ein Prota immer einfach so auf einen Friedhof spaziert ist, von dem ich weiß, dass er abgesperrt ist. Man kann da nicht einfach drauf. Das fand ich schon merkwürdig.

Noch dazu sollte man meiner Meinung nach Dinge, die man gar nicht ändern kann, immer sehr genau recherchieren. Historisches, zum Beispiel. Wenn man nicht gerade alternative Geschichte schreiben möchte, muss da alles stimmen.  ;)

ZitatTheaEvandas Tipp, nicht zu konkret zu werden, finde ich gut.

Ich auch. Was man schwammig lässt, kann man nicht falsch machen.

Tanrien

#14
Ahhh, ich bin alleine auf weiter Flur? Ich hasse Recherche.  :versteck: Wenn ich erst recherchieren würde, bevor ich schreibe, würde ich nie schreiben, weil ich mich ganz vor dem Recherchieren drücken würde. Da schreibe ich lieber erst und mache danach die Recherche als ein umfangreiches fact-checking beim Überarbeiten. Wenn ich dadurch ganze Plotstränge umändern muss, dann ist das halt Pech. Ist mir das immer noch lieber als die grausige Vorstellung, vor dem Schreiben recherchieren zu müssen.

Zitat von: Snöblumma am 08. Dezember 2011, 15:47:43
TheaEvandas Tipp, nicht zu konkret zu werden, finde ich gut. Man muss eine Stimmung transportieren, kein Abbild einer Wirklichkeit fotografieren. Dazu genügt es, einige wenige Details anzudeuten - aber die müssen dann 100% stimmen.
Das klingt gut! Gewisse Stellen, wo es passend ist, richtig herausarbeiten und den Rest (grob) in sich stimmig halten. Um mit Nirathinas Beispiel von der Schmiede zu arbeiten:
Zitat von: Nirathina am 08. Dezember 2011, 15:37:20
Schmieden, Gerben, all so was wird ja ab und zu mal näher beschrieben und dann reicht es mir nicht, wenn ich nur was von "Schmiede" dahinklatsche. Esse, Hammer, Amboss, Wasser, gefalteter Stahl - das ist eine authentische Schmiede
Braucht man ja auch nur, wenn der Protagonist sich mal länger in einer Schmiede aufhält und selber Ahnung davon hat. Um einmal zu einer Schmiede zu gehen, weil man den Schmied, der eh gerade Pause macht, nach der abgebrannten Kneipe fragen will, müsste man ja das nicht wissen - die Schmiede kann also "unklar" bleiben. Der Fokus befindet sich auf anderen Sachen.