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Respekt vor Sprachvarietäten

Begonnen von Nikki, 13. Februar 2020, 10:03:57

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Mia Nordstern

Ich würde auch sagen, kommt darauf an. Als Lektorin sage ich: überzeug mich, bring es rüber, lass mich den Österreicher oder Schweizer (etc) hören. Es muss authentisch sein, und mal ein einzelnes Wort stört mehr, ist möglicherweise unverständlich.

Kennst du die Geschichten von Christine Nöstlinger? Das ist für mich ein perfektes Beispiel. So etwas würde ich als Lektorin stehen lassen und freudig begrüßen. So könnte ich mir ein Buch mit einem Berliner Erzähler vorstellen.

Aus meiner Erfahrung ist es bei Stilen oft eine Frage des Durchziehens oder Überzeugens. Viele Autoren versuchen sich auch an einem gehobenen Stil und bauen dann mal ein Wort aus der Bildungssprache ein oder stilistische Ausreißer nach oben (gibt es auch nach unten) ein. Sowas markiere ich auch.
So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past. (F. Scot Fitzgerald, The Great Gatsby)

Nikki

ZitatWobei ich zugeben muss, dass das eher in Betaprojekten oder im SP der Fall ist. Die größeren Verlage scheinen mir auch schon vieles glatt zu bügeln.

Damit bestätigst du meinen Eindruck.

Zitat
Bei grammatikalischen Unterschieden empfinde ich diese aber als Fehler und qualitativen Mangel, einfach, weil ich nicht weiß, dass das woanders als korrekt gilt. Da würde ich mir einen Hinweis am Anfang wünschen, dann kann ich entweder drüber weglesen (was ich bei mir/mich zum Beispiel sowieso tue) und würde es höchstens als "das ist ja krass, die sagen das da echt so?" bemerken und mich vermutlich freuen, das jetzt auch zu wissen.

Also: Ich bin total dafür sprachliche Vielfalt zu erhalten. Aber vielleicht manchmal mit dem Hinweis darauf, um Fehlurteile zu vermeiden.
Ich finde es ohnehin auch gut, das Gespür für (kulturelle) Vielfalt im deutschen Sprachraum zu schulen. Sowohl für Sprache, als auch für andere Bräuche und Gewohnheiten im Umgang miteinander. Es schärft meines Erachtens die Toleranz für Anderes/Fremdes und den wertschätzenden Umgang mit Menschen, wenn wir nicht automatisch davon ausgehen, andere müssten in allem so sein wie wir, nur weil wir eine Sprache sprechen. Aber das ist noch ein anderes Thema.^

Eine Art Disclaimer / Vorwort also, der extra auf österreichische Sprachgepflogenheiten hinweist? Ich weiß nicht, ob das nicht abschreckend wird. Für mein aktuelles Projekt zB. eine Urban Fantasy Serie ab 14 kommt mir dieser Lösungsansatz ziemlich verkopft vor ... Also ich finde den Vorschlag sehr ansprechend, weiß aber nicht, ob er sich für jugendliche Protas anbietet.

ZitatIch bin dabei so verfahren, dass ich Formulierungen, die mir als Deutsche nicht geläufig waren und die der Duden als Austriazismen kennzeichnet, angemarkert habe. Die Autorinnen waren dann auch meist bereit diese zu streichen. Dazu muss man sagen, dass die betreffenden Romane in den USA spielten.

Das betrifft die Erzählstimme. Wenn Figuren sprechen, ist es für mich nochmal was anderes, da würde ich nach Herkunft der Figur gehen und fände es durchaus stimmig, nicht-bundesdeutsche Ausdrücke drinzulassen.

Ich kann mir vorstellen, dass es für Schreibende aus Österreich und der Schweiz ärgerlich sein kann, so glattgebügelt zu werden. Allerdings richte ich mich in solchen Fällen grundsätzlich danach, was meine Auftraggeber wollen.

Gibt es eigentlich eine Liste besagter Austriazismen? Einen Großteil erkenne ich wohl, aber es passiert immer wieder, dass ich erst darauf aufmerksam gemacht werden muss. Wäre schön, wenn ich die so nebenbei "abklopfen" könnte. Papyrus verfügt zwar über Spracheinstellungen und zeichnet mir bestimmte Wörter an, z.b. Kassa (nein, Kasse kommt mir nicht ins Haus), Türschnalle etc., aber grammatikalische Konstrukte sind gefinkelter. z.B. "vergessen auf" ist auch ein Austriazismus, wie ich lernen musste. Ich finde aber, semantisch bestehen durchaus Unterschiede zum einfachen "vergessen" ohne Präposition.

Mein Projekt verwendet personale Multiperspektive. Also auch außerhalb der direkten Rede bewege ich mich in "österreichischen" Köpfen. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter.

ZitatSchwieriger finde ich es in einem Fantasysetting oder wenn die Bücher zB in den USA, England oder sonstwo nicht-deutschsprachiges spielen. Da würde es mich vermutlich eher irritieren, auch wenn ich es theoretisch besser finde, Sprachvarietät zu erhalten. "In die Arbeit gehen" würde ich selbst nie sagen, aber in einem Text würde ich nicht darüber stolpern, egal welches Setting.
Gerade im Fantasysetting finde ich Sprachvarietät deshalb schwierig, weil sie dem geneigten Leser ein bestimmtes Flair suggerieren könnte, das nicht beabsichtigt ist. Wenn ich von "Obers" und "Topfen" lese, denke ich zB sofort an die Berge. Bei einem Wüstensetting kann das dann, wenn es gehäuft auftritt, zu einer "Settingverwirrung" kommen. Da würde ich doch eher zum vermutlich von vielen als neutraler empfundenen "Bundesdeutsch" ohne Lokaleinschlag tendieren.

Das hast du schön ausgedrückt. Diese Vielen werden in erster Linie in Deutschland lebende Personen bzw. die mit Bundesdeutsch als Erstsprache / oder diese Variante lernen, sein. Für mich ist Bundesdeutsch aber eben eine von vielen, wenn auch die präsenteste Variante. Brötchen ist für mich kein Standard und würde mich stören, wenn Deutschland nicht explizit als Setting angegeben wäre. Gebäck wäre da für mich die neutralste Variante, die mir einfällt.

ZitatIch würde auch sagen, kommt darauf an. Als Lektorin sage ich: überzeug mich, bring es rüber, lass mich den Österreicher oder Schweizer (etc) hören. Es muss authentisch sein, und mal ein einzelnes Wort stört mehr, ist möglicherweise unverständlich.

Genau das ist das Problem. Diese stereotype Vorstellung, wie "ein Österreicher" zu sein/sprechen hat. Ein Vorarlberger spricht anders als eine Wienerin. Ein Wiener Stadtkind spricht anders als jemand, der in Tirol am Land aufgewachsen ist. Dasselbe gilt auch für die Schweiz (deren Geographie ich jetzt nicht so im Kopf habe, um Vergleiche anzustellen). Ich sage mal zu locker 80/90 %, wenn nicht sogar mehr, ist mein Manuskript von 450 NS "unauffällig", doch dann gibt es Situationen, wo einfach aus einem Häferl getrunken wird oder eine Semmel gegessen wird. Dich würde das wohl raushauen, weil ich doch bis jetzt so brav eine Variante "vorgegaukelt" habe, die dem Bundesdeutschen sehr ähnlich ist, aber in gewissen Situationen davon abweicht.
Ich möchte keine Stereotypen über Österreicher*innen bedienen, um "authentisch" zu bleiben.


Amber

#17
Zitat von: Nikki am 14. Februar 2020, 21:00:27
Gibt es eigentlich eine Liste besagter Austriazismen? Einen Großteil erkenne ich wohl, aber es passiert immer wieder, dass ich erst darauf aufmerksam gemacht werden muss. Wäre schön, wenn ich die so nebenbei "abklopfen" könnte. Papyrus verfügt zwar über Spracheinstellungen und zeichnet mir bestimmte Wörter an, z.b. Kassa (nein, Kasse kommt mir nicht ins Haus), Türschnalle etc., aber grammatikalische Konstrukte sind gefinkelter. z.B. "vergessen auf" ist auch ein Austriazismus, wie ich lernen musste. Ich finde aber, semantisch bestehen durchaus Unterschiede zum einfachen "vergessen" ohne Präposition.

Mein Projekt verwendet personale Multiperspektive. Also auch außerhalb der direkten Rede bewege ich mich in "österreichischen" Köpfen. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter.

Es gibt dafür vermutlich Wörterbücher? Ich habe mich noch nicht so intensiv damit beschäftigt, sondern immer nur dann im Duden nachgesehen, wenn mich ein Wort oder eine Formulierung stutzig gemacht hat.  "am Land" war definitiv so ein Fall, "vergessen auf" ebenfalls, "das geht sich aus" fällt mir noch ein - wobei das möglicherweise auch in Süddeutschland benutzt wird -, "Türschnalle" auch, ach ja, und "Sessel", wenn ein Stuhl gemeint ist (im Bundesdeutschen bezeichnet das nach meinem Empfinden explizit einen gepolsterten Stuhl, nicht aber einen schlichten Holzstuhl, die österreichische Autorin hat es aber soweit ich mich erinnere für beides verwendet. Eventuell auch "Nachtkästchen" für "Nachttisch" (könnte auch Bayerisch sein), "Stiege" für eine "Kiste"? Wenn man mal drüber nachdenkt gibt es wirklich viele Unterschiede. "gefinkelt" kenne ich übrigens auch nicht. Wobei es ja zwischen den Regionen in Deutschland ebenfalls starke sprachliche Unterschiede gibt und auch ich z.B. im Alltag so einige kurpfälzische (?) Wörter und Formulierungen benutze, die ich rauslektorieren würde ... z.B. "Spreißel", "dappisch", "dopsen", "stumpen". Aber das führt vom Thema weg.

Nikki

ZitatEs gibt dafür vermutlich Wörterbücher?

Hm. Ich habe schon etliche Bücher über Österreichisches Deutsch gelesen, vielleicht hätte ich mir da meine Wörter markieren sollen, die ich aktiv verwende. Der Großteil der Wörter ist so dialektal gefärbt, dass die von Anfang an ausscheiden. Aber bei grammatikalischen Konstruktionen ist es leider nur eine Bauchentscheidung.

Zitat"Sessel", wenn ein Stuhl gemeint ist (im Bundesdeutschen bezeichnet das nach meinem Empfinden explizit einen gepolsterten Stuhl, nicht aber einen schlichten Holzstuhl, die österreichische Autorin das hat es aber soweit ich mich erinnere für beides verwendet

Au ja. :) Ich glaube, das war meine erste Begegnung in der Schule mit dem Bundesdeutschen, als es hieß, Sessel und Stuhl ist nicht dasselbe. Fauteuil, anyone?  ;D

ZitatEventuell auch "Nachtkästchen" für "Nachttisch" (könnte auch Bayerisch sein)

Dass Nachtkästchen österreichisch ist, hat mir Papyrus beigebracht.  ;D

Mia Nordstern

Zitat
Genau das ist das Problem. Diese stereotype Vorstellung, wie "ein Österreicher" zu sein/sprechen hat. Ein Vorarlberger spricht anders als eine Wienerin. Ein Wiener Stadtkind spricht anders als jemand, der in Tirol am Land aufgewachsen ist. Dasselbe gilt auch für die Schweiz (deren Geographie ich jetzt nicht so im Kopf habe, um Vergleiche anzustellen). Ich sage mal zu locker 80/90 %, wenn nicht sogar mehr, ist mein Manuskript von 450 NS "unauffällig", doch dann gibt es Situationen, wo einfach aus einem Häferl getrunken wird oder eine Semmel gegessen wird. Dich würde das wohl raushauen, weil ich doch bis jetzt so brav eine Variante "vorgegaukelt" habe, die dem Bundesdeutschen sehr ähnlich ist, aber in gewissen Situationen davon abweicht.
Ich möchte keine Stereotypen über Österreicher*innen bedienen, um "authentisch" zu bleiben.

Das hab ich so auch nicht gesagt. Ganz ehrlich, wenn du vor mir stündest, würde ich auch nur "Österreich" raushören, und nein, ich kann auch keine Oberbayern von Niederbayern unterscheiden, rein sprachlich.

Was ich meine, ist doch nur, es durchzuziehen. Prinzipiell egal, ab Voralberg oder Wien oder Tirol, aber entweder, dein Stil ist durchgehend dialektisch geprägt oder geht eben in die Hochsprache. Im zweiten Fall würde ich glattbügeln.
So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past. (F. Scot Fitzgerald, The Great Gatsby)

Nikki

ZitatWas ich meine, ist doch nur, es durchzuziehen. Prinzipiell egal, ab Voralberg oder Wien oder Tirol, aber entweder, dein Stil ist durchgehend dialektisch geprägt oder geht eben in die Hochsprache. Im zweiten Fall würde ich glattbügeln.

Die österreichische Standardvarietät ist Hochsprache.

Alia

Zitat von: Nikki am 14. Februar 2020, 23:51:52
Die österreichische Standardvarietät ist Hochsprache.
Mia meint das bundesdeutschen Hochdeutsch.
Die Östereicher haben eine eigene Sprache und auch ein eigenes Wörterbuch, dass sich von dem Duden der BRD unterscheidet. Gibt dort eigene Wörter (die Leute aus der BRD nicht verstehen) Grammatik (die sich für Leute aus der BRD merkwürdig und falsch anfühlt) und dann halt Wörter, die beide kennen, aber die nicht das selbe bedeuten. Und dann ganz viel, das gleich ist. Aber die Unterschiede sind da.
Wenn du als Österreicher für Österreicher schreibst - gut. Benutz die Sprache. Wenn ich als Österreicher für den Deutschen Markt und einen Deutschen Verlag schreibe, dann sollte ich mich da anpassen.
Gibt doch auch unterschiedliche Ausgaben von Büchern für UK und USA. Da wird auch glatt gebügelt. Mal so rum, mal so rum.
Ausnahme in der BRD wäre halt wirklich ein Roman, der einen Erzähler aus Österreich hat, bzw. wo die wörtliche Rede von einer Figur aus Österreich entsprechend ist. Aber da dient das der Geschichte und hat einen Sinn.
Lokal-Bücher verkaufen sich. Das ist dann halt ein "Köln-Krimi", etc. Die sind für jeden verständlich und meist mit Glossar. Es gibt auch ganze Bücher in Dialekt. Das ist dann eher für einen sehr kleinen Liebhaberkreis. Auch wenn ich sehr lange in Köln gelebt habe - ganze Bücher auf Kölsch könnte ich nicht verstehen. Von Platt, Bayrisch oder was auch immer mal gar nicht angefangen.

Nikki

#22
ZitatMia meint das bundesdeutschen Hochdeutsch.

Ich weiß, was Mia meinte. Und doch gibt es das Schweizer Hochdeutsch, das Österreichische Hochdeutsch und das Deutsche Hochdeutsch. Es gibt nicht nur das eine Hochdeutsch. Gerade in diesem Thread spielt diese Wortwahl eine gewichtige Rolle.

ZitatWenn ich als Österreicher für den Deutschen Markt und einen Deutschen Verlag schreibe, dann sollte ich mich da anpassen.
Gibt doch auch unterschiedliche Ausgaben von Büchern für UK und USA. Da wird auch glatt gebügelt. Mal so rum, mal so rum.

Und wenn ich als Österreicherin mit einem anfänglich österreichischen Setting für eine möglichst breite Leser*innenschaft, nämlich für den deutschsprachigen Markt, schreiben möchte? Ist das schon ein Widerspruch per default? :hmmm:

Alia

Möglichst breiter Markt (nach Einwohnerzahl gerechnet):
ca. 80% BRD
ca. 10% Österreich
ca. 10 % Schweiz
Und ich vermute stark, dass die Schweizer und Österreicher auch schon wegen der meist nur mit BRD-Deutsch synchronisierten Filme, der größeren Programmauswahl von Fernsehsendern, der größeren Menge an Büchern/Filmen für den Markt der BRD, keine Probleme mit BRD-Deutsch haben.

Zitatmit einem anfänglich österreichischen Setting
Wenn du in Österreich bist, dann lass die Figuren dort auch so reden. Ob der Erzähler Österreicher ist, musst du wissen. Wenn ja: Warum sollte er nicht in seiner Sprache reden? Wenn nein: Warum sollte er dann so reden, als ob er es wäre.

Ahneun

#24
Nina, könntest Du nicht auf dem Cover oder in der Einleitung den Leser darauf hinweisen dass Du auf Österreichisch schreibst?
- Aber, dann wirst Du sicher hauptsächlich die österreichische Leserschaft beglücken.

Ich denke, um den deutschsprachigen Markt abzudecken müsste ein Betaleser oder spätestens dann der Lektor Deine Austriazismen raus ziehen.

Ich hab mal "YouTube" bemüht und dieses Video gefunden. Klick den Link
Hier kann man auch zusätzlich in den Kommentaren die österreichischen Unterschiede nach lesen.

Was ich hier noch hinzufügen kann ist, dass immer wieder im österreichischen Rundfunk vom "Fahrzeuglenker" und nicht wie ich gewohnt bin vom "Autofahrer" die Rede ist. Auch, wenn man in Österreich ein Strafmandat bekommt, es in Deutschland eine "Strafanzeige" ist.

Bei mir (deutsch - sächsisch - bayrisch) bereitet das 'Produkt' -> "Blinsen", immer wieder große Freude.
Gemeint ist schlicht und ergreifend der Eierkuchen bzw. Pfannkuchen oder eben der Plinsen.

Hier gibt es auch den Thread; "Auf der Arbeit"
Ich habe sehr lange gesagt das ich "auf Arbeit" gehe. Man hat mir dann später gesagt, das heißt -> "in die Arbeit". Um der Diskussion zu entgehen und meine ostdeutsche Herkunft nicht gleich offen zu legen, hab ich mich entschlossen, -> "zur Arbeit" zu gehen.

Interessant finde ich auch die Nennung der Uhrzeiten.
-> Ich kann zum Beispiel mit "viertel Zwei", mit "halb Drei" oder "dreiviertel Zwölf" etwas anfangen. Das war kurz nach der Wende schon eine deutsch/deutsch Diskussionsrunde wert.

Ja und mir fällt noch etwas zu dem Tagesgruß ein.
In Österreich sollte man nicht "Servus" sagen. Das ist nicht besonders Taktvoll. Als angepasster Österreich-Tourist ist das "Grüß Gott" eher von den Einheimischen gewollt.
- Ein Diamant
ist

Nikki

ZitatNina :hmmm: :hmmm:, könntest Du nicht auf dem Cover oder in der Einleitung den Leser darauf hinweisen dass Du auf Österreichisch schreibst?
- Aber, dann wirst Du sicher hauptsächlich die österreichische Leserschaft beglücken.

Das trägt halt zu dem Eindruck bei, den scheinbar viele immer noch haben, bei Österreichischem Deutsch handle es sich um eine Dialektalform des Bundesdeutschen. Was es nicht ist.

ZitatIch hab mal "YouTube" bemüht und dieses Video gefunden. Klick den Link

Das Video trägt leider dazu bei, dass Österreichisch als ein Dialekt behandelt wird. "Österreichische Dialektwörter" wäre die passendere Bezeichnung als: Österreichisch für Anfänger / Dialekt mit Jana.

ZitatIch denke, um den deutschsprachigen Markt abzudecken müsste ein Betaleser oder spätestens dann der Lektor Deine Austriazismen raus ziehen.

Das sehe ich nicht so. Ich glaube, es ist unmöglich den deutschsprachigen Markt abzudecken, weil die sprachlichen Unterschiede zu groß sind. Der Großteil wird wahrscheinlich denken, was wieso, es gibt eh genügend Bücher, die im "Standarddeutsch" geschrieben sind. Aber das sind dann eben die Leute, die das Glück haben, Bundesdeutsch als ihre Standardsprache zu haben und dieses auch in den Büchern zu erkennen. Schweizer*innen und Österreicher*innen müssen da nicht ähnlich empfinden, sondern werden wahrscheinlich die Sprache dieser Bücher genau als das erkennen, was sie ist: Bundesdeutsch.

Ich glaube, man kann nur versuchen, möglichst attraktiv für den gesamten deutschsprachigen Raum zu werden, indem man die eigene Sprachvarietät möglichst gut verkauft. Die Wörter in einem Kontext einzubetten, sodass sich die Bedeutung leicht erschließt und die Leser*innen idealerweise eine neue Vokabel lernen, wäre eine Möglichkeit. Bei unterschiedlicher Grammatik (Wie z.B. Ich bin gelegen/gestanden/gesessen) müssen Selfpublisher*innen sich wohl die Unterstellung gefallen lassen, schlampig gearbeitet zu haben. Einen Vertrauensvorschuss, dass vom Bundesdeutschen abweichende Grammatik ihre Berechtigung hat, genießen in dem Fall nur die wenigsten (Großverlage). Oder man behilft sich hier eben mit einem Disclaimer, aber siehe oben, das hat auch seine Kehrseiten.

Zitat"zur Arbeit" zu gehen.

Das wäre jetzt meine erste Wahl gewesen. :)

ZitatIch kann zum Beispiel mit "viertel Zwei", mit "halb Drei" oder "dreiviertel Zwölf" etwas anfangen. Das war kurz nach der Wende schon eine deutsch/deutsch Diskussionsrunde wert.

Au ja.  ;D Da gibt es in Österreich selbst oft heftige Debatten. Aber wie soll man anders zu halb drei sagen??? :gähn:

ZitatIn Österreich sollte man nicht "Servus" sagen. Das ist nicht besonders Taktvoll.
Wie bist du zu dieser Ansicht gekümmen? Wäre mir neu. Grüß Gott kenne ich eher aus ländlichen Gegenden, Guten Tag wäre (meinem Empfinden nach) das städtische Gegenstück.

Judith

Zitat von: Nikki am 15. Februar 2020, 07:49:29
Das sehe ich nicht so. Ich glaube, es ist unmöglich den deutschsprachigen Markt abzudecken, weil die sprachlichen Unterschiede zu groß sind. Der Großteil wird wahrscheinlich denken, was wieso, es gibt eh genügend Bücher, die im "Standarddeutsch" geschrieben sind. Aber das sind dann eben die Leute, die das Glück haben, Bundesdeutsch als ihre Standardsprache zu haben und dieses auch in den Büchern zu erkennen. Schweizer*innen und Österreicher*innen müssen da nicht ähnlich empfinden, sondern werden wahrscheinlich die Sprache dieser Bücher genau als das erkennen, was sie ist: Bundesdeutsch.
Dem kann ich zustimmen. Ich habe kein Problem, bundesdeutsche Ausdrücke zu verstehen und ich weiß umgekehrt auch, welche Ausdrücke/Varietäten österreichisch sind und versuche dann dementsprechend, sie zu vermeiden. Aber dennoch gibt es für mich eine ganze Reihe von bundesdeutschen Ausdrücken oder Wendungen, die ich auch klar als solche empfinde und die mich auch tatsächlich bei einem Fantasysetting irritieren, weil ich sie nicht als "neutral deutsch" wahrnehme, sondern sie sofort nach Deutschland verorte, so wie vermutlich die meisten Deutschen österreichische Ausdrücke nach Österreich verorten werden. "Auf der Arbeit" ist z.B. so ein Fall (vermutlich, weil es für mich - egal, wie oft ich es lese - einfach falsch klingt, auch wenn ich weiß, dass es das nicht ist). 

Mia Nordstern

Zitat von: Nikki am 15. Februar 2020, 00:45:24
ZitatMia meint das bundesdeutschen Hochdeutsch.

Ich weiß, was Mia meinte.

Ich wollte eigentlich gar nicht mehr antworten, weil ich ungern absichtlich falsch verstanden werde.
Und nein, ich meinte noch etwas anderes. Es gibt auch ein überregionales Hochdeutsch, das unpolitisch ist und einfach dadurch entsteht, dass Menschen miteinander Kommunizieren. Gegenseitig Medien konsumieren.
Uschi Glas wurde vor Jahrzehnten kritisiert, weil sie nicht mehr "Servus", sondern "Hallo" sagte. Sie sei nicht mehr bairisch etc. Es ist ihr einfach passiert, weil sie mit Menschen kommuniziert hat, die nicht aus ihrem Sprachraum stammen. Sprache wandelt sich, und die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, ist den "Auxit" zu vollziehen. Unter sich bleiben. Habt ihr sicher genauso wenig Bock drauf wie wir. Ihr profitiert ja auch davon, dass Deutschland so viel mehr Einwohner hat. Kinofilme werden synchronisiert, ihr habt einen größeren Buchmarkt zur Verfügung etc.

Ich sehe im großen und ganzen eben nur die beiden Möglichkeiten: sich dem großen Markt anzupassen oder die Nische zu bedienen, wenn du den "großdeutschen" Markt anstrebst. Oder eben damit leben, den kleinenren osterreichsischen Markt zu bedienen.

Zur Grammatik: wenn einem nicht klar ist, dass das Buch österreichisch ist (und man hört in der Schriftsprache die Akzentuierung nicht), denkt man, es sei falsch. Denn in der Schule lernt man ja nur die Variante des eigenen Landes (wäre ja sonst auch verwirrend). Es ist ja nicht jeder Sprschwissenschaftler und hat solche Unterschiede gelernt.

Allgemein würde ich sagen: mach erstmal dein Ding und schau, wie es bei Kritikern beider Länder ankommt. Vielleicht kommt es ja auch gut rüber und nicht als Ausreißer. Am Ende entscheidest du über dein Buch, musst aber eventuell damit leben, dass du es dann nur in Österreich verkaufen kannst.
So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past. (F. Scot Fitzgerald, The Great Gatsby)

Nikki

ZitatWas ich hier noch hinzufügen kann ist, dass immer wieder im österreichischen Rundfunk vom "Fahrzeuglenker" und nicht wie ich gewohnt bin vom "Autofahrer" die Rede ist. Auch, wenn man in Österreich ein Strafmandat bekommt, es in Deutschland eine "Strafanzeige" ist.

Mir würde im Radio jetzt nur Autofahrer auffallen. Fahrzeuglenker ist mir bislang nicht merkbar untergekommen. Ich habe eben eine Seinfeld-Folge mit deutscher Synchronisation gesehen und da war die Rede von einem Strafmandat. Ich muss sagen, mir ist weder Strafanzeige noch Strafmandat im Zusammenhang mit Autofahrer*innen geläufig (bin aber auch selbst keine). Ich würde Strafzettel sagen - ist das dasselbe?

ZitatIch wollte eigentlich gar nicht mehr antworten, weil ich ungern absichtlich falsch verstanden werde.

Von absichtlich kann keine Rede sein. @Alia hat dich scheinbar ähnlich verstanden wie ich. Ich habe deine Worte so verstanden, dass du Österreichisches Deutsch und Bundesdeutsch nicht auf derselben Ebene siehst, sondern das eine für eine Variante und das andere für die (einzige) Hochsprache hältst. Und das ist eben nicht der Fall. Beides sind Varietäten, nur das Bundesdeutsche ist durch die Großzahl seiner Sprecher*innen präsenter, was fälschlicherweise zu der Annahme führt, es gäbe das eine Hochdeutsch und der Rest wären dialektale Abwandlungen. Deutschen Sprecher*innen ist das nicht so bewusst wie nicht-deutschen, weil diese relativ spät, wenn überhaupt, in Berührung mit den anderen Varietäten kommen. Wohingegen Österreicher*innen und Schweizer*innen schon sehr früh mittels deutscher Synchronisation von Filmen und Serien mit Bundesdeutsch konfrontiert werden. Es gibt selten österreichische Synchronisationen, die österreichische Varietät findet nur durch österreichische Produktionen Eingang ins Fernsehen und ist dort oft durch dialektalen Einschlag geprägt, weil österreichische Produktionen auch oft mit dem Regionalstempel werben. Siehe Landkrimis oder "Klassiker" wie Ein echter Wiener geht nicht unter. Das führt dazu, dass Dialekt und Varietät als dasselbe angesehen werden, was aber nicht der Fall ist.

ZitatEs gibt auch ein überregionales Hochdeutsch

Dem widerspreche ich. Wer sich der bundesdeutschen Mehrheit zugehörig fühlt, kann zu dieser Meinung kommen, aber wie weiter oben schon angemerkt, wer mit einer anderen Varietät als die der bundesdeutschen aufgewachsen ist, ist empfindlicher für die sprachlichen Unterschiede, die, da gebe ich dir recht, durch die Vernetzung nivelliert werden, aber dennoch vorhanden sind.

Ahneun

#29
Ohuuh Mann!!  :d'oh:  :no:

Zitat von: Ahneun am 15. Februar 2020, 01:41:05
Nina, könntest Du nicht ~

Ich hab ->"Nina"<- geschrieben.  :omn:

Also Nikki,
ja das mit dem Tagesgruß in Österreich. -
Ich hab das aus dem Salzburger Land. Genauer; Filzmoos am Dachstein. Dort fahre ich seit gut 1992 hin. Naa ja, so nach und nach freundet man sich mit den Einheimischen an und da erfuhr ich, das das "Servus" eher nicht so beliebt ist.

Gut zwei Mal im Jahr fahren wir zum Großglockner. Über Zell am See bis zur Edelweißspitze und zurück. Sprachlich ist diese Region sehr international und man kann sie zu "Sprachvarietäten" nicht heranziehen. Ich wollte es nur erwähnen.

Ich bin, wenn ich in Österreich bin, in Kärnten, Tirol, Salzburger Land und in der Steiermark unterwegs. Mit Österreichisch hab ich keine Probleme. In einem Buch Österreichisch zu lesen, ist dann eher etwas anderes und ich komme aus dem Lesefluss.

Strafzettel in Österreich?  :hmmm: Ich weiß gerade nicht was man anderes dazu sagt.

Interessant finde ich auch "Broiler", - in Österreich eher als "Brathändl" bekannt.

Zitat von: Nikki am 15. Februar 2020, 07:49:29
Das sehe ich nicht so. Ich glaube, es ist unmöglich den deutschsprachigen Markt abzudecken, weil die sprachlichen Unterschiede zu groß sind.
Sich darüber auszutauschen, darum geht es doch in diesem Thread.  :vibes:

Die Uhrzeit. Ja.
Halb Drei, ist und bleibt halb Drei. Aber wenn ich von dreiviertel Fünf spreche, dann meine ich viertel vor Fünf oder - Vier Uhr Fünfundvierzig. Es ist 04:45 Uhr. Was, bzw. wie schreibst Du die Uhrzeit?
- Ein Diamant
ist