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Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen

Begonnen von Sturmbluth, 10. Mai 2016, 18:22:09

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Elona

Ich denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.

Selbstverständlich könnte man das unter ,,in der Realität geschehen ebenfalls viele unvorhergesehene Dinge" fallen lassen, aber das ist eben genau das nicht: Realität. Es ist ein Buch und als Autor hat man Einfluss darauf, was auch der Leser weiß.
Was in Realität tragisch ist, kann in einer Geschichte ganz anders rüberkommen.

Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte. Ich hatte auch schon Charaktere, die eigentlich hätten sterben sollen, aber irgendwie war es dann einfach unstimmig. Andere hingegen sind ,,auf einmal" gestorben, obwohl ich es nicht vorhatte.
Dabei fällt mir ein, dass ich tatsächlich einen Charakter hatte, der Sterben musste, weil das plotrelevant war. Aber das war nicht der Grund, warum ich ihn schuf.

Übrigens, was in meinen Augen genauso fatal ist: Einen Charakter partout nicht sterben zu lassen, obwohl er das eigentlich müsste bzw. von den Situationen her längst Tod wäre.

Sturmbluth

Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Ich denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.
Dass der Leser traurig sein wird, ist ja geplant. Es soll ihn ja emotional packen. Als Nebeneffekt finde ich an der Idee gut, dass es den Ernst betont. In meinem Fall geht es um eine Gruppe von vier Personen, die sich durch unwirtliche Landschaften quält und dabei immer wieder gegen feindliche Truppen kämpfen muss. Wenn jetzt alle vier unbeschadet da raus kommen, dann ist das OK. Wenn es aber einer nicht schafft, und zwar einer, der augenscheinlich keine Nebenfigur ist, dann macht das sie Gefahr, in der die anderen stecken, glaubwürdiger.

Lothen

Zitat von: AuroraIch denke einen Charakter um des Sterben willens zu erschaffen, kann man schnell Gefahr laufen, dass das gekünstelt wirkt. Auf der anderen Seite, selbst wenn es einem gelingt, muss man sich darüber bewusst sein, dass das vermutlich auch nicht bei jedem Leser gut ankommen wird.
Ich sehe das ehrlich gesagt gar nicht so problematisch. Der Leser weiß ja im Nachhinein nicht, ob der Tod vom ersten Moment an geplant war oder nicht, er sieht nur das Endergebnis. Und wenn der Charaktertod realistisch und logisch erscheint und sich passend in die Handlung einfügt, warum sollte der Leser das dann als gekünstelt empfinden?

Ich denke, Gründe für Charaktertode gibt es mannigfach, angefangen von dem, was Sturmbluth meinte (realistische Darstellung von Gefahren) bis hin zu einer engen Relevanz für den Plot (z.B. die klassische Rache-Motivation beim Tod eines Freundes oder Familienmitglieds). Und ich gebe zu, ich habe auch schon Charaktere sterben lassen, weil ihre Rolle in der Geschichte einfach zu Ende war. ;)

Ich bin jetzt noch mal in mich gegangen und mir ist aufgefallen, dass ich Charaktertode bislang tatsächlich nur in den seltensten Fällen von vorneherein geskriptet habe (also wer stirbt wann, wo, unter welchen Umständen und welche Folgen bringt das mit sich). Es gab zwar einige Figuren, von denen ich ahnte, dass sie gefährlich leben, aber die konkreten Umstände ihres Todes ergaben sich dann doch immer aus dem Plot und den Entwicklungen heraus. Eine Ausnahme war der Verlobte meiner Prota in meiner ersten Low-Fantasy-Trilogie, der gleich im zweiten Kapitel sterben musste, weil dadurch die Handlung überhaupt erst in Gang kam.

Zitat von: MaubelSo, ich brauche noch jemanden, der nachher stirbt und dann erst damit anfange eine Figur zu erstellen. Das kann gut gehen, wirkt aber häufig konstruiert und verhindert, dass man sich selbst auf die Figur einlässt, oder sie zu übertrieben darstellt, damit es ja dramatisch ist.
Das würde ich so unterschreiben - aber um ehrlich zu sein ist das in meinem Fall ohnehin nicht die Art und Weise, wie ich arbeite. Bei mir sind immer die Figuren zuerst da und dann kommt der Plot. Insofern würde ich eine Figur, die vermutlich sterben wird (wie gesagt - wirklich geplant ist das bei mir selten) auch nicht anders entwickeln oder aufbauen als jemand, der mit Sicherheit überlebt. Der Tod ist ja keine Charaktereigenschaft, die die Konzeption beeinflussen sollte, sondern umgekehrt. ;)

Fianna

Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte.
Ich denke, das ist Deine persönliche Erfahrung, aber nicht repräsentativ für alle Autoren auszusagen.

Aircaina

Zitat von: Fianna am 11. Mai 2016, 12:29:11
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 10:55:15
Außerdem schließt es irgendwie aus, dass man sich auf die Charaktere und deren Eigenleben wirklich einlässt. Ich denke aber, dass man genau dafür offen sein sollte.
Ich denke, das ist Deine persönliche Erfahrung, aber nicht repräsentativ für alle Autoren auszusagen.
Da würde ich Fianna zustimmen. Das Problem hatte ich wirklich noch nie, dass ich mich nicht auf eine Figur einlassen konnte, nur weil ich wusste, dass sie sterben wird. Selbst dann nicht, wenn sie nur in ein paar Sätzen auftaucht. Solange sie irgendeinen Namen hat und nicht Statist Nummer 312 ist, weiß ich auch etwas über die Vorgeschichte, den Charakter, die Beziehung zu anderen Figuren und so weiter und so fort.

Fianna

Vielleicht ist es eine Typfrage, und wir sind in dieser Beziehung Sadisten oder SM-Autoren, weil wir uns auf Figuren einlassen, die wir killen wollen. ;)

Elona

Zitat von: SturmbluthWenn jetzt alle vier unbeschadet da raus kommen, dann ist das OK. Wenn es aber einer nicht schafft, und zwar einer, der augenscheinlich keine Nebenfigur ist, dann macht das sie Gefahr, in der die anderen stecken, glaubwürdiger.
Sehe ich übrigens auch so. Aber in dem Fall hättest du den Charakter auch nicht des Todes wegen erschaffen (oder doch? Und es waren zuerst nur drei? Stellt sich dann aber die Frage, warum nicht einer von denen sterben kann/darf?).
Zumindest ist es nicht das, was ich mit meiner Aussage meinte. Du hast eine Situation und möchtest sie ernst und realistisch darstellen. Die Wahrscheinlichkeit, das in deinem Beispiel alle überleben ist auch durchaus gering.

@Lothen Ich habe sowas tatsächlich schon gelesen und auch bei Filmen ist es keine Seltenheit. Ich meine tatsächlich die Szenen (egal ob im Buch oder im Fernsehen) wo man sich denkt, "gut, das musste nun wirklich nicht sein und war einfach nur Effekthascherei". Und ehrlich gesagt verliert sowohl Film als auch Buch in dem Augenblick meine Begeisterung und/oder Interesse.
Außerdem wollte ich damit keine allgemein gültige Aussage treffen, sondern lediglich anmerken, dass es im Rahmen des möglichen liegt und man darauf vielleicht achten sollte.  :)

@Fianna Selbstverständlich war das nur meine Meinung, aber ich dachte das sei klar. Auch, dass ich mir sicherlich nicht Anmaße allgemeingültige Aussagen zu treffen.  ???

Ich glaube meine Aussage kam nun irgendwie falsch rüber.

Zitat von: AircaniaSolange sie irgendeinen Namen hat und nicht Statist Nummer 312 ist, weiß ich auch etwas über die Vorgeschichte, den Charakter, die Beziehung zu anderen Figuren und so weiter und so fort.
Eben darum ging es mir aber: Um den "Statist Nummer 312", der in Szene xyz sterben muss. Was man wiederrum bemerkt und das empfinde ich als unschön. Und hier meine Unterstellung, dass sich bei diesem nicht auf den Charakter eingelasen wird, weil kein Bedarf.
Das Andere wollte ich so gar nicht in Frage stellen. Sorry, wenn ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt habe (zumindest in meinem Kopf hat es so Sinn ergeben).  :( 

Mal ganz nebenbei hätten sich meine Aussagen im gesamten Kontext auch wiedersprochen. Ich sagte ja auch, dass ich schon einen Charakter hatte, von dem ich wusste, dass er sterben musste und auch, dass ich mich auf Charaktere einlasse. Ergo ...



Aircaina

#37
Zitat von: Aurora am 11. Mai 2016, 12:50:23
Eben darum ging es mir aber: Um den "Statist Nummer 312", der in Szene xyz sterben muss. Was man wiederrum bemerkt und das empfinde ich als unschön. Und hier meine Unterstellung, dass sich bei diesem nicht auf den Charakter eingelasen wird, weil kein Bedarf.
Das Andere wollte ich so gar nicht in Frage stellen. Sorry, wenn ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt habe (zumindest in meinem Kopf hat es so Sinn ergeben).  :( 

Mal ganz nebenbei hätten sich meine Aussagen im gesamten Kontext auch wiedersprochen. Ich sagte ja auch, dass ich schon einen Charakter hatte, von dem ich wusste, dass er sterben musste und auch, dass ich mich auf Charaktere einlasse. Ergo ...
Achso, jetzt verstehe ich das. Entschuldigung, da stand ich auf dem Schlauch. 
Ich denke, es ist, je nachdem wie die Handlung einer Geschichte ist, schwierig, wirklich alles von jeder Figur zu wissen. Es wäre toll, wenn man das machen würde und bestimmt gibt es auch Autoren, die das können. Aber wenn in der Geschichte jetzt ein Bote zu dem Heerführer geht und ihm die Nachricht überbringt, dass im Krieg dreihundert Soldaten gestorben sind, ist es sicher auch für den Autor schwierig, alle davon zu kennen. Wenn in einer Geschichte wiederum nur fünf Leute sterben, ist das wohl einfacher. Dann kennt man diese Figuren, so unwichtig sie auch sein mögen, zumindest ein bisschen.
Aber du hast schon Recht. Sich wirklich mit dem Charakter jeder einzelnen, irgendwo in der Geschichte existenten Figur auseinanderzusetzen, das hätte schon was. Leider stelle ich mir das sehr schwierig vor.  :(

canis lupus niger

Genau so einen Fall habe ich in meinem Drachenprojekt auch. War sinnvoll und notwendig.

Cailyn

#39
Also ich verstehe viele von euch grad nicht. Warum soll eine zum Tod verurteilte Figur künstlich sein oder zur Effekthascherei dienen?
Das ist doch jetzt ziemlich "alles über den Daumen" geschert. Wenn man gut plottet, und jeder Figur ein gutes Mass an Aufmerksamkeit schenkt, dann muss es keineswegs passieren, dass die Figur wegen des (bereits geplanten Todes) künstlich wirkt.

Vermutlich verwechselt ihr das mit dem, was Michael Mittermaier über Star Trek gesagt hat: Wenn da ein unwichtiger Statist plötzlich in die Grossaufnahme kommt, da weiss man sofort: der stirbt noch in dieser Folge. Und so würde es mich auch in einem Buch stören: Wenn jemand Unwichtiges plötzlich in den Fokus kommt, nur weil er ja dann stirbt.

Wenn ich aber plane, dass eine Figur irgendwann sterben wird, dann gehe ich ja trotzdem gleich vor wie bei allen anderen Figuren. Die Überlegung, ihn besonders sympathisch darzustellen, ist ja nicht verkehrt. Und es ist auch nicht verkehrt, dies zu tun, damit der spätere Tod auch beim Leser eine gewisse Emotion auslöst. Wenn schon dies alleine gekünstelt sein soll, warum ist denn nicht alles andere gekünstelt? Da könnte ich ja genau so gut sagen: Ach, diese Frau da wurde ja nur als Figur genommen, weil sie später mal die Geliebte von XY wird. Und die Geburt dieses Kindes, reine Effekthascherei! Das könnte man ja von jeder Figur so sagen, wenn man mit jeder Figur etwas plant. Und soweit ich weiss, ist planen, also plotten, noch bei keinem verpönt, oder?

Also ok, ich hab jetzt alles ein bisschen übertrieben dargestellt, aber ihr wisst schon, worauf ich hinaus will.

Was ich wichtig finde - generell bei Figuren -, ist dass keiner nur einen einzelnen Selbstzweck hat. Die Figur, die sterben wird, hat auch ein ganz normales Leben (Familie, Beziehungen, Hobbies, Sehnsüchte, Freuden etc.). Es muss eine wahrhaftige Figur sein, nicht nur einer, der einfach mal stirbt. Und wenn das gegeben ist, darf man doch von Anfang an alles mit dieser Figur planen, was man möchte.

Fianna

Ich erinner mich an Buch, bei dem fand ich es gar nicht schlimm, dass eine Figur (Söldner) nur zum zeitigen Ableben erschaffen wurde.
Was mich vielmehr gestört hat, war, dass eine andere Figur (ein kleines Kind aus der Gruppe der zu Schützenden) offensichtlich nur als Statist diente, um diese zu tötende Person sympathisch zu machen.
Da es nicht das einzige Kind aus dieser Gruppe war, hätte man genau dieses Kind super weiter verwenden können (das der Leser schon "kennt" und hoffentlich sympathisch findet), um eben in Gefahrensituationen oder in anderen Situationen die Angst der Gruppe deutlich zu machen oder sonstwas. Durch dieses Kind hätte diese Schützlingsgruppe dauerhaft ein Gesicht bekommen können.

Aber sobald der Söldner tot war, hatte das Kind seine Funktion überlebt. Es wurde nicht einmal gezeigt, wie das (vaterlose) Kind auf den Verlust dieser Bezugsperson reagiert. Ja, es war nur eine Nebenfigur, aber dieser abrupte Wegfall hat mich viel mehr gestört als diese offensichtlich durchkonstruierte Persönlichkeit der Person-die-sterben-muss.

Churke

Das sind halt billige Effekte wie bei Super RTL.

Aber wenn ich z.B. einen Roman über Marie Antoinette schreibe, dann ist von S. 1 an klar, wie die Sache ausgeht. Also setze ich mich mit der Figur auseinander und versuche, sie dem Leser so nah wie möglich zu bringen. Und stört sich jemand daran?

Die Biographie eines Menschen vollendet sich im Tod. Man kann (und sollte) bei Crewmitglied #13 die selben Maßstäbe anlegen wie bei historischen Personen. Grenze ist allein der Platz, den man der Figur einnräumen will.

canis lupus niger

Hm, in meinem Fall habe ich die betreffende Figur von Anfang an bis zu ihrem Tod als eine der Hauptfiguren gehandhabt, bloß dass sie (anders als die anderen, überlebenden) keiner der wechselnden Perspektivträger war. Ist das zu offensichtlich? Keine Ahnung. Mir gefällt´s.

Leygardia

Huhu :winke:

Ich selbst bin noch ziemlich am Anfang mit meinem Buch, aber habe auch im Hinterkopf, einen der Hauptcharaktere sterben zu lassen.
Einfach weil ich weiß, dass dieser sehr beliebt ist und es sehr emotional wird. Genau sagen kann ich natürlich noch nicht, dass er sterben wird, aber ich habe es so vor.
Ich persönlich bin da ein bisschen zwiegespalten. Zum Einen rege ich mich immer total auf, wenn ich Filme sehe oder Bücher lese in denen einer der Hauptcharaktere stirbt, beispielsweise in "Der Hobbit" Thorin  :'(
Zum Anderen baue ich aber genau das in mein Buch ein, weil ich weiß, dass es einen sehr mitfiebern und manchmal sogar trauern lässt.

Wie J.K.Rowlings Lektor sagte, selbst sie habe bei einem Tod eines Charakters geweint...

Ich finde, ein Tod eines Hauptcharakters gehört zu einem guten Buch dazu.  :buch:

Grüße, Ley

Araluen

#44
Zitat von: Cailyn am 12. Mai 2016, 13:27:12
Also ich verstehe viele von euch grad nicht. Warum soll eine zum Tod verurteilte Figur künstlich sein oder zur Effekthascherei dienen?
Nein, nein nicht die zum Tode verurteile Person ist Effekthascherei, sondern einen Charakter zu einem Tod zu planen und zwar so, dass der Tod möglichst dramatisch rüber kommt. Wie Maubel schon sagte. Das ist so eine Huhn-Ei-Geschichte. Es geht um die HErangehensweise des Austors. Hast du zuerst die Idee zum Charakter oder die Idee zum Tod?
Wenn du einen Charakter hast und weißt, dass er sterben wird, ist das gut. Wenn du dir aber denkst: Hey ich muss jetzt noch jemanden sterben lassen. Erschaffen wir doch mal schnell einen Charakter dafür, aber möglichst sympathisch, damit der Leser auch ordentlich leidet, wenn er stirbt. Das ist Effekthascherei. Um es im Star Trek Jargon auszudrücken: Es geht um Rothemden. Figuren, die einfach sterben, damit jemand stirbt, in diesem Fall auch noch so, dass der Leser auch ja den Tränen nahe ist.