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Eine Figur schaffen, um sie sterben zu lassen

Begonnen von Sturmbluth, 10. Mai 2016, 18:22:09

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Lukas

Naja, ich wiederspreche jetzt mal ganz dreist der Mehrheit! Weil ich ein Rebel bin  :brüll:  ;)
Ich finde es "ok" Charaktere ihr Dasein als Opferlämmer fristen zu lassen. Es kann Sinn ergeben einen Charakter zum Sterben zu erschaffen, es muss natürlich mit der eigenen Welt in Einklang sein, aber nicht jeder Tod ist sinnhaft. Damit bricht man zwar unter Umständen ein Schreiberling-Tabu(ich nenne es gerne "Das Vergangenheits-Konsequenz-Paradigma", weil es sich schlau anhört), aber wenn man Zerstörung und Wut herrschen lässt(z.B.: in einem Krieg) kann auch die geliebte Nebenfigur sterben. Es muss kein "foreshadowing" geben, es muss keine Konsequenz für die Haupthandlung entstehen. Außer evtl. die emotionale Läsion der Hinterbliebenen.
Um noch einmal auf den Krieg zurück zu kommen: Es macht auch einfach mehr Spaß eine Nebenfigur mit Geschichte und Bedeutung sterben zu lassen, als tausend namenlose Opfer. Das ist so wie bei Nachrichten von Hungertoten in der dritten Welt. Es ist schlimm. Es sind viele. Und wenn man es heute hört hat man es morgen wieder vergessen. Wenn die eigene beste Freundin and Krebs stirbt hat, vergisst man den Todestag bis zum Lebensende nicht.

Um den Bogen zu kriegen: Ich kenne das Gefühl; es ist ätzend, aber notwendig, wenn man Grausamkeiten illustrieren will. Ich finde es ok einen Nebencharakter mit dem primären Ziel zu sterben(danach arbeitet man ihn/sie ja trotzdem noch weiter aus) zu erschaffen.

@Sturmbluth: Das Risiko wirst du eingehen müssen. Siehe J.K.Rowling. Sie wollte Arthur Weasley im fünften HP-Band mit der Schlange eigentlich umbringen, hatte dann aber realisiert, dass er die einzige vorhandene positive Vaterfigur in der Geschichte war und beschloss seinen Tod auf Lupin zu übertragen.

Evanesca Feuerblut

#16
Zitat von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26

Problematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Genau DAS ist mir auch mal passiert. Ich hatte SO einen schönen Plot. Und dann wird die, die ihre Ehre retten und heiraten soll, auf einmal zu einer postsuizidalen Antagonistin und muss dringend vernichtet werden.
Das tat trotzdem weh, denn eigentlich mochte ich die Figur...

Was das Thema an sich angeht, weiß ich aber bei manchen Figuren wirklich von Anfang an, dass sie irgendwann sterben müssen. Anfangs, beim Planen, macht mir das noch wenig aus. Ich kenne die Figuren ja noch kaum.
Aber je weiter fortgeschritten die Handlung ist, desto mehr fange ich an, an den Figuren zu hängen und im Kopf nach irgendwelchen Notausgängen zu suchen, um sie am Leben zu lassen.
Obwohl der Plot nur Sinn macht, wenn sie sterben.
Obwohl es gar nicht anders geht.
Das bricht mir oft das Herz und ich zwinge mich dann, ihre Todesszene zu schreiben, damit ich JA NICHT schwach werden kann.

Also: Es geht schon, Charaktere zu schaffen, um sie sterben zu lassen. Aber zumindest mein Herz blutet dabei sehr.

Edit: Ich gehöre übrigens zu den sehr bösen Menschen, bei denen nicht nur Nebenfiguren, sondern auch Perspektiventräger sterben. Und zwar meist in deren eigenen Perspektivkapiteln. Und ich heule dann fast immer beim Schreiben.

@Lukas
ZitatEs kann Sinn ergeben einen Charakter zum Sterben zu erschaffen, es muss natürlich mit der eigenen Welt in Einklang sein, aber nicht jeder Tod ist sinnhaft
Da bin ich ganz bei dir. Manchmal konstruiere ich bewusst, dass jemand "völlig sinnlos" stirbt, weil ich zeigen will, dass in einem Krieg/in einer Krisensituation etc. manchmal Leute völlig unnötigerweise als Kollateralschaden einfach sterben. Dann ist der Zweck, beim Leser ein Gefühl der Sinn- und Hoffnungslosigkeit wachzurufen.

Fianna

Ich habe in einem Fantasy-Krimi den Tod einer Figur geplant, einer von 3 Perspektivträgern.
Da hatte ich das Problem genau umgekehrt: die Figur hatte viel zuviel wichtige Elemente an sich, der überlebende Sidekick (der durch den Tod aus seinem Schatten treten und selbst Hauptfigur werden soll) hatte nichts Markantes an sich.

Eines meiner Probleme war, dass der um Tod bestimmte Charakter viel attraktiver für meinen fiktiven Leser war. Vielleicht unterstelle ich da ja falsche Impressionen, aber selbst ich als Schöpferin fand ihn viel interessanter und den inzwischen Profil erhaltenen Sidekick-Protagonist-in-spe ziemlich fade.


Das kann auch funktionieren mit dem "Beim Plotten zum Tode verdammen"-Ding.

Araluen

Den Tod einer bestehenden Figur zu planen, ist völlig in Ordnung - irgendwann muss man ja plotten und kann sich nicht nur überraschen zu lassen.
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.

Trippelschritt

Da ich ein Bauchschreiber bin, kann ich keinen Charakter erschaffen, um ihn umzubringen. erst erschaffe ich Figuren, dann beginne ich zu schreiben und der Plot entwickelt sich irgendwie dazwischen. Aber in meinem neuen Projekt weiß ein Kind bereits, dass er nicht als alter Mann sterben wird, sondern relativ früh, weil das Schicksal ihn dafür vorgesehen hat. Ist schon schlimm wie ein vierjähriger Knirps das erträgt und damit umgeht. Und noch schlimmer für die Mutter, die nicht weiß, ob die Zukunft, die ihr Kind sieht, Hand und Fuß hat. Aber wenn kein wunder geschieht, dann wird er sterben. Und jetzt erzähl mir keiner, ich wäre der Herr über meine Figuren. Das habe ich früher auch mal gesagt. so einfach ist das nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Snöblumma

Mir tut es auch immer in der Seele weh, wenn ich Figuren erschaffe, die entweder nie richtig mitspielen dürfen (weil sie schon tot sind) oder das Zeitliche segnen müssen, ehe das Finale durch ist. Aber es muss eben sein, und ein bisschen Drama tut der Geschichte ja meistens gut... in solchen Situationen habe ich allerdings tatsächlich sehr oft ein schlechtes Gewissen, immerhin können diese Figuren ja nichts dafür, dass nicht sie, sondern irgendwer anderes Hauptfigur in der Geschichte ist. Und dass sie daher ohne tiefere Einschnitte, aber für Drama oder Plotzwecke vor dem Finale sterben können.

Zitat von: Araluen am 10. Mai 2016, 21:09:58
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.
Ja, da hast du vollkommen recht, die Gefahr besteht sicher. Habe ich aber auch schon gemacht, vor allem bei Figuren, die zu Beginn der Geschichte schon tot waren (und die daher nie in Aktion treten) - solche Figuren sind ja nur noch in der Erinnerung der anderen vorhanden, und wenn das geliebte Menschen waren, sind sie natürgemäß etwas überhöht dargestellt. Bei allen anderen Figuren würde ich aber immer vermeiden wollen, dass sie möglichst sympathisch sind. Sobald ich eine Charakterzeichnung etwas detaillierter mache, will ich Ecken und Kanten haben, egal ob Haupt- oder Nebenfigur. Die Figur muss meines Erachtens lebensnah und greifbar sein, dann wird der Leser auch mit ihr mitfiebern.

Fianna

Also "meinen" zu tötenden Perspektivträger habe ich meines Erachtens schon direkt als Opfer geplant: ich habe mir überlegt, wer wie in diesem Mord ermitteln könnte, und habe gemerkt, dass die Figur zu fähig ist. Dann habe ich beschlossen, ihn an passender Stelle umzubringen und seinen Tod als weiteres Indiz zu verwenden.
Deswegen würde ich sagen: ich habe zuerst seinen Tod gehabt. Die Charakterzeichnung begann erst hinterher.

Die Figur ist mir recht zynisvh geraten. Ich weiss nicht, ob das unter "sympathisch" fallen kann, deswegen hatte ich das Wort "attraktiv" gewàhlt.

Lukas

#22
Zitat von: Fianna am 10. Mai 2016, 23:41:28
Die Figur ist mir recht zynisvh geraten. Ich weiss nicht, ob das unter "sympathisch" fallen kann, deswegen hatte ich das Wort "attraktiv" gewàhlt.

Zynisch oder ironisch?  ;D Mir geraten fast alle meine Charaktere zumindest in Gedanken ironisch. Demzufolge ist das seeehr sympatisch :P

Zitat von: Araluen am 10. Mai 2016, 21:09:58
Den Tod einer bestehenden Figur zu planen, ist völlig in Ordnung - irgendwann muss man ja plotten und kann sich nicht nur überraschen zu lassen.
Den Tod aber vor den Charakter zu stellen, also erst den geplanten Tod zu haben und sich dann Gedanken über den Charakter zu machen  mit dem Vorsatz, den Charakter jetzt möglichst sympathisch zu gestalten, damit dessen Tod beim Leser auch ja Spuren hinterlässt, halte ich für Effekthascherei an der falschen Stelle, die vermutlich auch noch schief geht.

Naja. Ich glaube wir müssen uns darauf einigen uns uneinig zu sein. Ich habe beispielsweise eine Zwillingsschwester zu meiner Hauptfigur erschaffen, die sterben MUSS, weil es wichtig für den Plot ist. Außerdem ist es wichtig, dass sie dem Leser sympathisch ist, weil sie Zeitgleich ein Ideal schafft, dass für andere nur schwer zu erreichen sein sollte. Ach es ist so kompliziert das zu erklären, ohne in die (Un)Tiefen meiner Story einzutauchen.  :buch: Wichtig ist nur, dass ich als erstes den Tod, dann das Sympatisieren und dann die Promotion zum PoV-Charakter geplant habe.

criepy

Hm, also ich bin auch jemand, der gerne Charakter sterben lässt. Das liegt aber auch daran, dass ich Happy Ends allgemein eher langweilig finde und denke, dass nicht jeder glücklich werden und 10 Kinder haben kann. ;)
Ob ein Charakter stirbt, entwickelt sich bei mir erst im Laufe des Charaktererstellens. Ich nehme mir immer sehr viel Zeit für die Hintergrundgeschichte von ihnen. Egal wie unwichtig sie vielleicht ist. Und dann denke ich mir, welchen Platz die Person in der Zukunft des Plottes hat. Wo der Weg sie hinführt. Oftmals landen die dann halt wirklich im Grab...
So richtig habe ich eigentlich noch keinen Charakter erstellt, der sterben sollte. Glaube ich zumindest.
Okay, gut, ein oder zweimal wusste ich bereits in der Anfangsphase "und du stirbst!" aber dann hat es mir noch viel mehr Spaß gemacht, der Figur Leben einzuhauchen.
Aber ich finde es ist auch wichtig, dass der Tod eines Charakters auch den Autor berührt. Denn wenn man selbst diese Emotionen nicht hat, wie kann man von seinen Lesern erwarten, sie zu haben?
Deswegen kann ich nur raten: Steck ruhig dein ganzes Herzblut in den Charakter. Wenn der Tod dich berührt, ist das sicher nichts schlechtes für dein Werk. :)

Sipres

Bei meinen ersten Schreibversuchen habe ich eigentlich immer alle Figuren überleben lassen. Ich konnte mich einfach von niemandem trennen. Mittlerweile ist das voll ins Gegenteil geschlagen. Ich erschaffe Figuren mit dem festen Vorsatz, sie noch vor Ende der Geschichte sterben lassen. Ob das nun im ersten Band passiert oder erst im letzten, sei mal völlig dahingestellt.

Da ich grundsätzlich mit vielen Figuren arbeite (in meinem derzeitigen Roman sind es mittlerweile 13 POV-Figuren und Gott weiß wie viele Nebencharaktere), habe ich auch immer eine Menge Tote zu verzeichnen. Es gibt nur wenige Figuren, bei denen ich im Laufe der Geschichte entscheide, dass sie doch überleben werden. Und das auch nur, wenn es aus dramaturgischen Gründen besser ist, als wenn ich sie ebenso elendig verrecken lasse wie ihre Kumpane.

Von daher bin ich auch der Meinung, dass man Figuren erschaffen kann, bei denen von Anfang an geplant ist sie sterben zu lassen, und sie dennoch möglichst sympathisch darzustellen, damit es beim Leser Emotionen hervorruft, ohne dass man es als Effekhascherei ankreidet.

Maubel

Möglicherweise würde ich falsch verstanden, aber ich wollte noch mal klarstellen, dass ich nicht meinte, dass man nicht Figuren erschaffen könne, bei denen von Anfang an klar ist, dass sie sterben. Das ist sogar relativ normal, auch wenn sie selten doch überleben. Was ich meine, ist, dass ich nicht heran gehen würde. So, ich brauche noch jemanden, der nachher stirbt und dann erst damit anfange eine Figur zu erstellen. Das kann gut gehen, wirkt aber häufig konstruiert und verhindert, dass man sich selbst auf die Figur einlässt, oder sie zu übertrieben darstellt, damit es ja dramatisch ist. Von einer Figur von Anfang an zu wissen, dass sie stirbt, auch bevor man viel mehr weiß, ist was anderes, denn da hat man bereits in Beziehung mit Plot oder Hauptfigur gesetzt. Sobald ich also sage, ich brauche einen besten Freund, der vorzeitig aus dem Leben gerissen wird, habe ich der Figur bereits mehr gegeben als ihren Tod. Das Gegenteil wäre eben: ich brauche noch einen Toten. Ach, ich gebe der Hauptfigur noch einen besten Freund. So ein bisschen ist das wie die Ei oder Huhn frage  ;D

Figuren, die von Anfang an tot sind, sind was anderes und eher Teil des Plots und Settings, als Figurenensemble. Sie zeichnen sich ja auch von Anfang an durch ihre Beziehung zu den anderen aus und nicht sich selbst. der Leser trauert nicht um sie, sondern mit den Figuren, die der Verlust antreibt.

Fianna

Selbes Projekt, andere Person: mein Mord ist eine Art weitläufiges Gift-Attentat. Es gibt ziemlich viel Kollateral-Schaden, darunter auch ein Kind. Diese Figuren habe ich wirklich nur geschrieben, damit sie sterben. Man kann es erwarten (weil Krimi) oder nicht (es ist zu Beginn schon eine Leiche eingeführt, zu dessen Beerdigung gefahren wird), es hat ziemlich viel Soass gemacht, auf max. 2 Normseiten jedem eine Perspektive zu geben und mir Konflikt- oder Handlungs-Perspektiven einfallen zu lassen (die alle nicht relevant sind, we - Person stirbt. Abbruch dieser Handlungslinie) und sie in Verbindung zu anderen zu setzen.
Jetzt bin ich glatt wieder in Versuchung, Projekt-Hopping zu machen und dort weiter zu arbeiten :D

Ich meine: ja, das geht.

Akirai

Zitatich möchte in meinem Roman eine Figur sterben lassen, an der dem Leser etwas liegt. Ich will das machen, da mich das als Leser selbst packt, mich emotional anspricht. Ich denke da z.B. an Boromir im Herrn der Ringe.  :nöö:

Damit der Leser emotional angesprochen wird, muss er die Figur ersteinmal mögen. Was mich zum Knackpunkt bringt: ich scheue mich davor, eine Figur auszuarbeiten, ihr Leben einzuhauchen, ja, sie selbst zu mögen, nur um sie dann sterben zu lassen, sie gar nicht das Ende des Abenteuers erleben zu lassen.

Kennt ihr diese oder ähnliche Situationen? 

Öhm, ja.
Ich erinnere mich an eine Fantasygeschichte, in der ich meine Hauptfigur so sehr geliebt habe, dass ich sie immer knapp vor dem finalen Todesstoß doch noch mal gerettet habe. Das ging soweit, dass die Figur praktisch schon tot war (sie hätte sich entscheiden können, zu sterben und zu ihrer Familie zurückzukommen, oder noch eine Weile zu leben und den Bösewicht zu vernichten). Natürlich blieb sie da am Leben  :darth: . Das kommt davon, wenn man die Figuren selbst zu sehr liebt, um sie sterben zu lassen.

Ansonsten habe ich auch schon Figuren erschaffen mit dem festen Vorsatz, sie sterben zu lassen. Der Konflikt lässt sich einfach nicht mehr anders lösen (aktuelles Projekt). Ja, es tut mir leid um sie. Nein, ich werde sie nicht im letzten Moment von der Todesschwelle wegretten (aber vielleicht so ein klitzeklitzekleines Happy End einbauen ... Hach, ich bin doch so ein Happy End -Liebhaber ...!

Aircaina

#28
Bei mir sterben auch recht viele Charaktere und auch ich bin ein so böser Mensch, dass es Perspektiventräger treffen kann. Das tut richtig weh, wenn ich nur daran denke. Ich habe auch geheult, als eine Figur gestorben ist, die dem Leser vermutlich relativ egal ist, weil das bereits im dritten Kapitel passiert und besagte Figur da ihren ersten Auftritt hat. Weil man als Autor selbst die Vorgeschichte kennt, ist das für einen selbst natürlich noch einmal viel härter. Persönlich denke ich schon, dass es ok sein kann, eine Figur zu entwickeln, bei der man sich ganz sicher ist, dass sie sterben muss oder wird. Bei mir selbst funktioniert das einfach nicht. Ich habe geplottet, ich habe es wirklich versucht. Aber wenn ich mir das jetzt anschaue, ist alles fast komplett anders gekommen, die Figuren haben teilweise einfach die Rollen getauscht, oder einen ganz anderen Charakter, als sie haben sollten, der Handlungsverlauf ist ein komplett anderer. Das passiert beim Schreiben einfach. Zumindest geht es mir so, da ich doch zumeist aus dem Bauch schreibe. Richtig Plotten, das funktioniert einfach nicht.
Zitat von: Trippelschritt am 10. Mai 2016, 21:29:07
Da ich ein Bauchschreiber bin, kann ich keinen Charakter erschaffen, um ihn umzubringen. erst erschaffe ich Figuren, dann beginne ich zu schreiben und der Plot entwickelt sich irgendwie dazwischen. Aber in meinem neuen Projekt weiß ein Kind bereits, dass er nicht als alter Mann sterben wird, sondern relativ früh, weil das Schicksal ihn dafür vorgesehen hat. Ist schon schlimm wie ein vierjähriger Knirps das erträgt und damit umgeht. Und noch schlimmer für die Mutter, die nicht weiß, ob die Zukunft, die ihr Kind sieht, Hand und Fuß hat. Aber wenn kein wunder geschieht, dann wird er sterben. Und jetzt erzähl mir keiner, ich wäre der Herr über meine Figuren. Das habe ich früher auch mal gesagt. so einfach ist das nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Würde ich genau so unterschreiben.
Zitat von: Arcor am 10. Mai 2016, 18:52:26

Problematisch ist es, wenn es sich aus der Handlung plötzlich ergibt, dass eine Figur sterben soll/muss und man fassungslos vor den Trümmern steht und denkt: Der sollte aber eigentlich heiraten und zehn Kinder kriegen.  :gähn:
Das ist immer ganz besonders grässlich. Ich hasse das. Soetwas sollten uns unsere eigenen Geschichten nicht antun.  :'( Und dann passiert das auch noch ständig...


Zitat von: Fianna am 11. Mai 2016, 09:24:30
Selbes Projekt, andere Person: mein Mord ist eine Art weitläufiges Gift-Attentat. Es gibt ziemlich viel Kollateral-Schaden, darunter auch ein Kind. Diese Figuren habe ich wirklich nur geschrieben, damit sie sterben. Man kann es erwarten (weil Krimi) oder nicht (es ist zu Beginn schon eine Leiche eingeführt, zu dessen Beerdigung gefahren wird), es hat ziemlich viel Soass gemacht, auf max. 2 Normseiten jedem eine Perspektive zu geben und mir Konflikt- oder Handlungs-Perspektiven einfallen zu lassen (die alle nicht relevant sind, we - Person stirbt. Abbruch dieser Handlungslinie) und sie in Verbindung zu anderen zu setzen.
Jetzt bin ich glatt wieder in Versuchung, Projekt-Hopping zu machen und dort weiter zu arbeiten :D

Ich meine: ja, das geht.
Bei Krimis ist es auf jeden Fall passend, Figuren zu kreieren, die für den Tod prädestiniert sind. Das geht sonst wahrscheinlich auch gar nicht. Bei so konstruierten Personen kann ich mir sogar auch vorstellen, dass es Spaß machen könnte. Auch wenn das ziemlich fies klingt, Fianna.  :snicker:


Lange Rede kurzer Sinn: Ich denke, es ist in Ordnung, eine Figur zu schaffen, nur damit sie irgendwann sterben kann. Was man vielleicht nicht machen sollte ist, sich zu stark auf diesen Plan einzuschießen. Wenn man das Gefühl hat, alles sollte ganz anders kommen, dann sollte man diesen Handlungsstrang auch verwerfen können (solange sich das nicht komplett mit dem Rest des Plots beißt). Selbiges gilt natürlich auch andersherum, wenn eine Figur eben eigentlich ein Happy End erleben sollte und dann doch ein frühes Ende findet. Ich persönlich bin auch ein Fan solcher sinnlosen Tode à la Figur geht an einer Baustelle vorbei und bekommt einen Ziegelstein auf den Kopf  :versteck: . Deshalb denke ich auch, dass eine Figur nicht immer auf die spektakulärste Weise sterben muss. Und es muss auch nicht immer die ganze Welt verändern, wenn jemand stirbt.
Ich habe momentan viel mehr das Problem, dass sich eine Figur bei mir gemeldet hat, zu der ich überhaupt keinen Zugang habe, die aber wichtig ist, um den Tod einer anderen Figur herbei zu führen.  :gähn:

Edit: Jetzt habe ich Akirais Beitrag glatt überlesen. Da wollte ich nur kurz sagen, dass ich das absolut verstehen kann. Bisher habe ich es trotzdem immer durchgezogen, auch wenn ich ständig nach Möglichkeiten suche, die geliebte Figur doch noch überleben zu lassen (wie z.B. bei erwähntem Charakter in Kapitel Drei). Manchmal habe ich auch Lösungen gefunden, aber die waren dann einfach zu konstruiert.
Geht es eigentlich nur mir so, oder hat man teilweise ein richtiges schlechtes Gewissen, wenn man eine Figur sterben oder besonders leiden lässt? Ich warte immer darauf, dass die eines Tages durch die Verzerrung irgendwelcher Dimensionen vor mir steht und mich verprügelt. :ithurtsandstings!:

foxgirl

Also ich habe auch schon-natürlich nur ab und an ;D-Figuren kreiert, die von Anfang an von mir zum Tode verurteilt wurden, finde es aber auch wichtig, da nicht zu festgefahren zu sein. Einige von diesen Figuren hatten Glück und haben dann doch länger überlebt, weil sie einfach super reinpassen, andere sind dann doch viel früher gestorben, als ursprünglich geplant. Ich denke es ist ganz normal, dass man so etwas macht, auch wenn es natürlich kein Muss ist. Es gibt einfach Charaktere, deren Tod zum Beispiel wichtig für die weitere Entwicklung der anderen Figuren ist, oder deren Leben unweigerlich darauf zusteuert. Ich komm mir auch meistens weniger schlecht vor, wenn ich das von Anfang an geplant hab, als wenn ich plötzlich merke, dass eine bestimmte Person jetzt doch sterben muss. Da bin ich oft deutlich verzweifelter.

Ich bin selber eher der Plotter und weniger der Bauchschreiber wie @Aircaina und @Trippelschritt, trotzdem kenne ich das auch richtig gut, wenn es beim Schreiben einfach in die Richtung läuft, dass jemand sterben muss. Ich halte dann auch immer dagegen, wenn jemand sagt, dass ich doch der Autor meiner Figuren bin und ich immer entscheiden kann, was ich tue. Ganz so einfach ist es leider nicht und wenn ich den Tod nicht wie oben erwähnt vorher plane, bin ich oft ähnlich erschrocken wie Betaleser von mir, wenn ein Charakter dann doch sterben muss.

Ich denke, dass es letzendlich gar nicht so wichtig ist, ob der Tod einer Figur vorher geplant oder spontan entschieden wurde, wichtig ist vor allem ob er stimmig ist und nicht erzwungen wirkt. Ich glaube, wenn einem das gelingt, ist das schon die halbe Miete.