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Veröffentlichtes später neu schreiben?

Begonnen von Feuertraum, 30. Juni 2023, 23:26:43

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Feuertraum

Einen wunderschönen Guten Abend,

ich bastele derzeit an vier Projekten, eines davon ist mein absolutes Herzbaby.
Eigentlich wollte ich dieses erst dann veröffentlichen, wenn ich wirklich gut schreiben kann. So gut, wie die Geschichte es verdient.

Nun verspüre ich aber einen inneren Drang, diese Geschichte endlich doch fertigzubekommen, dafür zu sorgen, dass sie das Licht der Literaturwelt entdeckt, vielleicht - eigentlich sogar hoffentlich - zwischen zwei Buchdeckeln erscheint.
Auch wenn ich eigentlich hoffe, dass ich noch so einige Jahrzehnte auf diesem Planeten verweilen darf, so habe ich doch Bedenken, dass ich bei meinem Tempo bzw. dank meiner zahlreichen anderer Interessen, die mir allesamt dazwischenkommen, nie wirklich den Zustand erreiche, gut genug für mein Herzensprojekt zu sein.
Darum bin ich auf den Trichter gekommen, schweren Herzens doch die Geschichte zu Ende zu schreiben (und mit viel Glück zu veröffentlichen) und danach diese Geschichte neu zu schreiben und immer wieder und immer wieder zu verändern, um auch meine Fortschritte (?) mit einfließen zu lassen. Und wenn ich dann tatsächlich noch fertig sein sollte, bevor mich das Zeitliche gesegnet hat, dann erneut zu veröffentlichen.

Allerdings stellen sich mir da verschiedene Fragen, zum Beispiel:

Wie reagieren Leser, die die erste Version gekauft haben und dann erfahren, dass vielleicht 10 Jahre später derselbe Plot mit mehr Seiten und deutlicher Verbesserung (?) erneut erscheint?

Darf man ein veröffentlichtes Buch überhaupt "remixen"?

Vor allen Dingen: Ist es für Sie okay, wenn Ihr "Baby" zwar ganz passabel ist, Sie sich aber eigentlich ein "die beste Version, die Sie sich vorgestellt haben" gewünscht haben?

Wie sehen Sie das Ganze? Lieber "bloß" Selters, aber dafür erblickt das Projekt das Licht der Buchwelt? Oder lieber Sekt, weil nicht nur die Geschichte, sondern auch deren Umsetzung einfach großartig ist?

Neugierige Grüße
Feuertraum
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Rotkehlchen

Ich weiß, dass Stephen King das mit dem dunklen Turm auch gemacht hatte. Zumindest mit "Schwarz".
,,Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin, und keiner ginge mal nachsehen, wo man hinkäme, wenn man hinginge."
Kurt Marti

Jammy

#2
Diese Frage kenne ich nur zu gut! Mein Herzensprojekt habe ich mit Anfang 20 geschrieben. Ich wollte es damals gerne veröffentlichen, habe auch einige Verlage angeschrieben, aber nur Absagen erhalten. Zunächst war ich sehr enttäuscht, aber nach und nach sind mir immer mehr Fehler und Stellen, mit denen ich nicht zufrieden war, aufgefallen. Fazit: Ich nahm mir vor, das Buch nochmals zu schreiben. Ähnlich wie Sie war es mein Ziel mit dem Schreiben und Veröffentlichen zu warten, bis ich wirklich gut schreiben kann und die bestmögliche Version des Manuskripts schaffe. Fazit: Bis heute existiert gerade mal ein Kapitel, das ich mehrfach umgeschrieben habe. Stattdessen habe ich andere Geschichten geschrieben (und einen Roman veröffentlicht), aber dieses eine Herzensprojekt liegt brach. Seit Jahren. Ich habe diesbezüglich aktuell weder Selters noch Sekt, sondern ein leeres Glas. Das ist nicht der Sinn der Sache.
Daher würde ich sagen: Machen Sie nicht denselben Fehler wie ich und warten auf einen schwer bestimmbaren Moment. Das Manuskript ist Ihnen wichtig und Sie möchten die Geschichte schreiben? Ran an den Füller! :)

Zur Reaktion der Leser: Nach zehn Jahren kann man mit neuem Cover, neuem Klappentext und allgemein einer verbesserten Geschichte sicher auch neue Lesende dazugewinnen, die die alte Version gar nicht kennen. Wenn ich den Roman hingegen bereits kenne und mochte, würde ich die neue Version vermutlich auch lesen.
"Als ich 25000 Wörter im Kasten hatte, merkte ich, dass ich mich in eine Sackgasse geschrieben hatte. Mein Roman hatte zwei Charaktere, und zu meiner Bestürzung stellte ich fest, dass ich beide umgebracht hatte. Das war ein ziemlich gravierender Handlungsfehler."

J. Simpson: The beckoning silence

Cairiel

Ich habe bereits ein paar Bücher veröffentlicht. Schon länger her. Ich kann dir sagen: Es kräht kein Hahn mehr nach ihnen. Würde ich sie nochmal schreiben und veröffentlichen, bezweifle ich stark, dass das irgendeinen "Aufruhr" verursachen könnte. Ich glaube nicht, dass die Leute, die die ursprüngliche Version gelesen haben, sie nochmal lesen würden - nicht, dass ich sie rückblickend so schlecht finde, aber es gibt definitiv viele bessere Bücher da draußen. Aber vielleicht gibt es neue Leser:innen, die die neuen Versionen finden, lesen und genießen, also warum nicht? Von daher bin ich ganz bei Jammy.

Biene

Ich glaube, 'die' beste Version eines Buchs gibt es nicht, weil man sich stetig weiterentwickelt. Nicht nur, was das Schreiben angeht, sondern generell.
Ich habe neulich die Rechte für mein erstes, bei einem Verlag veröffentlichtes Buch zurückerhalten und wenn ich irgendwann die Zeit und Muße habe, werde ich es überarbeiten und nochmal mit neuem Cover herausbringen. Die überarbeitete, 'verbesserte' Fassung - kann man direkt als Werbung nutzen.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Feuertraum

Hallo an Alle,

vielen lieben Dank für die Antworten und für das Mutmachen. Was Sie, Jammy, berichten mit dem ständigen Überarbeiten ist genau das, was auch bei mir passiert. Ich schreibe ein Kapitel, dann überarbeite ich es und stelle fest, dass da noch viel mehr gemacht werden muss. Und so mache ich viel mehr und stelle fest, dass da immer noch viel mehr gemacht werden muss ...
Zwar habe ich bisher mehr als ein Kapitel (ich glaube sogar, ich könnte schon ein gutes Drittel der Geschichte geschafft haben), aber dennoch "jammere" ich rum, dass es noch nicht gut genug ist, weil ich nicht gut genug bin (und manchmal kommen mir starke Zweifel, ob ich überhaupt gut bin).

Ich werde also meine Schreibmaschine hervorholen (komischerweise bin ich gerade sehr stark auf dem Trip, mit Schreibmaschine zu schreiben) und tippen. Zwar werde ich weiterhin überarbeiten, aber ich nehme mir Ihre, Jammys, Worte zu Herzen und fülle das Glas mit Selters.

Danke an Alle. Sie sind toll  :D 
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Zit

Ach, solange man da ehrlich ist und das aufm Klappentext erwähnt, wird sich daran keiner stören. Hin und wieder gibt es ja Bücher mit Stickern "Erweiterte und/ oder Überarbeitete Neuauflage" oder innen steht: "Buch erschien bereits Jahr Schlag-mich-tot als Titel XYZ in Verlag ABC". Alles kein Beinbruch. Je nachdem wie beliebt oder vergriffen ein Buch ist, lässt sich mit der überarbeiteten Version auch werben. :omn:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Fianna

Dafür habe ich schon ein passendes Werbe-Schlagwort gesehen: Writer's Cut.

(Es war ein Autor, dessen Buch aus einem Grossverlag in einem relativ kleinen Verlag neu aufgelegt wurde, Golkonda Verlag.)

Maja

Ich möchte auch gern nochmal daran erinnern, dass die "Kondorkinder" unserer @Malinche diesen Weg genommem haben - ursprünglich in zwei Bänden im Mondwolf-Verlag erschienen, dann grünlich überarbeitet und streckenweise neu konzipiert als ein Buch bei Art Script Phantastik - und damit hat sie dann den Wetzlarer Phantastikpreis gewonnen. Es kann einem Buch also wirklich gut tun, nach einer ersten Veröffentlichung nochmal neu angefasst zu werden.

Ich beabsichtige hier gerade das gleiche (am liebsten natürlich auch inklusive Phantastikpreis!) indem ich meine "Chroniken der Elomaran" wieder rausgeholt habe. Die ersten zwei Bände dieses Mehrteilers habe ich 2006 als Selfpublisherin veröffentlicht - in einer Zeit, als Selfpublishing noch nicht das Thema war, bevor es Ebooks gab, und dementsprechend habe ich nur irgendwas zwanzig Stück verkauft. Jetzt plane ich, die Reihe endlich fertigzuschreiben, dann werde ich alles rigoros überarbeiten (was auch sein muss, diese Bücher sind zum Teil zwei Jahrzehnte alt) und zusehen, dass ich einen ordentlichen Verlag dafür finde.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Feuertraum

Danke für die neuen Antworten.
@ Fianna: "Writers Cut" hört sich klasse an. Kann ich mir tatsächlich als einen ansprechenden Werbespruch gut vorstellen, zumal es ja insbesondere bei Filmen zieht, wenn "Directors cut" auf dem Cover zu lesen ist.

@ Maja:
Das mit dem Erstveröffentlichen und dann durch das Neuschreiben und Neuveröffentlichen sogar zu einem Preis führen kann, spornt mich an. Danke für diesen Motivationsschub  :D
Dass Sie die Chroniken von Elomaran auch neu schreiben wollen und Malinche ihre Kondorkinder nach der Veröffentlichung auch noch einmal neu geschrieben hat (und dafür sogar eine Auszeichnung erhielt), zeigt mir, dass meine Gedanken dazu doch nicht verkehrt, meine "Sorgen" unbegründet sind.
Ich wünsche Ihnen vom ganzen Herzen und drücke Ihnen auch megafest die Daumen, dass auch Sie den Wetzlarer Phantastikpreis gewinnen.  :)
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...