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Queere Figuren vor dem Leser outen

Begonnen von Maja, 03. Mai 2016, 20:14:53

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Maja

Über Diversität und insbesondere LGBTQ-Figuren in unseren Geschichten haben wir ja schon einen längeren Thread. Dies hier ist ein spezielles Thema, bei dem ich erst überlegt habe, es als Fall für "Autoren helfen Autoren" zu eröffnen, aber da ich denke, dass ich nicht die einzige mit dem Problem bin, mache ich es jetzt hier im Workshop auf. Konkret geht es um die Frage, wann und wie man als Autor queere Figuren outen soll.

Wenn man in einem Verlag oder einer Reihe publiziert, bei der von Anfang ein [Gay]-Disclaimer auf dem Buch pappt, stellt sich diese Frage nicht. Die Leser wissen, dass sie schwule oder lesbische Hauptfiguren zu erwarten haben, und die bekommen sie dann auch. In der "normalen" Literatur hingegen sind immer noch heterosexuelle Helden die Norm, und wenn sie's nicht sind - wie sag ich's meinem Leser?

Auf der einen Seite ist es schön, wenn man mit den Erwartungen spielt und dem Leser dann die lange Nase drehen kann, wenn es anders ist. Nur, je mehr man die Sexualität seiner Figur in Form eines Knalleffekts enthüllt, desto mehr wird selbige zum Spektakel - und wenn man eigentlich rüberbringen möchte, dass eine Sexualität so normal ist wie die andere, dann tut man sich mit so einem Spektakel keinen Gefallen.

In meinem Jugendbuch "Das Glasaugenhaus" stellt sich ganz am Ende, buchstäblich auf den letzten Seiten, heraus, dass die beste Freundin meiner Protagonistin lesbisch ist, und auch wenn das damit nochmal ein guter Gag am Schluss ist, bin ich nicht glücklich damit, dass es auf einen Gag reduziert wird und dass ich meinen lesbischen Leserinnen damit die Möglichkeit genommen habe, sich mit dieser Figur eins-zu-eins zu identifizieren (was nicht heißt, dass sie sich nicht auch so mit ihr identifizieren dürfen, oder dass sich Hetero-Leserinnenn nicht genauso mit ihr identifizieren können), aber ich wollte "Lesbische beste Freundin"-Klischee vermeiden und habe mich darum entschieden, es wirklich an den Schluss zu packen - eine bewusste Entscheidung also, wenn auch eine, mit der ich nicht glücklich bin. Aber für dieses Buch ist das letzte Wort nicht gesprochen, es gibt nur eine Rohfassung, und ehe ich das mal irgendeinem Verlag anbiete, habe ich noch alle Möglichkeiten, das zu ändern.

Konkreter darum ist bei mir gerade ein anderer Fall. Mein "gefälschtes Siegel" ist im Lektorat, und ich stehe gerade vor der Aufgabe, die ersten drei Kapitel zu überarbeiten, und damit rückt das Coming-Out meines schwulen Kriegers in greifbare Nähe. In der ersten Fassung des Buches habe ich es en passant gelöst, dachte ich zumindest - beiläufig am Ende des zweiten Kapitels in der entsprechenden Perspektive mit dem Satz geendet "Aber er liebte ihn trotzdem". Als ich das Buch jetzt durchgearbeitet habe, um einen Überarbeitungsplan aufzustellen, gefiel mir diese Lösung überhaupt nicht. Durch das Packen in den letzten Satz des Kapitels habe ich wieder einen Knalleffekt, der mir so nicht gefällt. Lieber wäre mir, die Figur wäre von Anfang an "out". Nur nehme ich mir damit die Möglichkeit, meine Leser zu überraschen, denn wenn ausgerechnet der steinharte Krieger schwul ist, rechnet damit wirklich kaum jemand.

Gibt es in dieser Situation ein richtig und ein falsch? Wie verkauft man seinen Lesern am Besten, dass eine Figur queer ist, namentlich wenn sie nicht mit affektierter Stimme und gebrochenem Handgelenk auftritt? Soll man den Charakter erstmal als ganz normale Figur auftreten lassen und dann dem Leser sagen "Übrigens, pack mal deine Vorurteile weg, der hier ist übrigens schwul"? Oder lässt man es so lange offen, bis sich ein Coming Out nicht mehr vermeiden lässt, und wenn es ganz am Schluss passiert (oder, im Fall von Albus Dumbledore, in den eigentlichen Büchern niemals erwähnt wird)? Oder lasse ich meinen Krieger gleich auf den ersten drei Seiten seiner Perspektive an den hübschen jungen Prinzen denken? Habt ihr ein Patentrezept? Und wie löst ihr solche Situationen?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Sprotte

#1
In meinen Heroics habe ich des Öfteren schwule Nebenfiguren. Ich bin mit meiner Lösung bei Krieger Orick aus "Cajan" sehr zufrieden.
Orick wird als Krieger einer kleinen Schar vorgestellt. Das ist eine eingeschworene, handverlesene Gemeinschaft. Orick sticht ein wenig hervor, weil er älter ist als der Durchschnitt der anderen Krieger (immer noch jünger als Cajan). Für meine als Mann verkleidete Heldin erweist er sich rasch durch seine ruppig-väterliche Art als Bezugsperson.  Bis eines Abends Cajan in zwei Sätzen Rebby auf Oricks Homosexualität hinweist. Vollkommen unaufgeregt und einfach nur als Hinweis. Er erwähnt, daß Orick Männer bevorzugt, daß der vermeintliche junge Mann Rebby eine Antwort auf ein Angebot nach eigenem Gewissen fällen soll, da Orick auch eine Absage selbstverständlich hinnehmen und sich danach nicht anders als gewohnt verhalten wird.
Und das war es.

Generell haben in meinen Fantasywelten die Figuren auch erheblich schwerwiegendere Probleme als eine homosexuelle Nebenfigur. Das ist eben so, und Vorurteile bewahrt man sich lieber für Elfen oder Monster auf.

Dämmerungshexe

Solange die sexuelle Orientierung nicht irgendwie plotrelevant ist, wurde ich das auch nur nebenbei erwähnen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Steffi

#3
Mein liebstes "Outing" einer Figur habe ich bei der Serie "Southland" erlebt.

Da gibt es einen bulligen Cop, knallhart und doch Sympathieträger, halt die Art Mentor, die man sich selbst wünschen würde. Und nach ein paar Folgen zeigt die Serie eine Szene, in der besagter Cop morgens in seiner Wohnung neben einem Kerl aufwacht, aufsteht, sich anzieht und geht. Das ganze wird nicht weiter kommentiert, die ganze Szene ist wirklich unspektakulär und beiläufig erzählt. Das ist einfach wirklich großartig gemacht - zum einen, weil das so überraschend kommt und so galant alle gängigen Klischees einen Quotenschwulen aushelbelt, zu anderen, weil eben keine große Sache draus gemacht wird. Auch später im Verlauf der Staffeln nicht.
Sic parvis magna

KaPunkt

Wie so vieles hängt es von der Geschichte ab und wie wichtig die Orientierung der Figur für die Geschichte ist, finde ich.

Deshalb wirst auch du deine eigene Lösung finden müssen.  ;D
Ich persönlich mag es, wenn es eben so in der Handlung mitfließt. Die Figuren reden ja miteinander, und wie sie eben über das Wetter reden oder die Staatskrise oder wer weiß was, kann es in solchen Situationen auch dazu kommen, dass die Orientierung der handelnden / redenden Figuren ein Thema wird oder erwähnt wird.
So wie man es im täglichen Leben eben auch mit bekommt: "Ich kann später nicht mitkommen, meine Frau (Mann) kocht heute abend."
"An dem beißt sogar du dir die Zähne aus, der hat in dreißig Jahren noch zu keiner 'Ja' gesagt."

Eines der wenigen Dinge, die mir an 'Arkadien brennt' uneingeschränkt gut gefallen haben ist das Outing von Dingens' (Prota Name vergessen) Schwester. Das war eine kleine Überraschung für Dingens, aber keine große 'Oh mein Gott'-Situation im Roman.

Oder so.
*shrug*

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Tanrien

#5
Hatten wir dazu nicht schonmal einen Thread? Irgendwie kann ich mich da an was erinnern, aber kann auch zu einem vergleichbaren Thema gewesen sein.

Edit: Und während ich getippt habe, vier neue Antworten.  :d'oh: Ich stimme praktisch KaPunkt zu.

Ich bin kein Fan vom Herauszögern oder dem Überraschungseffekt. Ich schreib zwar keine Romanzen (oder reine Erotik), aber die Liebesgeschichte ist bei mir immer einer der Nebenplots und da will ich, dass Leser mitfiebern können und dafür muss klar sein, dass der Charakter dafür offen ist. Meine Charaktere treffen im ersten Kapitel immer irgendwelche Kassiererinnen, die sie mit den seltsamen Haaren an ihre Ex-Verlobte erinnern, oder sie begutachten den Hintern der Raumschiffpilotin oder sie werden von ihrer Großmutter gefragt, ob es denn "der" oder "die" neue sei, weil Kindchen so strahlt. Halt dieses übliche. Dauert einen Absatz und zack, ist die Sexualität etabliert. Ich finde auch oben genannte Situationen in ihren Settings recht normal und auch "normal", also, die könnten auch einem Hetero-Charakter passieren.

Das ist jedenfalls mein Patentrezept. Aber ich schreibe immer sehr nah am Charakter mit nur einer Perspektive und Action/Abenteuer. Gerade bei anderen Genre und mehreren Perspektiven kann es sicher auch spannend sein, damit zu spielen, so wie bei der von Steffi erwähnten Show, wo man ja gerade bei (US-amerikanischen) Crime-Shows was anderes erwartet. Oder vielleicht, wenn man beides will, einen queeren Charakter direkt zu präsentieren und es bei einem herauszuzögern und dann den Leser zu überraschen. Geht ja auch.

Tintenteufel

Also...ich bin mir nicht sicher, ob ein Outing überhaupt sein muss?
Ich meine, wenn ich jetzt von einem anderen Autoren ausgehe: Bei dem tauchen praktisch nie Frauen auf, nicht einmal im Hintergrund. Immer nur Männer, in sehr engen Freundschaften. Einer davon oft genug in einer sehr dominanten Rolle, der andere der Erzähler. Ihre Sexualität spielt einfach keine Rolle, weil ihre "Probleme" größer sind.
Insofern finde ich die Albus Dumbledore Variante besser (wenn man dann nachher noch die Klappe hält und nicht irgendwas postuliert, das in den Büchern nur interpretiert werden kann). In manchen Geschichten spielt Sexualität halt keine Rolle und da muss man doch auch kein Licht drauf werfen, da stimme ich Dämmerungshexe völlig zu. Das gilt ja auch nicht nur für nicht-hetereosexuelle Charaktere. Mich juckt ja z.B. auch nicht, ob Sherlock Holmes schwul ist. Ist ganz witzig, diese Beziehung mit Watson, aber das ist Interpretation des Zuschauers, nicht plotrelevant.

Was auch gehen könnte, wäre das einfach unaufällig in die Perspektive einarbeiten. Thomas Mann hat da einige sehr hübsche Sachen gemacht, wie ich finde. Die Charaktere outen sich bei ihm eigentlich sehr selten. Der einzige, bei dem mir das spontan einfällt, wäre der Protagonist aus Tod in Venedig. Und das auch nur, weil er dauernd von einem Knaben erzählt, den er süß findet, und den verfolgt.
Das eigentliche Outing findet aber fast immer im Subtext statt, da wie anderswo: Der Blick des schwulen Charakters ist ein anderer als der der heterosexuellen Charaktere. Es werden mehr andere Foki in seinem Erzähltext erwähnt, es wird auf die Form der Hände eingegangen, die Figur, wie hübsch oder anziehend die Person ist - ohne groß Gewese drum zu machen, dass der Protagonist an dem interessiert ist. Das kriegt der Leser schon selber mit.
Im "Doktor Faustus" kann man sogar komplett überlesen, dass der eine Charakter wahrscheinlich schwul ist, weil das mit einer kurzen Bemerkung abgetan wird. So a la "Und sie verbrachten einige bezaubernde Wochen auf ihrem ungarischen Schloß während derer sie sich näher kamen, als ich Adrian je war."

Guddy

#7
Bin auch kein Fan von großen, geplanten Überraschungen um der Überraschung wegen, was dieses Thema betrifft. Nicht, weil mich der Fakt stören würde, sondern weil die Sexualität für mich nichts ist, das als Effekt dienlich sein soll und aus einer Geburtstagstorte springt.
Ich persönlich finde es, genau wie einige andere auch schon gesagt haben, schön, wenn die Sexualität nebenbei oder gar nicht erwähnt wird - es sei denn, sie ist plotrelevant.

Wann genau das "Outing" geschieht, ist mir allerdings egal, meistens ist es ja auch schlichtweg nicht relevant genug, um früh auftauchen zu müssen. Solange es unaufgeregt bleibt(homophobe Gesellschaften im Weltenbau mal außen vor gelassen, die sind dabei immer aufgeregt ;) ), passt es meistens.

Fianna

Zitat von: Steffi am 03. Mai 2016, 20:27:12
Mein liebstes "Outing" einer Figur habe ich bei der Serie "Southland" erlebt.

Da gibt es einen bulligen Cop, knallhart und doch Sympathieträger, halt die Art Mentor, die man sich selbst wünschen würde. Und nach ein paar Folgen zeigt die Serie eine Szene, in der besagter Cop morgens in seiner Wohnung neben einem Kerl aufwacht, aufsteht, sich anzieht und geht. Das ganze wird nicht weiter kommentiert, die ganze Szene ist wirklich unspektakulär und beiläufig erzählt. Das ist einfach wirklich großartig gemacht - zum einen, weil das so überraschend kommt und so galant alle gängigen Klischees einen Quotenschwulen aushelbelt, zu anderen, weil eben keine große Sache draus gemacht wird.
Das fände ich am schönsten, Maja. Dann hast Du auch nicht das Problem, dass der Leser beim Stichwort "homosexuell" direkt ein anderes Bild in den Kopf kriegt, was sich nicht mehr ändern lässt, egal wie Du es beschreibst.

Also erst ein Bild der Figur etablieren, dann die Information nicht zu knallermäßig geben (alleine deswegen wirkt sie überraschend und wie ein kleiner Knaller), und dann normal weitermachen.

Franziska

Ich finde es auch am Besten, wenn es nicht zu einer großen Sache gemacht wird, man muss es nicht gleich in den ersten Sätzen erwähnen, aber auch nicht am Ende des Romans.
Ich finde es ganz toll, dass es mittlerweile selbstverständlich in Serien ist, homosexuelle Figuren zu haben, und das ist dann eben nur ein Aspekt der Persönlichkeit. In der Serie The Family ist das auch so, der Cop erwähnt halt mal, dass er sich mit seinem Mann zum Diner trifft und das wars.
Ich verstehe auch nicht, was denn das Klischee einer lesbischen besten Freundin sein soll? Schwuler bester Freund kenne ich. Aber da fällt mir jetzt so direkt nichts zu ein. Und es ist ja nur dann ein Klischee, wenn du die Figure klischeehaft beschreibst. Was spricht denn dagegen, es früher zu erwähnen?
Wenn sie nicht die Perspektivträgerin ist, kann die das ja erwähnen, sonst halt einfach nebenbei. Lass sie über ihre Ex-Freundin reden, für jemanden schwärmen, gibt ja viele Möglichkeiten, es nebenbei zu erwähnen.

Abgesehen davon weiß ich nicht, ob es wirklich noch so ist, dass jeder erwartet, dass die Figuren heterosexuell sind. Ich tue es nicht (nicht nur bei Gay Romance ; ) , bin aber wohl auch nicht der Durchschnitt, aber je normaler man es darstellt, desto normaler wird es auch werden, denke ich, solche Figuren zu haben.


Wenn es eine nicht ganz so wichtige Nebenfigur ist, finde ich es okay, es später zu erwähnen, bei einem Ich-Erzähler wird es schwerer. Da habe ich ein Projekt, wo er gleich auf der ersten Seite dem Leser sagt, dass er schwul ist. Das passt zu seiner Art. Es kommt ja auch immer sehr auf die Figure an. Ist sie sich selbst sicher über ihre Orientierung, muss sie es selbst noch rausfinden? Wie reagiert das Umfeld? Was für eine Welt hat man?

K a t e

Ich muss KaPunkt da uneingeschränkt zustimmen. Dazu ergänzen würde ich noch, dass es immer auf den Leser ankommt. Viele machen aus einem queeren Charakter eine "Oh mein Gott was?!" Situation und andere denken sich nur "Jaaah, schön, warum nicht."

Ich hatte neulich eher mit dem Problem zu kämpfen, dass mein Freund, der meinen fast fertigen Roman testliest und noch keine Ahnung von der Story etc. hat, felsenfest davon ausgegangen ist, der beste Freund des Protagonisten wäre schwul und würde auf ihn stehen. ;D Was nicht der Fall ist. Später gab es dann auch eine Szene, die meinen Freund dann von seinen "Der steht doch auf XY!" Behauptungen endlich runtergebracht hat. Aber bis er bei dem Kapitel angelangt war, musste ich mir immer das "Der ist doch voll schwul" gefallen lassen. ::)

Da ich selten Romanzen offensichtlich einbaue habe ich kein wirkliches Patentrezept. Ich überlasse vieles gerne der Fantasie meiner Leser (und deren Wünschen). In meinem Herzensprojekt sind viele vernarrt in die Vorstellung zwischen den beiden Protagonisten könnte es funken. Der eine ist ein Mann, der andere... hat streng genommen gar kein Geschlecht. Ob meine Leser jetzt die Vertrautheit und die neckischen Wortgefechte romantisch oder freundschaftlich einordnen, ist jedem selbst überlassen. Ich weiß, was ich sehen will. ;)




LinaFranken

#11
Es kam hier nebenbei die Frage auf, ob das überhaupt wichtig ist und erwähnt werden, sollte, dazu schon mal voarab: meiner Meinung nach ja. Sexuelle orientierung definiert die Menschen nicht, aber es hebt ihre Einzigartigkeit hervor, wenn ich das weglasse, lasse ich einen wichtigen Teil weg, einen Teil der die Persönlichkeit des Protas sicher mitgeprägt haben wird. Unwichtig ist es nur dann, wenn die besagte Person in nur einer Szene auftaucht und so unbedeutend ist, das sie nicht mal einen Namen bekommt.

Wie ich das erwähne? Ich frage den Prota, wie er das gerne haben möchte  ;) Mein extrem extrovertierter Draufgänger haut das schon mal direkt bei der Begrüßung raus, da ist er dann auch ganz stolz auf sich. Eine andere ist sich ihrer Gesinnung nicht sicher, da kann der Leser dann über viele Kapitel ihren inneren Konflikt mitverfolgen. Irgendwie finde ich die Meinung meiner Protas wichtiger, als die der Leser.
Also frage ich meine Protas: Na, magst du das jedem auf die Nase binden oder möchtest du es lieber etwas zurückhaltender in nem Nebensatz fallen lassen? Oder magst du dich gar nicht outen und möchtest das lieber noch ein Weilchen für dich behalten?
Irgendwie ist es doch schön, wenn die Protas genauso vielfältig sind wie echte Menschen und die handhaben das Thema ja ebenfalls unterschiedlich. Also selbst wenn der Prota das nicht in direkter Rede in einem Dialog offenbart, sondern es in eine Beschreibung oder Szene fällt, würde ich es vom Charakter/Temperament/Einstellung des Protas abhängig machen, ob es nur ein Nebensatz oder ein Knall wird.

Tanrien

#12
Zitat von: Fianna am 03. Mai 2016, 20:48:23
Das fände ich am schönsten, Maja. Dann hast Du auch nicht das Problem, dass der Leser beim Stichwort "homosexuell" direkt ein anderes Bild in den Kopf kriegt, was sich nicht mehr ändern lässt, egal wie Du es beschreibst.
Wobei ich da auch auf die Zielgruppe gucken würde. Selbst, wenn man die Gay-Label-Leser außen vor lässt, sind ja deutsche Leser, die Fantasy, wie Maja sie schreibt, mögen, größtenteils (sehr wahrscheinlich) eine doch deutlich andere Zielgruppe als die US-amerikanischen Zuschauer vorm Fernseher, die "Crime Drama" mit Cops gucken. Inwieweit die Zielgruppe in der Lage ist, Sichtweisen zu ändern, kann man dann sicher bei der Entscheidung mit einkalkulieren.

Ary

Beim Dattelpinzen mache ich von vorn herein klar, dass besagter Prinz schwul ist. Seine Familie weiß es, sein Halbbruder weiß es. Die geschichte fängt damit an, dass mein Prinz sich darüber grämt, dass sein Vater einen Barden vom Hof geschickt hat, in den der gute Prinz sich ein wenig unter seinem Stand verliebt hat. DAS ist es, was gar nicht geht, nicht die Tatsache, dass der "erwählte Gefährte" des zukünftigen Herrschers ein Kerl sein wird.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Kati

Ich schreibe praktisch nur noch queere Protagonisten und wenn ich so überlege, mache ich es eigentlich immer unterschiedlich. Im jetzigen Roman kommt es nebenbei rum, dass der Protagonist zwar momentan in eine Frau verliebt ist, aber eben auch schon in Männer verliebt war. Im letzten hat mein Held mit seiner Ex-Freundin und seinem neuen Schwarm zusammengearbeitet, weshalb es auch ziemlich leicht war, es direkt in den ersten Kapiteln nebenbei einfließen zu lassen. Allerdings ist das denke ich aus Ich-Perspektiven auch sehr viel leichter, als bei einer Nebenfigur ohne eigene Perspektive. Da stehe ich auch öfter vor derselben Frage. Generell bin ich aber auch absolut dagegen die Sexualität als Schockelement oder Überraschung zu verwenden. Wann das "Outing" erfolgt ist mir darüber hinaus eigentlich fast egal. Beziehungsweise, solang es vernünftig gemacht ist, kann es kommen, wann es mag. Auf den allerletzten Seiten fände ich schade - eben aus dem Grund, den Maja genannt hat, dass es die Identifikationsmöglichkeit wegnimmt und die Frage aufwirft "Wieso erst jetzt?". Aber alles zwischen dem Anfang und der Mitte oder sogar ein Stück drüber hinaus finde ich vollkommen legitim. Ein beiläufiges "Das ist Luisas Freundin Sarah" auf Seite 120 ist mir sehr viel lieber, als ein mit Macht konstruiertes "LUISA IST LESBISCH" auf Seite 20.

Meine Faustregel ist eigentlich, es genau an der Stelle zu erwähnen, dass die Figur nicht straight ist, an der es meinen Protagonisten eigentlich klar werden sollte. Ich zögere es nicht künstlich heraus, bis sich alle Leser fragen, wieso meine Heldin nicht schon vor 50 Seiten geschnallt hat, dass ihr neuer bester Freund offen schwul ist, ich würde es aber eben auch nicht mit Macht an eine Stelle am Anfang quetschen, wo es absolut unrealistisch ist, es zu erwähnen (Marke: "Hi, ich bin Luisa, ich bin lesbisch, wie heißt du?"). Bisher kam die Stelle eigentlich immer irgendwann "von allein".