• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Die Sache mit den Blicken

Begonnen von Avery, 09. August 2014, 01:03:07

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Avery

Zwar habe ich diverse Threads zu Mimik, Gestik und Co. gefunden, aber ich sehe mich noch einem ganz anderen Problem ausgesetzt: Ständig wird in meinem Projekt irgendwie geblickt. Sie lässt ihren Blick durch den Raum schweifen, blickt herüber zu ihren Freunden, ihr Blick bleibt an Person X hängen und hin und wieder möchte sie ihn am liebstes keines Blickes würdigen. Oder wird selber keines gewürdigt :omn:

Alles zielt im Prinzip darauf ab, einzuleiten, sich die Umgebung näher anzusehen, erst im Nachhinein auf signifikante Dinge aufmerksam zu werden oder gewissermaßen Emotionen zu beschreiben. Natürlich verwende ich auch mal Wörter wie schauen, gucken, sehen, beobachten, betrachten und Co., aber alles beschreibt natürlich den gleichen Umstand, was sich vom Lesen her immer häuft.

Habt ihr also vielleicht Ideen, wie man ein "Blick umherschweifen lassen" geschickter formulieren kann - eben ohne explizit zu sagen, dass sie es tut?

Es klingt etwas wirr, aber ich hoffe, ihr versteht was ich meine. Sollte es helfen: Das Projekt ist in der Ich-Perspektive im Präsens geschrieben  :jau:

Christopher

Ich "blicke" auch oft durch die Gegend und habe auch keinen Trick dafür, das zu vermeiden.

Aber:
Wie bei so vielen Dingen hab ich festgestellt, dass ich/wir uns da zu viele Gedanken machen. Schnapp dir mal 1-2 der Beststeller die du in deinem Regal hast, lies sie und achte dabei auf die "Blicke". Du wirst vermutlich feststellen, dass die da auch recht häufig vorkommen. Hat dich das beim Lesen gestört? Ist dir das negativ aufgefallen? Vermutlich nicht.

Vermeide es wo es vermeidbar ist, variiere wo die Variation möglich ist und es wird vermutlich niemandem sonst aufallen, außer dir selbst ;)
Be brave, dont tryhard.

Miezekatzemaus

#2
Ich denke auch, dass die Sache mit den Blicken ziemlich typisch ist. Ich lasse den Blick schweifen, hört sich meiner Meinung nach schon ziemlich elegant an. Du sagtest ja selbst schon, dass du auch andere Wörter verwendest, verstehe ich es richtig, dass du dann beispielsweise schreibst "Ich sehe ihn an" oder ähnliches?
Ich würde spontan das hier vorschlagen:
"Ich hebe den Kopf und sehe in seine Richtung", "Ich runzele die Stirn, kneife die Augen zusammen und betrachte es genauer", et cetera.
Ich glaube nämlich, wenn man die Sätze anderweitig ausschmückt, dann bemerkt man es nicht so sehr.
Aber wie Christopher sagte, ist es nicht so wichtig, weil es den wenigsten Menschen auffällt. Und davon abgesehen ist "blicken" ein schönes Wort, wie ich finde. :)

Arcor

Ich schlage da in dieselbe Kerbe wie Christopher, Avery. Wenn man sich gute Romane anguckt, ist da nicht ständig Abwechslung in den Formulierungen drin. Wenn eine Person nun einmal blickt, dann blickt sie oder lässt den Blick schweifen. Du hast ja schon einige Alternativen aufgelistet, aber ich würde nicht anfangen, auf Gedeih und Verderb irgendwelche untypischen Formulierungen zu konstruieren, nur um nicht etwas Alltägliches zu verwenden.

Ich finde, dass ist sehr mit "sagen" zu vergleichen. Ich habe anfangs auch sehr viele Alternativen dafür verwendet: sprechen, erwidern, entgegnen, antworten, flüstern, hauchen, zischen, brüllen etc. In vielen Büchern steht dagegen seitenweise nur "sagte". Die Harry-Potter-Romane sind dafür ein gutes Beispiel. Und mir ist es ehrlich gesagt noch nie negativ aufgefallen, von daher finde ich das mit "blicken" auch völlig in Ordnung. Es ist ja immerhin eine gute und altbewährte Methode, um den Blick des Lesers (schon wieder Blick  ;D) zu führen und ihm eine Szenerie zu beschreiben.

Und meine Protagonisten blicken auch ständig.  ;) Solange sie das nicht jeden dritten Satz machen, geht das schon in Ordnung.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Klecks

Ich würde mir da ebenfalls nicht zu viele Gedanken machen. Wenn sich jemand umblickt, dann blickt er sich eben um, und wenn er den Blick schweifen lässt, dann lässt er eben den Blick schweifen. Mir fällt nie ein, was ich stattdessen schreiben könnte, aber ich finde inzwischen auch nicht mehr, dass das unbedingt nötig ist. Was passiert, passiert. Da gibt es vermutlich andere, weitaus weniger gerechtfertigte Wortwiederholungen in meinen Texten.  ;D

Simara

Ich kämpfe auch oft mit dem ganzen herum geblicke. Mit Lieblinge sind gerade "mit einem flüchtigen Blick mustern", "mit den Augen auf XY verharren" und "aus dem Augenwinkel wahrnehmen". Da ich gerade ein Mittelalter Setting habe, darf ich zum Glück voll in die Kiste der überholten Begriffe langen ohne das es allzu fehlplatziert wirkt.

Kuddel

Warum nicht einfach das ganze weglassen? Ich habe auch dasselbe Problem, dass ich wie jeder andere Mensch sehr Augenlastig bin. Wir nehmen nunmal das meiste damit auf. Aber das ist auch gleichzeitig der Vorteil. Jeder weiß das unterbewusst.

Nehmen wir mal eine typische Szene: Er betrat die Eingangshalle und schaute sich um/ließ den Blick schweifen. Das wäre so ein typischer Startsatz, um sich umzusehen. Hier ein Alternativvorschlag: Er betrat die Eingangshalle und schloss die Tür hinter sich. Direkt neben der Tür hing ein Schlüsselschränkchen wie ihn seine Großmutter schon genutzt hatte... usw.

Man braucht das Auge nicht oder den Blick um etwas zu beschreiben. Jeder weiß, dass der Prota es sieht. Was meint ihr, geht das nicht auch?
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Simara

Das geht sogar sehr gut und ich hau mir ja auch öfter mal auf die Finger weil ich weiß das es ohne Überleitung um einiges geschmeidiger geht. Aber dieser innere Drang...  :d'oh: Aber da muss man isch wohl hin und wieder zusammen reißen, wenn man die Wiederholung vermeiden möchte.

Christopher

Hm, ein sehr guter Einwand Kuddel! Gut, dass ich gerade beim Überarbeiten bin. Da kann ich gleich mal darauf achten, ob der eine oder andere "Blick" nicht redundant ist und einfach wegfallen kann  :hmmm:
Be brave, dont tryhard.

Christian Svensson

#9
Die Idee ist gut Kuddel, nur beinhaltet sie ein anderes Problem:

ZitatNehmen wir mal eine typische Szene: Er betrat die Eingangshalle und schaute sich um/ließ den Blick schweifen. Das wäre so ein typischer Startsatz, um sich umzusehen. Hier ein Alternativvorschlag: Er betrat die Eingangshalle und schloss die Tür hinter sich. Direkt neben der Tür hing ein Schlüsselschränkchen wie ihn seine Großmutter schon genutzt hatte... usw.

Wenn man aus der personalen Perspektive erzählt, kann das " er blickte/sagte" etc. durchaus weggelassen werden. Nur steht man dann vor dem Problem, wie man dem Leser erklärt, was gerade passiert. Aus der auktorialen Perspektive sind Handlungsbeschreibungen hingegen unverzichtbar.

Kuddel

Wieso unterschiedliche Perspektiven? Er betritt die Eingangshalle, er schließt die Tür und er erinnert sich daran, dass das Schlüsselschränkchen aussieht wie das von seiner Großmutter.
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Churke

Ich sehe das genauso wie Kuddel. Textbausteine mit Blicken, die vom Perspektivträger ausgehen, sind in den allermeisten Fällen überflüssige Pleonasmen, weil sich das Blicken bereits aus der Beschreibung des Gesehenen ergibt.
Man braucht das nur, wenn man die Blicktätigkeit ausdrücklich betonen will, oder, wenn der Blickende kein Perspektivträger ist.

Klecks

Zitat von: Churke am 09. August 2014, 10:40:19
Man braucht das nur, wenn man die Blicktätigkeit ausdrücklich betonen will, oder, wenn der Blickende kein Perspektivträger ist.

Gut gesagt!  :jau:  "Sie schaute mich lange an und machte mich damit ganz nervös." "Ihr Blick ruhte ernst auf mir." "Etwas in ihrem eindringlichen Blick ließ mich schaudern." Da wird betont, dass der Blick eben eine wichtige Bedeutung hat, weil etwas in demjenigen, der angeschaut wird, ausgelöst werden soll mit diesem Blick.

Avery

Erstmal vielen Dank für die vielen schnellen, sehr hilfreichen Antworten  :vibes: Um vielleicht nochmal kurz einen "Maßstab" in den Raum zu werfen: Bei der Zählung hat Word 188mal den Begriff "Blick" auf 189 Normseiten gefunden. Eingeschlossen sind natürlich auch Wörter wie augenblicklich, Augenblick, Blickfeld, blickdicht und Co., wobei der schlichte Blick eindeutig am häufigsten vorkommt.


Zitat von: Christopher am 09. August 2014, 08:29:29
Wie bei so vielen Dingen hab ich festgestellt, dass ich/wir uns da zu viele Gedanken machen. Schnapp dir mal 1-2 der Beststeller die du in deinem Regal hast, lies sie und achte dabei auf die "Blicke". Du wirst vermutlich feststellen, dass die da auch recht häufig vorkommen. Hat dich das beim Lesen gestört? Ist dir das negativ aufgefallen? Vermutlich nicht.

Das habe ich mir jetzt auch schon überlegt und tatsächlich gab es schon öfter Fälle, in denen mir aufgefallen ist, dass der Autor ähnliche "Floskeln" sehr häufig verwendet. Ohne dass es mich stören würde. Vielleicht muss ich auch einfach nach Abschluss des Projektes erstmal ein, zwei Betaleser heranlassen, die dann besser beurteilen können, ob etwas zu häufig verwendet wurde.


Zitat von: Kuddel am 09. August 2014, 09:55:32
Warum nicht einfach das ganze weglassen? Ich habe auch dasselbe Problem, dass ich wie jeder andere Mensch sehr Augenlastig bin. Wir nehmen nunmal das meiste damit auf. Aber das ist auch gleichzeitig der Vorteil. Jeder weiß das unterbewusst.

Deinen Beispielsatz und den Einwand/Tipp finde ich sehr hilfreich. In einem solchen Fall kann man es wirklich gut weglassen und bei vielen meiner "Blickschweif"-Szenen hätte ich nicht gedacht, dass es sich so super simpel umsetzen lässt. Besonders, wenn es sich um Gesprächsszenen handelt, in deren Rahmen die Prota kurz mit dem Blick abschweift und etwas anderes sieht. Jetzt fährt sie sich halt kurz durchs Haar und erkennt es in diesem Zuge  :jau:



Ansonsten habe ich noch einen Haufen Sätze, bei denen ich vermutlich nur ein Brett vorm Kopf habe, aber partout auf keine andere Lösung komme  :wart: Vielleicht hat hier jemand alternative Ausdrucksweisen/Ideen parat, die im Grunde genommen dasselbe ausdrücken?:

Zitat1. Innerlich stöhne ich auf, denn schon der Blick von Mum verrät, was nun folgen wird.

Zitat2. Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu, denn sie weiß genau, dass es unfair ist.

Zitat3. Mum und Keira tauschen besorgte Blicke aus.

Zitat4. Die Finger streichen zärtlich über meinen Handrücken, während er seinen Blick auf den Boden heftet.

Zitat5. (...)erwidert sie hysterisch und wirft Dad einen hilfesuchenden Blick zu.

Zitat6. Kurz darauf verblasst das Logo und gibt den Blick auf den Senator frei, der in einem komplett weißen, glänzenden Raum steht.


Das ist nur mal eine kleine Ansammlung meiner Blicksituationen, die sich in der ähnlicher Form häufiger wiederholen. Manchmal auch mit besagten Synonymen (schauen, gucken, betrachten, erkennen...), aber mir scheint oft nur der Blick passend zu sein  :omn: Oder wären genau das vielleicht sogar ein paar Beispiele, die Churke mit der Blicktätigkeit angesprochen hat?

Christopher

Ich hab mal drübergelesen und stören würde mich das nirgendwo.

Beim letzten Beispiel könntest du den Senator auch 'auftauchen' lassen anstatt den Blick freizugeben, aber ansonsten ist das doch ok.

188 Mal klingt jetzt viel, aber mit den von dir angesprochenen Wörtern ist es doch deutlich weniger als ein Mal pro Seite. Ich denke nicht, dass das jemandem auffällt. "sagte" und die übrigen Varianten dürfte deutlich häufiger vorkommen. In "Der Name des Windes" hab ich mal gezählt. Auf einer(!) Seite gab es elf wörtliche Reden, bei neun davon kam "sagte" oder eine der Varianten vor, eine Aussage stand ohne Floskel da und die andere wurde durch einen kurzen Hauptsatz eingeleitet.
Das dürfte also deutlich mehr als ein Mal pro Seite sein und stört mich kein Stück. Die Blicke werden wohl kaum störender sein ;)
Be brave, dont tryhard.