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Allgemeines => Buch- und Verlagswesen => Thema gestartet von: Maria am 24. Mai 2019, 20:01:39

Titel: Audiobook vs Print
Beitrag von: Maria am 24. Mai 2019, 20:01:39
Ich habe vor ein paar Tagen eine für mich als Autorin und Schulbibliothekarin sehr bereichernde Fortbildung besucht, bei welcher der Vortragende auch die Verteilung der sensorischen Typen unter der Bevölkerung angesprochen hat.

Wir sind alle Mischtypen, doch jeder von uns hat eine Hauptausrichtung und so gesehen sind etwa 70% der Bevölkerung auditiv deutlich stärker als visuell.

Daher, so glaube ich, müssten diese Menschen sich wohler fühlen, wenn man ihnen eine Geschichte erzählt als wenn sie diese selber lesen. Dazu haben es die kinästhetischen Menschen auch viel leichter, wenn sie eine Geschichte beim Joggen anhören als wenn sie ein Buch dabei lesen, oder?

So gesehen müssten sich mehr Audiobooks als Printbücher verkaufen.

Da ich noch keine Hörbuchversionen meiner Prints auf dem Markt habe, könnt ihr mir ein paar Orientierungswerte nennen?

Verkaufen sich eure Titel als Print und Hörbuch gleich gut, oder ist eines stärker als das andere?

Müssten die Verlage den Hörbüchern mehr Aufmerksamkeit schenken, sie mehr bewerben, um diesen großen Teil der Bevölkerung besser zu erreichen?

Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Feuertraum am 25. Mai 2019, 12:17:43
Zitat von: AngelikaD am 24. Mai 2019, 20:01:39

Daher, so glaube ich, müssten diese Menschen sich wohler fühlen, wenn man ihnen eine Geschichte erzählt als wenn sie diese selber lesen. Dazu haben es die kinästhetischen Menschen auch viel leichter, wenn sie eine Geschichte beim Joggen anhören als wenn sie ein Buch dabei lesen, oder?

Beim Joggen zu lesen stelle ich mir ehrlich gesagt sehr schwierig vor ... ;D

Aber Scherz beiseite: Das Printbücher besser wegkommen als Hörbücher mag ich mir damit erklären, dass ein geschriebenes Buch Wort für Wort vorgelesen wird. Das Problem dabei ist, dass Bücher, die fürs Lesen gedacht sind, anders geschrieben werden als wenn man einen Text schreibt, der fürs Hören gedacht ist (Schreibens fürs Hören ist eine vollkommen andere Disziplin mit anderen handwerklichen Gesetzen).
Hinzukommt, dass der/die Vorlesende im Grunde genommen die Stimme nicht so verstellen kann, das Dialoge oder spezielle Szenen nicht so rüberkommen, wie vom Autoren gedacht.
Ein dritter Punkt ist der Preis. Vielleicht bekommt man für 30 € 6 CDs. Das Buch aber kostet im Vergleich dazu nur 15 €.


ZitatSo gesehen müssten sich mehr Audiobooks als Printbücher verkaufen.

Nicht zwangsweise - ich glaube, da spielen Präferenzen eine entscheidende Rolle. Ich kann da jetzt nur von mir sprechen, aber ich bin ein Mensch, der eine spezielle Atmosphäre/Stimmung um sich herum bzw. in sich haben muss, um bei einem Hörspiel oder Musik das Stück bewusst wahrzunehmen (so kann ich zum Beispiel Stücke von Jean Michel Jarre nur hören, wenn es draußen dunkel ist. Teilweise klappt es auch nur, wenn ich über Kopfhörer lausche). Ich kann mir aber vorstellen, dass auch andere Menschen in Hörbüchern nur dann bewusst eintauchen können, wenn sie dafür "in Stimmung sind".
Aber das ist jetzt nur meine Meinung, die auf meinen Erfahrungswert fußt und keinerlei empirische Beweise liefern kann.

Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Alana am 25. Mai 2019, 12:22:15
Audio ist ganz stark im Kommen und es ist für jeden Autor wichtig, Hörbücher zu haben, um da den Anschluss nicht zu verlieren. Allerdings müssen sie wirklich gut gelesen sein und das ist eben teuer. Man kann also nicht einfach sagen: macht doch mal mehr Hörbücher. Die Verlage machen die Hörbücher auch nicht selbst, mit wenigen Ausnahmen wie Lübbe, sondern verkaufen die Lizenzen an Hörbuchverlage. Werbung ist dann deren Sache und nicht die der Buchverlage. Ändern wird sich das erst, wenn es günstiger wird, Hörbücher professionell zu produzieren. Wobei das dann auf Kosten der Sprecher geht und ob man das den Kollegen wünschen will ...
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: FeeamPC am 25. Mai 2019, 13:14:48
Ein Hörbuch ist ähnlich teuer wie eine Übersetzung. Ein nicht einmal besonders langes Buch von 70 000 Wörtern einlesen zu lassen kostet im preiswertesten Fall um die 5000 bis 6000 Euro. Das ist mehr Geld, als sich die meisten Verlage für Nicht-Spitzentitel leisten können. Und Kleinverlage stemmen das nicht einmal für die besten Titel.
Und die Kosten der CDs kommen ja auch noch dazu. Da kann man noch einmal 2000 Euro oder mehr einkalkulieren. Nicht alle Kunden wollen Audiobooks als Download.
Hörbuch klappt also in den meisten Fällen nur, wenn die Hörbuchlabel die Produktion in Lizenz, also auf eigene Kosten machen. und das tun sie ganz bestimmt nicht mit wenig verkauften Büchern von nur marginal bekannten Autoren. Da wäre das Risiko viel zu groß, die Kosten nicht wieder hereinzuholen.
Selbst einlesen ist meist auch keine Option, ohne vernünftiges Hardware und geschulte, gute Sprecher kriegt man nur unverkäuflichen Schrott.
Wir haben mal für eine Schule eine Eigenproduktion gemacht. Das Ergebnis ließ sich nur verkaufen, weil es die Verwandten und Bekannten der Schüler haben wollten.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Mara am 25. Mai 2019, 13:19:45
Außerdem muss man daran denken, dass Bücher ja ursprünglich ein visuelles Medium waren, das erst in den letzten paar Jahrzehnten immer häufiger als Hörbuch adaptiert wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich das noch weiter etablieren wird. Vielleicht gibt es dann ja irgendwann sogar einen Markt an reinen Hörbüchern, die vielleicht sogar ganz anders ausgelegt sind.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Mara am 25. Mai 2019, 13:22:45
@FeeamPC stimmt, ich war letztes Jahr auch an einem Amateur-Hörbuchprojekt beteiligt, und man merkt den Unterschied extrem. Wir haben Audacity benutzt, was noch relativ gut war. Aber wahrscheinlich wurde es vor allem gekauft, weil es für einen lokalen guten Zweck war. :D
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Trippelschritt am 25. Mai 2019, 13:32:41
Ich glaube auch nicht, dass man die Kalkulationen vergleichen kann. Mehr dazu auf Montsegur.

Trippelschritt

Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Zit am 25. Mai 2019, 16:17:20
Zitat von: Trippelschritt
Ich glaube auch nicht, dass man die Kalkulationen vergleichen kann. Mehr dazu auf Montsegur.

Trippelschritt

Hast du einen Link dazu?

Zitat von: MaraVielleicht gibt es dann ja irgendwann sogar einen Markt an reinen Hörbüchern, die vielleicht sogar ganz anders ausgelegt sind.

Da fallen mir spontan Hörspiele ein. Leider gibt es das bisher hauptsächlich für Kinder. Als reine Hörspielproduktionen für Erwachsene kenne ich nur ein paar Eigenproduktionen von audible. (Vermutlich gibt es auch eine Hörspielszene mit Underground-Produktionen? Aber damit habe ich mich noch nicht beschäftigt.)
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Trippelschritt am 25. Mai 2019, 16:51:23
@ Zitklasa

https://montsegur.de/ipb-forum/index.php/topic/22604-monts%C3%A9gur-2019/page-9

Ich habe keine Ahnung, wie man einen Link setzt. Habe es einfach reinkopiert. Vielleicht reicht das ja.

Trippelschritt

EDIT: Geht ja, wieder was gelernt :)
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 25. Mai 2019, 16:54:49
Scheinbar nur für registrierte Benutzer*innen. Schade, ich hätte dort gerne reingelesen.
Aber als Selfpublisherin sitze ich gerade auch da und denke "Gut, mag sein, dass Hörbücher ein toller Markt sind, weil man sie sich anhören kann, während man eigentlich andere Dinge tut. Aber ich komme dort nicht hin. Nicht in den nächsten fünf Jahren."
(Persönlich klappt es für mich nicht - wenn mir jemand was vorliest, werde ich zum Kinde und schlafe ein.)
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Trippelschritt am 25. Mai 2019, 19:05:07
Nö, Autorenthemen und Branchennews. Das steht im öffentlichen Bereich und müsste zugänglich sein.

Versuch's noch mal.

Trippelschritt
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 25. Mai 2019, 19:21:39
Ah, ich habe es manuell gesucht. So geht es: https://montsegur.de/ipb-forum/index.php/topic/22660-audiobooks-vs-print/
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Trippelschritt am 26. Mai 2019, 12:20:02
Danke!

Trippelschritt
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Linda am 30. Mai 2019, 20:29:15
Also, ohne jetzt die genauen Zahlen nachzuschlagen, kann ich festhalten, dass sich erfahrungsgemäß meine "Cotton reloaded"-Thriller (Und der Kurz-Psychothriller "Im Keller des Killers" wohl auch) wesentlich besser in der Audiofassung verkauft haben, als in der E-Book-Fassung.  Das dürfte bei den übrigen Titeln der Reihe nicht anders sein. Sie sind sehr gut gelesen - habe mir die Tobias-Kluckert-Fassungen meiner Geschichten immer selbst noch mal angehört, weil sie ein echter Zugewinn sind.
Die Titel gab es anfangs mal als mp3-CD, später nur als Download.
  Es sind allerdings Kurzromane, die vorgelesen zwischen 2,5 - 3,5 Stunden lang sind (und auch zu kundenfreundlichen Kampfpreisen bzw im Bundle erhältlich sind). Das lässt sich gut mal an einem Nachmittag oder Abend bei einer längeren Zugreise usw. weghören.

Mein Hauptproblem als Rezipient von Audiobooks ist das Tempo. Ich lese halt viel viel schneller, als wenn ich mir ein Buch anhöre und daher mag ich da die Kurzformate lieber. Bei 10 oder mehr CD's
(also eine normale Romanlänge) verliere ich einfach oft die Lust zwischendrin, was mir bei Büchern so gut wie nie passiert.

@Zitkalasa - es gibt unzählige Hörspielproduktionen auch für Erwachsene - und auf CD. Sehr oft Grusel/Horror, Krimi/Thriller, aber auch andere Genres wie Fantasy. Jenseits der ??? gibt es noch einen großen Teich.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Linda am 30. Mai 2019, 20:34:40
@AngelikaD

ich bin ganz gut mit Audio und Stimmerkennung. Aber ich empfinde einen Hörbuch-Sprecher immer als Hindernis zwischen mir und der Geschichte. Alleine Tempo, Stimme, Klangfärbung und Betonung interpretieren den Stoff schon so stark, dass das für mich oft nicht gut funktioniert. Es ist also nicht immer eine Aufwertung des Texts - schon alleine durch individuellen Geschmack und Vorlieben.
Meine innere Geschichte/Bilder erzeuge ich am liebsten selbst durch eigenes Lesen.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Maria am 31. Mai 2019, 19:31:18
Danke für deine Einsichten.

Ich habe mir, auch wegen der einen Ausschreibung, überlegt, es irgendwann mal mit einem speziellen Hörbuchtext zu versuchen, eine Kurzgeschichte, nur um das Gefühl für das Hörbuchschreiben zu bekommen.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Ananke am 26. Juni 2019, 12:22:29
Mit dem The Hörbuch-Fassungen beschäftige ich mich zurzeit auch stärker. Ich habe das Glück, dass mein Mann eine sehr angenehme Stimme hat und auch über eine grundlegende Sprech- und Gesangsausbildung verfügt – erstmal die perfekten Voraussetzungen als Einsprecher.
Allerdings fürchte ich, dass das für ein verkaufsfähiges, professionelles Hörbuch dann doch noch nicht ausreicht. Hat jemand hier Erfahrungen dazu, welche Möglichkeiten es für angehende Sprecher gibt, sich noch besser weiterzubilden?
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: KaPunkt am 26. Juni 2019, 13:45:57
Er (oder du) könnte nach einem Gesangslehrer / Sprechtrainer suchen. Ich gönne mir eine Stunde pro Monat seit etwa einem Jahr. Ohne großes Üben außerhalb der Stunden bin ich schon deutlich besser geworden ( finde ich ), obwohl ich es vor allem zur Entspannung und Selbsterfahrung mache.

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Sturmbluth am 26. Juni 2019, 14:38:13
Zitat von: AngelikaD am 24. Mai 2019, 20:01:39
Daher, so glaube ich, müssten diese Menschen sich wohler fühlen, wenn man ihnen eine Geschichte erzählt als wenn sie diese selber lesen. Dazu haben es die kinästhetischen Menschen auch viel leichter, wenn sie eine Geschichte beim Joggen anhören als wenn sie ein Buch dabei lesen, oder?

So gesehen müssten sich mehr Audiobooks als Printbücher verkaufen.
Dazu würde ich gerne sagen, dass ich Hörbücher eigentlich nur deshalb verwende, weil ich sie während der Autofahrt hören kann. Ich ärgere mich in 90% der Fälle über die Sprecher. Zum einen darüber, dass viele das Buch nicht einfach vorlesen, sondern versuchen, ein Hörspiel daraus zu machen (und ständig ihre Stimme furchtbar verstellen), zum anderen deshalb, weil ich oft mit der Interpretation der Figuren nicht einverstanden. Da spricht z.B. eine Figur weinerlich, wo ich eher "normal" erwarten würde. Frauen werden von männlichen Sprechern meist devot hauchend gesprochen. Ich meine, als Autor wird man ständig darauf hingewiesen, den Leser nicht "an die Hand zu nehmen" und alles zu erklären; Interpretationsspielraum zu lassen. Aber die meisten Hörbuchsprecher machen genau das: sie interpretieren für den Hörer. Ich mag das nicht.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: Angela am 26. Juni 2019, 16:22:57
ZitatHat jemand hier Erfahrungen dazu, welche Möglichkeiten es für angehende Sprecher gibt, sich noch besser weiterzubilden?
Ich habe da bisher zwei Fortbildungen zu besucht und in erster Linie braucht es Leute, die auch gut schauspielern können. Nicht zu übertrieben und nicht zu gelangweilt. Kommt sicher auch auf den Text und die Zielgruppe an.

@HSB, ich bin ohnehin zu ungeduldig für Hörbücher, aber das ist auch noch ein Punkt, weshalb es für mich nicht geht. Ich will mir ein eigenes Bild machen. Neulich habe ich kurz in eine Lesung auf Youtube angehört, die einfach zu grausam übertrieben war.
Titel: Re: Audiobook vs Print
Beitrag von: DoroMara am 06. August 2019, 23:01:53
Ich nehme hier die Diskussion nochmals auf: Ich denke, Hörbücher lohnen sich, weil wie von @AngelikaD  schon genannt, viele Menschen eher die auditiven Typen sind. Viele wissen das gar nicht und haben auch noch nicht ein Hörbuch gehört - deswegen wird das endlich in den Schulen eingeführt (ich bin Dozentin, husthust ...)

Ich selber nehme an, das ich der visuelle Typ und darum auch eine fanatische Lerserin bin. Trotzdem höre ich Hörbücher, bin aber extrem heikel, wenn mir die Sprecher nicht gefallen. Zu viel betont - zu wenig betont - schon höre ich nicht weiter. Ich kann schlechte Texte lesen, nicht aber schlecht gesprochene Hörbücher hören. Deswegen ziehe ich das Buch dem Hörbuch vor. Ich nehme aber an, dass dies damit zu tun hat, dass ich über das Visuelle funktioniere und ein Mensch, der eher auditiv veranlagt ist, nicht so heikel ist.