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"Moderne" Sprache in historischen Settings

Begonnen von Julia, 18. Januar 2011, 19:48:54

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FeeamPC

Die Sprache hat da ausgesprochene Fallstricke. Gerade gestern habe ich auf einem englischen Blog gelesen, dass gewisse Worte, die sich heute nicht mehr reimen, damals so ausgesprochen wurden , dass sie sich doch reimen, und dass sie zudem durch die damalige Aussprache praktisch klangen wie der unzüchtige andere Wörter, so dass z.B. ein heres Shakespeare-Gedicht bei genauerem Hinhören nicht mehr hoch und edel war, sondern in Wirklichkeit (durch die Doppeldeutigkeit) eine üble Zote.

So ähnlich dürfte es auch im Deutschen aussehen. Es macht also nicht viel Sinn, sich sklavisch an die damalige Sprache zu halten, man muss die schon sinngemäß in unsere Sprache übertragen, wenn man die Leser nicht verwirren will (oder, schlimmer noch, verlieren will).

Churke

Zitat von: Franziska am 22. November 2014, 12:36:09
Romane aus der entsprechenden Zeit und welche die in der Zeit spielen sind wirklich gut zur Recherche. Wobei das nur für die letzten Jahrhunderte möglich ist, davor gab es ja noch keine Romane, dann muss man welche nehmen, die heute geschrieben wurden.

(Vers-)Romane gibt seit dem 12. Jahrhundert und aus der Antike sind noch ein paar "richtige" Romane erhalten.

Zitat von: Signy am 05. Dezember 2014, 08:25:48
ich habe gestern zwar den Anfang verpasst, aber dann doch ab etwa der Hälfte in den "Götz von Berlichingen" reingeschaut - und konnte irgendwie überhaupt nicht damit warm werden, wie die geredet haben.

Ach, nur?  ;D
Ich meine, hey, halbnackte Hexe im Bikini, Kostüme wie vom Mittelaltermarkt und ein abenteuerlicher Plot nach dem Lehrbuch "100 garantiert erfolgreiche Plots!!!!"

Und Goethe... das ist halt Bühnensprache des 18. Jahrhunderts.

Signy

Zitat von: FeeamPC am 05. Dezember 2014, 10:35:53
Die Sprache hat da ausgesprochene Fallstricke. Gerade gestern habe ich auf einem englischen Blog gelesen, dass gewisse Worte, die sich heute nicht mehr reimen, damals so ausgesprochen wurden , dass sie sich doch reimen, und dass sie zudem durch die damalige Aussprache praktisch klangen wie der unzüchtige andere Wörter, so dass z.B. ein heres Shakespeare-Gedicht bei genauerem Hinhören nicht mehr hoch und edel war, sondern in Wirklichkeit (durch die Doppeldeutigkeit) eine üble Zote.

Hast du da einen Link bei der Hand?

Ein Bekannter schreibt auf Englisch historische Romane, der Link wäre ein nettes Nikolausgeschenk für den!

@ Churke: Zwecks Götz von Berlichingen - es war RTL, wenn ich nicht irre, wo es ausgestrahlt wurde.
Da schraube ich meine Erwartungen schon mal vorausschauend ein gutes (!) Stück weit runter.

Abgesehen davon hat mir mein Sohn erzählt, dass bei der diesjährigen Aufführung des "Götz" in Jagsthausen Götz Otto dem Publikum sein blankes Hinterteil präsentiert hat, was dann bei der ältlichen Deutschlehrerin wohl fast zu einem Ohnmachtsanfall geführt habe.

Übrigens hat ich vor allem die Frisur des einen (ringsum geschoren, obenrum Simpelfransen und hinten ein geflochtener Zopf) dermaßen an einen Typen erinnert, der immer hier im Adventon herumhatscht, wenn die Events machen. Das war auch sehr irritierend. Aber die "Mord mit Aussicht"-Belegschaft doch ungleich mehr. *lach*

Coppelia

Hm, ja, ich denke auch, es funktioniert leider nicht, aus schriftlichen Originaltexten einer Epoche abzuleiten, wie die Leute geredet haben. Einige Texte sind wahrscheinlich der Umgangssprache näher (Briefe, Gerichtsprotokolle ...) als andere (Romane, politische Reden ...). Wenn man sich darauf einlässt und viel in der Richtung liest, kann es sicher zum Flair des Romans beitragen und einem ein paar schöne Wendungen und vielleicht Fachvokabular beibringen. Wie die Leute "normal" gesprochen haben, weiß man dadurch aber leider noch nicht wirklich.

Ich nutze in meinen antiken Settings Umgangssprache, wenn die Leute einen entsprechenden Hintergrund haben, und auch, wenn sie sich privat unterhalten. Flapsig sollte es nur sein, wenn es passt, z. B. weil Jugendliche miteinander sprechen, die ja damals wie heute ihre eigenen Trends folgten und ihre eigenen Interessen hatten. Wenn die Situation entsprechend ist, werden auch mal die großen sprachlichen Geschütze aufgefahren. :)

Wo ich mir eher unsicher bin, ob es zweckdienlich, ist, wenn man Worte, die sich in ihrer Bedeutung verändert haben, noch in ihrer alten Bedeutung benutzt (z. B. "toll"). Ich fürchte, das würde die Leser eher verwirren.

Nycra

Zitat von: Coppelia am 05. Dezember 2014, 10:55:20Wo ich mir eher unsicher bin, ob es zweckdienlich, ist, wenn man Worte, die sich in ihrer Bedeutung verändert haben, noch in ihrer alten Bedeutung benutzt (z. B. "toll"). Ich fürchte, das würde die Leser eher verwirren.
Ich kenne beide Bedeutungen und weiß, wenn ich das im entsprechenden Setting lese, was damit gemeint ist, aber trotzdem stolpere ich auch jedes Mal gerade über dieses Wort.  ::)

Und von einer bestimmten Betaleserin weiß ich, dass es ihr z.B. lieber wäre, wenn in Texten Worte vorkämen, die ihr geläufig sind, weil sie sie dann besser versteht. Bis zu einem gewissen Grad kann ich das nachvollziehen, aber es würde mich unheimlich ärgern, in einem mittelalterlichen Setting von "Training" oder anderen neudeutschen Wörtern zu lesen.


Signy

Vielen Dank @ Freeam PC!
Dann kann der Nikolaus morgen ja kommen! *freu*