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Körpersprache - unnötige Wiederholung?

Begonnen von K.S. Clarke, 16. April 2018, 16:23:19

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K.S. Clarke

Helau  :vibes:

Ich hätte mal eine Frage zum Thema Körpersprache.
Ich habe mich dazu schon ein wenig im Internet durchgelesen und habe da die Regel entdeckt, man solle Körperbewegungen nicht ständig wiederholen. Also Charakter X soll zum Beispiel nicht konstant die Augenbrauen hochziehen.

Da stellte ich mir die Frage:

Klar, in einem Kapitel in mehreren aufeinanderfolgenden Sätzen auf die hochgezogene Augenbraue des Charakters hinzuweisen ist irgendwie ablenkend, aber ist Körpersprache nicht auch etwas, was einen Charakter beschreibt?

Wenn man sich selbst im realen Leben beobachtet, so erkennt man bestimmt einige Bewegungen, die man konstant in spezifischen Situationen macht. Ich spiele zum Beispiel immer mit meinen Haaren wenn ich nervös bin.

Wie seht ihr das? Darf Emotion x oft oder meist mit einer bestimmten Körpersprache ausgedrückt werden? Und wann wird es zu viel oder zu repetitiv?

Klecks

#1
Ich versuche das immer so zu organisieren, dass ich innerhalb eines Dialogs möglichst nur zweimal eine bestimmte Geste wiederholt vorkommen lasse, weil meinem Gefühl nach alles andere zu viel ist.  :D  Ich mochte zum Beispiel Trudi Canavans Bücher total gerne, aber irgendwann ging es mir schon ein bisschen auf die Nerven, dass auf manchen Seiten (gefühlt oder tatsächlich) fünfmal die Schultern gezuckt wurde oder viermal jemand zusammengezuckt ist oder dreimal aufgelacht wurde, ect. - das ist aber nur mein Gefühl, ich schätze, ab wann es irritiert, ist sehr individuell. Ich hab mir wie gesagt die Regel von zweimal gesetzt und versuche ab dann Synonyme zu finden. Wenn jemand beispielsweise zweimal gelächelt hat, schmunzelt er beim nächsten Mal. Oft passiert das aber nicht während dem Schreiben, das bei mir generell sehr intuitiv ist, sondern später, wenn ich nochmal drübergehe und an einem Absatz feile, den ich gerade geschrieben habe. Meine NaNo-Romane strotzen in Dialogen deshalb oft nur so vor Wiederholungen, was die Körpersprache betrifft.  ;D  Das Thema ist auch, denke ich, eine der Sachen, bei dem einen besonders gut Betaleser weiterhelfen könne, indem sie beim Durchlesen darauf achten. 

Edit: Noch zum Thema Charakterisierung durch Körpersprache - wenn eine Figur beispielsweise einen bestimmten Tick hat, dann baue ich die Wiederholungen bewusst ein, weil es einfach zu dieser Figur dazu gehört. Aber "Standardbewegungen" wie hochgezogene Augenbrauen und Schulterzucken und dergleichen sehe ich davon nochmal unabhängig.  :D

Aylis

Ich denke, Bücher werden ja auch häufig danach geschrieben, was am Prägnantesten ist. Die immer gleiche Geste würde mir im "realen Leben" sozusagen auch nur einmal auffallen.
Vielleicht noch ab und zu, wenn sie mich nervt, z.B. wenn man daran erkennt, dass jemand lügt oder etwas verbirgt.
Ich hatte z.B. mal eine Dozentin, die tierisch genervt davon war, dass eine Mitschülerin von mir sich stets die Haare um den Finger wickelte. Da wusste sie nämlich, dass diese bei den Gedanken ganz woanders war. Wo ich es gerade beschreibe, hatte ich das sogar schon zweimal... :hmmm:
Aber selbst wenn es eine Angewohnheit ist, die stark mit dem Charakter verbunden ist, würde ich sie höchstens ab und zu mal gerne lesen.
Ansonsten schließe ich mich Kleks komplett an.
Vielleicht mir einer weiteren Ergänzung: Bei einem Charakter mit Stimmproblem habe ich das Problem damals gelöst, indem es immer wieder aufkam, wenn er einen neuen Menschen kennengelernt hat.
Willst du also erreichen, dass man eine bestimmte Geste mit einem Charakter verbindet, achte darauf, dass es situationsabhängig wieder genannt wird. So wirkt es auf mich lebhaft.
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Katja

In meiner Geschichte ist es ein zuckender Mundwinkel. :) Ich bin mir auch nicht sicher, wie oft so etwas wiederholt werden sollte. Allerdings glaube ich, dass es die Figur auf jeden Fall charakterisiert, vor allem, wenn sich die Körpersprache immer bei der gleichen Emotion zeigt. Dann kann man, nachdem "das Geschehen" einmal im Text eingeführt ist, die Körpersprache einsetzen, statt aufwendig zu beschreiben, dass sich die Figur gerade so fühlt. Ich persönlich glaube, dass das dem Leser vermittelt, die Figur jetzt auch schon besser zu kennen. Man darf es natürlich nicht übertreiben.

Zauberfrau

#4
Oh, das ist ein sehr guter Thread. Noch nie drüber nachgedacht.
In einer meiner Geschichten gibt es auch eine Figur, die sich bei Stress-Situationen immer mit den Fingern durch die Haare kämmt. Da denke ich auch schon drüber nach, ob dieser Tick nicht zu sehr im Erzählfluss nervt.

Ich gebe @Klecks da recht: Das kann nur ein guter Betaleser entscheiden und ein Zuviel im Text entlarven.

Gizmo

#5
Jaaa, die Frage habe ich mir auch schon gestellt.  :)

Ich glaube auch, dass ich noch zu viele Wiederholungen in meinem Text habe, gerade was 'Standard-Gesten' wie Augenbrauen heben oder Achselzucken angeht. Ich versuche es im Moment so: Nicht mehr als zweimal pro Dialog - so wie Klecks - oder, wenn die Geste einen Teil des Dialogs ersetzt. Z.B., wenn das Achselzucken die Antwort auf eine Frage ist ("Mir doch egal."), oder ein Charakter lediglich die Brauen hebt, ohne eine Frage auszusprechen.
Das Augenbrauenheben im Zusammenhang mit einer Frage z.B. kann man oft weglassen, da sich viele Leser - meiner Erfahrung nach - Körpersprache zu den Worten vorstellen. Und Leser, die das nicht tun, stört es nicht, wenn die Geste fehlt.
Zuweilen kann man sich eine Geste auch sparen. "Er sah ihn wütend an, die Brauen zusammengezogen." Für mich wäre hier klar, dass er die Brauen zusammenzieht, weil er jemanden wütend ansieht.
Ticks von bestimmten Charakteren sind etwas anderes, aber hier muss man es auch nicht übertreiben. Wenn es zu oft kommt, sitze ich schon einmal vor einem Buch und sage: "Danke, ich weiß mittlerweile, dass sie sich immer die Haare hinters Ohr streicht!".

So, und nachdem ich jetzt so schlau dahergeredet habe, werde ich mich brav an meinen Text setzen und versuchen, überflüssige Gesten zu jagen.  ;D
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Turiken

Einem Charakter markante Gesten zu geben, finde ich eigentlich ein sehr schönes Detail, das sehr dazu beiträgt, jemanden lebendiger zu gestalten. Ich schließe mich da aber meinen Vorrednern an: Weniger ist mehr. Schon in einem einzigen Dialog kann eine Wiederholung manchmal als störend empfunden werden, gerade wenn es sehr markant ist. Ich meine jetzt nicht so was wie "sie lächelte", sondern eher so was wie "er fuhr sich durchs Haar". Zugegeben, viele Leser überlesen es einfach, aber ich bleibe an so was immer hängen, einfach weil es wesentlich wichtiger ist, was da gesprochen wird bzw. was da gerade passiert.

Es gibt natürlich auch kleine nette Schummeleien, die man ausnutzen kann. So was wie "Er fuhr sich zum wiederholten Mal durchs Haar" suggeriert, dass er das ständig macht, ohne dass man es dreimal erwähnen muss. Ansonsten kann man den Lesern normalerweise ganz gut vertrauen, dass sie bestimmte Gesten mit dem Charakter verbinden, wenn man es einmal etwas ausführlicher erwähnt hat.

canis lupus niger

Wenn eine Person in einer Geschichte einen "Tick" hat, dann würde ich diese Geste auch mehrfach erwähnen, aber nicht öfter als drei oder viermal in einem Roman.

Mein Hauptprota fängt an, unruhig herumzulaufen, wenn er über ein schwieriges Problem nachdenkt. Und in Band vier habe ich vorgesehen, dass er diese Macke an seinem Vater ebenfalls beobachtet. Aber ich vermeide es intensiv, den Leser mit der Schilderung ständig zu nerven. Dagegen finde ich es hübsch, indirekt zu zeigen, dass der Charakter sowas immer wieder macht. Eine andere Person könnte seufzend seinen Arm packen und ihn auffordern, das doch endlich mal zu lassen.

Etwas weniger "Großes" stört auch  nicht so sehr. Wenn jemand die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneift, dann kann das zwischen den 400.000 Worten eines dicken Buches schon 2 bis drei Mal ziemlich unauffällig versteckt werden.

Aphelion

Auch bei Marotten finde ich es schöner, wenn sich die Beschreibungen abwechseln.

Beispiel:
Er zupfte am Saum seines Rocks.
Seine Finger wanderten erneut zum Saum.


Hier eignen sich oft auch perspektivische Tricks: Es wird etwas beschrieben, das nur durch eine bestimmte Handlung wahrnehmbar ist oder auf das durch die Handlung die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Die Handlung selbst wird dabei nicht (erneut) beschrieben.

Beispiel:
Der Stoff zwischen seinen Fingern fühlte sich rau an.
Eine widerspenstige Stofffalte wollte sich einfach nicht glätten und fiel immer wieder in ihre alte Position zurück.
Am Rocksaum hatte sich ein Faden gelöst.