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(Vulgäre) Beleidigungen - Misogynie, Homophobie, etc.

Begonnen von Timmytoby, 26. Oktober 2014, 12:58:11

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Sprotte

Da kommt das übliche Problem auf: Solche zeitgemäßen Schimpfwörter verlieren relativ schnell an Bedeutung, weil Sprache sich weiterentwickelt. Wir haben irgendwo einen Thread zur Jugendsprache, in dem das vertieft wurde. Wenn ich meinen Nachbarkids mit "coolen Sprüchen", die ich vielleicht vor zwei, drei Jahren aufgeschnappt habe, komme, lachen sie sich scheckig über meine veraltete Sprache.

Arschloch und Co sollten aber universal und relativ zeitlos sein.

Snöblumma

Hör doch einfach mal im Bus/Zug/etc. zu, wenn die Zielgruppe miteinander spricht! Da schnappst du sicher das ein oder andere auf. Ich weiß, dass das allgegenwärtige "Opfer" sowas wie ein Standardbegriff geworden ist, aber mehr auch nicht, dazu hab ich zu wenig mit Leuten in dem Alter zu tun.

Oh, was mir gerade noch einfällt: Beleidigungen haben ja auch immer eine kulturelle Dimension. Mit was man beleidigt, ist regional sehr verschieden und kann so auch dazu dienen, einen Charakter örtlich zu verankern. Eine Kultur schimpft eher mit Fäkalausdrucken, eine andere mit Tierworten, etc. Ich hab da nur vor langem mal einen sehr spannenden Aufsatz darüber gelesen, kann mich aber an die Einzelheiten gerade nicht mehr erinnern...

Merwyn

Zitat von: Timmytoby am 26. Oktober 2014, 20:32:56
Als kurzes Addendum noch: Habt ihr eventuell Vorschläge für Ausdrücke, wie sie Mittzwanziger heute (Oktober 2014) in Berlin untereinander verwenden könnten?

Konkrete Beispiele für Berlin habe ich nicht, in meinem Mitt- bis Endzwanziger-Freundeskreis in Bayern sagen wir aber z.B. Schwanz, Depp, Arsch(loch), (Dreck)Sau, Schlampe, gern kombiniert mit einem blöd oder dumm davor zur Steigerung ;) Davon würde ich jetzt nichts als zeitgemäß einstufen, entsprechend sind sie auch nicht besonders kreativ, aber in dem Alter ist man meiner Meinung nach auch nicht mehr auf "coole" Ausdrücke angewiesen um anständig zu fluchen. Freilich lernen's manche Menschen nie... (Ich muss regelmäßig den Kopf über einen ca. 10 Jahre älteren Kollegen schütteln, der meint, es wäre so toll, wenn er mit "verfickter Fuck-fotze" oder solchem Blödsinn ankommt.)

Guddy

Kreative Beleidigungen finde ich auch eher lächerlich und unrealistisch. Als ich noch jung war (  :d'oh: ) war es in Mode, ironisch "Du Toilettentieftaucher mit Arschbeleuchtung!" zu schimpfen, aber mit der wirklichen Realität hat das natürlich(oder vll auch: Meiner Erfahrung nach) nichts zu tun.

Wenn du Beleidigungen der Jugend recherchieren willst... guck dir die Kommentare unter Youtubevideos an ;) Aber ich denke, "Opfer" ist ganz beliebt?

Timmytoby

Danke euch.  :vibes:
Werde definitiv nochmal gründlich bei der Überarbeitung drüber nachdenken.

Valaé

ZitatWenn du Beleidigungen der Jugend recherchieren willst... guck dir die Kommentare unter Youtubevideos an ;) Aber ich denke, "Opfer" ist ganz beliebt?

DAS ist eine geniale Idee. Sorry, musste ich kurz loswerden, aber ja, da hat man glaube ich wirklich eine enorm gute Quelle.

Ich bin mir nicht sicher, wie selbstständig sie sich gemacht haben, aber zumindest im Internet, aber auch durchaus auf der Straße bin ich auch schon auf die aus dem Onlinespielbereich stammenden "Noob" und "Kackboon" getroffen - meistens um die Unwissenheit von jemandem zu betonen ("Noob" ist im Onlinespielbereich die abwertende Bezeichung eines Neulings, "Boon" einfach nur Noob rückwärts gelesen, tritt aber meistens nur in vorne genannter Form auf - ich würde sie nicht erwähnen, wenn ich sie nicht tatsächlich auch schon auf der Straße gehört hätte).

Franziska

Ich sehe das auch so, dass alles erlaubt ist, solange klar wird, dass es die Meinung der Figur und nicht die vom Autor ist. Wenn man alles politisch korrekt machen wollte, dürfte man ja auch keine Figuren haben, die politisch unkorrekt denken oder handeln. Das finde ich ziemlich unsinnig.

absinthefreund

@Valaé: Deine Beiträge spiegeln ziemlich genau meine eigene Meinung wider.

Sorry, ihr seid eigentlich schon weiter in dem Thema. Außerdem ist das mal wieder viel länger geworden als beabsichtigt. :hmmm: Aber eine Sache bereitet mir Stirnrunzeln: @Timmytoby sagt, er will frauenfeindliche Beleidigungen aus seinem Text entfernen, aber die schwulenfeindlichen drinnen lassen. Das ist eine seltsame Einstellung. Nur weil er ein schwuler Mann ist (richtig?), heißt das doch nicht, dass er in seinen Texten nur Schwule beleidigen darf. ???

Diskriminierende Beleidigungen aus political correctness zu vermeiden, wäre das nicht eine Art Augenverschließen gegen existierende Diskriminierungen? Es ist ja nicht gesagt, dass die beleidigte Figur in der Geschichte das so hinnehmen muss, es könnte z.B. Auslöser für eine Diskussion über die Thematik sein oder die beleidigte Figur weiß sich clever zur Wehr zu setzen, sodass der Beleidigende dumm da steht. Es kann aber auch einfach so stehen bleiben, wenn die Szene das verlangt.

Es tut mir sehr leid, wenn bei diesem Thema schlimme Erinnerungen hochkommen, aber im schlimmsten Falle sollte die betroffene Person die Lektüre dann weglegen. Literatur hat nicht die Pflicht, Lesern entgegenzukommen. Wie seht ihr das denn mit der "Krebsbücher-Mode"? Ich bin sicher, dass so einige Leute von vorneherein die Finger davon lassen, weil sie sich schmerzlich an eigene Erfahrungen erinnert fühlen. Aber deshalb sagt doch niemand, dass keine "Krebsbücher" mehr geschrieben werden sollen.

Man kann Autoren nicht vorschreiben, welche Ideologie sie in ihren Geschichten vertreten sollen, das würde zu einer sehr eintönigen Literaturlandschaft führen. Deshalb steht für mich Schreiben erst einmal außerhalb der Moral. (Bei Kinderbüchern ist das noch etwas anderes, bei Jugendbüchern, denke ich, auch, weil sie doch häufig einen pädagogischen Anspruch haben.) Wie Autoren dann mit der Moral umgehen, ist ihre Sache, und ob es dem Publikum gefällt, eine andere. Gute Autoren, davon gehe ich mal aus, überlegen sich, ob und wie stark sie mit ihrer Geschichte moralisieren oder eben provozieren wollen. Sowohl das eine als auch das andere müssen das ergänzen, was sie erzählen wollen.

Für mich gehören (derbe) Schimpfwörter und je nach dem auch diskriminierende Beleidigungen dazu, wenn, wie hier schon mehrfach gesagt, der Charakter einer Figur danach verlangt. Aber ich mache das doch nicht, weil ich besonderen Spaß an diesen Umgangsformen habe. Ich überlege mir sehr genau, welcher Figur ich welche Schimpfwörter in den Mund lege. Deshalb will ich auch nicht unreflektiert genannt werden.
Es gibt sicherlich Autoren, denen es Spaß macht, ihre Figuren fertig zu machen, vielleicht weil sie ihre sadistische Seite oder ihre Misogynie/Homophobie ausleben wollen, aber ich denke, der gesunde Menschenverstand kann gute Erzählungen von Müll unterscheiden, deshalb werden solche Geschichten auch nicht von seriösen Verlagen publiziert. Solche Leute kann ich nicht als Autoren ernst nehmen und will sie nicht auf die gleiche Stufe mit den für die Literaturwelt relevanten Autoren stellen.

Dabei fällt mir ein: Es gibt auch die ambivalente Sorte Autoren, die immer wieder für Gesprächsstoff sorgen. Norman Mailer und Hemingway z.B. waren bekannt für ihre Frauenfeindlichkeit, deshalb sind mir die Typen auch absolut unsympathisch. Aber ich schätze ihre Werke aus literaturästhetischer und -wissenschaftlicher Sicht. Und eben jene Werke bieten heute in Schulen und Universitäten Stoff für Diskussionen um Frauenfeindlichkeit und Homophobie – das ist in meinen Augen eine gute Sache.

Timmytoby

Zitat von: absinthefreund am 28. Oktober 2014, 14:06:32
Sorry, ihr seid eigentlich schon weiter in dem Thema. Außerdem ist das mal wieder viel länger geworden als beabsichtigt. :hmmm: Aber eine Sache bereitet mir Stirnrunzeln: @Timmytoby sagt, er will frauenfeindliche Beleidigungen aus seinem Text entfernen, aber die schwulenfeindlichen drinnen lassen. Das ist eine seltsame Einstellung. Nur weil er ein schwuler Mann ist (richtig?), heißt das doch nicht, dass er in seinen Texten nur Schwule beleidigen darf. ???

Ohne jetzt näher auf meinen Text einzugehen: Die homophoben Beleidigungen werden nur in einer Szene geäußert und da auch nur vom Ober-Antagonisten. Und ich glaube, dass ich als schwuler Mann beurteilen kann, wann homophobe Beleidigungen "realistisch" rüberkommen, wann sie zu weit gehen selbst in dieser Situation und wie man als Schwuler darauf reagiert.

Bei den misogynen war mein Problem ein anderes: Mein Prota hat an konkret zwei Stellen in der Handlung mit Frauen gestritten (weder mit ihm befreundet oder verfeindet, mehr neutrale Dritte), und dabei bin ich steckengeblieben, weil die Dinge, die er gesagt hat, sich entweder albern angehört haben (Deppin, Idiotin, etc.) oder frauenfeindlich.
Zum einen fand ich das nicht akzeptabel, weil er halt die Hauptfigur ist und auch noch der Ich-Erzähler, und er (hoffentlich) auch sonst im Text keine misogynen Tendenzen zeigt.
Zum anderen möchte ich mir nicht das Urteil erlauben, ab wann so was "zu viel" ist oder eine wie auch immer geartete Grenze überschreitet. Ich bin keine Frau und habe mich auch nie mit dem Sexismus in unserer Gesellschaft herumschlagen müssen. Zusätzlich bin ich in einer Subkultur unterwegs (der Schwulenszene) die sehr oft kritisiert wird für ihre misogynen Tendenzen. Mir fehlt schlicht die Erfahrung das beurteilen zu können.

Und deshalb eben der Anlass für diesen Thread, weil ich schon langsam dachte, ich bilde mir meine Bedenken nur ein (das passiert ja gerne mal, wenn man alleine ewig an einem Problem rumknabbert). Das Echo hier im Thread hat mir schon gezeigt, dass das nicht so war. Weil das Thema Sexismus und Misogynie nicht Teil des Buchs ist, habe ich das alles jetzt einfach rausgenommen.
Das Thema mit der Homosexualität kommt aber auch sonst im Buch vor und spielt in der entsprechenden Szene eine entscheidende plotrelevante Rolle. Also lass ich die homophoben Beleidigungen drin (ich hab sie aber auch nochmal in der Häufigkeit etwas reduziert).

Hoffe ich konnte das irgendwie klarer machen, wieso ich das eine dringelassen und das andere rausgenommen habe.  :vibes:

Kati

@absinthefreund : Es gibt einen ganz großen Unterschied zu Issue Books: Wenn ich ein Buch sehe, in dem es ganz klar um eine Krankheit geht oder um Homophobie oder um Mobbing, dann erwarte ich natürlich, dass da nichts schön geredet wird. Dann erwarte ich, dass in den Büchern explizit berichtet wird, was zum Beispiel Homophobie ist und wie sie sich äußert und dann fallen auch diskriminierende Schimpfwörter. Solche Bücher sagen einem, was zu erwarten ist und dann kann man sich darauf einstellen und entscheiden, ob man sie lesen möchte. Solche Bücher, die sich selbst den Raum geben Diskriminierung etc. aufzuarbeiten, zu erklären und darüber aufzuklären sind wichtig. Aber, wenn ich einen Fantasyroman lese über eine Dämonenjägerin, dann erwarte ich nicht, dass jemand sie diskriminiert. Und ein Roman über eine Frau, die Dämonen jagt wird selten den Raum haben, diese Diskriminierung anständig aufzuarbeiten und zu behandeln (man kann das natürlich vereinen, aber es passiert selten). Und ich bin dann nicht vorbereitet. Und wenn ich die Szene, in der die Frau diskriminiert wurde, erstmal gelesen habe, kann ich das Buch natürlich weglegen, aber gelesen ist gelesen. Und in solchen Büchern, in Romanen, die sich nicht den Raum nehmen ganz ausführlich damit umzugehen, möchte ich keine diskriminierende Sprache lesen. Weil es absolut nicht sein muss. Es ist für mich einfach fehl am Platz.

Für mich steht Schreiben auch einfach nicht außerhalb der Moral, weil auch Erwachsene von dem was sie lesen durchaus beeinflusst werden. Und die Bücher eben am Ende auch nicht nur für weiße heterosexuelle Menschen sind, die nicht betroffen sind. Ich vergesse ungern, dass das, was ich schreibe auch von direkt "betroffenen" Menschen gelesen wird und auch diese ein Recht auf Bücher haben, in denen sie nicht diskriminiert und angefeindet werden. Das ist ja für mich auch das Problem mit dem Begriff "political correctness". Wenn man auf so etwas nur achtet, weil man glaubt, irgendetwas nicht zu dürfen oder es nicht macht, weil das ja angeblich politisch nicht korrekt ist, dann vergisst man, dass es um Menschen geht. Mir geht es nicht darum, politisch korrekt zu sein. Es geht mir darum einfach ein anständiger Mensch zu sein und dazu gehört für mich persönlich nicht diskriminierend zu beleidigen. Was habe ich davon? Nichts. Aber ich sorge grundlos dafür das Leser, die es in meinem Buch zu Recht nicht erwarten, getriggert werden. Jemand hat diese Diskussion bereits verlassen, weil es ihr zu viel geworden ist und das ist genau die Reaktion, die viele Menschen haben. Sprache hat Macht und ich werde sie nicht gegen meine Leser benutzen. Natürlich schreibe ich nicht nur, um es meinen Lesern recht zu machen. Aber ich möchte trotzdem, dass sich so viele Leser wie möglich über mein Buch freuen und dazu gehört für mich einfach auch, dass ich niemandem diskriminierende Sprache aus heiterem Himmel zumute.

Und ein kleiner Nachtrag zum letzten Mal. Ich wollte eigentlich nichts mehr schreiben, weil die Diskussion sich abgekühlt hatte, als ich nach Hause kam, aber dann eben doch noch kurz, weil mein "unreflektiert" wieder aufgekommen ist. Wie ich in dem Post auch gesagt hatte, meine ich niemanden hier persönlich. Eine unreflektierte Verwendung besteht für mich, wenn jemand im Roman als Schlampe bezeichnet wird, und das ohne Kommentar stehen gelassen wird. Auch, wenn die Figur negativ ist und als der Dumme dasteht. Wenn der Autor nicht erklärt, dass das kein akzeptables Schimpfwort ist und wieso nicht, werden die wenigsten Leser von sich aus überlegen, was da jetzt problematisch ist. Und selbst, wenn der Autor genau weiß, wieso das Wort nicht okay ist, er muss es dem Leser auch gekonnt vermitteln. Und in Issue Books für Jugendliche passiert das zum Beispiel, aber mit solchen Beleidigungen wird in vielen Urban-Fantasy-Büchern zum Beispiel sehr unbedacht herumgeworfen, weil die Autoren anscheinend denken es würde besonders düster und edgy wirken immer auf die Minderheiten zu hauen. Ich sage nicht, dass ihr das macht und habe das auch in meinem letzten Post nicht gesagt, ich meine das eher ganz allgemein: Sowas ist für mich unreflektiert und geht gar nicht.

@Valaé, weil du dich angesprochen gefühlt hattest. Ich denke, wenn du mit "es muss passen" das meinst, was ich weiter oben zu Issue Books und ähnlichen Büchern geschrieben habe, dann war es einfach ein Missverständnis. In diesem Rahmen ist es für mich in Ordnung und muss sogar sein, weil das Buch das Problem zum Thema macht. Aber zum Beispiel reicht als Grund für mich nicht aus, dass die Figur einfach so ist und es ein Teil der Charakterisierung darstellt, sie diskriminieren zu lassen, wenn ich als Autor dann nicht wirklich den Aufwand betreibe, darzustellen, dass das nicht okay ist. Und das machen leider wirklich die wenigsten. Aber das hatte ich ja alles schon gesagt. Jedenfalls meinte ich wirklich nicht euch persönlich, sondern mit "euch" alle die mitlesen und mich auch selbst mit. Ich hätte "unsere" sagen sollen. Unsere Bücher werden hoffentlich gelesen und deshalb sollten wir alle uns einfach immer gut überlegen, ob wir etwas wirklich machen sollten oder ob es vielleicht auch ohne geht. Das ist für mich keine Frage von Zensur und Einschränkung, sondern einfach von Rücksicht. Aber ja, das ist nur meine Meinung und natürlich kann das jeder selbst entscheiden.

(Ich habe hier jetzt übrigens auch schon öfter wieder das Argument gelesen, dass man selbst von Mobbing betroffen war, darüber hinweggekommen ist und kein Problem mehr mit solchen Ausdrücken hat. Das finde ich ganz toll, ich freue mich für jeden, der lernt darüber hinwegzukommen und damit umzugehen. Aber vergesst nicht, dass das nicht jedem Leser so leicht fällt. Und besonders, wenn man selbst noch weiß, wie sich so etwas angefühlt hat, kann man doch nachvollziehen, wie es sich für viele Leser noch anfühlen muss. Nur, weil man sich selbst mittlerweile einen Fallschirm angeschafft hat, stößt man andere ja auch nicht von der Klippe und erwartet, dass sie sich dabei nicht verletzen. Und mit diesem mal wieder total gelungenen Vergleich höre ich dann auf, es ist schon wieder so viel geworden.)

EDIT: Timmy hat das jetzt nochmal gut erläutert, wie ich das auch handhaben würde. Wenn etwas im Buch wirklich ein Thema ist und ausreichend behandelt wird, dann geht das. Dann weiß ich das ja auch, bevor ich anfange das Buch zu lesen, denke ich, und kann mich drauf einstellen. Wenn es aber nur mal eben so benutzt würde, dann nicht. Eigentlich ganz einfach.  :)

Guddy

#40
Zitat von: Kati am 28. Oktober 2014, 15:00:41
(Ich habe hier jetzt übrigens auch schon öfter wieder das Argument gelesen, dass man selbst von Mobbing betroffen war, darüber hinweggekommen ist und kein Problem mehr mit solchen Ausdrücken hat. Das finde ich ganz toll, ich freue mich für jeden, der lernt darüber hinwegzukommen und damit umzugehen. Aber vergesst nicht, dass das nicht jedem Leser so leicht fällt. Und besonders, wenn man selbst noch weiß, wie sich so etwas angefühlt hat, kann man doch nachvollziehen, wie es sich für viele Leser noch anfühlen muss. Nur, weil man sich selbst mittlerweile einen Fallschirm angeschafft hat, stößt man andere ja auch nicht von der Klippe und erwartet, dass sie sich dabei nicht verletzen. Und mit diesem mal wieder total gelungenen Vergleich höre ich dann auf, es ist schon wieder so viel geworden.)
Nein, mit diesem Argument soll nicht eklärt werden, dass man genau diese Haltung von jedem anderen auch erwartet. Ich glaube, dass du getrost annehmen kannst, dass gerade unter uns Schriftstellern ein höheres Maß an Einfühlsamkeit in verschiedenste Charaktere/Persönlichkeiten herrscht.
Allerdings: Ich habe nicht das Gefühl, dass eine Meinung wie die meine von dir angenommen wird. Mehr noch, ich fühle mich ein wenig angegriffen. Um zu zeigen, dass auch ich mit meiner Meinung enst genomme werden möchte, habe ich an gemeinsame Erfahrungen appelliert(was nicht funktioniert hat). Ich weiß nicht, wie das bei anderen aussieht ;)
Aber ich fühle mich bei solchen Diskussionen recht hilflos, da ich wie gesagt nicht das Gefühl habe, dass meine (oder die von Leuten mit gleicher/Ähnlicher) Meinung ernst genommen wird. Das ist bei diesem Thema so und auch beim Thema Homosexualität.
Dass diese beiden Themen heikle Themen sind: Da brauchen wir denke ich nicht drüber zu diskutieren. Dass Leute getriggert werden können (ob von Kerkern, Foltern - wozu es hier auch etliche Threads gibt - oder Hasen) - das ist ebenfalls ein Fakt. Doch welche stilistischen Mittel man benutzt, welcher "schriftstellerischen Moral" man anhängt - das sind Dinge, die persönlicher Natur sind.
Und ja, ich nehme beide Themen ernst und nein, intolerante/asoziale/verächtliche Äußerungen habe ich zumindest hier noch nicht gelesen.

PS: Manche Leute werden davon getriggert, dass der Protagonist im Kerker sitzt. Mancher wird getriggert, wenn der Protagonist belästigt wird.

Kati

Guddy, natürlich nehme ich deine Meinung an. Ich muss dir doch aber nicht zustimmen. Ich sage eben genau wie du meine Meinung. Wir werden uns hier wie in vielen anderen Dingen nicht einig werden, aber das heißt nicht, dass ich deine Meinung nicht akzeptiere. Ich weiß nicht, woher du die Annahme nimmst, ich würde dich nicht ernst nehmen. Weil ich nicht zustimme? Weil ich nicht auf alles eingehe, das du sagst? Du wirst mich nicht umstimmen und ich werde dich nicht umstimmen und das ist völlig okay und wir können beide unsere Meinungen zu Themen sagen ohne, dass das bedeutet, dass wir uns gegenseitig nicht ernst nehmen.  ??? Ich weiß ehrlich nicht, wieso du dich deshalb hilflos fühlst und wie du auf die Idee kommst, nur, weil jemand deine Meinung kritisiert oder seine eigene, gegensätzliche Meinung auch äußert, würdest du nicht ernst genommen werden. So funktionieren Diskussionen doch, wenn sich alle immer einig wären, bräuchten wir gar keine Threads mehr aufmachen.

Guddy

#42
PM.

Kati

#43
Ich unterstelle dir und niemandem sonst hier unreflektiertes Verhalten, wie ich jetzt denke ich mehrmals deutlich gemacht habe. Ich habe dich nicht persönlich gemeint, Guddy, ich habe dich nicht einmal angesprochen und in meinem letzten Post noch einmal klar gemacht, dass ich generell über Reflexion gesprochen habe und nicht in Bezug auf die Leute hier, die andere Meinungen geäußert haben. Und ich ziehe nicht her. Ich habe auf Twitter meine Meinung dazu gesagt, wenn Leute ihr Recht auf diskriminierende Sprache über das Recht von Menschen stellen, nicht diskriminiert zu werden. Der Thread hier war ein Anreiz für meine Tweets, aber keiner von meinen Tweets zielt auf irgendjemanden ab, der hier eine Meinung vertreten hat. Ich lese etwas, das mich nachdenklich stimmt und dann schreibe ich auf Twitter oder Tumblr oder auf meinen privaten Blogs meine Meinung dazu. Aber ich ziehe über niemanden aus dem Forum her. Die Meinungen hier haben mich nachdenklich gemacht und ich habe allgemein dazu ein paar Tweets geschrieben. Du musst dich davon überhaupt nicht angesprochen fühlen. Wenn ich jemandem etwas zu sagen habe, dann sage ich es der Person. Wenn ich allgemein etwas sagen möchte, dann tue ich das. Und wenn du das auf dich und deine Aussagen münzen möchtest, dann kann ich dich nicht abhalten, aber es besteht überhaupt kein Grund dazu.

EDIT: Und jetzt den ganzen Text hier zu löschen führt auch zu nichts. Du hättest das stehen lassen können. Ich stehe dazu, was ich hier und auf Twitter geschrieben habe, weil nichts davon ein direkter Angriff gegen dich oder irgendwen sonst aus dem Forum ist. Wir können den Rest gern per PM klären, das gehört hier nicht her, aber ich finde nicht so toll, dass du deine Posts hier einfach löschst.

EDIT II: Und bloß, falls sich noch jemand wundert. Meine Tweets spielen auch auf diese hier von Malina Lo an, die sich vor ein paar Tagen erst Gedanken dazu gemacht hat, wieso Diversität unrealistisch sein sollte. Ich habe dann selbst ein paar Tweets zu diesen Themen geschrieben und zu der willkürlichen Verwendung des Wortes "realistisch", aber das hatte nur halb was mit diesem Thread hier zu tun. Ich lese nicht nur im Forum Dinge, über die ich nachdenke. Und jetzt bitte zurück zur eigentlichen Diskussion.  :versteck:

Mondfräulein

Zitat von: absinthefreund am 28. Oktober 2014, 14:06:32
Diskriminierende Beleidigungen aus political correctness zu vermeiden, wäre das nicht eine Art Augenverschließen gegen existierende Diskriminierungen? Es ist ja nicht gesagt, dass die beleidigte Figur in der Geschichte das so hinnehmen muss, es könnte z.B. Auslöser für eine Diskussion über die Thematik sein oder die beleidigte Figur weiß sich clever zur Wehr zu setzen, sodass der Beleidigende dumm da steht. Es kann aber auch einfach so stehen bleiben, wenn die Szene das verlangt.

Political correctness ist erstmal ehrlich gesagt ein furchtbares Wort. Ich weiß auch überhaupt nicht, was damit gemeint sein soll. Es geht lediglich darum, die Erfahrungen von insbesondere Minderheiten mit Diskriminierung ernst zu nehmen und darauf Rücksicht zu nehmen. Es geht darum, mit seinen Büchern nicht selbst noch weiter zu diskriminieren. Natürlich können rassistische Beleidigungen in einem Buch vorkommen, das sich mit Rassismus beschäftigt. Ich kann 12 years a Slave nicht drehen, ohne rassistische Dinge zu zeigen. Aber das ist auch ein Film der sich explizit mit diesem Thema beschäftigt. Es ist etwas anderes, wenn ich beispielsweise Shopaholic 3 drehe und in einer Mini-Szene wirft eine böse Figur mit einem rassistischen Schimpfwort um sich und die Heldin guckt eine Sekunde böse. Das ist unnötig. Ich halte nichts davon, etwas einfach so stehen zu lassen. Dann muss es auch nicht rein. Und wenn es trotzdem drin bleiben muss und nicht thematisiert werden kann, sollte ich die Botschaft meines Buches überdenken.

Niemand spricht davon, dass 12 years a Slave so tun soll, als würde es keinen Rassismus geben. Aber wenn ich nicht Raum für eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Thema habe, dann lasse ich es lieber. Diskriminierung ist nichts, was man so nebenbei abhandeln sollte und schon gar nichts, was man als Stilmittel missbrauchen darf. Dafür baut man da zu sehr auf dem realen Leid von Menschen auf. Das wäre einfach respektlos.

Zitat von: absinthefreund am 28. Oktober 2014, 14:06:32
Es tut mir sehr leid, wenn bei diesem Thema schlimme Erinnerungen hochkommen, aber im schlimmsten Falle sollte die betroffene Person die Lektüre dann weglegen. Literatur hat nicht die Pflicht, Lesern entgegenzukommen.

Das sagt sich so einfach. Wenn ich ein Buch über ein Thema lese, von dem ich weiß, dass es mich triggert, bin ich selbst Schuld. Ich kann Klappentexte lesen und dann bestimmte Bücher eben nicht kaufen. Wenn ich allerdings ein Buch lese, in dem es um ein fröhliches Abenteuer auf dem Reiterhof geht, und auf einmal geht es um sexuelle Gewalt, und bestenfalls wird selbige nicht vernünftig thematisiert, sondern nur als Stilmittel eingesetzt, dann fühle ich mich ehrlich gesagt verarscht. Sowas muss nicht sein. Sexuelle Gewalt ist ein Thema, das so bekanntermaßen viele Menschen triggert, dass man sich dessen durchaus bewusst sein kann, wenn man es verarbeitet. Ebenso wie Diskriminierung. Verschiedenen Menschen gehen unterschiedliche Themen nahe und wenn jemand es nicht verkraftet, wenn in Büchern Schokolade gegessen wird, dann kann der Autor das nun wirklich nicht wissen. Aber bei Dingen wie Diskriminierung kann ich durchaus wissen, dass es ein sensibles Thema ist und dann habe ich auch sensibel damit umzugehen. Wie Kati sagt, es geht um Rücksicht. Und das kann man erwarten, finde ich.

Zitat von: absinthefreund am 28. Oktober 2014, 14:06:32
Man kann Autoren nicht vorschreiben, welche Ideologie sie in ihren Geschichten vertreten sollen, das würde zu einer sehr eintönigen Literaturlandschaft führen. Deshalb steht für mich Schreiben erst einmal außerhalb der Moral. (Bei Kinderbüchern ist das noch etwas anderes, bei Jugendbüchern, denke ich, auch, weil sie doch häufig einen pädagogischen Anspruch haben.)

Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass Bücher außerhalb der Moral stehen. Moral ist etwas, auf das Menschen eigentlich achten sollten, zumindest auf grundsätzliche Regeln. Warum stehen Bücher da auf einmal außerhalb? Warum darf ich, auf gut Detusch gesagt, ein Arschloch sein, wenn ich Bücher schreibe, da ist alles okay, aber sonst nicht? Ich meine nicht, dass sich alle Charaktere in meinen Büchern immer moralisch verhalten dürfen. Das will ich nicht sagen. Ich sage auch nicht, dass ich mit meinen Büchern immer die Moralkeule schwingen muss. Bücher können auch durchaus interessante Diskussionen aufwerfen. Aber ich bin als Autorin immer noch verantwortlich für die Botschaften, die ich mit meinen Büchern sende. Und wenn mein Buch beim Leser den Eindruck hinterlässt, dass Homosexualität eine miese Sache ist, dann steht mein Buch nicht außerhalb der Moral, dann bin ich immer noch ein Arschloch. Und dafür muss ich das nicht Schwarz auf Weiß reinschreiben, da reichen die falschen Worte zur falschen Zeit ohne Reflexion.

Zitat von: absinthefreund am 28. Oktober 2014, 14:06:32
Es gibt sicherlich Autoren, denen es Spaß macht, ihre Figuren fertig zu machen, vielleicht weil sie ihre sadistische Seite oder ihre Misogynie/Homophobie ausleben wollen, aber ich denke, der gesunde Menschenverstand kann gute Erzählungen von Müll unterscheiden, deshalb werden solche Geschichten auch nicht von seriösen Verlagen publiziert. Solche Leute kann ich nicht als Autoren ernst nehmen und will sie nicht auf die gleiche Stufe mit den für die Literaturwelt relevanten Autoren stellen.

Ich bin da ehrlich gesagt nicht deiner Meinung. Ich kann dir einige Bücher nennen, die eklige Botschaften haben und trotzdem verlegt wurden. Akif Pirinçci wurde verlegt, ich denke, das sagt alles, oder? Ich bin leider zu ernüchtert, um daran zu glauben, dass die Lese sich schon selbst zusammen reimen werden, dass das so nicht in Ordnung ist, was da steht. Auch im Bezug auf problematische Autoren der Literaturgeschichte. Ich denke, dass nicht alle so weit gehen und sagen werden, dass da zwar manche Dinge problematisch sind, sie die Werke aber unter anderen Gesichtspunkten noch mögen. Ich merke immer wieder, wie Fans, wenn es um Diskussionen um Bücher, Serien oder Filme geht, anfangen, das problematische Verhalten ihrer Lieblingsfiguren zu rechtfertigen. Etwas zu mögen, auch wenn man sieht, dass es problematisch ist, ist schwierig. Ich bin froh, dass du so weit gehen kannst, denn das ist eine gesunde Meinung, aber viele können es leider nicht.

(Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht angegriffen oder so. Ich bin nur nicht deiner Meinung, aber ich will dich keinesfalls persönlich angreifen. Ich hoffe, das wird klar. :))

@Timmytoby: Ich finde deine Meinung da wirklich bemerkenswert reflektiert und du weißt nicht, wie sehr es mich freut, zu wissen, dass es da draußen auch noch vernünftige Menschen gibt. :jau: Ich selbst würde mich auch nicht trauen, homophobe Beleidigungen in meinen Romanen unterzubringen, weil es nicht an mir ist, das zu bewerten. Ich wollte nur mal loswerden, dass mich das sehr freut.

@Kati: Ich kann dir nur zustimmen. Du bringst das mal wieder besser auf den Punkt als ich.