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Nebenfiguren und Klischees

Begonnen von Manouche, 29. März 2021, 13:54:56

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Manouche

Hallo zusammen.

Ich beschäftige mich im Moment mit der Frage, dass Nebenfiguren irgendwie schnell zu Klischees  werden. Gerade, weil sie nicht so ausführlich vorkommen ist es schwieriger, den Leser*innen zu ermöglichen, sie besser kennenzulernen. Das heisst dann, was bleibt sind häufig, Klischees. Manchmal sind es so kleine Rollen, dass es nicht sehr auffällt. Wenn aber die Person einen wesentlichen Teil zu Geschichte beiträgt, beginnt es mich schon zu stören.

Mich würde interessieren, wie ihr das macht. Lasst ihr es zu, dass Nebenfigur klischeehafter und plakativer sind?
Oder wenn nicht, wie verhindert ihr solche Klischees oder oberflächliche Personen? Was sind eure Erfahrungen?

1.
Ich habe im Moment folgende zwei Varianten, die mich aber nicht voll überzeugen. Am Beispiel eines Bandenchefs:
Ich gebe der Person eine Vergangenheit, wie dieser Junge sich entwickelt hat und im meinem momentanen Fall zu einem fiesen und brutalen Menschen wurde.
Daran gefällt mir nicht, dass kaum etwas von der Hintergrund-Geschichte je in den wirklich geschriebenen Roman kommen wird, weil die Person halt doch zu wenig wichtig ist. Und zudem besteht die Gefahr, dass dann die Hintergrund-Geschichte ebenfalls sehr klischiert wirkt. Das liesse sich aber vermutlich verhindern, mit etwas ausführlicherem auseinandersetzen mit der Figur...

2.
Meine zweite Variante ist, dass ich eher vom Äusseren gehe, das heisst. Vielleicht, ist der brutale Typ sehr klein und zierlich oder er fürchtet sich vor etwas bestimmtem (Dunkelheit, Gewitter...) Oder ich mache aus einem Mann eine Frau etc.
Finde ich aber alles auch ziemlich plump...

Da es mich vor allem grundsätzlich interessiert und nicht eigentlich um eine meiner Figuren geht, habe ich den Thread in den Workshop gesetzt. Ich hoffe das stimmt so.

Araluen

#1
Ich denke ein Stück weit helfen Klischees bei Nebenfiguren auch. Wird ein Klischee bedient, kann die Figur schnell verortet werden, ohne dass es vieler Worte und Erklärungen bedarf. Ich glaube das Problem vieler Nebenfiguren ist weniger, dass sie einem Klischee oder einer Rolle entsprechen, sondern schablonenhaft und austauschbar wirken, weil ihre Charakterisierung allein auf ihre Auftritte fixiert ist. Da Nebenfiguren eigentlich immer einem konkreten Zweck dienen, sind zusätzlich diese Auftritte auf diesen Zweck fixiert. Da schwindet der Platz um einer Figur Leben einzuhauchen auf ein Minimum.
Was ich dagegen mache?
Ich überlege mir, was diese Figur tut, während sie nicht mit dem Prota interagiert. Nicht jede Figur braucht eine ausgefeilte Vorgeschichte, auch wenn das sicher nie schaden kann. Aber wenn sie schon keine Vorgeschichte hat, sollte etwas Zeit und sei es erst einmal rein gedanklich für Alltag da sein.
Zudem versuche ich mir die Szene losgelöst von ihrem Zweck vorzustellen, vielleicht sogar ein wenig aus der Sicht der Nebenfigur. Es ist nicht so, dass ich eine Szene zweimal schreibe - Zeit ist ja auch nur ein endliches Gut - aber wenn die Nebenfigur ihren Interaktionspart bekommt, versuche ich mir vorzustellen, wie die ganze Szene auf sie wirkt und lasse sie entsprechend reagieren. Das kann ganz andere Dynamiken schaffen.
Eine typische Situation wäre in so einem Fall, dass Prota A eine Info von B bekommt und eigentlich existiert B auch nur, um genau jetzt einmal diese Information preiszugeben. Eine ähnliche Szene habe ich in einem meiner Projekte. Da sucht Prota eine Prostituierte auf, in der Hoffnung, dass sie nachts zuvor etwas beobachtet hat. Die Prostituierte selbst erfüllt tatsächlich der Einfachheit halber so ziemlich jedes Klischee einer Prostituierten des 19. Jhd. wie man es aus Buch und Film so kennt, sogar dass sie einen kleinen kranken Jungen Zuhause hat, hab ich nicht vergessen.
Viel Vorgeschichte habe ich zu ihr nicht, eigentlich keine außer, dass sie eben einen kranken Sohn hat. Vermutlich ist sie alleinerziehend, aber da will ich mich gar nicht festlegen und der Pub an der Ecke ist ihre Stammkneipe. Insgesamt ist sie eine Frohnatur, zumindest vor Kunden. Ich hätte folgendes aus der Szene machen können:
Prota sucht Prostituierte auf. Man schiebe etwas Vorspiel ein, in dem der Preis der Information verhandelt wird und dann rattert die Gute ihr Wissen herunter. Beide ziehen ihrer Wege und das wars.
Ich habe mich aber gefragt: Was denkt sich die Gute eigentlich, wenn so ein Typ bei ihr aufkreuzt und solche Fragen stellt? Das habe ich in das Gespräch einfließen lassen. Am Rande wird besagter Sohn erwähnt, ebenso, dass der Arzt am Morgen da war. Auch dieses Wissen habe ich genommen und mir überlegt, wie sich das auf diesen Dialog auswirkt. Sie ist ja schließlich kein Automat, in den man Münzen steckt, damit sie eine hübsche Geschichte erzählt. So entspricht die Prostituierte zwar absolut dem Klischee, hat aber durch diese Kleinigkeiten Profil bekommen.
Was Nebenfiguren ebenfalls Leben einhaucht, ist wenn der Prota ihnen ohne einen bestimmten Zweck früher oder später noch einmal begegnet. Das meine ich damit, dass man den Figuren noch ein wenig Alltag zugesteht. Das müssen keine groß angelegten Szenen sein. Oft reichen da kurze Erwähnungen. Mein Prota wird besagte Prostituierte noch einmal treffen. Es ist nur ein kurzer Moment und sie werden nicht einmal ein Wort miteinander wechseln (er hat in diesem Moment seinen Kopf wahrlich woanders). Doch Prota und Leser erfahren wie ihre Geschichte weiterging. Auch bei den anderen Figuren aus dem Umfeld des Prota gibt es immer mal wieder Einblicke darüber, was sie sonst so den Tag über treiben. Der eine Mitmieter beendet im Lauf des Romans seine Lehre und erhält eine Anstellung als Finanzberater. Der andere schriebt an einer Monographie, deren Veröffentlichung scheitert, sodass er gezwungen ist selbst das nötige Geld in die Hand zu nehmen, um sie zu publizieren. Die Vermieterin wird irgendwann noch Großtante. Das hat alles mit dem Plot nichts zu tun und ist nichtmal eine Szene wert. Aber es passiert und der Leser erfährt davon und selbst wenn die Figuren klischeehaft sind, sind sie lebendiges Klischee.

Beim Beispiel des Bandenchefs würde ich statt unbedingt Klischees brechen zu wollen, mich fragen, warum er Bandenchef geworden ist. Bandenchef wird ja nicht jeder. Ist er besonders skrupellos oder genial (oder beides) oder zu falschen Zeit am falschen Ort oder auch umgekehrt? Hat er seine Prinzipien und steht kompromisslos für eine Sache ein? Vielleicht hat er auch einfach in einem Moment, wo alles schief lief, das Ruder an sich gerissen, weil es sonst keiner machte und nun ist er eben an der Spitze, fühlt die Verantwortung, genießt sicher auch den Respekt und wüsste auch gar nicht, wie er den Posten nun auch wieder zurückgeben sollte. Das muss nicht groß ausgebreitet werden, charakterisiert aber die Figur und schlägt sich darin nieder, wie sie mit anderen interagiert. Äußerlichkeiten finde ich da sehr nebensächlich und dienen für mich persönlich bei Nebenfiguren der bewusst klischeebehafteten Rollenzuweisung, um die Handlung nicht durch unnötige Erläuterungen unterbrechen zu müssen.

Herbstblatt

Zitat von: Manouche am 29. März 2021, 13:54:56
Oder ich mache aus einem Mann eine Frau etc.


Huh? Wie wirkt das Klischees entgegen? Meinst du vielleicht, dass du in manchen Fällen Geschlechterrollen durchbrichst?

@Araluen: Mir gefällt diese Idee, Klischees verwenden, um den Charakteren mehr Tiefe zu geben. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie dadurch unaustauschbar finde. Sie sind weniger seicht, erfüllen aber immer noch ein Klischee, nicht?

Ich geh das von einer ganz anderen Seiten an, wodurch meine Nebencharaktere wohl meistens klischeehaft und schablonenhaft ausfallen.
Normalerweise haben sie alle einen subtilen Zweck und wirken auf die Protagonisten. An anderen sticht irgendetwas hervor.
Da hätte ich einmal einen unterwürfigen Diener, der mit seiner Unfähigkeit die schlechte Laune des Prinzen bestärkt, eine alte Frau mit Schoßhündchen, die sich über Gesindel aufregt. Ihr habe ich einen knallblauen Lidschatten verpasst. Das kommt von meiner ganz persönlichen Beobachtung, in denen ich gesehen habe, wie sich alte Frauen mit Lidschatten in "Karens" verwandelt haben.  :D

An einer anderen Stelle kam eine Dienerin vor, die ich anders dargestellt habe. Mit ihrer Art weckt sie gewisse Erinnerungen an den Prinzen. Das ist etwas abstrakt, also gebe ich hier ein Beispiel:
ZitatDie Tür schwang auf und eine hochgewachsene Dienerin streckte den Kopf herein. Valto krallte seine Finger in die Tischplatte, um seinen Zorn zu bändigen.  Ausgerechnet diese Dienerin musste hereinschneien. Bei ihrer ausdruckslosen Miene war ihm, als sähe er in die starren Augen dieser Soldatin. Das war der denkbar schlechteste Moment, um an diese aufmüpfige Schlampe erinnert zu werden, die ihm dort hinten auf dem Sofa eine Abfuhr verpasst hatte.
Also, diesmal keine unterwürfige Dienerin, sondern eine Frau mit starrem Blick, die den Prinzen an die Protagonistin (die Soldatin) erinnert, die sich nichts sagen lässt bzw. wehrt.

An einer weiteren Stelle kam die Dienerin noch einmal vor, um die Umgebung besser zu beschreiben:
ZitatDann nickte er der Dienerin auffordernd zu. Die schlaksige Frau musste sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen die massive Flügeltür stemmen,  um sie zu öffnen.

Ich halte diese Dienerin für ein gutes Beispiel für einen schwer austauschbaren Nebencharakter.

Manouche

ZitatHuh? Wie wirkt das Klischees entgegen? Meinst du vielleicht, dass du in manchen Fällen Geschlechterrollen durchbrichst?

:D Ich finde schon, dass ein brutaler Bandenchef klischierter ist, als eine brutale Frau als Bandenchefin. Aber wie eben schon geschrieben, halt auch plump und bedient dann schnell auch andere Klischees.
Und ja, Geschlechterrollen durchbrechen finde ich grundsätzlich eigentlich gut. Aber eben nicht um eine Figur "interessanter" zu machen.

ZitatAlso, diesmal keine unterwürfige Dienerin, sondern eine Frau mit starrem Blick, die den Prinzen an die Protagonistin (die Soldatin) erinnert, die sich nichts sagen lässt bzw. wehrt.

Das Bild dieser Dienerin gefällt mir, es belebt ganz klar die Szene. Hier gehst du ja vom Äusseren aus. Das kann auch funktionieren, wie du gerade beweist. :hmmm:


ZitatIch überlege mir, was diese Figur tut, während sie nicht mit dem Prota interagiert. Nicht jede Figur braucht eine ausgefeilte Vorgeschichte, auch wenn das sicher nie schaden kann. Aber wenn sie schon keine Vorgeschichte hat, sollte etwas Zeit und sei es erst einmal rein gedanklich für Alltag da sein.

Die Idee mit dem Alltag gefällt mir, das könnte gut funktionieren in meinem Fall. Werd ich mir merken.


Meiner Meinung nach, kommt es auch darauf an, wie klein die Nebenrolle ist. Wenn es sich um eine etwas grössere Statistenrolle handelt, mit 2, 3 Auftritten, dann denke ich auch, dass eine reduzierte Wiedergabe ihrer Charakterzüge genügen und vermutlich hilft es den Leser*innen auch sie schnell einzuordnen.
Hingegen eine Nebenrolle, die das leben der Protagonisten und die Handlung stärker beeinflusst und mehrmals vorkommt, da bin ich mir nicht sicher. Ich suche gerade nach einem Beispiel aus Büchern oder Filmen. Wenn ich so darüber nachdenke, merke ich schon auch, dass die meisten dieser Rollen ziemlich stark Typisiert sind. (Und ich merke, dass ich in letzter Zeit wenig zum Lesen oder TV schauen kam  :seufz:)
Ich nehme mir vor in nächster Zeit meine Aufmerksamkeit auf Nebenrollen zu richten.

Araluen

ZitatHingegen eine Nebenrolle, die das leben der Protagonisten und die Handlung stärker beeinflusst und mehrmals vorkommt, da bin ich mir nicht sicher. Ich suche gerade nach einem Beispiel aus Büchern oder Filmen. Wenn ich so darüber nachdenke, merke ich schon auch, dass die meisten dieser Rollen ziemlich stark Typisiert sind. (Und ich merke, dass ich in letzter Zeit wenig zum Lesen oder TV schauen kam  :seufz:)
Ich nehme mir vor in nächster Zeit meine Aufmerksamkeit auf Nebenrollen zu richten.
Größere Nebenrollen versuche ich tatsächlich weniger als Rolle denn als eigene Figur zu betrachten und nehme mir dann auch die Zeit sie entsprechend auszuarbeiten. Selbst wenn davon am Ende nur 10% im Manuskript landen. Aber je lebendiger die Figur für einen selbst ist, desto lebendiger agiert sie auch im Manuskript

Christopher

Das kling für mich nach sehr vielen generellen Zweifeln was z.B. die Nebenfiguren angeht.

Das Klischee an sich ist verschrien, ja. Aber zu Unrecht, wie ich finde. Klischees kann man, wie Araluen schon sagte, auch für seine Zwecke nutzen. Klischees kann man nutzen, um Dinge sehr schnell und einfach darzustellen, sie fördern es, dass die Erwartungen des Lesers passen. Mit Klischees extra zu brechen nur um des Klischees willen, halte ich für fehlgeleitet.
Als ich mal eines der Harry Potter Bücher angelese habe (Harry Potter ist nicht nicht mein Ding, aber anderes Thema), fiel mir schnell auf, dass es VOLL mit Klischees war. Jedes Klischee was möglich war, wurde auch erfüllt. Das war nicht schlimm, es führte dazu, dass ich quasi wusste, was zu den Charakteren gehört, bevor es überhaupt erwähnt wurde. Ich hatte es gemäß den gängige Klischees erwartet und es wurde erfüllt. Das machte es auch sehr einfach, einzutauchen.


Es klingt für mich nun, als ob du das Problem in den Klischees siehst und die Lösung darin, die zu durchbrechen. Das klingt für mich aber eher nicht so. Eher, als ob du Probleme hättest, deine Nebenfiguren auch als volle Charaktere die sie sind in der Geschichte herauskommen zu lassen.
Hier würde ich auch wieder auf Araluen verweisen: Stell dir die Szenen in denen deine Nebencharaktere vorkommen mal aus ihrer Perspektive vor. Jeder ist der Held seiner eigenen Geschichte, so sind auch deine Nebencharaktere die Helden IHRER Geschichte.

Das kann dazu führen, dass sie ganz anders handeln würden, als die Geschichte für deinen eigentlichen Protagonisten erfordert. Wenn der Leser dann das Gefühl bekommt, dass die Charaktere ihre eigenen Ziele und Ideen verwirklichen wollen und ein eigenes Leben haben, dann musst du dir auch keine Gedanken mehr über Klischees machen.
Be brave, dont tryhard.

Araluen

#6
@Herbstblatt
Zitat@Araluen: Mir gefällt diese Idee, Klischees verwenden, um den Charakteren mehr Tiefe zu geben. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie dadurch unaustauschbar finde. Sie sind weniger seicht, erfüllen aber immer noch ein Klischee, nicht?
Natürlich sind sie dann noch immer Klischee, aber das ist ja nicht per Definition etwas schlechtes. Nebenfiguren, die einen konkreten Zweck erfüllen, sind in der Regel immer austauschbar, selbst wenn man ihnen Profil gibt. Nur mit Profil ist es weniger auffällig.
Meine besagte Beispielszene mit der Prostituierten hätte ich auch mit einem Türstehen, Zeitungsjungen oder what ever machen können. Das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Denn Ziel war es ja, dass Prota die Info erhält. Wäre seltsam gewesen, wenn ich dann etwas anderes draus gemacht hätte. Was sich aber tatsächlich mit der Figur ändert, ist der Verlauf der Szene im Detail. Die Interaktion der Figuren wäre eine andere gewesen, unabhängig davon ob diese verschiedenen Figuren einem Klischee entsprechen oder nicht. Ich hätte mir jetzt auch eine völlig innovative Prostituierte mit ganz viel Tiefe ausdenken können. Wäre sicher möglich gewesen. Nur wäre sie am Ende für diese Szene ebenso austauschbar gewesen und dann stimmt für mich die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht. Denn besagte Szene funktioniert mit einem fast beliebigen Ensemble an Figuren. In diesem Fall steht der Zweck vor der Figur.
Ihre Austauschbarkeit verliert eine Figur in meinen Augen erst, wenn die Figur vor dem Zweck steht, es um ihren Charakter und ihre Entwicklung geht. Denn auch Nebenfiguren dürfen sich entwickeln, selbst wenn sie ein Klischee sind.

@Christopher
ZitatDas kann dazu führen, dass sie ganz anders handeln würden, als die Geschichte für deinen eigentlichen Protagonisten erfordert. Wenn der Leser dann das Gefühl bekommt, dass die Charaktere ihre eigenen Ziele und Ideen verwirklichen wollen und ein eigenes Leben haben, dann musst du dir auch keine Gedanken mehr über Klischees machen.
Du hast hier wundervoll zusammengefasst, was ich meine :)

Annie

Ich finde es kommt immer auf die Art und Umsetzung der Geschichte an. Wie bereits erwähnt wurde kann es dem Leser dabei helfen bestimmte Gegebenheiten schneller einzuordnen und dadurch auch gut zu der jeweiligen Geschichte passen. Sie können unter Umständen auch genau die Erwartung des Lesers bedienen, je nachdem wonach der Leser in einer Geschichte sucht. Es ist meiner Meinung nach also eher eine Geschmackssache.

Beim schreiben schaue ich daher erst einmal, was ich mit der Figur ausdrücken möchte und welche Bedeutung ihr zukommt. Derzeit habe ich beispielsweise eine sehr wichtige Nebenfigur, die sogar mit einem meiner beiden Protagonisten reist. Diese Figur hat bestimmte Talente, die der Protagonist nicht hat und ist dadurch ein wichtiger Bestandteil. Was sie aber tatsächlich noch bedeutsamer macht ist, dass sie durch ihre eigenen Charakterzüge und unkonventionelle Art die Motive und den Charakter des Protagonisten unterstreicht. Obwohl sie ein Nebencharakter ist, behandle ich sie als eigenständige Figur, die ebenfalls als Protagonist funktionieren und auf ihre Art auch allein ans Ziel kommen könnte. Es sind zwar unterschiedliche, aber in gewisser Weise ebenbürtige Charaktere, wie sich im Verlauf der Geschichte auch noch zeigen wird.

Mit kleineren Nebencharakteren, die ggf. nur kurz vorkommen, verfahre ich anders. Da lasse ich auch mal das ein oder andere Klischee reinspielen wie z.B. den Händler, der einen über den Tisch ziehen möchte oder den größenwahnsinigen Bösewicht. In gewisser Weise gibt es auch einfach Figuren, die genau diesen Zweck erfüllen müssen, damit sie Geschichte vorran kommt und spannend bleibt, denn wenn der Protagonist so mir nichts dir nichts durch die Geschichte spaziert wird das eine recht kurze oder aber langweilige Sache.

Worauf ich immer achte ist: es darf nicht "too much" und es muss logisch nachvollziehbar sein.

Ich hoffe damit konnte ich dir helfen :)

Manouche

#8
@Christopher
ZitatEs klingt für mich nun, als ob du das Problem in den Klischees siehst und die Lösung darin, die zu durchbrechen. Das klingt für mich aber eher nicht so. Eher, als ob du Probleme hättest, deine Nebenfiguren auch als volle Charaktere die sie sind in der Geschichte herauskommen zu lassen.
Hier würde ich auch wieder auf Araluen verweisen: Stell dir die Szenen in denen deine Nebencharaktere vorkommen mal aus ihrer Perspektive vor. Jeder ist der Held seiner eigenen Geschichte, so sind auch deine Nebencharaktere die Helden IHRER Geschichte.

Ich glaube da hast du mich falsch verstanden. Mir sind Nebenfiguren sogar sehr wichtig und ich befasse mich lange mit den Charakteren.
Ich merke aber trotzdem, dass sich beim Plotten gewisse Klischees eingeschlichen haben. Besonders bei Figuren, die während dem schreiben mehr Bedeutung kriegen.
Und gerade deshalb, weil mir die Charaktere und das Innenleben meiner Figuren* wichtig sind, nahm es mich wunder, wie ihr damit umgeht.
(*Na gut nicht ganz aller Figuren, Kleinstfiguren schliesse ich aus ;))

@Annie
ZitatIch finde es kommt immer auf die Art und Umsetzung der Geschichte an. Wie bereits erwähnt wurde kann es dem Leser dabei helfen bestimmte Gegebenheiten schneller einzuordnen und dadurch auch gut zu der jeweiligen Geschichte passen. Sie können unter Umständen auch genau die Erwartung des Lesers bedienen, je nachdem wonach der Leser in einer Geschichte sucht. Es ist meiner Meinung nach also eher eine Geschmackssache.

Ja, Geschmacksache spielt da sicher auch mit. Ich finde auch, dass Klischees den Leser*innen helfen, sie schnell einzuordnen und zu verstehen. Sie können im Fluss bleiben. Aber auf den zweiten Blick, darf es gerne noch mehr Tiefe haben. Je nach Wichtigkeit der Figur.
Wenn wir jemanden kennenlernen geht es uns ja auch so. Zuerst stecken wir die Person in eine Schublade, dann mit der Zeit zeigt sich die Vielschichtigkeit jeder Person, auf die wir uns einlassen. Wenn wir sie hingegen nur einmal treffen, bleibt natürlich das erste Bild.

@Araluen
ZitatGrößere Nebenrollen versuche ich tatsächlich weniger als Rolle denn als eigene Figur zu betrachten und nehme mir dann auch die Zeit sie entsprechend auszuarbeiten. Selbst wenn davon am Ende nur 10% im Manuskript landen. Aber je lebendiger die Figur für einen selbst ist, desto lebendiger agiert sie auch im Manuskript

Das sehe ich eigentlich ähnlich. Ich glaube, die Frage stellt sich für mich, da eine Rolle, die zuerst kleiner angedacht war nun wichtiger wird. :hmmm:

Araluen

Zitat
Wenn wir jemanden kennenlernen geht es uns ja auch so. Zuerst stecken wir die Person in eine Schublade, dann mit der Zeit zeigt sich die Vielschichtigkeit jeder Person, auf die wir uns einlassen. Wenn wir sie hingegen nur einmal treffen, bleibt natürlich das erste Bild.
Na das kannst du doch auch gut als Grundlage für dein weiteres Vorgehen nehmen, gerade wenn recht nebensächliche Figuren plötzlich mehr Bedeutung bekommen. Wenn sie zunächst Klischee ist, ist das ja erst einmal kein Beinbruch sondern auch sehr hilfreich bzw. wäre es auch seltsam wenn eine Figur beim ersten Kontakt bereits so viele Schichten wie eine Zwiebel hätte. Wie du selbst sagst, würden wir in der Realität davon auch nichts wahrnehmen.
Wenn sie dann wichtiger wird und mehr Raum bekommt, besteht auch die Möglichkeit hinter die Klischeefassade zu schauen, durch Alltag und/oder gedanklichen Perspektivwechsel, und zu zeigen, was die Figur noch zu bieten hat.

Manouche

@Araluen
Ja klar, da hast du recht. Eigentlich geht es uns ja mit allen Figuren so. Die Leser*innen müssen sie auch zuerst kennenlernen.

Annie

Zitat
Ja, Geschmacksache spielt da sicher auch mit. Ich finde auch, dass Klischees den Leser*innen helfen, sie schnell einzuordnen und zu verstehen. Sie können im Fluss bleiben. Aber auf den zweiten Blick, darf es gerne noch mehr Tiefe haben. Je nach Wichtigkeit der Figur.
Wenn wir jemanden kennenlernen geht es uns ja auch so. Zuerst stecken wir die Person in eine Schublade, dann mit der Zeit zeigt sich die Vielschichtigkeit jeder Person, auf die wir uns einlassen. Wenn wir sie hingegen nur einmal treffen, bleibt natürlich das erste Bild.

Absolut. Vielleicht kannst du das ja auch so mit einbeziehen? Dein Prota und der Nebencharakter könnten sich mit der Zeit besser  kennenlernen. Dein Prota könnte dann wiederum erkennen, dass er ihn zunächst falsch eingeschätzt hat. Macht mein Prota stellenweise auch und das obwohl der Nebencharakter sein Bruder ist. Sie wachsen sozusagen beide an ihrer Aufgabe und den Schwierigkeiten, die ihnen begegnen. Gleichzeitig gehen beide völlig anders damit um  :hmmm:

Manouche

#12
Eure entspannte Art mit Klischees umzugehen gefällt mir und nimmt mir ehrlich gesagt auch etwas Druck weg :)

ZitatAbsolut. Vielleicht kannst du das ja auch so mit einbeziehen? Dein Prota und der Nebencharakter könnten sich mit der Zeit besser  kennenlernen. Dein Prota könnte dann wiederum erkennen, dass er ihn zunächst falsch eingeschätzt hat. Macht mein Prota stellenweise auch und das obwohl der Nebencharakter sein Bruder ist. Sie wachsen sozusagen beide an ihrer Aufgabe und den Schwierigkeiten, die ihnen begegnen. Gleichzeitig gehen beide völlig anders damit um  :hmmm:

Dies macht in dem speziellen Fall jetzt keinen Sinn, da die Protagonistin den Charakter schon lange kennt und ihm lieber ausweicht. Sie weiss eigentlich schon recht viel von ihm.

Eigentlich war diese Nebenfigur eher ein Auslöser für meine Fragen. Es ging mir auch nicht in erster Linie um diesen speziellen Charakter, sondern ich finde es allgemein interessant, wie andere mit Nebenfiguren und Klischees umgehen.

Annie

Ah ok das hab ich wohl übersehen, sorry  :)
Beim schreiben setzte ich mich auch manchmal zu sehr unter Druck. Im Prinzip sollte es aber Spaß machen und in erster Linie einem selbst gefallen.

Manouche

#14
@Annie
Das ist nichts zum entschuldigen, ich finde die Gedanken und Vorschläge sehr interessant und kann auch für andere Situationen profitieren. Ich wollte nur sagen, dass es mir allgemein um den Austausch ging, da ich euch sonst fairerweise viel mehr Informationen hätte geben müssen.
Ich war neugierig wie ihr das so seht :)

Ich muss zugeben, dass ich teilweise noch etwas unsicher bin wo und wie ich am besten was schreibe.  :hmmm: