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[Diskussion] Sagte, sagte, sagte und sagte.

Begonnen von Dealein, 14. Mai 2011, 18:49:49

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Alana

#75
@Arcor, so sehe ich das auch, eine gute Mischung sollte es sein. Entschlacken haben meine Texte definitiv auch nötig!

@Haunting Witch: Ich lasse es auch oft weg, wenn klar ist, wer redet und seine Gefühle durch die direkte Rede deutlich werden.

@Sanjani: Das finde ich auch eine sehr gute Idee. Ich werd mal darauf achten.

@Schommes: Ich finde es eigentlich nur logisch, dass für verschieden Sprachen auch verschiedene Regeln für guten Stil gelten. Und das scheint wohl auch der Konsens zu sein. Im Englisch ist "said" gewünscht und Abwechslung verpönt. Im deutschen genau andersherum. Natürlich darf das nicht dazu führen, dass um jeden Preis abgewechselt wird.
Aber du hast dennoch Recht: Was bringt mir guter Stil, wenn der Lektor es sowieso nur streicht. Was sagen denn deine Lektoren generell zu Inquit-Formeln? Wollen die wirklich ganz extrem immer nur "sagte"?
Alhambrana

Sven

Zitat von: Alana am 03. November 2011, 21:00:19
Im Englisch ist "said" gewünscht und Abwechslung verpönt.

Ich glaube, es geht da nicht um Abwechslung. Viel mehr ist im amerikanischen Raum gewünscht, dass das "wie sagt jemand etwas" sich aus dem Kontext herauskristallisiert. Das "said" ist wertfrei und der Leser entscheidet, wie die Figur etwas sagt.
Der Autor soll wertfrei schreiben. Die Wertung liegt beim Leser, der dadurch die Geschichte viel intensiver erfahren kann.
Das heißt natürlich nicht, dass man auf ein "schrie sie" verzichten muss. Man sollte es halt nicht übertreiben.

Beste Grüße,
Sven
Beste Grüße,
Sven

Alana

Ja genau. Ich finde schon, dass das auch was hat.
Alhambrana

Schommes

Zitat von: Alana am 03. November 2011, 21:00:19
@Schommes: ... Was sagen denn deine Lektoren generell zu Inquit-Formeln? Wollen die wirklich ganz extrem immer nur "sagte"?
Sie sagen: "Sag nur 'sagen'" Das sagen sie. ;-)

Das die Briten weniger Inquits kennen als wir, halte ich für ein Gerücht. Auch bei Harry Potter wird mitunter gefrowned und geasked und gescreamed usw.
Aber HauntingWitch hat Recht: Man muss dann ja nicht jede wörtliche Rede mit einem Inquit beenden, wenn der Sender ohnehin klar ist.
Das dramatisch aufgeladene Inquitvarianten höchst sparsam zu verwenden sind, findet sich in jedem Anfängerschreibratgeber und nicht nur bei den Briten.

Lomax

Zitat von: Alana am 03. November 2011, 21:00:19Aber du hast dennoch Recht: Was bringt mir guter Stil, wenn der Lektor es sowieso nur streicht. Was sagen denn deine Lektoren generell zu Inquit-Formeln? Wollen die wirklich ganz extrem immer nur "sagte"?
Da kann ich aus der Praxis des Lektorats nur sagen, dass in den verlagsinternen Richtlinien für Lektoren und Übersetzer, die ich seinerzeit erhalten habe, immer noch drinsteht, dass man darauf achten soll, dass nicht nur "sagte" verwendet, sondern variiert wird - und zur Begründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Beschränkung auf "sagte" ein Anglizismus ist, weil das der englischsprachige Leser im Unterschied zum deutschen nicht als Wortwiederholung wahrnimmt.

Da ich ja nun vom Studium über den Einstieg ins Lektorat mittlerweile 20 Jahre Entwicklung mitbekommen habe und auch erleben konnte, wie sich die Gewichte in der Beurteilung allmählich verschieben, würde ich mal sagen, dass Schommes mit seiner Einschätzung eher die "jungdynamischen Neulektoren" kennen gelernt hat, bei denen sich die Anglizismen und die Aussagen englischsprachiger Schreibratgeber auch schon was stärker eingeschliffen haben, als es noch eine Generation vorher der Fall war. Eine allgemeine Regel ist es auf jeden Fall noch nicht, dass man im Deutschen nur "sagen" sagt  ;)
  Ich kann nur sagen, dass man die Suche nach Synonymen heutzutage nicht mehr mit demselben Nachdruck verfolgt wie noch vor zehn Jahren, auch wenn es noch in den Richtlinien steht. Und ansonsten hängt es sehr vom einzelnen Lektor ab und der "Schule", aus der er kommt, was für eine persönliche Richtlinie der in Bezug auf Inquit-Formeln verfolgt. Nur, wenn man Synonyme verwendet, sollten sie auch passen und wirklich echte Verben des Sprechens sein. Ich will nicht sagen, dass es keine Lektoren gibt, die "guten Stil" wegstreichen würden - aber in aller Regel ist es halt doch so, dass ein Lektor nicht streichen würde, wenn es passt, egal ob da ein "sagte", "rief" oder "Er schmunzelte" steht. Nur das ", schmunzelte er", das passt nie ;)

Ansonsten kann ich nur sagen, wie ich in dieser Hinsicht mittlerweile korrigiere und auch schreibe. Ich denke mal, das ist ein ganz guter Mittelweg, mit dem man bei den meisten Lektoraten gut fahren wird - vor allem auch deshalb, weil ich mein Verhalten im Laufe der letzten zehn Jahre so eingeschliffen habe, dass ich möglichst wenig damit anecke. Und da mache ich heute schon einiges anders als früher, weil man halt doch irgendwann keine Lust mehr hat, über irgendwas zu diskutieren.
  Was Diskussionen mit Lektoren, Redakteuren oder Chefs verringert hat, waren bei mir vor allem folgende Leitsätze:
1. Ich streiche es immer noch an, wenn zwei Mal "sagen" direkt hintereinander steht. Aber insgesamt streiche ich es seltener als früher und akzeptiere durchaus, dass "sagte" in etwa so oft vorkommt wie alle anderen Synonyme zusammen.
2. habe ich mir Experimente im Sinne von "Show, don't tell" oder "Man weiß ja ohnehin, wer spricht" oder "Man erkennt es ja an der Sprache, wer das sagt", in Bezug auf Inquit-Formeln weitgehend abgewöhnt. Klingt in der Theorie zwar gut, aber mir hat im Leben noch kein Bearbeiter eine Inquit-Formel zu viel angestrichen - sehr wohl aber bin ich regelmäßig angeeckt, wenn ich da gespart habe, wenn irgendwo nicht hunderprozent und auch für den flüchtigsten Leser völlig eindeutig klar war, wer spricht. Das hat bisher noch kein Lektor toleriert, also schreib ich's inzwischen immer gleich eindeutig hin und habe meine Ruhe.

Ich denke mal, was Lektoren toll finden und wie tolerant sie sind, mag recht unterschiedlich sein. Aber das muss man ja nicht austesten. Ich würde eher sagen, die Kunst "des Optimums, das irgendwo dazwischenliegt", von dem hier im Thread die Rede war, liegt eher nicht im elegantest möglichen Stil - sondern in jenem Mittelweg, der so ziemlich für jeden Bearbeiter unterhalb der Korrekturschwelle bleibt, egal welche Vorliebe er von Haus aus mitbringt; der Kompromiss also, der dafür sorgt, dass weder der "Wir müssen schreiben wie die Amerikaner"-Lektor noch der "Richtiges und gutes Deutsch"-Lektor noch der Redakteur mit Heftromanschule sich weit genug provoziert fühlt, um zum Rotstift zu greifen. Damit fährt man eigentlich am besten, zumal wenn man vorher nicht weiß, welche Art Lektor man am Ende bekommen wird.

(Ich bin da also ganz pragmatisch geworden. Nur nachts, wenn ich im Bett liege, weine ich in mein Kissen und denke noch an meine ambitionierten Vorstellungen zur Figurenrede, mit denen ich aus dem Germanistikstudium gekommen bin :'( )

Lomax

Zitat von: Schommes am 05. November 2011, 23:13:58... mitunter gefrowned ...
Ah ja, btw. - das meistgehasste Wort für Übersetzer. Kommt pausenlos vor und bedeutet jedes Mal was anderes >:(.
  Aber unter die Inquit-Formeln würd ich es eigentlich nicht rechnen.

Aber dass auch der angelsächsische Sprachraum durchaus mehr Inquit-Formeln kennt als das "said" ist in der Tat so.
  Ich habs ja so gelernt, dass da ein Unterschied zwischen Englisch und Deutsch besteht und die Wortwiederholung im Englischen nicht als Qualitätsmangel wahrgenommen wird. Allerdings habe ich durchaus in der Praxis als Übersetzer wahrgenommen, dass gerade in den englischsprachigen Werken, die zur "gehobenen Unterhaltung" zählen, durchaus mehr variiert wird als in den ganz "billigen" oder auch in den durchaus erfolgreichen Werken der reinen "schnellen Unterhaltung". Bei einer Bujold beispielsweise, die ja eine Menge Genrepreise eingefahren hat, habe ich in den Werken sehr viel weniger stereotypes "said" gefunden als bei, ich sag's mal, austauschbareren Autoren.
  Mich hat das eher dazu gebracht, die umgekehrte Frage zu stellen - ob das dauernde "said" also nicht doch auch im Englischen als Marker für "minderwertige Literatur von der Stange" taugt und nur ein wenig schwächer wahrgenommen wird als hierzulande. Aber, wie gesagt, beobachtet habe ich das nur und gerade bei der Abgrenzung von "gehobener Genre-Unterhaltung" zur, hm, "Formula Fiction". In der "richtigen" Hochliteratur scheint's dann wieder kein Problem zu geben mit dem ständigen "said", da ist es mal so, mal so; was ein Zeichen dafür sein mag, dass es doch kein literarisches Qualitätsmerkmal ist, oder dafür, dass "richtige" Literatur sowieso jenseits handwerklicher Regeln stattfindet ...

Churke

Da muss ich doch gleich noch eine Frage anschließen, die mir gerade in den Sinn gekommen ist:
Kann die Wiederholung von Inquit-Formeln durch Dialog, äh, indiziert sein? Bei einem abwechslungsreichen, pointierten Dialog könnte man durch ein leicht überlesbares "sagte er/sie/es) den Inhalt von Rede und Gegenrede betonen und gleichzeitig den Sprecher kennzeichnen. 

Lomax

Zitat von: Churke am 15. November 2011, 10:45:13Kann die Wiederholung von Inquit-Formeln durch Dialog, äh, indiziert sein? Bei einem abwechslungsreichen, pointierten Dialog könnte man durch ein leicht überlesbares "sagte er/sie/es) den Inhalt von Rede und Gegenrede betonen und gleichzeitig den Sprecher kennzeichnen.
Ich sag's mal so - ich weiß was du meinst, weil ich auf jeden Fall schon mal Büchern gelesen habe, in denen es so gehandhabt wurde. Gerade bei den oben genannten "literarischen Werken", die ansonsten eine sehr ausgefeilte Sprache hatten und gerade auch einen sehr um Authentizität bemühten Dialog, hatte ich mitunter das Gefühl, dass dieses dauernde "said" eigentlich nur so zu erklären ist und - ich weiß, in diese Richtung soll man gar nicht spekulieren ;) - der Autor sich genau so etwas dabei gedacht hat.
  Allerdings habe ich bisher vor allem bei englischen Büchern darauf geachtet, gerade weil mir da aufgefallen ist, dass so was im "Mittelbau" zwischen einfacher Unterhaltung und Hochliteratur eher nachlässt und ich mich irgendwann angefangen habe zu fragen, warum dann jenseits der Genreliteratur wieder keine Berührungsängste zu bestehen scheinen  ???

Im Deutschen war ich bisher eigentlich immer geneigt, da keinen tieferen Sinn hinter zu sehen sondern das eher als Nachlässigkeit des Autors oder als Anbiederung an den US-Baukasten-Schreibstil zu werten. Das mag zum Teil auch mein Vorurteil sein, dass ich da in die Bewertung reintrage. Jedenfalls überlese ich ein "sagte er" meistens nicht, wenn es mehr als zwei, drei Mal hintereinander auftritt.
  Aber auch Lesererwartungen und Vorurteile muss man in Betracht ziehen, wenn man sich für eine stilistische Besonderheit entscheidet, und insofern ist meine persönliche Einschätzung da vielleicht doch hilfreich. Ich glaube also, es mag im Einzelfall als stilistische Entscheidung sinnvoll sein, möglichst wenig von den Dialogen abzulenken und das so zu handhaben. Wenn der Dialog insgesamt überzeugt, kommt man damit wohl auch durch. Die meisten Leser dürften sich gar nichts dabei denken - bei den Lesern allerdings, die's bemerken, muss man damit rechnen, dass sie die Intention des Autors nicht zu würdigen wissen, sondern das eher als störende Nachlässigkeit empfinden.
  Denn ein einzelnes Werk existiert ja nicht im luftleeren Raum, und wenn man ein Element, das viele Autoren völlig wahl- und gedankenlos in ihr Werk streuen, und das gewohnheitsmäßig in unzähligen mäßigen Übersetzungen zu finden ist und da ohne einen zweiten Gedanken aus dem Original übernommen wurde - wenn man so ein Element also bewusst und überlegt als Stilmittel einsetzen möchte, dann muss man sich dessen bewusst sein, dass man damit auch gegen all diese formelhaften Inquits anschreibt und einen Leser, der anderes gewohnt ist, erst mal davon überzeugen muss, dass es hier ein Stilmittel ist, das den Dialog unterstreichen soll und bewusst gewählt wurde, weil die Alternativen den Text schwächen würden.