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In den Mund gelegt - "Problemkind" Dialog

Begonnen von Feuertraum, 09. April 2011, 13:41:29

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caity

Ich hole den Thread mal wieder aus den Untiefen. Derzeit beschäftige ich mich viel mit Dialogen und der Frage, wie man sie in einem Jugendroman modern klingen lässt. Was ist dabei erlaubt / sinnvoll? Ich würde mal ein paar aus der Luft gegriffene Beispiele einstreuen, zu denen mich interessieren würde, was ihr als natürlicher/lebendiger empfindet:

- Füllwörter im Dialog (Beispiel: "Das geht ja mal gar nicht." vs. "Das geht nicht.")
- Apostroph (Beispiel: "Mach's richtig." vs. "Mach es richtig.")
- Wiederholungen von Satzformen und -anfängen (Beispiel: "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Ich fass es einfach nicht." vs. "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was passiert ist, macht mich fassungslos." [oder eine andere Option, um das doppelte "Ich" am Satzanfang zu vermeiden])
- Nebensätze in Dialogen (Beispiel: "Wir waren im Hauptgang. Sie sind durch die Hintertür gekommen." vs. "Wir waren im Hauptgang, als sie durch die Hintertür kamen.")
- Formen von "dabei", "damit", "dadurch", die nicht unbedingt notwendig sind. (Beispiel: "Was ich damit sagen will ..." vs. "Was ich sagen will ...")

Wie gesagt: es geht mir hauptsächlich darum, wie ihr das empfindet, was ihr eher sagen würdet, u. ä. Dass Figuren jeweils einen eigenen Dialogstil haben sollten, steht für mich nochmal auf einem anderen Blatt.
Ich bin schon gespannt auf eure Meinungen/Wahrnehmungen  ;D
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Mindi

#16
Also, deine Beispiele sind für mich Beispiele für natürliche Dialoge. Und sofern es nicht zu viel "ja mal gar nicht" ist oder so viele Apostrophe, sodass der Satz wie ein Strickmuster aussieht, würde ich für einen "natürlichen" Flow des Dialoges häufiger deine ersten Beispiele nehmen, als die gestelzten zweiten.

Wer drückt sich schon immer so gewählt aus, wie in deinen jeweils zweiten Beispielen? Also klar, mein einer Prota macht das tatsächlich, dafür redet der andere eher so wie in den lockeren Beispielen.

Zitat"Das geht ja mal gar nicht." vs. "Das geht nicht."
Bei dem Beispiel würde ich es von der Bedeutung abhängig machen. Das erste hat auch einen eher sarkastischen Unterton, bzw. könnte es haben. Oder je nach Stimmlage könnte es auch sehr empört klingen. Während das zweite einfach ... eine Tatsache ist.

Zitat"Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Ich fass es einfach nicht."
Das klingt definitiv "real" und würde ich auch so schreiben. Da die Satzanfänge umzustellen, erscheint mir nicht sinnvoll, nur um das doppelte "Ich" zu vermeiden.

dabei/damit/dadurch - auch hier würde es die Menge machen. Ich würde sie schon lassen, wenn es dem Dialog mehr Fluss gibt und sie streichen, wenn sie nerven. 

Also ja, in Dialogen können mich irgendwelche Stilregeln gern haben. Er sollte trotzdem gut lesbar sein und nicht "over the top" wie ein echter Dialog klingen, aber gerade immer wieder so Kleinigkeiten wie die oberen Beispiele lassen für mich Dialoge natürlich wirken.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Rynn

#17
Zitat von: Mindi am 05. Oktober 2022, 08:39:02Also, deine Beispiele sind für mich Beispiele für natürliche Dialoge. Und sofern es nicht zu viel "ja mal gar nicht" ist oder so viele Apostrophe, sodass der Satz wie ein Strickmuster aussieht, würde ich für einen "natürlichen" Flow des Dialoges häufiger deine ersten Beispiele nehmen, als die gestelzten zweiten.
Ich stimme Mindi da uneingeschränkt zu. Ich bin auch der Meinung, dass der große Anteil deiner "saloppen" Beispiele eher in Dialoge passt und die anderen Varianten schon sehr bewusst gewählt werden und zur Figur passen sollten. Erst recht im Jugendroman fände ich Sätze wie "Was ich damit sagen will ..." tendenziell befremdlich.

Man muss es mit Apostroph und Wiederholungen ja nicht übertreiben, aber natürlich klingende Dialoge funktionieren einfach anders als Fließtext. Und besonders beim Dialog empfiehlt sich lautes Vorlesen: Wenn es da rumpelt, merkt man das sofort.

Noch ein Tipp zur Form, nicht direkt zum Stil:
Was ich vor ein paar Jahren mal gelesen habe und was ich extrem erhellend fand: Gute Dialoge sind Dialoge, die nicht immer zielführend geführt werden. Wir sprechen im Alltag nicht immer strikt im Wechsel, wir gehen nicht brav auf alles ein, was der andere gesagt hat. Stattdessen springen wir assoziativ zu anderen Themen, übergehen mal etwas, schneiden ein anderes Thema an, sprechen gleichzeitig über mehrere Dinge, reden manchmal komplett aneinander vorbei (und merken es vielleicht gar nicht). Wenn man das wohl dosiert in seinen Dialogen nachzeichnet, werden die Dialoge deutlich lebendiger.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Gizmo

Ich sehe das genau wie Mindi!

Meiner Ansicht stimmt es, dass Dialoge geschliffener sind als im wirklichen Leben. Ich sehe den Unterschied aber vor allem darin, dass die Unterhaltungen in der Regel zielführender geführt werden, nicht unbedingt in der Ausdrucksweise. Füllwörter und Umgangssprache machen den Dialog realistischer, und ich finde, als Leser merkt man das durchaus.

Zitat von: Rynn am 05. Oktober 2022, 08:47:46Und besonders beim Dialog empfiehlt sich lautes Vorlesen: Wenn es da rumpelt, merkt man das sofort.
Das kenne ich auch. Wenn ich meine Entwürfe vorlese, bleibe ich z.B. an manchen Stellen ohne Füllwörter ("geht ja mal...") regelrecht hängen.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Mondfräulein

Ich antworte jetzt mal, ohne die anderen Beiträge zu lesen, um meinen Eindruck unverfälscht wiederzugeben, dann lese ich die anderen Beiträge und gehe vielleicht noch darauf ein. Aber das ist ein spannendes Thema!

Zitat von: caity am 05. Oktober 2022, 07:01:31- Füllwörter im Dialog (Beispiel: "Das geht ja mal gar nicht." vs. "Das geht nicht.")

Ich lese beide Antworten anders. "Das geht ja mal gar nicht" klingt empört. "Das geht nicht" klingt nach einer sachlichen und bestimmten Aussage, aber viel neutraler. Insofern geht es da glaube ich darum, wie das Gesprochene rüberkommen soll. Beides kann ich mir in einem Dialog gut vorstellen und es kann in einem Dialog natürlich wirken, aber es transportiert eben je einen unterschiedlichen Tonfall und dadurch unterscheidet sich die Bedeutung auch in Nuancen.

Zitat von: caity am 05. Oktober 2022, 07:01:31- Apostroph (Beispiel: "Mach's richtig." vs. "Mach es richtig.")

Ich versuche, Apostrophe zu vermeiden, außer die Alternative ohne Apostroph klingt total unnatürlich. In diesem Fall würde ich die Variante ohne Apostroph bevorzugen. Das klingt sonst etwas zu umgangssprachlich, auch wenn es in einem echten Dialog eigentlich total normal wäre.

Zitat von: caity am 05. Oktober 2022, 07:01:31- Wiederholungen von Satzformen und -anfängen (Beispiel: "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Ich fass es einfach nicht." vs. "Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was passiert ist, macht mich fassungslos." [oder eine andere Option, um das doppelte "Ich" am Satzanfang zu vermeiden])

Mir ist erst, als du es gesagt hast, aufgefallen, dass beide Sätze mit Ich beginnen. Die zweite Variante klingt total unnatürlich, das sagt so niemand. Das ist so ein Fall, in dem ich sagen würde, dass die "Regel" hier auf Dialoge und wörtliche Rede einfach nicht anwendbar ist. Wenn wir sprechen, bleiben wir viel lieber in denselben Satzmustern und variieren nicht so viel wie in geschriebener Sprache.

Zitat von: caity am 05. Oktober 2022, 07:01:31- Nebensätze in Dialogen (Beispiel: "Wir waren im Hauptgang. Sie sind durch die Hintertür gekommen." vs. "Wir waren im Hauptgang, als sie durch die Hintertür kamen.")

Ich finde beide Varianten okay. Kurze Sätze haben auch einen anderen Effekt als längere Sätze. Das erste klingt etwas hektischer. Die zweite Variante klingt ruhiger und entspannter.

Zitat von: caity am 05. Oktober 2022, 07:01:31- Formen von "dabei", "damit", "dadurch", die nicht unbedingt notwendig sind. (Beispiel: "Was ich damit sagen will ..." vs. "Was ich sagen will ...")

Ich finde beides okay. In Dialogen dürfen solche Wörter ruhig vorkommen.

Ich glaube, gesprochene Sprache in einem Roman sollte immer etwas förmlicher sein, als sie wirklich gesprochen wird. Ich habe mal ein Jugendbuch gelesen, in dem sich die Jugendlichen genauso unterhalten haben, wie ich es im Alltag getan habe (damals war ich auch noch wirklich jugendlich) und das ist mir sehr negativ aufgefallen. Außerdem kommen wir in Büchern sowieso nicht an gesprochene Sprache heran. Wir machen im echten Leben viele Grammatikfehler, weil wir erst beim Sprechen wirklich entscheiden, was wir sagen wollen, uns mitten drin umentscheiden, Sätze abbrechen und so weiter.

Sie sollte aber auch nicht zu förmlich sein, sonst wirkt es total unnatürlich. Außerdem finde ich, dass viele stilistische "Regeln" nicht auf gesprochene Sprache anwendbar sind, beispielsweise wenn es um Füllwörter oder Wortwiederholungen geht.