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Grammatikalische Kleinigkeiten

Begonnen von Ratzefatz, 21. November 2007, 06:23:44

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Shin

Okay, danke.
Ich meine, ansonsten wäre das auch ziemlich komisch im normalen Sprachgebrauch.

"Ich war letztens unterwegs und habe zwei Kinder gesehen, die in einem zugefrorenen See eingebrochen sind. Aber ich konnte ihnen helfen."
"Ein Glück, dann geht es ihnen also gut!"
"Ne, die sind ertrunken."
"Was?! Du sagtest doch, du konntest ihnen helfen!"
"Imperfekt!"
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Alia

#331
Ich würde auch sagen:

"Ich konnte helfen", bedeutet im normalen Sprachgebrauch so viel wie "Ich habe geholfen."
Wobei es wortwörtlich wirklich bedeutet "Ich hatte die Möglichkeit zu helfen". Ob man dann von der Möglichkeit auch Gebrauch macht, sagt es tatsächlich nicht aus. Es bedeutet letztlich nur, dass die Möglichkeit zu helfen nicht mehr gegeben ist. Ob jetzt die Hilfe nicht mehr möglich ist, weil die Notlage nicht mehr besteht oder weil die Möglichkeit zu helfen nicht mehr besteht, sagt es nicht aus.

Besser wird das zB bei "Es konnte sein" deutlich. Es wird nur eine Möglichkeit angesprochen. (Die jetzt aber nicht mehr vorhanden ist.)

"Ich musste ..." zeigt dagegen zB einen Zwang auf. Wobei es nicht unbedingt bedeutet, dass man dem Zwang auch gefolgt ist.
"Ich musste die Arbeit gestern abgeben." Sagt nichts darüber aus, ob ich abgegeben habe oder nicht. Abgeben muss ich jetzt nichts mehr - entweder weil ich schon abgegeben habe oder weil der Abgabeschluss eh vorbei ist.

"Ich wollte ..." zeigt eine frühere Absicht auf. zB "Ich wollte Autor werden." Das könnte weiter gehen mit: "Und jetzt habe ich endlich meinen ersten Roman veröffentlicht". Oder auch mit: "und jetzt will ich Astronaut werden".

Tante Edith meint noch:
"Aber" ist in dem Satz von Shin entscheidend.
Wenn ich sage "Bäume sind im Winter kahl, aber..." wird da sicher etwas kommen, was eben nicht so ist, wie die Aussage davor. Entweder "unsere Buche blieb auch im Sommer ohne Blätter" oder "Tannen sind auch im Winter grün".
"Die Kinder waren im Eis eingebrochen, aber ..."
Da muss etwas kommen, was dann eben nicht mehr so ist. ZB "sie wurden gerettet" oder auch "mich hat das Eis getragen".

Rynn

#332
Zitat von: Alia am 02. Januar 2013, 02:12:40
"Ich konnte helfen", bedeutet im normalen Sprachgebrauch so viel wie "Ich habe geholfen."
Wobei es wortwörtlich wirklich bedeutet "Ich hatte die Möglichkeit zu helfen". Ob man dann von der Möglichkeit auch Gebrauch macht, sagt es tatsächlich nicht aus. Es bedeutet letztlich nur, dass die Möglichkeit zu helfen nicht mehr gegeben ist. Ob jetzt die Hilfe nicht mehr möglich ist, weil die Notlage nicht mehr besteht oder weil die Möglichkeit zu helfen nicht mehr besteht, sagt es nicht aus.
Das stimmt auf jeden Fall; was aber man noch ergänzen sollte, wäre, dass der Satz deshalb "falsch" wirkt, weil er pragmatische Regeln verletzt, nicht grammatikalische. In der Pragmatik gibt es vier Gesprächsmaximen nach Paul Grice, und was dein Sprecher getan hat, war, die vierte (und/oder die erste) Maxime zu verletzen: Er war undeutlich, wenn er eine Möglichkeit angibt, von der man durch die Angabe annimmt, dass er sie wohl auch wahrgenommen hat. Mit der Formulierung "Ich hätte ihnen helfen können" wäre er deutlich gewesen; ein "Ich hätte helfen können" impliziert ein "Habe ich aber nicht"; ein "Ich konnte helfen" impliziert "Und das habe ich dann auch getan". Deshalb ist der Satz aus grammatikalischer Sicht nicht falsch, aber aus pragmatischer so undeutlich, dass bei den meisten Hörern wohl das gleiche Missverständnis entstehen würde.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Pestillenzia

Zitat von: Alia am 02. Januar 2013, 02:12:40
Wobei es wortwörtlich wirklich bedeutet "Ich hatte die Möglichkeit zu helfen".

Bedeutet "können" nicht eher "in der Lage sein, etwas zu tun"?
Nur weil ich die Möglichkeit habe, muss ich noch lang nicht in der Lage sein, es auch tatsächlich zu tun.
Beispiel: Ich habe die Möglichkeit, meiner Freundin beim Umzug zu helfen, weil ich Urlaub habe, aber ich bin nicht in der Lage dazu, weil ich einen Bandscheibenvorfall habe (und deshalb keine Kisten schleppen kann).

Die Möglichkeit ist gegeben, aber die tatsächliche Fähigkeit nicht.

Alia

Mhmm, ich würde "die Möglichkeit haben" und "in der Lage sein" in diesem Zusammenhang relativ synonym verwenden.

"Möglichkeit" kann aber wirklich ziemlich viel bedeuten. http://synonyme.woxikon.de/synonyme/m%C3%B6glichkeit.php
Einerseits "Fähigkeit" aber auch "günstiger Zeitpunkt" oder "Gelegenheit"

Ratzefatz

Ich weiß, dass es in anderen Sprachen solche Unterscheidungen gibt; zB Französisch: "savoir" = "können" (im Sinne von "wissen, wie's geht"), und "pouvoir" = "können" (im Sinne von "in der Lage sein"). Aber ich denke auch, dass es in Deutsch keine vergleichbare, einheitlich gebrauchte Unterscheidung gibt.

LG
Ratzefatz
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Mogylein

Zitat von: Ratzefatz am 03. Januar 2013, 19:24:39
Ich weiß, dass es in anderen Sprachen solche Unterscheidungen gibt; zB Französisch: "savoir" = "können" (im Sinne von "wissen, wie's geht"), und "pouvoir" = "können" (im Sinne von "in der Lage sein"). Aber ich denke auch, dass es in Deutsch keine vergleichbare, einheitlich gebrauchte Unterscheidung gibt.

LG
Ratzefatz

OT

Ich dachte immer, das wäre eine Eigenart romanischer Sprachen (weil mir das bei Spanisch und Französisch so begegnet ist), aber diese Unterscheidung gibt es auch im Chinesischen ("hui" für etwas gelernt haben, "neng" für körperlich oder durch Gelegenheit in der Lage sein, etwas zu tun" und "keyi" für können weil dürfen). Ich finde das sehr interessant und frage mich, wie schwierig das deutsche "Können" da für Anderssprachige ist.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Alana

Hallo,

kann mir bitte jemand sagen, ob man über etwas oder wegen etwas frustriert ist? Der Duden Online schweigt sich dazu leider aus.

Danke. :)
Alhambrana

Lisande

Spontan und ohne jegliche grammatikalische Begründung (ich glaube, "Bauchgefühl" zählt nicht als Begründung): wegen

Pestillenzia

#339
Ebenso spontan wie Lisande und ebenfalls ohne Begründung : beides.

Ich habe gerade "frustriert über" und "frustriert wegen" gegoogelt und z.B. bei Linguee.de finden sich jede Menge Sätze mit "über".

Moorhenne

Ich würde auch beides sagen - beziehungsweise, was ich wirklich sage ist eigentlich immer 'frustrieren' als transitives Verb:  "XY frustriert mich" :)
Morgenstund ist aller Laster Anfang.

Janika

Mein Bauchgefühl sagt auch 'wegen'.

Ich habe auch eine Frage ... zupft man sie am Ärmel oder ihr? Ich würde zu 'sie' tendieren, bin aber total unsicher :-\
Der gesuchte Satz ist: Vorsichtig zupfte Amanda [die/der] Gestaltwandlerin am Ärmel.
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Moorhenne

Wenn ich schon mal hier bin  ;D

Würd' sagen: sie. Ich zupfte sie am Ärmel - ODER Ich zupfte an ihrem Ärmel; aber das ist dann ja auch wieder anders.
Morgenstund ist aller Laster Anfang.

Pestillenzia

@Janika:
Ich bin auch für "sie".

HauntingWitch

Ich gehe mit Moorhenne. Zwar kann ich dir die Regel dazu nicht nennen, aber "vorsichtig zupfte Amanda der Gestaltwandlerin am Ärmel" klingt in meinen Ohren irgendwie falsch.