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Wie formuliere ich deutlich das Stimmbandproblem meines Protagonisten?

Begonnen von Aylis, 14. Januar 2014, 20:53:48

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Aylis

Hallo erstmal :)
Ich hoffe, ich habe den richtigen Bereich erwischt, ich war mir einfach unsicher, wo mein Problem sonst hingehört.

Wie man vielleicht lesen kann, ist mein Problem sehr spezifisch. Mein Protagonist, Wim, hat ein seit seiner Kindheit keine richtige Stimme mehr.
Da ich es einer Person aus dem richtigen Leben abgekupfert habe, kann ich euch in die medizinische Richtung nichts weiter erklären, aber es war wohl etwas mit dem Kehlkopf.
Dadurch ist Wims Stimme nun sehr heiser, als wäre er ständig stark erkältet. Er hat keine Schmerzen dadurch, aber er hat eben keinen Klang und so geht kein Rufen und kein Brüllen. Durchsetzen kann er sich hauptsächlich durch seine Auffälligkeit.

Nun, ich fand diese Person unglaublich interessant und damit ihr euch nicht wundert, hier gleich mal der Sinn; Ich würde Wim später gerne zum König machen. Einen "stummen" König finde ich einfach unglaublich interessant :)

Mein Problem damit ist nur, dass ich nicht so richtig weiß, wie ich es dem Leser verständlich mache.
Bisher habe ich Formulierungen wie "Heiser" "Fremd" und "ohne Klang" gewählt.
Aber kommt es dadurch tatsächlich rüber?
Wie oft muss ich wieder daraufhin weisen, damit man es nicht vergisst? Reicht vielleicht sogar einmal am Anfang, einmal am Ende?
Findet ihr es überhaupt wichtig, dass der Leser es die ganze Zeit mitbekommt oder nur, wenn er tatsächlich König ist?

Ein weiteres Problem ist, dass ich das mit dem Kindheitsproblem nicht schreiben kann, weil Wim sein Gedächtnis verloren hat.

Ich weiß, es ist ein wenig speziell, aber ich hatte gehofft, dass mir jemand helfen kann. Immerhin ist es ja eine sehr wichtige Eigenschaft für meinen Helden und ich versinke momentan in Zweifeln daran.  :bittebittebitte:
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Phea

Vielleicht bringst du die heisere Stimme im Gespräch mit ein? Ein anderer fragt, ob er sich krank fühlt, warum er heiser ist oder ihm wird ein Hustenbonbon angeboten.

Am Anfang finde ich es wichtig, dass du die heisere Stimme in seinen Gedankengang mit einbaust. Irgendwie so "Er hatte schon immer eine klanglose Stimme gehabt." Oder "Er konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, an dem seine Stimme normal gewesen wäre." Bei Gefahrensituationen kannst du auch sowas einbringen wie "Er konnte natürlich nicht schreien. Seine Stimmbänder erlaubten es ihm nicht." Oder ähnliches.

Ich kann mir auch vorstellen, dass du andere Wörter nimmst, wie z.B. flüstern, nuscheln oder das, was der Prota eben noch kann.

traumfängerin

Wie oft du es erwähnen musst? Immer wieder. Wenn dies eine hervorstechende Eigenschaft deines Protagonisten ist, muss diese dem Leser präsent sein. Natürlich nicht, indem du ihn nur immer krächzen, schnarren oder knarren lässt, sondern auch, indem du die Umgebung auf ihn reagieren lässt: Ist er an einem lauten Ort, wird er z.B. schlecht verstanden, Leute fragen nach, wenn er etwas sagt, jemand, der ihn neu kennenlernt, reagiert zunächst merkwürdig auf ihn. Außerdem kann er versuchen, laut zu sprechen, die Hand an die Kehle legen usw. Und vielleicht solltest du recherchieren, was die medizinischen Gründe für eine solch heisere Stimme sein können. Wenn du das nämlich weißt, kannst du aufgrund dieser Fakten evtl. treffendere Beschreibungen verfassen. Vielleicht hat er ja doch Schmerzen (zumindest, wenn er versucht hat zu brüllen). Dann kannst du auch das wieder in deine Beschreibungen einbauen. Du kannst ihn Situationen erleben lassen, in denen er laut schreien müsste, um z.B. jemanden zu retten (vor einer Lawine o.ä.), er kann es nicht, die Person stirbt oder wird verletzt. Suche nach Ideen, wie du dem Leser immer wieder neu durch Handlung seine Unzulänglichkeit in diesem Bereich vor Augen führen kannst. Evtl. kannst du auch eine Figur konstruieren, die durch eine sehr laute Stimme ihre Umgebung zu beherrschen vermag, und ihn dann als Gegensatz dazu inszenieren.
Ich persönlich finde es sehr wichtig, dass der Leser von Anfang an mitbekommt, dass dein Protagonist diese heisere Stimme hat. Es ist etwas, was ihn für dich als König interessant macht. Und so ist es auch. Ein stummer König ist interessant (ebenso wie ein stotternder König, siehe "the king's speech."). Erwähnst du seine heisere Stimme erst zu dem Zeitpunkt, wo er König wird, wirkt es so, als sei dir diese Eigenschaft plötzlich eingefallen. Aber das ist ja nicht so. Außerdem hat er wegen seiner Stimme evtl. sogar Zweifel, ob er überhaupt König werden kann - oder jemand anders hat deswegen Zweifel an seinen Fähigkeiten als König, und zettelt deswegen einen kleinen Aufstand an ... Du siehst, die Möglichkeiten, die die heisere Stimme deines Protagonisten dir für deine Handlung gibt, sind schier unerschöpflich. Warum solltest du sie also nur in zwei Nebensätzen erwähnen?  ;)

Anj

Wow, das ist schwierig.

Ich habe einen Freund, dem bei der Geburt die Stimmbänder durchtrennt wurden. Er kann also auch keinerlei Ton erzeugen. Mir fällt das eigentlich gar nicht mehr auf. Obwohl seine Stimme natürlich anders klingt, ist das für mich kein bezeichnendes Merkmal für ihn als Person.
Ich persönlich würde es vermutlich auch dementsprechend umsetzen. Unter bekannten Menschen ist es nicht erwähnenswert, aber Fremde würde ich darauf reagieren lassen. Und sei es nur durch Mimik, die die Figur als Reaktion erkennt oder interpretiert.
Ich habe auch schon erlebt, wie er sich in einer Horde spielender Kinder Gehör verschafft hat, denn er ist trotz fehlender Klangentwicklung durchaus laut, wenn er will. Und das krächzende Geräusch (im Grunde ist das ja sehr lautes Flüstern) fällt dann schon auf und lenkt die Aufmerksamkeit auf ihn. Gegen eine Horder schreiender Menschen hätte er natürlich trotzdem keine Chance. Aber ehrlich gesagt, haben auch normale Stimme da nur begrenzt eine Chance.
Ich würde also dazu tendieren, dass nicht ständig auf dem Silbertablett zu servieren, sondern nur, wenn es auch einen echten Grund gibt.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich zu den Lesern gehöre, denen ein Gefühl für die Persönlichkeit wichtiger ist, als äußerliche Merkmale. Die Persönlichkeit muss stimmig und authentisch sein. Wenn dann noch solche Kleinigkeiten passend und gut ausgearbeitet sind, ist das ein besonderes I-Tüpfelchen. Aufgesetzte Auffälligkeiten (die ich leider sehr viel häufiger lese), insbesondere, wenn sie nix mit dem Charakter der Figur zutun haben, empfinde ich immer als plump und sehr langweilig, wenn nicht sogar nervig. Allerdings habe ich in Schreibforen oft das Gefühl, dass ich damit ziemlich alleine stehe. Es kann also sein, dass meine Meinung nicht die der Lesermehrheit abbildet.
Dennoch wäre das meine Wahl.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

HauntingWitch

Hallo Aylis

So etwas Wichtiges würde ich immer wieder unterschwellig einfliessen lassen. Am Anfang, wenn die Figur zum erstenmal auftaucht, würde ich so bald als möglich das Problem beschreiben. Wenn er sich nicht erinnert, woher es kommt, kannst du das ja ebenfalls sagen... Nur, damit ich das richtig verstehe, er kann schon sprechen, aber er klingt einfach wie ständig heiser bzw. man hört ihn kaum?

Dann würde ich das in den Text einbinden, in etwa so: "Hilfe!" Es wäre ein Schrei gewesen, aber seine Stimme erlaubte ihm dies nicht und kam stattdessen nur als verzweifeltes Röcheln heraus. Oder so ähnlich. Besonders betonen kannst du das immer dann, wenn es ihn selbst ärgert oder wenn jemand anderes, der sein Problem nicht kennt mit ihm spricht. "Ja", sagte er kaum hörbar. - "Sprich lauter", blaffte der Wirt. - Er wünschte sich, dass er das könnte und gab sich noch ein wenig mehr Mühe: "Ja." Sind natürlich nur Beispiele. Aber ich hoffe, es ist verständlich, was ich meine? ;)

Ich als Leser höre die Stimmen der Protagonisten in meinem Kopf und finde es daher sehr, sehr wichtig, dass so etwas klar beschrieben wird. Sonst würde ich ihm einfach eine gewisse Art von Stimme (hoch, tief, rau, je nach restlichen Beschreibungen) zuordnen und dann muss ich später auf einmal erfahren, dass das gar nicht möglich ist. Lieber weiss ich es von Anfang an.

Sternsaphir

Ich vermute mal, dass Dein Protagonist durch seine Stimme auch einige Probleme hat, z.B. sich verständlich zu machen.

Du solltest bei entsprechenden Situationen dies immer wieder hervorheben. z.B. dass er sich in einer lauten Taverne die Schankmaid nicht rufen kann, dass sich vielleicht die Mädchen vor seiner "Geisterstimme" fürchten und nichts mit ihm zu tun haben wollen und er sich gegenüber wortgewaltigen Menschen nicht durchsetzen kann und mit einer solchen Stimme lässt es sich auch nicht gut singen.

Ich würde mir eine Person, die stets eine heisere Stimme hat, eher zurückgezogen vorstellen, die lieber zuhört und beobachtet anstatt selbst zu sprechen, weil sie ihre Stimme eher als ein Hindernis ansieht.
Und da könnte man auch einen guten Ansatz machen, z.B. dass der Protagonist zu einer Begebenheit vielleicht etwas sagen würde, aber dann doch lieber schwieg und sich eher seinen Teil denkt.

Aylis

Ich danke euch sehr für eure Antworten, gerade, weil ich mir jetzt sicher bin, dass ich diese nette Besonderheit umsetzen kann :)

Viele Ideen sind sehr schön, vor allem das mit den neuen Personen. Mir ist gleich eine witzige Szene eingefallen, in der er seinen wichtigsten Freund kennenlernt.  :jau:

Zitat von: HauntingWitch am 15. Januar 2014, 08:09:52
Nur, damit ich das richtig verstehe, er kann schon sprechen, aber er klingt einfach wie ständig heiser bzw. man hört ihn kaum?

Er ist sehr heiser, doch hören tut man ihn schon. Es ist schwer zu beschreiben, aber er kann sich (ähnlich wie Anjanas Freund) durchaus bemerkbar machen,
er kann in dem Sinne "lauter" werden. Nur dass ihm die Stimme eben ab einem bestimmten Punkt "weg bricht". Die Stimme hat  keinen Klang.
Deine Beispiele waren aber schon einmal sehr gut, die kann ich mir auf jeden Fall gut vorstellen  :D

Zitat von: Sternsaphir am 15. Januar 2014, 14:52:05
Ich würde mir eine Person, die stets eine heisere Stimme hat, eher zurückgezogen vorstellen, die lieber zuhört und beobachtet anstatt selbst zu sprechen, weil sie ihre Stimme eher als ein Hindernis ansieht.

Lustigerweise ist die Person, von der ich das abgekupfert habe, Jugendbetreuer  ;D
Ich würde einfach mal behaupten bei so einem Beruf braucht man schon Selbstbewusstsein. Für meinen Prota ist dein Tipp allerdings sehr gut, danke.  :knuddel:
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Lothen

Erst mal Kompliment für die Idee, gefällt mir richtig gut! Ich finde es aufregend, Eingenheiten einer Person über die Stimme zu definieren - meist geschieht das ja doch eher über Äußerlichkeiten oder Charakterzüge.

Ich kann mir anhand deiner Beschreibungen sehr gut vorstellen, wie sich das anhören muss - insofern denke ich, dass du den besonderen Klang mit den wenigen Adjektiven, die bisher gefallen sind, recht gut darstellen kannst!

Je nachdem, wie dein König im Volk gelitten ist, könntest du ja auch ein paar "Schmähnamen" einbauen passend zu seinem Handicap (der "stumme König" ist ja noch direkt nett) ;) Leider fallen mir gerade keine kreativen Beispiele ein (vielleicht wird's auch Zeit für's Bett  :gähn: ) So käme das Problem mit der Stimme auch immer wieder zu Tragen, ohne, dass du es explizit erwähnen musst.

Im Gegensatz zu Traumfängerin würde ich nach meinem Geschmack sagen, dass die besondere Stimme nicht dauernd Erwähnung finden muss - am Anfang natürlich im Speziellen und auch dann, wenn sie von besonderer Relevanz ist (so wie der oben beispielhaft erwähnte Hilfeschrei), aber wenn mein Prota eine große Nase hat, dann würde ich darüber vermutlich auch nicht alle zwei Seiten schreiben ;) Ist aber wahrscheinlich Geschmackssache. Aber ich gebe Traumfängerin insofern recht, dass du das Potenzial dieser Idee auf jeden Fall ausschöpfen solltest!