Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Artemis am 22. Mai 2008, 18:30:21

Titel: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Artemis am 22. Mai 2008, 18:30:21
Häufig liest man sie, selten benutzt man sie: die vulgäre Sprache.
Noch vor kurzem hatte ich ein Buch gelesen, in dem es vor gewissen Ausdrücken nur so wimmelte. Da schmeckt ein Wein wie Hundepisse, ein Bauer verflucht das Wetter als beschissen, ein Raufbold droht dem anderen, ihm in den Arsch zu treten, eine Frau jagt den Bewerber mit den Worten, er solle sich ins Knie f*****, davon, und der nächste muss eben mal eben kotzen vom schlechten Essen.

Als Leser macht man da nur kurz große Augen, bedenkt der unglaublichen Toleranz des Lektors und liest stumm weiter.

Aber wie macht man es als Autor?
Wenn man beispielsweise ein Paar wirklich übler Gesellen ohne Zucht und Ordnung vor sich hat, dürfen die dann solche schmutzigen Wörter benutzen? Oder muss man ihnen zum Schutze der geneigten Leser hochtrabende Worte in den Mund legen, die so viel zu ihnen passen wie ein Diamantenhalsband zu einem schmutzigen Hofhund?

Manchmal hab ich auch das Bedürftnis, den einen oder anderen meiner Charaktere auf Teufel komm raus fluchen zu lassen, aber dann werde ich sofort unsicher und lösche die Unwörter wieder, weil ich nicht weiß, ob das überhaupt ok ist. Sicher, es gibt einige Wörter, die absolut nicht gehen in der gewöhnlichen Literatur, aber dazu gehören ja hauptsächlich sexuell orientierte Begriffe, die ich hier mal nicht weiter austreten will  ;)  Solche kämen mir im Leben nicht ins Manuskript, da würden mir die Finger schon beim Tippen wehtun.
Aber darf ich einen Charakter nicht auch mal kotzen und pissen lassen, ohne dass ich als Autor gleich vulgär rüberkomme?


Wie handhabt ihr das? Geht ihr solchen Begriffen dezent aus dem Weg oder streut ihr sie mit dem Salzstreuer hier und da mal ein? Das würde mich echt mal interessieren  :hmmm:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Antigone am 22. Mai 2008, 18:50:30
Oh, ein schwieriges Thema. Ich würde sagen, ich streue solche Wörter dezent mit dem Salzstreuer ein... ;D

Prinzipiell schreibe ich in einer schönen Sprache. Wenn ich jemanden fluchen lasse, dann sagt der nicht "Sch****", sondern eben "verdammt, verflixt oder ähnliches. Ich muss aber gestehen, dass ich mich nicht immer wohl dabei fühle, eben, weil ich weiß, dass normale Leute normalerweise eben nicht so schön sprechen (ich selbst ja auch nicht im wirklichen Leben). Aber ich brings einfach nicht übers Herz, solche Wörter zu schreiben (und die sexuell orientierten schon gar nicht).

Allerdings verwende ich pissen und kotzen manchmal in der direkten Rede. z.b.
A sagte: verdammt, gleich muss ich kotzen.
Wenn ich aber nur über A schreibe, würd ich sagen: A musste sich übergeben.

lg, A.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Grey am 22. Mai 2008, 18:55:46
Hmm ... also als ich angefangen habe, Mein Name ist Wind zu schreiben, habe ich (bzw. hat Al) mit Kraftausdrücken nur so um sich geworfen, dass meine Testleser die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. :darth:

Ich hab daraufhin alle rausgelöscht und dann festgestellt, dass Al einfach nicht mehr Al war - da hab ich sie wieder eingebaut, allerdings gemäßigter und ein bisschen vorsichtiger. Aber generell benutzen tu ich sie schon, wenn es passend ist. Da bin ich skrupellos. Kotzen zum Beispiel tut Al immer noch recht häufig. ;)

Um die Meinung eines Lektors zu dem Thema mache ich mir dann Sorgen, wenn ich an einen gerate, der ein Problem damit hat. Ich schätze doch mal, es wird in der Hinsicht so viele Ansichten wie Lektoren geben. Zumindest annähernd.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Coppelia am 22. Mai 2008, 18:56:55
Ich bin da generell ziemlich tolerant und verwende solche Begriffe selbst ganz gern. Dabei kommt es natürlich immer darauf an, welche Personen das sagen und welche Erzählperspektive gerade gewählt ist. Und auch auf das "Flair" des Buches kommt es an.
In einem Buch über recht üble Gestalten - als Hauptpersonen - hab ich solche Ausdrücke nicht nur in der wörtlichen Rede verwendet. In dem gerade fertig gestellten Buch ist mein Hauptcharakter aus der High Society und spricht normalerweise nicht so, aber sein Kumpel redet häufig vulgär - und trifft dabei oft den Nagel auf den Kopf, wie ich finde. Dabei hab ich mich sogar an antiken Originaltexten orientiert. ;D Mal sehen, wie meine Betaleser das finden.

Aber wenn ich einen epischen, tragischen Moment habe, würde ich dann doch auf solche Worte verzichten. Oder wenn die Situation gerade "zart" oder "sensibel" ist oder wie man das sonst noch nennen kann.

Die von dir genannten Beispiele finde ich nicht wirklich krass. Wenn jemand aus einem Becher trinkt und sagt "Schmeckt wie Hundepisse!" trägt das doch schon zur Charakterisierung der Person bei. ;)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Beate am 22. Mai 2008, 19:15:48
Für mich ist es, dass im "normalen Erzähltext", gerade, wenn es sich um einen Er-Erzähler oder einen auktoriellen Erzähler handelt, solcherlei Worte nichts zu suchen haben. Wenn im fließenden Text steht

"A. lehnte sich an die Hausecke und kotzte sich die Seele aus dem Leib."

dann stört mich das irgendwie. "Poetischer" klingt dann ein "An der nächsten Hausecke stand A nun und hatte das Gefühl, dass er neben seinem Mageninhalt auch bald seine Seele auf dem Boden zu seinen Füßen finden würde."

Wenn jemand das erzählt und es zum Charakter passt, warum nicht? Es klingt viel besser, wenn ein etwas verschrobener Charakter sagt, er habe sich die Seele aus dem Leib gekotzt, als wenn er hochstilistisch erklärt, er habe seinen Mageninhalt auf unappetitliche Weise auf dem falschen Wege wieder verloren.

Ähnliches gilt für sexuell geprägte Begriffe. Warum eine Hure nicht als Hure bezeichnen, wenn jemand abfällig über sie redet? Sonst kann man das ganze als Prostituierte oder Freudenmädchen umschreiben, aber wenn das zu dem jeweiligen Charakter nicht passt, dann soll der ruhig Hure oder Nutte sagen.

[Ich hoffe, solche Begriffe werden jetzt vom Forum nicht gefiltert *g*]

Bei der Ich-Perspektive finde ich es jetzt etwas schwieriger. Wortwahl und Flair des Textes sollen zum Charakter passen, da versuche ich aber tunlichst, zu extreme Begriffe zu vermeiden, weil mich diese Begriffe persönlich im Lesefluss stören.

Flüche umschreibe ich grundsätzlich mit "er fluchte alles in Grund und Boden" o.ä. - natürlich dann mit Metaphern ausgeschmückt.

Da ich selber jemand bin, der weder großartig vulgär redet, noch Flüche oder ähnliches benutzt, fällt es mir auch schwer, eben solche zu schreiben oder mir einfallen zu lassen. Da finde ich es in meinem Fall schwerer, solche Dinge überhaupt zu schreiben, als sie zu vermeiden ;). Für einen Charakter in meinem momentanen Projekt, brauche ich es aber zwingend, weil es zu ihm gehört vom Wesen, also bemühe ich mich redlich.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Lavendel am 22. Mai 2008, 20:14:00
Ich würde auch sagen, das hängt stark vom Flair des Romans ab.

Lies zum Beispiel mal Steven King. Da fallen nun wirklich ab und an Kraftausdrücke der übelsten Sorte. Aber es hat einen Effekt. Es unterstützt die Brutalität des Ganzen.

Ich bin ja selbst beim Sprechen nicht zimperlich mit solchen Wörtern, also bin ich es beim Lesen oder beim Schreiben auch nicht. Scheiße ist für mich kein schlimmes Wort. Pisse und Kotze finde ich auch Ok. Stell dir doch bloß mal vor, ein übler Gauner steht in einer Seitengasse und verrichtet sein Geschäft. Da würde ich selbst im Fließtext ruhig schreiben: "Narbengesicht Joe war so besoffen, dass er die halbe Wand vollpisste." Wie klingt das denn, wenn da 'betrunken' und 'urinierte' steht? Völlig daneben.
Auch ein personaler Erzähler hat im Idealfall je nach Figur eine eigene Stimme. Und wenn man durch die Augen eines vulgären Charakters 'sieht', muss man sich auch trauen, vulgäre Sprache zu benutzen.

Man sollte natürlich so schreiben, dass man sich selbst mit dem Text wohlfühlt, aber ich finde, man kann auch ruhig mal ein bisschen mutig sein. Das vertreibt die Langeweile. Außerdem sollte Literatur sich ja nicht um guten Geschmack kümmern  ;).
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Grey am 22. Mai 2008, 20:47:45
genau. Wie Dieter B. sagen würde: "Du kannst es dir doch leisten, auch mal was zu riskieren!" ;D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Taske am 22. Mai 2008, 21:01:11
Hallo,

ich denke, das kommt auf diejenigen an, die man mit seinem Text anzusprechen wünscht, landläufig auch als "Zielgruppe" bekannt.

Derjenige der eher für Jugendliche, oder "Ich-bin-Mutter-und-Hausfrau-und-lerne-gerade-töpfern" schreibt, wird sich ganz von selbst, der von diesen Leuten erwarteten Sprache bedienen.

Ansonsten gilt: Warum soll man nicht f***** schreiben, wenn f***** gemeint ist?

Viele Grüße

Taske
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Ary am 23. Mai 2008, 07:49:12
Moin,
ich denke auch, wenn es nicht zu viel wird, dann darf man schon Kraftausdrücke benutzen. Passt es zum Roman, passt es zum Flair, passt es zum Charakter? Dann ein eindeutiges Ja, aber bitte nicht übertreiben.
Ich lese gerade ein Buch, in dem der Protagonist auch schon mal heftig in die Schimpfwortkiste greift, aber es passt zu ihm. Allerdings: ich lese das Buch im Moment im englischen Original ("The year of our war" von Staph Swainston), und ich muss sagen, dass mich in der deutschen Übersetzung die Kraftausdrücke schon ein bisschen gestört haben. Im Original stören sie mich nicht, und das hat nichts damit zu tun, dass ich nicht verstehe, was gemeint ist. Es passt einfach, dass der Protagonist motzt und flucht, kotzt statt sich zu übergeben und auch mal f****t. Eigentlich bekleidet er ein hohes Amt mitsamt Verantwortung und allem, was dazugehört - aber er ist ein Junkie, klebt an der Nadel und kommt einfach nicht von dem Zeug los. Sehr zum Leidwesen seiner Umgebung, die ihn ertragen muss, wenn der Entzug kommt und die ihn ertragen muss, wenn er wegen der Droge gerade mal wieder auf einem heftigen Trip ist und keiner ihn dazu bringen kann, etwas Vernünftiges zu tun oder zu sagen. Der Witz ist, dass Trips und Droge am Ende allen ein sehr großes Problem vom Hals schafft.
Ich mag diesen Protagonisten. Er darf auch gern mal "Scheiße" sagen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Wölfin am 23. Mai 2008, 14:03:12
Ich selbst lese solcherlei Ausdrücke eher ungern, manchmal passt ein anderer Ausdruck aber einfach nicht.
Im erzählenden Text würde ich Kraftausdrücke eher vermeiden. Auf mich wirkt es dann eher abschreckend und ich habe schnell das Gefühl, dass dem Autor nur andere Wörter fehlten. Ist aber nur mein persönliches Gefühl dazu.

In der wörtlichen Rede hingegen stört es mich nicht. Ein Chara, der in der übelsten Gegend aufgewachsen ist, der vll. nicht einmal eine Schulbildung genossen hat, etc. drückt sich einfach nicht so gewählt aus wie der Prof. Dr. Sowieso. Wenn der sich beschissen fühlt, darf er das so auch sagen.

Okami
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Judith am 23. Mai 2008, 15:17:11
Ich sollte vermutlich mal den Salzstreuer schnappen und meine Texte würzen. Ich bin nämlich dermaßen zimperlich, was vulgäre Sprache betrifft, dass es auch schon wieder auffällig ist.  :-[
Aber ich nehm selbst so gut wie nie Schimpfwörter in den Mund, die über "verdammt" hinausgehen. Ein einziges Mal in meinem Leben hab ich f*** gesagt, und da waren nachher meine Mitbewohnerin und ich gleichermaßen von den Socken.
Grundsätzlich mag ich so richtig heftige Schimpfwörter überhaupt nicht - ich vermeide sie, mag es nicht, wenn andere heftig fluchen und mag es noch viel weniger, wenn meine Charaktere fluchen.
Ich bin in der Hinscht vielleicht ein wenig spießig.  :-[
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Taske am 23. Mai 2008, 16:02:27
Hallo,

Zitat von: Judith am 23. Mai 2008, 15:17:11
Grundsätzlich mag ich so richtig heftige Schimpfwörter überhaupt nicht - ich vermeide sie, mag es nicht, wenn andere heftig fluchen und mag es noch viel weniger, wenn meine Charaktere fluchen.

Die Art wie ein Character sich ausdrückt, hat in der Regel etwas mit seinem kulturellen Hintergrund zu tun. Eine Prostituierte wird in der Regel eher das "F-Wort" benutzen, anstatt: "... und dann haben wir uns geliebt!" zu sagen.
Seine Herkunft, bzw. sein Umfeld prägt die Person. Das muss sie nicht zwingend zu einem schlechten Menschen machen.

Zitat von: Judith am 23. Mai 2008, 15:17:11Ich bin in der Hinscht vielleicht ein wenig spießig.  :-[

*lach* Das beraubt Dich vielleicht einiger schriftstellerischer Möglichkeiten, macht Dich dafür aber unter Garantie zu einem sehr viel angenehmeren Menschen! ;)

Viele Grüße

Taske
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: THDuana am 23. Mai 2008, 16:10:46
Zur vulgären Sprache in Romanen würde ich sagen: Schockiere den Leser nicht zu sehr mit der Ausdrucksweise, die die Figuren haben.

Darunter verstehe ich sowohl, dass ein Prinz wohl kaum das "f***" zu "miteinander schlafen" sagen würde, wenn er etwas auf sich hält und gebildet ist, aber auch, dass, wie Taske schon sagte, eine Prostituierte sich auch ihrem Umfeld entsprechend ausdrückt.
Es kommt meiner Meinung auch immer auf den Roman und seine Handlung + das Setting an. Wenn ein Leser zu einem Roman greift, in dem sich drei Diebe, ein Mörder und seine Prostituierte auf die Jagd nach einem alten Bekannten machen, um ihn um zu legen, weiß er, auf was er sich einlässt. Auch sprachlich. Da ist dann vulgäre Sprache schon fast Pflicht - fast!
Bei Fantasyromanen glaube ich lehnt es sich auch stark an die Handlung. Sollte kein "dreckiges" Milieu vorhanden sein, sind vulgäre Ausdrücke wohl eher eine Seltenheit und das ist auch gut so.
Wenn jetzt richtig grobschlächtige Typen zusammen sitzen, ein paar Humpen getrunken haben und der Roman sich sonst aber in verschiedenen Gesellschaftsschichten bewegt (oder auch nicht ::)), würde ich es in Ordnung finden, wenn ein, zwei Kraftausdrücke fallen. Besonders, wenn irgendetwas schief läuft, es muss natürlich immer eine Vorlage geben.
Dass jemand sagt "Ich gehe mal pissen" statt "Ich muss mal" würde ich glaube ich vermeiden. Weil mir erstens als Leser und zweitens auch als Autor nach einer Zeit schlecht werden würde. :-X
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Artemis am 23. Mai 2008, 19:32:26
Zitat von: Duana am 23. Mai 2008, 16:10:46
Dass jemand sagt "Ich gehe mal pissen" statt "Ich muss mal" würde ich glaube ich vermeiden.

Obwohl man gerade damit auch einen gewissen Wortwitz reinbringen könnte. Wenn sich zwei Haudegen unterhalten und einer zum anderen sagt: "Du bist ja so besoffen, dass du nicht mal gradeaus pissen kannst!", hat das schon eine gewisse Situationskomik. Das find ich dann nicht eklig, sondern zum Grinsen   ;D

Oder so nette Flüche wie "Ich piss dir heut nacht in die Stiefel!" (in einem Computerspiel gehört  ::) ) können je nach Charakter auch recht passend wirken   ;)


Mittlerweile hab ich mich getraut, den einen oder anderen deftigen Ausdruck in mein Manuskript einzubauen, weils von der Situation und dem Tonfall her einfach passt. Wenn man sich streitet und lauter wird, vergisst man gern mal seine Erziehung ^^°  So richtig derbe sprechen bei mir eh nur zwei, drei Charaktere, die anderen drücken sich etwas gewählter aus.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Hr. Kürbis am 24. Mai 2008, 07:56:53
Ich finde böse Wörter :darth: durchaus ok, kommt aber auf die Erzählperspektive an. In der auktorialen würde ich sie eher meiden, in der personalen häufiger einsetzen (je nach gesellschaftlichem Hintergrund) und erst recht in der Ich-Perspektive und der wörtlichen Rede ... Immerhin war das Mittelalter, an dem wir uns ja meistens orientieren, keine auf Hochglanz und Anstand gebürstete Epoche, eher das genaue Gegenteil. Ziemlich viele Schimpfwörter kann man in ihrer Entstehung ja dieser Epoche zuordnen, z.Bsp. f*****.
Mein von Rachegelüsten getriebener Zwerg, der seinen Gegner keinen Hurensohn schimpft sondern einen bösen Kerl, wäre ohne Schimpfwörter und ohne entsprechendes vulgäres Verhalten nicht mehr die selbe Person.

Wohin man mit ziemlich derber Ausdrucksweise kommen kann, beweisen gewisse Feuchtgebiete im Moment recht eindrucksvoll! :rofl:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 25. Mai 2008, 20:13:27
Ein Schriftsteller muss dem Volk aufs Maul schauen. Und wenn das Volk drastische Worte benutzt und der Autor über das Volk schreibt, dann muss er sie ebenfalls benutzen.  Wer mit der Schere im Kopf herum schnipselt, der verfälscht Atmosphäre und Authentizität seines Werkes.

Ein Beispiel: Petronius' Gastmahl des Trimalchio. Die Dialogpassagen sind vulgär, aber unglaublich lebensecht. Sie zoomen den Leser wie mit einer Zeitmaschine ins 1. Jh. an Trimalchios Tisch.
Sofern man das lateinische Original liest. Alle Übersetzungen, die ich kenne, haben diese Zauber ruiniert, weil sie aus Dialogen, die aus dem vollen Leben gegriffen sind, verstaubte Literatur machen.


Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: THDuana am 25. Mai 2008, 20:54:18
@ Churke
Im Grunde hast du schon Recht, denke ich, aber du vergisst vielleicht die Probleme, die Leser und Autor damit haben. Wenn ein Autor gebildet Spricht und nie vulgär, fällt es ihm extrem schwer, vulgär zu schreiben, weil er damit auch mit sich selbst bricht. Dann kannst du die Lebensechtheit knicken.
Und die Leser ... das ist genauso, wie wenn du skurile Geschichten aus dem Leben aufschreibst, das wirkt oft nicht so gut. Das Unnatürlichste ist oft das Natürliche.

Oder glaubst du, wenn eine Figur stirbt, die Szene ist herzerreißend und der beste Freund des Toten sagt dann: "Alter, warum beißt du jetzt ins Gras, du Pisser? Bist ja 'n toller Freund, wenn's ums Saufen geht immer volle Röhre dabei und die Schnallen auf immer am Aufreißen, aber dann den Halm knicken wenn's ernst wird."
Würde ich jetzt nicht so super finden, auch wenn es dem besten Freund ähnlich sieht und sie in einem solchen Umfeld leben / gelebt haben.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Ary am 25. Mai 2008, 21:39:52
@Churke: Oh ja, Trimalchio! Was hatte ich damals rite Ohren im Lateinunterricht, aber wir haben auch immer wieder herzlich gelacht. Allerdings muss ich sagen, fand ich Catull teilweise fast noch schlimmer, der nahm ja auch kein Blatt vor den Mund.
"Dem Volk aufs Maul schauen", das passt schon. Man sollte es eben nur nicht übertreiben. :)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Lavendel am 25. Mai 2008, 21:55:44
Aber Duana, die Kunst ist doch, andere Personen sprechen zu lassen und selbst nicht mehr präsent zu sein. Der Tod des Autors. ;)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: THDuana am 25. Mai 2008, 21:59:35
Schon Lavendel, aber ich halte recht wenig von vulgärer Sprache, vielleicht liegt darin auch meine Abneigung und Feindlichkeit. Es ist lobenswert, sich in andere Personen hineinversetzen zu können und sie so sprechen lassen zu können, wie sie "sind". Aber nicht jeder, der spricht, will auch gehört werden. ;)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 26. Mai 2008, 00:09:12
ZitatWenn ein Autor gebildet Spricht und nie vulgär, fällt es ihm extrem schwer, vulgär zu schreiben, weil er damit auch mit sich selbst bricht.
Das bedeutet dann aber, dass der Autor keine wirklichkeitsnahen Dialoge schreiben kann. Er kann sich einfach nicht in den Sprecher hinein versetzen. Und wenn er dann ergoogelte Kraftausdrücke verwendet, wird das nicht besser, eher sogar schlimmer.
Was macht man da? In diesem Fall würde ich den Dialog abstrahieren. Ich lege dem Sprecher Worte in den Mund, schreibe also nur sinngemäß. Ich gehe also vom Dialogeschreiben zum Erzählen über. Das kann man bei vielen Klassikern nachlesen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Naudiz am 18. September 2011, 18:47:12
Yeah, 3 Jahre alte Thread wiederbeleben. Ich hab' ja sonst nicht Besseres zu tun  ::)

Aber zu dem Thema senfe ich gerne dazu. Denn ich bin eine Verfechterin der vulgären Sprache. Warum? Weil sie manchmal einfach so herrlich gut passt. Vor allem in Romanen, die in der Jetztzeit spielen. Und ganz besonders, wenn Jugendliche involviert sind.
Ich meine, zeigt mir mal einen durchschnittlichen Jugendlichen, der Wörter wie "f*****", "pissen", "kotzen" und "Arschloch" meidet. Ich glaube, da kann man lange suchen. Und auch ich benutze solche Wörter gelegentlich. Nicht exzessiv, aber es kommt eben vor. Vielleicht bin ich da auch ein bisschen sehr Berlin- und HipHop-Szene-geprägt. Da gehören solche Wörter teilweise ja schon fast zum guten Ton.

Im Allgemeinen habe ich selbst einen nicht unbedingt poetischen, aber eben auch nicht "hässlichen" Sprachstil. Allerdings kann ich, so es ins Setting und zu den Charakteren passt, wirklich sehr vulgär werden. Das gehört nun einmal dazu. Wie schon vielfach gesagt wurde: Dreckige Halunken sprechen nun mal kein piekfeines Hochdeutsch. Das passt einfach nicht.
Wenn der feine Prinz von Ayyabayya aber auf einmal anfängt, Frauen als Nutten zu bezeichnen und zu sagen, dass er jetzt mal richtig derbe furzen muss, bin ich schon ein bisschen skeptisch. Sowas würde mir nicht unterkommen. Es sei denn, der Prinz führt ein Doppelleben wie Aladin und ist nebenberuflich Dieb ;)

Als Leser bin ich zum Thema vulgäre Sprache auch nicht sonderlich zimperlich. Wie gesagt, solange es passt, ist mir das ziemlich egal.
"The First Law" von Joe Abercrombie ist so ein Fall, den ich mir überhaupt nicht in gehobener Sprache vorstellen könnte. Was wären die Named Man ohne ihre derben Flüche? Und was Prinz Ladisla und seine recht vulgäre Ausdrucksweise angeht... es passt zu ihm und charakterisiert den Verfall der herrschenden Klasse.

Lange Rede, kurzer Sinn: Vulgäre Sprache ist für mich vollkommen in Ordnung, solange sie zum Setting passt.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Nocturne am 19. September 2011, 18:03:33
Also ich finde es kommt vorallem auf die Charaktere an. Natürlich, da stimme ich Naudiz zu, passen zu manchen Charakteren diese Ausdrücke einfach und alles andere wäre fehl am Platz, der ganze Charakter käme sonst vielleciht falsch rüber. Aber zu viel davon würde ich nicht einstreuen, denn wenn alle Charaktere so reden, geht das einem mit der Zeit finde ich auch ziemlich auf den Geist. Also würde ich vielleicht ein paar Charaktere einbauen, die so sprechen, aber auf keinen Fall alle so reden lassen - auch, wenn jeder natürlich mal richtig fluchen darf, müssen es ja nicht alle die ganze Zeit über machen. Das nützt sich ab und kann , finde ich, bei häufiger Wiederhohlung sogar stören.
;)
LG,
Nocturne
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Dämmerungshexe am 19. September 2011, 18:29:38
Also mit der vulgären Sprache in Romanen ist es wohl ähnlich wie mit der Gewalt in Medien - die Gesellschaft hat sich inzwischen an ein gewisses Maß gewöhnt und ist nicht mehr so einfach zu schockieren. Natürlich passt es zum Teil einfach wunderbar zu Setting und Charakteren - aber vor 60 oder 100 Jahren hätte mans ich trotzdem nicht getraut etwas derartiges zu schreiben (bzw. im Fernsehn zu zeigen). Und natürlich folgt die ganze Sache eine Abwärtsspirale - dasmit es noch knallt muss es immer schlimmer werden. Manchmal habe ich so das Gefühl dass Autoren es richtig drauf anlegen. Ich bin bei weitem nicht zimperlich was deftige Ausdrücke betrifft - aber dann frage ich mich wieder "Muss es denn wirklich sein?"
Ich denke da sollte man als Autor genauso rangehen wie an alle anderen (sprachlichen und strukturellen) Elemente eines Geschichte und sich fragen inwieweit es jetzt dem Plot und dem Roman zuträglich ist, oder in wieweit man sich nur selbst profilieren möchte. Und je nachdem wie die Antwort ausfällt und welchen Zweck man verfolgt muss dann halt der Rotstift ran.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Alana am 19. September 2011, 20:58:08
Also ich finde nicht, dass man um jeden Preis authentisch den Zahn der Zeit treffen muss.
Es kommt halt aufs Genre und auf die Zielgruppe an. Wenn man einen Krimi schreibt, oder Gegenwart-Horror oder dergleichen, und sich die Bücher vor allem an erwachsene Männer richten, dann glaube ich, muss man nicht sparen mit Kraftausdrücken.
Denn dann gehören die einfach zur Atmosphäre des Buches dazu.
Wenn ich aber einen Jugendroman schreibe, dann müssen auch die übelsten Schurken sich nicht allzu böser Worte bedienen.
Das gilt zum Beispiel auch fürs Foltern und ähnlich gewalttätiges. Ich finde es ein Unding, dass das heutzutage sogar schon in Jugendbüchern recht ausführlich gezeigt wird. Ich finde das muss nicht sein und das hat nichts mit Spießertum zu tun.

Natürlich muss man seinen Schurken in einem Jugendroman dann keine albernen Ersatzflüche in den Mund legen.
Man kann das ja auch beschreiben:

Er fluchte, dass sich die Balken bogen
Er fluchte vulgär.
Seine deftigen Flüche schockierten sie.

Auf die Art eben.

Ich persönlich mag bestimmte Wörter gar nicht gern und Stephen King ist mir zum Beispiel einfach zu vulgär.




Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sven am 20. September 2011, 07:42:36
Da muss ich widersprechen  ;)

Es ist schwierig, ein Jugendbuch zu schreiben, weil man sich mit bestimmten Details zurückhalten muss, das bestreitet (hoffentlich) niemand. Bei Gewaltdarstellungen muss man als Autor ganz gezielt beschreiben, um die Wirkung nicht zu verfehlen. Mit Kraftausdrücken ist es das Gleiche.
Wichtig ist, dass man ehrlich ist. Nur weil ein Charakter böse ist, muss er ja nicht gleich fluchen. Im Gegenteil. Gerade wenn sich der Böse gewählt ausdrücken kann, wirkt er häufig bösartiger.
Aber kommt einer der Charaktere aus der Gosse, wird er sich auch so verhalten, und er wird so sprechen, wie er es gewohnt ist.
Wenn dadurch ein Jugendbuch zu vulgär würde, sollte man sich überlegen, das Setting zu ändern.
Sätze wie "Er fluchte, dass sich die Balken bogen", oder "Er fluchte vulgär", wären ein schlechter Ersatz, der höchstens in einem Kinderbuch akzeptabel wär.
Eigentlich geht es auch nicht darum, ob etwas zu vulgär ist oder nicht. Es geht um die Frage: Wie sprechen die Menschen, über die ich schreibe?
Stephen King ist deshalb so erfolgreich, weil ihm die Leser seine Charaktere abnehmen. Er kommt authentisch rüber. Gerade in einem phantastischen Genre ist es wichtig, dass die Charaktere glaubwürdig sind, und das sind sie nur, wenn der Autor sie ehrlich beschreibt.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Kati am 20. September 2011, 14:06:46
Ich finde ja, dass auch in einem Setting, in dem vulgäre Sprache normal ist, nicht übertrieben werden sollte. Ich habe kein Problem mit Schimpfwörtern und solchen Dingen, aber, wenn ich auf jeder Seite gleich zwanzig davon lesen muss, mache ich das Buch irgendwann zu, weil es mir einfach auf den Geist geht. Das ist, wie ich finde, ganz schlechter Stil und hat auch nichts mit ehrlich sein oder nicht ehrlich sein zu tun. Wir sind ja immer noch Autoren, wir sollten uns schon überlegen, dass das was wir schreiben, auch einen ästhetischen Anspruch haben sollte. Und das haben Flüche meiner Meinung nach nicht, wenn man mit ihnen rumschleudert, als würde der halbe Wortschatz daraus bestehen.
Also, wenn ich nun eine Figur habe, die aus einem solchen Umfeld kommt, dann lasse ich sie auch fluchen, aber im Rahmen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Snöblumma am 20. September 2011, 14:20:51
Hm, ich muss hier zugeben, dass ich selber vulgäre Sprache gar nicht mag (auch wenn ich realiter gerne mal Kraftausdrücke benutze, und "Depp" und andere bayrische Kraftausdrücke eigentlich ganz normale Wörter für mich sind  :-[). In Büchern bevorzuge ich es etwas gehobener, ästhetischer, wenn ich deinen Ausdruck mal klauen darf, Kati.

Klar lasse ich meine Charaktere fluchen, den einen mehr, andere fast gar nicht, je nach Elternhaus. Für mich ist es ein Mittel der Charakterisierung, das ich aber auch entsprechend sparsam einsetze. Ich finde es viel wirkungsvoller, wenn es nur gezielt eingesetzt wird. Gerade bei dem hier so oft zitierten Abercrombie fand ich es stellenweise einfach nur noch nervig. Wenn das fünfte Mal f****n, S*****e, oder ähnliche Kaliber auftauchen, ist das langweilig. Mich schocken solche Wörter nicht mehr, sorry, falsche Generation, mich nerven sie, wenn sie im Übermaß gebraucht werden.

Das ist aber nun meine persönliche Ansicht, ich hoffe, niemand fühlt sich auf den Schlips getreten :). Jeder so, wie er mag, nicht wahr?
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Alana am 20. September 2011, 14:39:26
@Sven:Wenn du Realismus schreibst, dann gebe ich dir Recht.
Aber ansonsten bin ich eben anderer Meinung. Ich denke, man kann auch Figuren aus der Gosse glaubwürdig ohne
Vulgärsprache schreiben. Natürlich muss der Rest des Buches dazu passen.
Ein solcher Charakter muss sich sprachlich schon von den anderen abheben, damit es glaubhaft ist.
Wenn also die "normalen" Charas schon gelegentlich bestimmte Wörter verwenden, dann muss natürlich die Gossenperson umso mehr verwenden. Ich denke aber, dass man auch völlig ohne Schimpfwörter auskommt.
Ich finde, zu schreiben: er fluchte, lässt dem Leser auch die Möglichkeit, sich mehr selbst auszumalen.
Man muss nicht immer alles bis ins kleinste Detail beschreiben. Aber auch das ist natürlich Geschmacksache.

Auch über SK kann man streiten.
Die Bücher, die ich gut fand (Friedhof der K., Die Augen des Drachen) sind nicht so vulgär wie der Rest.
Es ist auch schwer zu sagen, ob seine Bücher ohne die Ausdrücke oder mit weniger davon nicht vielleicht sogar besser ankommen würden.
Deshalb denke ich, man sollte es so machen, wie man selbst es gern lesen möchte.
Denn normalerweise will man ja auch Menschen ansprechen, die ähnliche Vorlieben haben, wie man selbst.

Übrigens ein ganz tolles Beispiel, wie man gerade soviel Vulgärsprache und Gewalt wie nötig unterbringt ohne es zu übertreiben, ist Asylon, das Buch von Schommes. Für mich grenzwertig, weil ich das eben nicht so mag, aber dadurch, dass es passte und nicht um der Gewalt willen ausgewalzt wurde, war das ok.
Und das Buch an sich ist natürlich richtig toll!




Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Valaé am 20. September 2011, 15:00:02
Also ich schließe mich jetzt einfach mal der *je nach Charakter*- Fraktion an. Für mich sind lebendige Charaktere in einem Buch das A und O. Wenn meine Charaktere nicht leben und mich selbst schon in ihrer Art nicht überzeugen würden, dann kann ich sie auch dem Leser nicht überzeugend herüberbringen. Ich denke schon, da sollte man sich dann auch Gedanken darüber machen, in wie weit man einen Charakter authentisch überstilisert, wenn man ihm eine hohe Sprache andichtet auch wenn er die von seinem Hintergrund gar nicht haben kann. Überlegt mal, ob ihr von einem Jugendlichen heutzutage der auf der Straße lebt, Hochdeutsch erwarten würdet. Wohl eher nicht... das ist in anderen Settings nicht anders. Es ist natürlich immer eine Frage der Atmosphäre. Passt es zum Charakter, zum Buch, zur Zielgruppe. Bisher ist mir kein Buch untergekommen, wo ich das Gefühl hatte, der Autor will mit Schimpfwörtern sich profilieren... die passten eigentlich immer ziemlich gut zum Charakter, dem sie in den Mund gelegt wurdne. Eine der Künste eines Autors ist es doch, das Wesen eines Charakters in seinen Handlungen und vor allem seiner Sprache zu charakterisieren - und dazu eben nicht beschreibende Faktoren zu brauchen wie *er fluchte vulgär*. Für mich ein klarer Fall von *show, don't tell* Ein derber Fluch charakterisiert den Buchcharakter viel mehr, als es so eine Beschreibung tut - aber meine Vorliebe hierfür mag auch daher rühren, dass ich lebendige Charaktere liebe und extrem nah an ihenn schreibe. Am liebsten, habe ich seit einem JAhr herausgefunden, schreibe ich nämlich Ich-Perspektive oder erlebte Rede. Und da kommt man bei einem vulgären Charakter eben nicht um vulgäre Sprüche drumrum.
Obwohl ich persönlich sehr dazu erzogen würde, kaum Schimpfwörter zu benutzen, durchaus eine hohe Sprache verwenden kann und immer Hochdeutsch gesprochen habe, bin ich für einen Charakter durchaus bereit meine eigene Sprache um 180° zu drehen. Hatte ich schon und werde ich wieder haben. Und ein derber Spruch zur richtigen Zeit trocken eingesetzt kann durchaus den Humorfaktor eines Buches heben. Ich bin da definitiv Churkes Meinung um ihn nochmal zu zitieren:
ZitatEin Schriftsteller muss dem Volk aufs Maul schauen.
Sonst wirken - zumindest meiner Meinung nach- die Charaktere gerne hochstilisiert, verkünstelt und absichtlich in "akzeptable" Ausdrucksweisen gepresst. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber mir ist ein derbe fluchender Gossenjunge einfach tausendmal lieber als ein normal redender, der dann mit Beschreibungen korrigiert wird, die nicht seiner Ausdrucksweise entsprechen, das wirkt für mich schnell unglaubwürdig.
Aber hier gilt natürlich wie immer, jeder wie er will. Es kommt auch darauf an, worauf man den Wert legt. Mein Augenmerk liegt imer auf einer möglichst guten Atmosphäre, in die sich die Geschichte dann einbettet (die eben schon vorher feststand) und auf lebendige Charaktere - wer sein Augenmerk auf Anderes legt mag das Ganze auch hier anders empfinden.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sven am 20. September 2011, 15:29:41
Zitat von: Alana am 20. September 2011, 14:39:26
... man kann auch Figuren aus der Gosse glaubwürdig ohne
Vulgärsprache schreiben.

Zitat von: Kati am 20. September 2011, 14:06:46
Ich finde ja, dass auch in einem Setting, in dem vulgäre Sprache normal ist, nicht übertrieben werden sollte.

Das ist nicht das, worum es mir ging.
Es geht nicht darum, einer Figur etwas aufzupfropfen. Es geht darum, ein realistisches Bild zu zeichnen. Wenn die vulgäre Sprache dazugehört, dann muss sie rein. Das heißt nicht, dass man sie auf Teufel komm raus benutzen muss. Es ist wichtig, dass die Szene beim Leser ein reales Bild erzeugt.
Gerade in der Fantasy (besonders bei Urban Fantasy) ist das essentiell. Erst, wenn der Leser glaubt, eine Welt vor sich zu haben, die sich real anfühlt, akzeptiert er das Phantastische.
Es geht nicht darum, ob man vulgäre Kraftausdrücke mag, oder nicht, oder ob man sie ästhetisch findet. Es kommt darauf an, dass der Leser mir abnimmt, dass die Gestalten in der Geschichte echt sind.
Man muss sich ja nur mal ein paar Sendungen bei RTL2 anschauen. Die Sprache dort ist unter aller Sau.

Zitat von: Kati am 20. September 2011, 14:06:46
Wir sind ja immer noch Autoren, wir sollten uns schon überlegen, dass das was wir schreiben, auch einen ästhetischen Anspruch haben sollte.

Das ganz sicher. Doch in meinen Augen kommt diese Ästhetik nicht durch das Vermeiden von Kraftausdrücken zum Vorschein, sondern wenn der Autor es schafft, die oben erwähnten RTL2 Dialoge stilistisch sauber zu übertragen. Und damit meine ich keine 1 zu 1 Kopie, sondern Dialoge, die fesselnd sind. Das ist Ästhetik, das ist Realismus, und das ist scheißen schwierig!



Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Kati am 20. September 2011, 15:40:40
ZitatAusnahmen bestätigen die Regel, aber mir ist ein derbe fluchender Gossenjunge einfach tausendmal lieber als ein normal redender, der dann mit Beschreibungen korrigiert wird, die nicht seiner Ausdrucksweise entsprechen, das wirkt für mich schnell unglaubwürdig.

Ich finde, dass sich das jetzt nicht ausschließen muss. Ein Gossenjunge würde auch bei mir mal fluchen, aber ich denke, auch, wenn ich ihn nicht fluchen lassen würde, heißt das nicht, dass der Rest, den er sagt, nicht seiner Ausdrucksweise entspricht. Ich würde halt kurze, einfache Sätze für ihn wählen. Vielleicht Abkürzungen. Er würde halt nicht "Ich würde gern etwas essen" sagen, sondern "Ich hab Hunger."  ;D Da sehe ich jetzt kein Problem drin.

Das aber der Gossenjunge mehr flucht, als eine adelige Debütantin ist klar. Die drücken sich ja auch an sich völlig unterschiedlich aus.

ZitatEs geht darum, ein realistisches Bild zu zeichnen. Wenn die vulgäre Sprache dazugehört, dann muss sie rein. Das heißt nicht, dass man sie auf Teufel komm raus benutzen muss. 

Das meinte ich doch.  ;D Mein Post war auch eher allgemein gemeint als bloß auf deinen bezogen.  :) Wie gesagt, meine Charaktere fluchen auch. Aber eben nicht so außer Rand und Band, dass auf der Seite kaum was anderes steht. Das ist mir gerade in der Urban Fantasy aufgefallen, dass da teilweise so viel geflucht wurde, dass ich es schon wieder für unrealistisch hielt. Da muss man wohl einfach die Mitte finden, damit es realistisch wirkt.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Valaé am 20. September 2011, 15:51:48
Zitat von: Kati am 20. September 2011, 15:40:40
Ich finde, dass sich das jetzt nicht ausschließen muss. Ein Gossenjunge würde auch bei mir mal fluchen, aber ich denke, auch, wenn ich ihn nicht fluchen lassen würde, heißt das nicht, dass der Rest, den er sagt, nicht seiner Ausdrucksweise entspricht. Ich würde halt kurze, einfache Sätze für ihn wählen. Vielleicht Abkürzungen. Er würde halt nicht "Ich würde gern etwas essen" sagen, sondern "Ich hab Hunger."  ;D Da sehe ich jetzt kein Problem drin.
Ich auch nicht, aber das habe ich auch nicht behauptet^^. Ich dachte jetzt eher an folgende Konstellation: Ein Autor vermeidet strikt, seinen eindeutig aus einem Umfeld stammenden Charakter, die sich der vulgären Sprache bedienen würde, fluchen zu lassen und versucht das dann mit Beschreibungen wie *seine derben Flüche erschreckten sie* oder *er fluchte derb*, wettzumachen, ohne auch nur jemals in der ganzen Geschichte einmal den Charakter einen Fluch aussprechen zu lassen. DAS würde ich als unglaubwürdig empfinden. Dass man einen Gossenjungen beschreiben kann, ohne dass er flucht, indem man ihm einfach eine einfacherere Sprache gibt, ohne dass alles was er sagt gleich unglaubwürdig klingt, bezweifle ich gar nicht. sonst müsste man ja an jeden Satz eines Gossenjungen einen Fluch hängen, damit er glaubwürdig ist XD. Ne, so schlimm muss es dann auch nicht sein =).
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Kati am 20. September 2011, 15:56:11
Ach so meintest du das.  ;D Das stimmt allerdings, das fände ich auch nicht gut.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Alana am 20. September 2011, 16:11:33
Ich hatte jetzt immer Nebencharas vor Augen, keine Ahnung, warum.
Mein Fehler.

Also ich glaube, wir meinen doch eigentlich etwas sehr ähnliches.
Ich bin nicht gegen den Einsatz von Vulgärsprache, ich bin nur gegen die Behauptung, dass gewisse Charas nicht ohne auskommen. Oder dass gewisse Handlungen nicht ohne auskommen.
Es kommt immer darauf an, was für eine Stimmung man erzeugen will.

Wenn man einen Hauptchara hat, der eben ständig flucht, dann muss man natürlich auch Flüche in direkter Rede verwenden.
Das spricht dann aber auch eine bestimmte Zielgruppe an. Oder geht in Richtung Realismus, was die Urban-Fantasy ja durchaus darf und auch oft tut.

Wenn man es vermeidet, entsteht eine andere Stimmung und wahrscheinlich ein ganz anderes Buch, das andere Leser anspricht. Das muss aber nicht bedeuten, dass das Buch oder der Chara deswegen unglaubwürdig ist. Natürlich kann es dann kein Hauptchara sein, der ständig unflätig flucht.

Um nochmal das Beispiel S. King zu nehmen: Bei ihm reden alle ständig vulgär. Auch wenn sie keine Gossencharas sind. Es hebt sich also kein Chara dadurch von den anderen ab. Und ich finde auch nicht, dass das irgendwie zum Horror beiträgt.
Also könnte man es genauso gut auch weglassen.
Es kreirt einen Text, den ich nicht lesen mag. Geschmackssache eben.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Valaé am 20. September 2011, 16:41:57
Gut möglich dass wir uns da irgendwie missverstanden haben^^. Für mich klang es, als ob du eben bei einem wichtigen Chara die Flüche durch Beschreibungen ersetzen wollen würdest und da finde ich dann eben, dass es eher unglaubwürdig wird, wenn sich der Chara nicht so verhält, wie er beschrieben wird. Ich würde schon behaupten, dass es ein paar Charas in bestimmten Geschichten gibt, die nicht ohne Vulgärsprache auskommen, aber da schwingt auf jeden Fall auch das *in dieser Geschichte* mit, da ein Charakter ja auch immer mit von der Geschichte geprägt wird. Ich habe eben auch ein paar Charaktere die ich mir niemals ohne Flüche vorstellen könnte. Und sie haben mir immer viel Spaß bereitet.
Wenn natürlich alle Charaktere so reden kommt es meienr Meinung nach noch darauf an, welches Umfeld, welche Gesellschaft man charakterisieren will. Weiß nicht ob das bei King jetzt irgendwie dieser Charakterisierung dient, passt es schon. Wenn Vulgärsprache überhaupt keiner Charakterisierung dient, muss sie natürlich nicht sein weil dann hat sie wie jede andere Sprache allerdings auch, ihren Sinn verloren. Jede Art von Sprache charakterisiert entweder einen Charakter oder eine Gesellschaft/Umgebung.
Ich habe King ehrlich gesagt nie gelesen, weswegen ich mir keine Meinung zu dem Beispiel bilden kann^^.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Alana am 20. September 2011, 16:47:35
Ja dem kann ich dann so zustimmen.
Mein Vorschlag bezog sich auf einen Nebenchara, dessen Fluch in direkter Rede nicht ins Buch passt.
(Warum keine Ahnung, ich hatte das irgendwie so vor Augen... Aber ich hab ja auch jahrelang gedacht, Harry Potter wäre blond.
Ich tendiere dazu, mir die Sachen so hinzulesen, wie sie mir gefallen  :rofl:)
Da finde ich dann so eine Umschreibung völlig ok.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 16. Februar 2014, 21:28:50
Hi, inoffizielle Threadnekromantin hier ;)

Hier im Thread geht es oft darum, dass das Milieu des fluchenden Chars dargestellt werden soll - dem stimme ich grundsätzlich zu, doch gibt es ja auch hochsituierte Protagonisten, die verdammt derbe daherzwitschern können.
Mein Hauptprotagonist bspw. ist intelligent, ein Charmeur - aber eben auch ein Krieger und jemand mit einem absolut nicht reinwestigen Werdegang. Und ja, er flucht auch, kann auch eine sehr direkte, sexuelle Formulierung anbringen und das schreibe ich auch aus. Was ein etwaige Lektor dazu sagt? Das ist bei mir ohnehin noch weit entfernte Zukunftsmusik ;)
Umgekehrt habe ich auch einen Nebenprotagonist, der aus dem "Ghetto" kommt und dennoch kein Killergangster vom Dienst ist, sondern im Vergleich zu dem anderen Char eine Engelszunge besitzt.
Die Charaktere sind alle grau und ich möchte, dass die Facetten deutlich werden, um jeden einzelnen Charakter zu etwas Eigenem zu machen. Wenn dazu dann zufällig eine derbe Ausdrucksweise gehört, dann ist das so. Ich weiche dem nicht aus, forciere es allerdings auch nicht künstlich. Beides würde ich als Leserin auch als störend empfinden.
Aber ich persönlich tendiere dazu, "dreckige" Fantasy zu bevorzugen und dazu gehört auch ab und an eine entsprechende Sprache.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: KaPunkt am 16. Februar 2014, 21:41:15
Ich habe nichts dagegen, wenn dein Protagonist gerne mal flucht oder derbe Sprüche reißt.
Bei dem 'Gassenkind' würde ich da schon eher zu Aufmerksamkeit raten.
Es geht nicht um Fluchen oder nicht, muss er nicht, soll er nicht, wenn er nicht mag. Aber die Ausdrucksweise ist immer dadurch gefärbt, wo er aufgewachsen, wo er schon überall war, wo er jetzt ist. Sprich: Seinem Bildungsstand angemessen.
Wenn er im Leben höchstens zwei Bücher gelesen hat und ungefähr genauso viele Leute getroffen hat, die einen höheren Bildungsstandard haben, dann wird er kaum einen besonders gewählten Wortschatz haben. Kann er ja gar nicht, woher soll er es denn kennen?

Das heißt ja noch lange nicht, dass er unhöflich und unflätig ist, und er kann redegewandt wie der Größte, nur gibt es halt einfach Dinge, die er nicht wissen und daher auch nicht anwenden kann. Das kompensiert er dann eben anders.

Nur mein Rat für den Hinterkopf.  ;)

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 16. Februar 2014, 21:45:10
Es geht doch auch nicht um einen gehobenen Wortschatz(dieses Mindestmaß an Intelligenz darf man mir wirklich mal zutrauen *g* ;)), sondern um den Charakter, der die Wortfärbung prägt. Man kann auch mit einfachster Sprache freundlich sein. Zum Glück sind die Milieus keine zähen Massen, Individuen gibt's überall.
Also ich glaube, dass wir uns da einig sind ;D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: absinthefreund am 17. Februar 2014, 22:17:30
Zitat von: KaPunkt am 16. Februar 2014, 21:41:15
Aber die Ausdrucksweise ist immer dadurch gefärbt, wo er aufgewachsen, wo er schon überall war, wo er jetzt ist. Sprich: Seinem Bildungsstand angemessen.
Wenn er im Leben höchstens zwei Bücher gelesen hat und ungefähr genauso viele Leute getroffen hat, die einen höheren Bildungsstandard haben, dann wird er kaum einen besonders gewählten Wortschatz haben.
Genau! Wir dürfen nicht vergessen, dass wir als Autoren eine andere Herangehensweise an Sprache haben als unser "durchschnittlicher Prolet", der erstens einen viel kleineren Wortschatz hat und zweitens von seinen Kumpels ausgelacht würde, wenn er sich Mühe gäbe mit seiner Ausdrucksweise. Sein Anliegen ist es eher, so derb wie möglich sprechen.

Unser Anliegen als Anbeter des Wortes hingegen ist der Versuch mit gezielt gesetzten Wörtern die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Wir wollen unsere Leser so nah wie möglich an das heranbringen, was wir uns im Kopf vorstellen. Das heißt aber auch: Wenn wir über ein Straßenkind, eine Prostituierte oder einen betrunkenen Matrosen schreiben, dann dürfen wir nicht vor der Sprache zurückschrecken, die diese Leute benutzen. Tatsächlich müssen wir sogar noch einen drauf setzen, um der Dramaturgie willen.

Zitat von: Drachenkrieger am 17. Februar 2014, 05:27:41
Das Wort Hure kommt bei mir auch nicht vor. Es sind Liebesdiener/Liebesdienerinen. Wenn ich böse sein will, benutze ich das Wort Ratte als gemeines Schimpfwort. Wer will schon eine geile Sängerratte sein?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass für jede deiner Figuren das Wort "Liebesdiener" angemessen wäre. Schon gar nicht für die hoffnungslose "Liebesdienerin" vom Straßenstrich. Und ich kann mir Schlimmeres vorstellen als eine geile Sängerratte zu sein. Unter gewissen Umständen klingt es fast wie ein Kompliment. ;)

Leider ist unser (deutscher und moderner) Vulgärwortschatz ziemlich beschränkt. Ich finde, in dieser Hinsicht dürfte sich jeder ein bisschen bilden, bzw. kreativ sein. Wer eine Figur hat, die aus Leidenschaft flucht, sollte mal im Fundus vergangener Zeiten oder anderer Kulturen wühlen, antike Beschimpfungen können durchaus lustige Formen annehmen, die in unseren Ohren gar nicht so böse klingen und vielleicht auch die Vulgär-Ablehner überzeugen.
Wenn mir in amerikanischen Filmen alle paar Minuten ein "F**" um die Ohren gehauen wird, nervt es mich auch. Die Vielfältigkeit machts! Auch beim Fluchen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Christian Svensson am 17. Februar 2014, 22:41:17
Hmm, irgendwie verstehe ich jetzt etwas nicht.

Zum einen ist das Wort "vulgär" die Kennzeichnung eines Wortgebrauchs, der abhängig ist von der Zeit, vom politischen und sozialen Umfeld, vom Bildungsstand und noch vielen anderen Definitionen. Es ist einer Wertung, die vom Wertegerüst der das Wort hörenden/benutzenden Person abhängt.
Insofern ist es doch keine Frage für einen Autor. Vielleicht, wenn er die Ich-Perspektive benutzt und eine Autobiographie schreibt.
ZitatDa ich eine sehr poetische Schreibsprache habe, würden so manche Schimpfwörter einfach nicht passen. Das wäre wie Schockoladenpudding als Beilage zum Fisch.

Als Autor muss ich doch meinen Charakteren den Sprachschatz mitgeben, der dem Charakter angemessen ist und da existiert das Wort "vulgär" einfach nicht. Es ist schon schwer genug, in der personalen Perspektive unterschiedliche Erzählstimmen hinzubekommen. Fast unmöglich wird es, wenn alle Charaktere, in deren Köpfe ich hüpfe, auch noch den gleichen Sprachschatz haben.

Von einem Zuhälter erwartet kein Leser, das Wort "Luststab" zu hören, sondern ein anderes. Von einem Universitätsprofesser hingegen schon. Usw. ...
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Coehoorn am 17. Februar 2014, 23:16:29
Eine derbe und vulgäre Aussprache benutzen meine Protagonisten auch. Der eine mehr als der andere. Ich bin der Ansicht dass gewisse Gruppen sich einfach nicht gepflegt ausdrücken. Wenn ein Soldat, ein Söldner, ein Zwerg, eine Spionin und ein Möchtegernritter, der so viel ritterliche Erziehung genossen hat wie eine Selleriestange, zusammen unterwegs sind, dann spricht niemand von der holden Maid in Nöten. Und wo ein Professor der kaiserlichen Akademie sagen würde "dem Patienten wurde ein Hämatom in der Regio Glutaea diagnostiziert" spricht ein Zwerg kurz von einem "blauen Fleck am Arsch"
Das schließt aber nicht nur vulgäre Sprache ein sondern auch falsche Aussprache wenn ungebildete Charaktere versuchen Fachbegriffe zu verwenden.
ZitatEin Späher betrat das Zelt.
,,Herr! Draußen ist ein Parlamenta... Perlemente... so ein Savoyen der sich für wichtig hält."
,,Ein Parlamentär? Schick ihn rein."
Ist natürlich immer schwierig die Balance zu halten, damit es nicht zu viel wird.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Snöblumma am 17. Februar 2014, 23:26:09
Zitat von: Drachenkrieger am 17. Februar 2014, 23:04:02
Ich mag bestimmte Wörter in meiner Erzählersprache nicht. Aber genau diese Wörter mag ich im realen Leben auch nicht. Warum soll ich sie dann benutzen?

Das würde ich differenzieren. In meiner Erzählersprache bin ich eher nahe an dem, was ich auch im Alltag verwenden würde, wenngleich ich auch hier durchaus Begriffe verwende, die ich so nie sagen würde. Es kommt darauf an, welche Stimmung das Buch transportiert, wie die Sprache insgesamt aufgebaut ist, welche Ausdrücke sonst so vorkommen... und wenn ein in meinen Augen vulgäres Wort genau das alles erfüllt und passt, dann verwende ich es, aus. Ich als reale Person kann da oft ganz anderer Meinung sein.

Bei meinen Figuren halte ich es mit dem, was hier schon so oft gesagt wurde: Es muss zu der Figur passen. Jede meiner Figuren hat ihre eigene Art zu reden und zu denken (was sich bei personalisierter Schreibweise dann eben auch in der Erzählstimme niederschlägt), und da sind durchaus Wörter dabei, die ich im Leben nicht sagen würde. Das F-Wort, Schimpfwörter, derbe Ausdrücke für Geschlechtsorgane - wenn es zu den Figuren passt, ja, dann verwende ich solche Ausdrücke eben. Und natürlich kommt es immer auch darauf an, was in deren jeweiliger Umgebung als Beleidigung angesehen wird. In meinem letzten NaNo-Roman hatte ich eine wohlerzogene britische Lady, für die das Wort Hure beinahe unaussprechbar war. Natürlich flucht die anders als meine Hure (sic! Selbstbezeichnung der Figur) aus Manchester, die es zur Piratenkapitänin gebracht hat. Die Lady würde niemals nie nicht etwas anderes sagen als "gefallenes Mädchen", die Hure war schon bei der Selbstbezeichnung der Meinung, wirklich gepflegte Ausdrücke zu verwenden. Da kann ich als Autor dann nicht sagen, dass ich den einen oder anderen Ausdruck nicht mag. Wenn meine Figuren ihn verwenden wollen, verwenden sie ihn, punktum. Bildungsniveau und Herkunft schlagen sich da immer durch, und was ich als Autor davon halte, das sage ich meinen Figuren vielleicht hinterher, aber ich lasse sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. :D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Christian Svensson am 17. Februar 2014, 23:28:35
ZitatIst natürlich immer schwierig die Balance zu halten, damit es nicht zu viel wird.

Jepp, sehe das auch so. Vielleicht noch eine Ergänzung. Ich denke, es kommt nicht darauf an, die Sprache so zu verwennden, wie es richtig ist, sondern so, wie die Leser denken, dass es richtig ist.
Was meine ich damit? Wenn ich über das Mittelalter schreibe, kann ich nicht die originalen Ausdrücke verwenden - kein Mensch würde sie verstehen. Oder wenn ich einen Roman über die NVA schreibe und verwende den Ausdruck "Schutzmaske", würden die Millionen Bundesbürger mich für einen Idioten halten, der nie gedient hat, denn das Ding heisst ja wohl "Gasmaske" - und den erwarten sie auch im Buch zu lesen. Es interessiert sie dabei kaum, das der Ausdruck "Gasmaske" in der NVA nicht verwendet wurde, sogar nicht verwendet werden durfte ...
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 17. Februar 2014, 23:30:23
Was falsche Aussprache und fehlerhafte Wortverwendung angeht, ist einer meiner Rollenspielchars Spezialistin ;D Die flucht aber auch wie ein Seemann.
Sprachliche Besonderheiten sind immer gut, um die Charaktere voneinander abzugrenzen. Manches nervt natürlich, so man es inflationär benutzt, doch das Thema hatten wir andernorts auch schon, oder.
Ich als Autor nutze übrigens auch Worte, die ich im realen Leben mehr als nur gerne vermeide.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Siara am 17. Februar 2014, 23:40:24
Zitat von: Coehoorn am 17. Februar 2014, 23:16:29
Ein Späher betrat das Zelt.
,,Herr! Draußen ist ein Parlamenta... Perlemente... so ein Savoyen der sich für wichtig hält."
,,Ein Parlamentär? Schick ihn rein."

Hier finde ich aber noch etwas ganz anderes interessant: Dein Späher kann auch ganz ohne vulgäre Wortwahl beleidigend sein, ganz einfach durch die Wortwahl. Wo vulgäre Sprache angebracht ist, benutze ich sie auch gern, aber trotzdem lässt sich allein durch die Sprechweise manchmal mehr Abfälligkeit ausdrücken. Finde ich gerade bei gebildeteren Figuren sehr elegant zu nutzen  ;D

Zitat von: Snöblumma am 17. Februar 2014, 23:26:09
Wenn meine Figuren ihn verwenden wollen, verwenden sie ihn, punktum. Bildungsniveau und Herkunft schlagen sich da immer durch, und was ich als Autor davon halte, das sage ich meinen Figuren vielleicht hinterher, aber ich lasse sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. :D

Mache ich genauso. Immerhin geht es im Endeffekt ja darum, die Geschichte glaubwürdig zu erzählen. Und wenn die persönlichen Hemmungen des Autors sich dann darin niederschlagen, dass auch rüpelhafte Figuren vulgäre Ausdrücke rücksichtsvoll vermeiden, wirkt sich das negativ auf die Glaubwürdigkeit aus.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 17. Februar 2014, 23:58:34
Zitat von: Bardo djel Liores am 17. Februar 2014, 23:28:35
Oder wenn ich einen Roman über die NVA schreibe und verwende den Ausdruck "Schutzmaske", würden die Millionen Bundesbürger mich für einen Idioten halten, der nie gedient hat, denn das Ding heisst ja wohl "Gasmaske" - und den erwarten sie auch im Buch zu lesen.
Nein, heißt es nicht.  ;D
http://www.bw-online-shop.com/ausruestung/schutz-helme-handschellen/abc-schutzmasken/

Gerade an der Nomenklatur merkt man, ob der Autor Ahnung hat. Da haue ich immer voll rein.

Vulgäre Sprache findet man auch im Hochadel, Stichwort Lieselotte von der Pfalz.
Oder Miss Nulands legendäres "Fuck the EU"-Telefonat. Das hätte sich kein Drehbuchautor getraut. Hammergeil. :engel:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Christian Svensson am 18. Februar 2014, 00:23:12
@Churke: ...und ich immer gerne zurück ;D
Nicht alles glauben, was im Internet steht. Korrekte Bezeichnung im militärischen Sprachgebrauch der NVA war "Truppenschutzmaske" oder kurz "TSM". Kriege aber nur 50% der Punkte, da ich bei der Bundeswehr daneben lag. :wums:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Alessa am 18. Februar 2014, 15:54:13
Zitat von: Snöblumma am 17. Februar 2014, 23:26:09
Das würde ich differenzieren. In meiner Erzählersprache bin ich eher nahe an dem, was ich auch im Alltag verwenden würde, wenngleich ich auch hier durchaus Begriffe verwende, die ich so nie sagen würde. Es kommt darauf an, welche Stimmung das Buch transportiert, wie die Sprache insgesamt aufgebaut ist, welche Ausdrücke sonst so vorkommen... und wenn ein in meinen Augen vulgäres Wort genau das alles erfüllt und passt, dann verwende ich es, aus. Ich als reale Person kann da oft ganz anderer Meinung sein.

So sehe ich das auch. Die Figuren in meinen Büchern sind kein Spiegel meiner Persönlichkeit, obwohl in alle ein Teil von mir fließt. Dennoch erzählen sie ihre Geschichte und nicht meine. Und wenn ein Perspektivträger der Meinung ist, er müsse jetzt das pöse F... Wort verwenden, oder einem Körperteil, das eigentlich mit G anfängt, eine andere Bezeichnung geben, dann diskutiere ich zwar eine Weile mit ihnen, aber wenn sie mich überzeugen, dass jenes Wort aus dem oder dem Grund da stehen muss, dann schreibe ich das auch. Normalerweise verwende ich keine vulgären Wörter - vor allem nicht in meinen Erotikszenen - aber sie sind manchmal notwendig. Einerseits, um den Charakter der Figur zu spiegeln und andererseits, um einer bestimmten Situation eine 'besondere' Note zu verleihen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Kati am 19. Februar 2014, 15:27:04
Zitat von: ChurkeVulgäre Sprache findet man auch im Hochadel, Stichwort Lieselotte von der Pfalz.

Sehr richtig. Manchmal glaube ich, dass viele Leute vulgäre Sprache aus irgendwelchen Gründen mit unteren Bildungsschichten gleichsetzen und das funktioniert so nicht. Ich habe irgendwo weiter vorn im Thread geschrieben, dass eine adelige Debütantin sicherlich nicht so viel flucht wie ein Gossenjunge und mittlerweile glaube ich, dass das gar nicht wirklich darauf ankommt, ob jemand ein Gossenjunge ist oder eine Debütantin, sondern viel mehr darauf, was das an sich für eine Person ist. Natürlich spricht ein Gossenjunge anders als eine Debütantin. Und er flucht bestimmt auch anders. Aber man kann schrecklich hochgestochen fluchen und meine Figuren machen das auch. Ich schreibe meist höher gestellte Damen und Herren der Belle Époque und natürlich fluchen die auch. Aber eben anders. Weil sie einen anderen Wortschatz verwenden, als der Sohn eines einfachen Fabrikarbeiters. Trotzdem wird mein Protagonist "Scheiße" schreien, wenn ihm ein Amboss auf den Fuß fällt und nicht "Verflixt und zugenäht, welch Schmach". (Dämliches Beispiel, aber ihr wisst schon.) Aber ich denke auch, die Gleichsetzung von hohem Bildungsstand und reiner, unschuldiger Sprache ist nicht haltbar. Die können sich auch sehr vulgär ausdrücken, nur eben vielleicht auf andere Weise.

Ich habe überhaupt kein Problem mit vulgärer Sprache, solang sie passt und solang, wie ich schon sagte, nicht jedes zweite Wort ein vulgärer Ausdruck ist. Ich benutze vulgäre Sprache eher in wörtlicher Rede als im Erzähltext, obwohl ich meist Ich-Erzähler habe, aber meine Figuren fluchen meist aus Wut oder Enttäuschung, sie verwenden vulgäre Sprache weniger einfach mal so nebenbei. Das macht ja aber auch im wahren Leben kaum jemand. Ich würde meinen hochgestellten Protagonisten aber auch nicht von einer "Liebesdienerin" sprechen lassen. Schon allein, weil das selbst im historischen Kontext nicht besonders realistisch ist. Aber ja, wie gesagt. Es kommt eben total auf die Figur an, egal, woher sie kommt. Der Gossenjunge kann auch zugeknöpft und schüchtern sein, dann flucht er nicht. Und die Debütantin kann auch selbstbewusst und extrovertiert sein, dann flucht sie. Da ist mir der Charakter wichtiger, als das Umfeld.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Klecks am 19. Februar 2014, 18:55:01
Zitat von: Kati am 19. Februar 2014, 15:27:04Da ist mir der Charakter wichtiger, als das Umfeld.

Absolut! Ich habe Figuren, die abfällig die Nase rümpfen, wenn jemand vulgär spricht, und dann habe ich wieder andere Figuren, die das oft und gerne tun. Es kommt total auf die Persönlichkeit der Figuren an.  :jau:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sascha am 19. Februar 2014, 20:17:19
Zitat von: Drachenkrieger am 19. Februar 2014, 14:57:51
Unter vulgär stelle ich mir ganz andere Wörter vor, so wie das Wort Vo....., das würde ich nie benutzen, in beiden Welten nicht.
Ich schon. :D
Nicht in der Realität, aber so einem Hells Angel trau ich alles (schlechte) zu. Also laß ich es ihn auch sagen.
Nur, daß ich es mit F schreibe. Oh, der Duden kennt's auch! Dann kann's doch nicht so vulgär sein, oder? ;D

ZitatVerdammter Hurensohn, finde nicht, dass das jetzt vulgär ist. Oder etwa doch?
Höchstens das "Verdammt". Aber Hure ist nur ein Dienstleistungsgewerbe und nichts ehrenrühriges.
"Nutte" dagegen soll wohl als Schimpfwort empfunden werden.

ZitatNa ja, und kotzen ist halt kotzen, oder etwa auch nicht?
Eben. Okay, man kann auch ganz vorsichtig brechen, oder ordentlich reihern, oder sich das Frühstück noch mal durch den Kopf gehen lassen.
Oder wie Stephen King es mal so schön schrieb: Sich vor dem Porzellanaltar in Büßerhaltung begeben.

ZitatWäre ganz interessant, ab wann die Sprache überhaupt als vulgär einzuordnen ist.
Ich denke, das liegt beim Leser/Zuhörer, was er als vulgär empfindet.

ZitatWas ist denn nun in unserem 21. Jahrhundert als vulgär einzustufen?
Gibt's da absolute Regeln? Ich glaube nicht. Auch, wenn manche es gerne so hätten, daß ihr persönliches (z.B. religiöses) Empfinden als Maß aller Dinge gelten soll.

Was ich als nervig empfinde ist, wenn sog. vulgäre Sprache übertrieben wird, um eine Art Tabubruch darzustellen. Bei Götz George als Kommissar Schim(p)anski war es damals so ein Aufschrei in den Medien, weil der dauernd fluchte und Scheiße sagte und sowas. Da wurde es wohl (ich hab mir den kaum mal angeschaut) gezielt übertrieben, nur, um sich abzuheben.

Aber auch meine positiven Figuren sagen mal "Scheiße" oder "Leck mich am Arsch!" (in Bayern auch ein Ausruf der Verwunderung!) oder so. Warum auch nicht, fast jeder tut das im Alltag. Und einen dreckigen, schlägernden Rocker laß ich eben auch mal Fo... sagen. Paßt zu ihm. Der Leser wird davon nicht gleich einen Herzinfarkt kriegen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 19. Februar 2014, 20:52:20
Zitat von: Sascha am 19. Februar 2014, 20:17:19
Höchstens das "Verdammt". Aber Hure ist nur ein Dienstleistungsgewerbe und nichts ehrenrühriges.
Manch südländischer Mitbürger macht dich dafür Messer. Du hast seine Mutter beleidigt. So entstehen interkulturelle Missverständnisse. ::)

Zitat
Aber auch meine positiven Figuren sagen mal "Scheiße" oder "Leck mich am Arsch!" (in Bayern auch ein Ausruf der Verwunderung!) oder so.

"Ihr könnt mich im Arsche lecken!" 
Schiller, Götz von Berlichingen
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sascha am 19. Februar 2014, 21:32:00
Zitat von: Churke am 19. Februar 2014, 20:52:20
Manch südländischer Mitbürger macht dich dafür Messer. Du hast seine Mutter beleidigt. So entstehen interkulturelle Missverständnisse. ::)
Ich glaube, dazu muß er nicht Südländer sein. Aber vulgär finde ich "Hurensohn" nicht. Daß man es als Beleidigung der werten Mutter auffassen kann, ist ein anderes Thema.

Filmzitat T.Hill & B.Spencer, "Die linke und die rechte Hand des Teufels" (aus dem Gedächtnis):
Zitat
Er hat unsere Mutter eine alte Hure genannt!
Aber stimmt doch!
Na komm, so alt isse nu auch wieder nich.

Zitat von: Churke am 19. Februar 2014, 20:52:20
"Ihr könnt mich im Arsche lecken!" 
Schiller, Götz von Berlichingen
Goethe.
"Vor Ihro Kayserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsch lecken."
http://de.wikiquote.org/wiki/G%C3%B6tz_von_Berlichingen
SCNR, bin geborener Korinthenkacker. ;D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 19. Februar 2014, 21:56:48
BilDUNG statt BILDung.  :jau:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sascha am 20. Februar 2014, 09:28:16
Zitat von: Drachenkrieger am 19. Februar 2014, 22:38:49
Doch, ich finde auch, Stephen King hat das schön beschrieben. Gefällt mir. :rofl: Aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass mancher da echt von ausgehen würde, da tut jemand in der Kirche Buße.
Na ja, im Kontext ist es dann klar. Ich weiß nimmer, ob die Figur sich am Vorabend zugedröhnt hat oder ob es von irgend einem grausligen Anblick kam, aber es war ganz klar, was Sache war.

Zitat von: Churke
BilDUNG statt BILDung.
Was mir ja richtig peinlich ist: Axel S. gehört zu unseren Kunden. Wenn ich denen Support gebe, helfe ich ihnen dabei, ihren Dreck zu verbreiten. Hart an der Grenze des moralisch Vertretbaren... :schuldig:
Aber das ist jetzt OT...
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Sascha am 21. Februar 2014, 15:52:39
Der Witz ist, daß m.E. beides eigentlich nur dazu dient, sich als (selbsternannte) Elite vom gewöhnlichen Volk abzusetzen.
Wenn man etwas als "vulgo:" kennzeichnet, bedeutet das "umgangssprachlich:", also einfach, wie die Masse des Volkes es sagt.
Und "ordinär" heißt eigentlich nur "gewöhnlich" oder gar (s.u.) "ordentlich".

Beides ist ja eigentlich (imho) nur eine Abwertung gegenüber den "unteren Schichten", die solche Ausdrücke eben benutzen.
Im Duden sind die beiden Worte "vulgär" und "ordinär" jeweils beim anderen unter den Synonymen aufgeführt.

lateinisch vulgaris = allgemein; alltäglich, gewöhnlich; gemein, niedrig, zu: vulgus = (gemeines) Volk
lateinisch ordinarius = ordentlich (!!!)

Ihre heutige Bedeutung ist nicht allzu weit auseinander, würde ich sagen. Vulgär scheint mir eine Spur schärfer zu sein.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Siara am 21. Februar 2014, 16:25:55
Mal ganz abgesehen von der wörtlichen Bedeutung von vulgär und ordinär, denke ich auch einfach, dass man keine klaren Linien zwischen "ein bisschen vulgär", "vulgär" und "extrem vulgär" ziehen kann. Das kommt wohl immer auf die persönlichem Empfindungen, das Umfeld und letztendlich auch auf die Zeit an, denn schließlich ist Sprache einem ständigen Wandel unterworfen.

Natürlich kann man in der Regel zwischen den beiden Extremen "kaum vulgär" und "außerordentlich vulgär" unterscheiden. Aber wann was wie wirkt, muss wohl von Fall zu Fall entschieden werden. Und auch dann ist es immer noch schwierig, da manche Menschen (hiermit meine ich speziell die Leser) Ausdrücke eben als unangebracht empfinden, über die andere einfach hinweglesen.

Vor einigen Jahren noch hielten meine Eltern das Wort "geil" für unanständig und hätten es wohl als "vulgär" bezeichnet. Heute ist es "normal" (jaja, das mit der Herkunft ist hier etwas schwierig. Mit "normal" meine ich "in Ordnung".  ;) ) Vielleicht gibt es immer noch Menschen, die das anders sehen.

Also muss theoretisch nicht nur das Empfinden und die sozialen Verhältnisse der Figuren innerhalb der Handlung, sondern auch der eventuellen Leser mit berücksichtigt werden. Und an sie alle ist die Sprache ohnehin nicht anzupassen. Ich richte mich da nach meinem persönlichen Sprachempfinden und  danach, was ich innerhalb meiner fiktiven Gesellschaft als alltäglich beschlossen habe.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Merwyn am 22. Februar 2014, 12:23:06
Ich kann Siara nur zustimmen.
Wenn man sich nicht sicher ist, wie vulgär man werden soll/darf, tut man sich bestimmt leichter, wenn man sich über seine Zielgruppe klar wird und analysiert, welche Sprache sie benutzt.

Ansonsten kann man auch ein relativ normales ;) Wort wie z.B. "verdammt" dadurch hervorheben, dass man in der Geschichte einfach bis dato nichts erwähnt, was auch nur ansatzweise in die Richtung geht. Dann ist das "verdammt" schon ganz anders gewichtet, gerade, wenn es in einer wörtlichen Rede vorkommt.
Als Beispiel fällt mir dazu Harry Potter ein. Der ist ja sehr brav geschrieben, wenn man das so sagen kann :) Deswegen war es für mich schon ein bisschen überraschend, als Harry irgendwann mal etwas wie "Wollt ihr mich verarschen?" sagt. Bis dahin hatten weder er noch einer der anderen Charaktere eine solche Sprache benutzt und die Erzählstimme wie gesagt auch nicht. Verarschen ist für mich ein alltägliches Wort, das ich nicht als vulgär empfinde, aber in dem Kontext kam es härter rüber, weil es das einzige Wort seiner Art ist, das im Text auftaucht.
Verstärken der Bedeutung durch Vermeidungsstrategie, quasi ;D
(Ich hoffe, das macht auch Sinn, wenn man nicht in meinen Kopf schauen kann... )

In meinem aktuellen Projekt wird dauernd geflucht und sich nicht ganz so... ähm... fein ausgedrückt. Es gibt kaum eine Seite, auf der nicht zumindest einmal "Scheiße" steht. Das liegt aber schlichtweg daran, dass mein Ich-Erzähler halt so denkt und ich unglaublichen Spaß daran haben, mal so zu schreiben, wie mir die Schnauze gewachsen ist ;)
Als vulgär empfinde ich das gar nicht, weil ich auch in einem wunderbar saloppen Umfeld aufgewachsen bin, in dem der Tonfall ausgemacht hat, ob ein Wort nun wirklich "böse" und ordinär gemeint ist oder eben spaßig und "normal". Das soll jetzt nicht heißen, dass ich von klein auf mit dem entsprechenden Wortschatz konfrontiert wurde, aber wir Bayern fluchen halt gern, egal, ob wir das dann auch ernst meinen oder nicht.
Wie andere Leute das auffassen, erfahre ich wohl dann, wenn das Manuskript fertig ist und die ersten Betas ihre Rückmeldung geben. Bis dahin mache ich mir keine Gedanken, ob es zu vulgär ist oder nicht.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Pandorah am 22. Februar 2014, 12:45:45
Aus Harry Potter kommt ja auch eines der wunderbarsten bösen Worte, das niemand hier als böses Wort empfindet: Mudblood (ich glaube, im Deutschen "Schlammblut"). Als Draco das das erste Mal verwendet, zuckt alles in der Zaubererwelt zurück, keucht empfindlich getroffen auf und Harry steht nur mit dem Leser da und kratzt sich verwundert am Kopf.

Das finde ich so wunderbar an Fantasy - man kann sich pöser Wörter bedienen, und deine Charas machen allesamt klar (oder auch nicht, wenn sie es als normal empfinden aufgrund ihrer Herkunft), dass es pöse Wörter sind und den Leser trifft man erst mal nicht so hart. Mit modernen Schimpf-, Fluch- und Vulgärwörtern tue ich mich schwer, die "härteren" mag ich gar nicht. Fantasylastige dagegen finde ich dagegen - wenn sie passend sind - sogar teilweise nett zu lesen. Sie reißen mich nicht raus.

Die Vermeidungsstrategie ist aber wirklich eine gut funktionierende. Ich sage im normalen Leben durchaus das eine oder andere Mal "Scheiße" und störe mich nicht daran. Im Schriftlichen vermeide ich es. Wenn ich es dann doch mal reinbringe, fällt es mir sofort als hart auf. ;D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Coehoorn am 22. Februar 2014, 16:33:33
Eine andere besonders Schöne Beleidigung ist auch "Hundsfott"
Als ich die zum ersten mal gehört habe, konnte ich mir beim besten Willen keinen Reim drauf machen  ;D
Jetzt liebe ich diese Beleidigung.
Aber all diese Beleidigungen sind nichts im Vergleich zu dem, was man bei der Serie Spartacus zu hören bekommt:
"Ich schwöre bei meiner Mutter, ich werde sie weichkochen."
"Du hast keine Mutter, Drago. Dich hat die Möse der Unterwelt ausgekotzt, deshalb mag ich dich."

"Regen! Bei Jupiters Schwanz! Endlich Regen!"
"Was machst du da?"
"Ich bete"

Weitere Beispiele verkneif ich mir mal aber wenn man nach wirklich extrem vulgären Beleidigungen sucht... bei der Serie wird man fündig  :snicker:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 24. April 2014, 11:56:09
Meh, bisher ist jeder, der unsere Texte gelesen hat, über exakt ein Wort gestolpert, selbst wenn sonst nichts negativ angemerkt wurde: "ficken".
:brüll:
Mein Charakter allerdings würde nichts als das dazu sagen. Liebe machen? Nö. Beischlafen? Oh Gott. Mit jemandem Sex haben? Ja, aber nicht in dem Kontext. Vögeln? Ginge gerade noch durch. Etc.  Es passt zu diesem Char, wenn auch vielleicht nicht direkt in die Sprache dieses Absatzes, doch ich mag den Bruch, der schließlich auch zum Char passt, der diesen Bruch auch so "verdenkt".

Ich möchte es nicht ändern, ich mag vulgäre Sprache, verstehe aber auch, wenn der Großteil der Leser es nicht gut finden. Ich lass es trotz Betakritik drin  :versteck:

@Coehoorn oh, Hundsfott mag ich, klingt so schön unschuldig im ersten Moment ;D
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Kerimaya am 24. April 2014, 11:58:30
Guddy, vielleicht sind deine Betaleser nicht über das Wort gestolpert, sondern, weil es so überraschend kam? Vielleicht musst du das Wort gar nicht streichen, sondern vorher in ein zwei Sätzen deutlicher machen, dass der Charakter eben diese Art von Sprache hat?
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 24. April 2014, 12:05:39
Das meinte ich, als ich von dem Bruch sprach :)
Der Char hat eine differenzierte Sprechweise, er redet nicht ständig in vulgärer Art. Ebensowenig wie ich selbst es tue ;) Generell gab's vorher zB.  auch schon "Titten" und "scheiße"  und von "ficken" redet er auf Seite 34, zu Tode charakterisiert ist er bis dato also ohnehin noch nicht.

Vielleicht werfe ich vorher noch etwas ein? Ich weiß es nicht. Nur streichen kommt für mich nicht in Frage. (wenn es an eine Veröffentlichung geht - haha - werden die Karten aber eh uU. neu gemischt werden müssen, das weiß ich:) )
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Pygmalion am 24. April 2014, 12:38:04
Ich würde da nur drüber stolpern, wenn der Typ ansonsten nur Tee trinkt und redet wie ein englischer Lord :D
Ich finde vögeln zwar schöner, aber ficken drückt letztlich dasselbe nur noch etwas... signifikanter aus. Also warum nicht? Und in unserer Zeit kann etwas gar nicht mehr zu vulgär sein, nicht durch ein einzelnes Wort, gemessen an dem, was es schon gibt, zumindest ;)
Kennste Dom Hemingway? :D
https://www.youtube.com/watch?v=F2A5LbpUBoA
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 24. April 2014, 15:55:23
Zitat von: Pygmalion am 24. April 2014, 12:38:04
Und in unserer Zeit kann etwas gar nicht mehr zu vulgär sein, nicht durch ein einzelnes Wort, gemessen an dem, was es schon gibt, zumindest ;)

"Fuck the EU!"
- Victoria Nuland

"Motherfucker"*)
- Julia Timoschenko

*)Übersetzung im russischen TV

"Cuona inchiavabile"
- Silvio Berlusconi
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Merwyn am 24. April 2014, 15:57:35
Und was genau willst du uns damit jetzt sagen, Churke? ???
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Pygmalion am 24. April 2014, 19:34:31
dass ich recht habe, untermauert mit Zitaten?^^
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 24. April 2014, 19:37:17
Zitat von: Pygmalion am 24. April 2014, 12:38:04
Kennste Dom Hemingway? :D
https://www.youtube.com/watch?v=F2A5LbpUBoA
Nein, aber die Szene ist geil ;D Könnte von der Wortwahl fast mein Prota sein wenn er gut drauf ist *g*
Lohnt sich der restliche Film?
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 24. April 2014, 19:42:50
Zitat von: Pygmalion am 24. April 2014, 19:34:31
dass ich recht habe, untermauert mit Zitaten?^^

Endlich einer, der ich versteht.  :d'oh:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Merwyn am 25. April 2014, 08:54:41
Um das zu wissen, braucht es für mich keine Zitate ;)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: SabrinaQ am 27. April 2014, 15:43:04
Mich stoßen als Leserin vulgäre Wörter meistens ab. Ich habe zwei Lyx-Bücher abgebrochen, weil fast auf jeder Seite das Wort "ficken" oder "Schwanz" auftauchte und wenn eine Protagonistin, wenn sie einen Typen das erste Mal sieht und ihm normal auf der Straße gegenübersteht, gleich feuchte Höschen bekommt ... Nein danke. Das ist mir einfach unsympathisch, mir fehlt da das Gefühl, wo ich mitfiebern kann. Vielleicht kann ich mich einfach nicht damit identifizieren, da ich auch keine solche Sprache benutze (ich sage noch nicht einmal "Scheiße") und eine erste Begegnung lieber mit Herzklopfen usw. in Verbindung bringe.
Es stört mich nicht, wenn eine Figur im Buch "ficken" sagt, solange es kein Hauptcharakter ist und ich mir diese Art zu reden nicht die ganze Zeit antun muss. Wenn dem Protagonisten/der Protagonistin jetzt also in der Disco zum Beispiel jemand begegnet, der sagt: "Geh'n wir ficken?" und wieder verschwindet, ist mir das egal. Aber bei den Hauptcharakteren stören mich solche Worte sowohl in der direkten Rede als auch in den Gedanken gewaltig. Solche Bücher breche ich auch ab.
Dabei bin ich bestimmt nicht prüde, aber ich mag diese Art zu reden einfach nicht - schon gar nicht, wenn sie überhand nimmt. Hin und wieder, wenn sie der Figur und Situation angemessen ist, kann ich damit leben, aber ansonsten ...

Was das Veröffentlichen mit solchen Worten betrifft: Ich denke, das hängt stark vom Genre und Verlag ab. Wie gesagt, die beiden Lyx-Bücher, die ich gelesen hatte (aufgrund der schönen Cover  ::) ) waren Romantasy und voll davon.
Als ich in meinem historischen Roman aber einen Krieger "Scheiße" rufen ließ, kam das raus.
In meinem Fantasyroman wurde das "in den Arsch treten", das ein Kobold sagt, in: "Ich trete dir in den ..." Und in diesem Moment schreckt ihn halt etwas auf und lässt ihn innehalten.

Das wird auch stark von der persönlichen Einschätzung des jeweiligen Lektors abhängen. Geschmäcker sind halt verschieden.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Guddy am 27. April 2014, 18:05:53
Gibt ja zum Glück auch nicht nur schwarz und weiß.
Dein Beispiel mit dem kobold würde bei mir wiederum ein Augenverdrehen auslösen, finde es etwas übertrieben und es wirkt verkrampft auf mich.
Ein Fan von übertrieben vulgärer Sprache, wenn sie ein Protagonist nonstop benutzt, bin ich allerdings auch nicht  ;) es sei denn, es passt wirklich 100% zum Char.
So hat eben jeder seine Leser :)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Klecks am 28. April 2014, 09:26:31
Wenn es zum Chara passt, stört es mich auch nicht, wenn jemand ständig "ficken", "Schwanz", "Arsch" oder was auch immer sagt. Weder als Autorin, noch als Leserin. Es sind auch nur Wörter, kräftigere eben. Das krampfhafte Ringen um Alternativen stört mich da deutlich mehr. Noch schlimmer finde ich, die Aussage zu unterbrechen, damit das Wort nicht kommt - das wirkt total künstlich. Wenn man einfach mal ein genüssliches, erleichterndes "Fuck!" schreien will oder die Hauptfigur so auf den Love Interest abfährt, dass ihr nur ein Wort für das einfällt, was sie mit ihm machen will  ;D, dann hat das für mich nicht mal was mit vulgär zu tun. Ich würde jedenfalls nie ein Buch, das mir ansonsten gefällt, deswegen abbrechen.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: SabrinaQ am 28. April 2014, 10:45:47
Wie gesagt, der Kobold mit dem Arsch treten wurde so geändert, genauso wurde das "Scheiße" in "Verdammt" umgewandelt. Da kann man nichts machen. Lustigerweise durften die "abgeschnittenen Eier" aber drin bleiben.

Es ist schon interessant, wie es jeder anders empfindet. Für mich sind die vielen "Fucks" und "ficken" und "Schwänze" wiederum so bemüht und gekünstelt, dass ich sie nicht ernstnehmen kann. Als stelle sich der Autor hin und schreit ganz laut: "Seht nur, wie Badass der ist." Aber im Grunde kommt es ja auf jedes individuelle Buch an. Entweder es passt, oder es passt nicht. Pauschalieren kann man das Ganze eh nicht.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Pygmalion am 28. April 2014, 12:13:31
@Sabrina: Du sagst nicht scheiße? Dann bist du ziemlich ungewöhnlich, was das betrifft, ich habe in meinem Leben erst einmal eine Person utner 70 getróffen, die nicht scheiße gesagt hat :D Die hat stattdessen Scheibenkleister gesagt, was viel verstörender auf ihre Mitmenschen gewirkt hat, als wenn sie Scheiße gesagt hätte :D
Ich glaube man muss sich nicht unbedingt direkt in der Gosse bewegen, um dauernd mit Scheiße, Fuck, etc. konfrontiert zu werden... Wenn also ein zeitgenössischer Jugendlicher/jüngerer Erwachsener solche Worte nie sagt und stattdessen "Scheibenkleister", wirkt das doch wirklich künstlich, weil es nicht der normalen, alltägliche genutzten Sprache entspricht, die jedem überall begegnet. Das hat dann nichts mit Badass zutun. Aber es kommt sicher auch auf die Frequenz an, da stimme ich dir auch zu;)

Dass wiederum ein Kobold nicht so reden durfte, verwirrt mich etwas... sind Kobolde nicht launische, kleine Plagegeister, die vulgär und anzüglich sind? :)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Leann am 28. April 2014, 12:28:04
Die Sprache muss zum Roman passen. Manchmal muss es einfach vulgär sein. Da nehme ich während des Schreibens keine Rücksicht auf mein eigenes Zartgefühl und auf das der Leser auch nicht. Ich unterscheide da sehr deutlich zwischen mir als Person und meiner privaten Art, zu reden, und mir als Schreiberin. Wenn es nötig ist, und das ist es oft, verlasse ich meine Komfortzone und lasse alle Hemmungen fahren. Es kommt vor, dass ich während der Überarbeitung erschrocken darüber bin, was ich da geschrieben habe. Aber wenn das Thema es verlangt, führt kein Weg daran vorbei. Ich schreibe ja nicht nur über fluffige Kaffeekränzchen bei mir im Wohnzimmer.
Wenn vulgäre Sprache allerdings nur des "Schockeffekts" wegen verwendet wird, finde ich das lächerlich.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Lothen am 28. April 2014, 12:34:29
Zitat von: Leann am 28. April 2014, 12:28:04
Wenn vulgäre Sprache allerdings nur des "Schockeffekts" wegen verwendet wird, finde ich das lächerlich.

Das verliert ja auch irgendwann seinen Effekt - ich meine, wenn man auf jeder zweiten Seite "Schwanz", "ficken" oder "Fotze", liest schockiert es einen auch nicht mehr, es langweilt nur  (ich sag nur: "Feuchtgebiete"...).

Ich denke, man kann vulgäre Sprache einfach sehr gut nutzen, bestimmte Personen zu charakterisieren. Der eine benutzt es ganz selbstverständlich, der oder die andere errötete schon bei einem derben Wort... Das bietet Spielraum, um Personen oder ihre Lebensumstände näher zu beschreiben.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: SabrinaQ am 28. April 2014, 12:42:35
@ Pygmalion
Also "Scheibenkleister" finde ich auch sehr merkwürdig. Dass ich nicht "Scheiße" sage, liegt aber nicht daran, dass ich es für so verpönt halte und mir stattdessen ein anderes Wort suche (wie "Scheibenkleister"), sondern dass es einfach nicht in meinem Wortschatz ist. Vielleicht ist es mir zu "hochdeutsch", keine Ahnung  ;D Wenn mir zB. eine Schachtel Eier runterfällt und ich die ganze Sauerei habe, rufe ich eher "Na geh bitte!" oder "Na supa!", und wenn ich ganz sauer bin: "Vadaumt no amoi" ("verdammt nochmal"). Vielleicht liegt es zu sehr an meinem steirischen Dialekt (den ich natürlich in Bücher nicht reinbringen kann - nicht nur einmal hat mir eine Lektorin ein österreichisches Wort gestrichen, bei dem mir gar nicht bewusst war, dass es österreichisch ist und Deutsche es gar nicht verstehen).
Was ich aber sehr oft sage, ist: "Bist du deppat", sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. zB. "Bist du deppat, das nenn ich mal ein Auto" (also positiv), oder negativ: "Bist du deppat, wie kann man nur so blöd sein".

Und ja, der Kobold war eigentlich nicht auf den Mund gefallen, aber in dem Roman wurde mir auch die Sexszene gestrichen (obwohl Erwachsenenroman) und stattdessen wird ausgeblendet (er küsst sie und dann wachen sie zusammen auf). Das war damals mein erstes Lektorat und ich nahm noch alle Vorschläge an, eingeschüchtert wie ich war, und ich ließ mich von den Argumenten überzeugen. Heute, wenn ich von etwas überzeugt bin, kämpfe ich auch schon mal dafüf.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Zit am 28. April 2014, 14:14:10
Zitat von: Lothen am 28. April 2014, 12:34:29
Das verliert ja auch irgendwann seinen Effekt - ich meine, wenn man auf jeder zweiten Seite "Schwanz", "ficken" oder "Fotze", liest schockiert es einen auch nicht mehr, es langweilt nur  (ich sag nur: "Feuchtgebiete"...).

Hmm... Schwierig -- vulgäre Sprache äußert sich ja nicht nur in einem Wort. Wenn jemand eine saloppe Sprache pflegt und entsprechend so dahin erzählt, dann benutzt er eine ganze Reihe von solchen Worten. Ich finde es da schwierig die Grenze am einfachen "Abzählen" solcher Wörter fest zu machen. Der Sprecher muss sich ja auch nicht bewusst sein, dass es eben kein Standartdeutsch ist, was er da faselt, da wird er dann auch nicht so unbedingt darauf achten.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Klecks am 28. April 2014, 14:40:30
Zitat von: SabrinaQ am 28. April 2014, 10:45:47Als stelle sich der Autor hin und schreit ganz laut: "Seht nur, wie Badass der ist."

Das gibt es natürlich auch, da hast du Recht.  :hmmm:
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Lothen am 28. April 2014, 16:24:15
Zitat von: Zitkalasa am 28. April 2014, 14:14:10
Hmm... Schwierig -- vulgäre Sprache äußert sich ja nicht nur in einem Wort. Wenn jemand eine saloppe Sprache pflegt und entsprechend so dahin erzählt, dann benutzt er eine ganze Reihe von solchen Worten. Ich finde es da schwierig die Grenze am einfachen "Abzählen" solcher Wörter fest zu machen. Der Sprecher muss sich ja auch nicht bewusst sein, dass es eben kein Standartdeutsch ist, was er da faselt, da wird er dann auch nicht so unbedingt darauf achten.

Ja, da geb ich dir recht - wobei es mir, glaub ich, schon schwer fallen würde, ein Werk ernstzunehmen, dass aus 90 % vulgären Schimpfwörtern besteht, selbst wenn es zum Charakter passt. Ich finde, man kann eine derbe Art auch anders zum Ausdruck bringen.

Ich meinte auch eher, dass die Schockwirkung solcher Begriffe nachlässt, wenn man sie übergebühr verwendet - wenn der Sinn aber darin liegt, die saloppe Sprache oder die derbe Art einer Person zum Ausdruck zu bringen, sieht das schon wieder anders aus.
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Churke am 28. April 2014, 16:35:17
Zitat von: Lothen am 28. April 2014, 16:24:15
Ja, da geb ich dir recht - wobei es mir, glaub ich, schon schwer fallen würde, ein Werk ernstzunehmen, dass aus 90 % vulgären Schimpfwörtern besteht, selbst wenn es zum Charakter passt.

Gunnery Sergeant R. Lee Ermey alias Sergeant Hartman.

Daher auch der Begriff "Kraftausdrücke".  ;)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Lothen am 28. April 2014, 19:12:58
Der Film war eh nicht so mein Fall ;)  ::)
Titel: Re: Vulgäre Sprache
Beitrag von: Patricia am 03. Mai 2014, 22:27:57
Zitat von: Lothen am 28. April 2014, 12:34:29
Ich denke, man kann vulgäre Sprache einfach sehr gut nutzen, bestimmte Personen zu charakterisieren.

Kürzlich habe ich Stephen Kings "Das Leben und das Schreiben" gelesen. Er plädiert darin für eine authentische Sprache, um die Personen realistisch wirken zu lassen. Die meisten Menschen sagen nun mal "Scheiße!", wenn etwas nicht so läuft wie es soll  (zu denen gehöre ich auch  :D). King wurde deswegen von Anstandswächtern öfter beschuldigt, ein "vulgärer Prolet" zu sein, wie er selbst sagt, aber was soll's: seine Bücher sind eingängig und erfolgreich, also haben ihnen die unflätigen Ausdrücke wohl kaum geschadet.  :)

Wenn allerdings die alte Tante ein Malheur hat, kann seiner Meinung nach "Scheibenhonig" übrigens der treffende Kraftausdruck sein.  :D  Eine meiner Schulkameradinnen hat mich mit diesem Ausruf immer sehr befremdet.  ;)