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Betaleser? Ja bitte! Nein danke!?

Begonnen von Feuertraum, 22. November 2006, 11:15:24

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Sprotte

ZitatTut mir die Änderung verdammt weh, dann übernehme ich sie zähneknirschend. Ist es mir egal, dann entscheide ich, wie viele Betas an der Stelle einen Kommentar gesetzt haben.
In einem Schreibratgeber (oder so) schreibt Stephen King, daß er das ganz genauso macht. Das habe ich von ihm übernommen und fahre sehr gut damit.


canis lupus niger

#46
Meine persönliche unangenehme Erfahrung nicht mit einem Betaleser, sondern einem Kollegen des Autorenteams war, dass er rückwirkend Prämissen abgeändert hatte, an die ich mich nach gründlichem Weltenstudium akribisch gehalten hatte. Er meinte, ICH hätte da noch ein paar Fehler drin. Da war ich drauf und dran, die Zusammenarbeit hinzuschmeißen.

Nein, mit Betalesern habe ich bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Manchmal brauche ich allerdings ein paar Stunden oder sogar Tage, um eine Kritik zu bewältigen, sie objektiv anzunehmen und zu überdenken. Früher habe ich das geschrieben, was ich selber gerne lese. Punkt. Das war mein Hauptkriterium. Daher liegen mir viele Einzelheiten auch sehr am Herzen. Aber das heißt ja nicht, dass sie gut sind. Inzwischen habe ich gelernt, dass Betaleser meinen Horizont erheblich erweitern. Ich muss ja nicht jeden Vorschlag sklavisch adaptieren, aber wie viele wertvolle Hinweise habe ich schon bekommen, wenn ein Charakter oer ein Plotstrang sich in eine langweilige Richtung entwickelten. Wie viele Wortwiederholungen, Perspektiv- und Logikfehler, die ich selber nicht entdeckt habe, wurden mir schon aufgezeigt! Ich habe wichtige Charaktere über die Klinge springen lassen, nette Leute zu Fieslingen umgestrickt oder umgekehrt, sorgfältig auf- und ausgebaute Entwicklungen zu Sackgassen abgeändert, die den Leser ebenso überrumpeln wie den Protagonisten, lauter Ideen, auf die ich alleine nicht gekommen wäre.

Betaleser helfen mir weiter, unbedingt. Und ich mag es, Betaleser aus verschiedenen Altersgruppen und mit verschiedenen Genrevorlieben zu befragen, denn das hilft mir, die Kritik und meine Schreiberei besser einordnen zu können.

Urteilt ein 16jähriger "Zwerge"-Fan, dass das zu prüfende Skript zu rosarot ist, eine 20jährige Romantikerin, dass sie das Happy End gerne noch ein bisschen mehr "happy" hätte, und ein gestandener Endfünfziger, dass er an seine Jugendleidenschaft für Karl May erinnert wird, dann kann ich daraus für mich wertvolle Hinweise extrapolieren. Was ich dann damit anstelle, das ist eine weitere Bearbeitungsstufe an meinem Manuskript. Gefällt mir das? Lasse ich es also wie es ist? Oder ändere ich einzelne Punkte? Oder schmeiße ich das ganze Skript in die Tonne? Betaleser sind keine Lektoren, sie richten nicht darüber, ob mein Werk "genommen" wird, oder nicht. Aber sie zeigen mir auf, ob ich es geschafft habe, das zu schreiben, was ich schreiben wollte (auch wenn das bedeutet, dass es den Betalesern nicht gefällt), ... oder etwas Schlechteres oder sogar etwas Besseres. Sie halten meinem Text einen Spiegel vor, und das ist es was ich brauche und wofür ich ihnen unendlich dankbar bin.

Alana

Meinst du nur den zweiten Teil des Zitats?
Ich frage mich nämlich gerade, ob der erste Teil bedeutet, dass Änderungen, die einem persönlich richtig weh tun, auf jeden Fall gemacht werden sollten, weil das impliziert, dass die Stelle zu gefühlsduselig/persönlich ist, um gut zu sein.
Alhambrana

Rynn

#48
Das bezieht sich bestimmt auf das berühmte "Kill your darlings", das ist ja auch von Stephen King; die Stellen, an denen einem Änderungen am meisten schmerzen, die Stellen, die man eben gerade für perfekt hält, sind meistens die, bei denen die rosarote Brille am stärksten ist.

Und um noch was zur Diskussion beizutragen: Ich glaube nicht, dass ein Buch, das keine Betaleser gesehen hat, jemals so gut sein könnte wie das gleiche Buch, das durch die Hände (Augen ;)) einiger Betas gegangen ist. Meiner Meinung nach hilft da weder zeitlicher Abstand noch gründliches Überlegen noch eine so ausgeklügelte Technik: Für manche Dinge ist man als Individuum mit Macken und Eigenschaften, mit einer Lebensgeschichte und Umwelteinflüssen (nicht einmal speziell als Autor) einfach blind, solange einen andere nicht darauf aufmerksam machen.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Sprotte

Nein, ich meine das gesamte Zitat.
Wenn ein Betakommentar mich zähneknirschend vor Wut zurückläßt, hat dieser Beta wirklich recht, zeigt mir die Erfahrung der letzten Jahre. Wenn ein Vorschlag mich nicht berührt, ist er vielleicht nicht wichtig, sondern nur eine Nuance. Doch wenn ein Kommentar mich sauer macht (weil ich Mist gebaut habe, sein wir da mal ehrlich), dann muß er umgesetzt werden.

Alana

#50
Okay, dann habe ich das richtig verstanden, das ähnelt ja auch dem, was ich oben geschrieben habe. Nicht immer ändere ich das dann, aber meistens schon und das sind auch die Kommentare, aus denen ich am meisten lerne (und die mich am meisten aus der Bahn werfen, natürlich  ::))
Wäre interessant zu wissen, welches Buch das war. Stephen King hat ja mehrere geschrieben, so weit ich weiß und es würde mich schon mal interessieren, eines davon zu lesen.
Alhambrana

chaosqueen

Hach, das leidige Thema meines Autorendaseins! ;)

Ich hab früher nichts rausgegeben, was ich nicht schon für absolut perfekt gehalten habe. Hat den Vorteil, dass ich hinter meinem Text stehe, aber den Nachteil, dass Kritik mich dann umso härter trifft.

Ungefähr 2001 hab ich kurzgeschichten.de entdeckt und dort nach und nach gelernt, dass es ganz gut sein kann, wenn ein vermeintlich fertiger Text noch mal von anderen gegengelesen wird. Angst hatte ich jedes Mal, wenn ich etwas hochgeladen habe.

Hier im TiZi hatte ich anfangs das Gefühl, dass alle anderen absolut perfekt und genial schreiben, nur ich sei ein blutiger Anfänger. Also wieder nichts vorgezeigt, dafür aber selber betagelesen und festgestellt, dass auch andere im ersten Entwurf nicht perfekt sind. Gut, aber nicht perfekt.

Und jetzt hab ich selber vier Betas (von denen eine noch nichts bekommen hat, weil ich da erstmal wieder drüber will) und war von den ersten Kommentaren positiv überrascht - klar, sie haben artig auf Anweisung mir alles um die Ohren gehauen, was sie gefunden haben, und sie hatten Recht. Zu statisch, zu weit vom Geschehen entfernt, zu passiv, zu viele "um zu"-Konstruktionen ... Aber: Genau das hab ich gebraucht! Ich hab vorher gesehen, dass mein Text nicht nah am Geschehen ist, aber ich hab nicht erkannt, woran es liegt.
Und genau aus diesem Grund bin ich ein großer Verfechter von Betas: Sie helfen gegen die Betriebsblindheit und legen den Finger auf die Punkte, die nicht funktionieren.

Ich wage zu behaupten, dass ein Text, der durch die Augen von Betas gegangen ist, deutlich bessere Chancen hat, bei einem Verlag oder Agenten angenommen zu werden. Vorausgesetzt, der Autor setzt sich kritisch mit den Anmerkungen der Betas auseinander, was nicht bedeuten sollte, dass er alles sklavisch übernimmt, was die Betas geschrieben haben.

Naudiz

Zitat von: chaosqueen am 17. August 2012, 13:31:50
Und jetzt hab ich selber vier Betas (von denen eine noch nichts bekommen hat, weil ich da erstmal wieder drüber will)

Bin diese eine Beta zufällig ich? Ich warte nämlich immer noch auf das erste Kapitel von "Auf der anderen Seite"! :D

Soviel zum OT.

chaosqueen

Yepp, das bist Du. Ich glaub, ich schicke Dir das erste Kapitel doch noch schnell in der alten Version (die auch die anderen bekommen haben), dann hast Du was zu tun und ich was zu überarbeiten. ;) Das zweite kommt dann gleich mit, das haben die anderen auch schon ... :versteck:

Tanja

Eine spannende Frage nach dem Betalesertum.

Ich muss sagen, ich mag Betaleser, die nicht zu viel kritisieren. Ich bin selbst (so schätze ich mich zumindest ein) auch jemand, der eher nach Stärken anstatt nach Schwächen sucht. Ich werde gerne motiviert und nicht auseinandergenommen.

Vielleicht bin ich dadurch als Betaleserin zu lieb und als Autorin nicht kritikfähig genug - aber so bin ich ich eben!

Grüße
Tanja

Alana

@Tanja: So war ich früher auch, und ganz tief drinnen wäre ich gern noch so. Nur leider würde das meinen Texten nicht helfen.

@chaos: Ich finde es auch ganz hilfreich, schon nach der ersten Überarbeitung bzw. währenddessen jemanden lesen zu lassen. So hab ich schon nach Kapitel 6 festgestellt, dass der Anfang nicht taugt und ihn komplett überarbeitet. Das spart Arbeit beim Rest, den ich dann gleich bei der ersten Überarbeitung anpassen kann.
Alhambrana

phoe

Ich war ein "in der einsamen Kammer vor sich hinschreibende und erst das Fertige herausgebender" kleiner Feigling.
War der Meinung, wenn ich genug Bücher lese, und meins dann liegen lasse, das wird schon.
Nüschd wird.
Hier im Zirkel hab ich als Betaleserin angefangen. Anfangs habe ich mich damit schwer getan, war mir unsicher - was darf ich was nicht, wie weit darf die Kritik gehen, was sollte ich lieber für mich behalten?
Ich hoffe für "meine"Autoren, das ich mich gebessert habe.  ;)

Mein erster Versuch mit Betalesern war auch "nur" eine Kurzgeschichte.
Ich habe mich einfach nicht getraut, mein Baby aus der Hand zu geben. Es von anderen womöglich noch zerreißen zu lassen..  :no:
Doch nach dem ich selbst immer mehr Beta lesen durfte, hab ich mir gesagt: "Du dumme Nuss, andere tun es auch und haben sich nicht so lullig, also... kneif die Backen zusammen und trau dich!"
Also hab ich mich eine Tages getraut und mein Baby hinaus gelassen. Und was ist passiert...?  na...? Genau!
Nach den ersten Seiten lesen, bekam ich die ersten Rückmeldungen von ALLEN... Das geht so nicht.. Perspektive, zu viele Sprünge, Unklarheiten... und...und...
Da hab ich sofort die Reißleine gezogen, und ihnen gesagt, die müssen nicht weiter lesen.
Und dann habe ich die ganze Geschichte umgeschrieben!
War das aber auch ein, zum Teil wirklich unzusammenhängender, Quatsch, den ich den armen Leuten zugemutet habe. :o Das hätte ich ohne deren Komentare nie so gesehen.
Inzwischen haben meine lieben Betas die überarbeitete Version und können auch besser damit arbeiten. Und diesmal hab ich nicht nur vernichtende Kritik bekommen.  ;D
Klar, da sind noch Sachen dabei, bei denen ich mich frage, wie man so einen Stuss schreiben kann, ohne es zu merken. Doch wenn ich die Korrekturen sehe, es geht, man kann...  :snicker: Ich bin froh, meine Angst überwunden zu haben. Ich hätte meinem Baby keinen Gefallen getan, es so heraus zu geben. Es sind aber auch tolle Betas, die mir super gute Tipps geben, die ich allerdings auch nicht alle umsetze.

Ich habe im Zirkel Betas und außerhalb auch zwei, eine davon meine beste Freundin, die eigentlich nicht gern Fantasy liest. Familie, naja... die kannste in der Pfeiffe rauchen ;) außer mein Neffe, der war gut, als er einmal was von mir hatte.

Eines habe ich gelernt. Ich lese sehr gern Beta und andere tun es auch. Ich möchte gern Lesefutter, andere auch. Sie vertrauen mir und ich vetraue ihnen. :gruppenknuddel:



Sprotte

Ich habe soviel von meinen Betalesern und zuletzt auch durch das Lektorat bei Aeternica gelernt. Was Verbfaulheit ist, wußte ich vorher nicht. War - war - war - war. Danke Nycra.
Klar, auch ich bekomme lieber Lob (und finde mitunter zauberhafte Minikommentare "schnurrrrrrrr" oder einfach ein Smileygesicht), aber gerade der Finger in der Wunde ("das ist unlogisch", "das paßt nicht zur Figur") bringt doch am meisten.

Nuya

#58
Auf jeden Fall "Ja, bitte!". Ich mag die Rückmeldung und ich empfinde es als so bereichernd, wenn mir meine Fehler aufgezeigt werden. Und ohne einen Beta wüsste ich noch heute nicht, wie ich den erweiterten Infinitiv mit zu schreiben müsste, gell Sprotte? ;D
Genauso wenn Plotlöcher entdeckt werden oder sowas, das sieht man irgendwann als Schreiberling nicht mehr.  :omn:

Genauso mag ich es, Beta zu sein. Meine Kettensäge hat immer genug Benzin im Tank und ich spare nicht mit Lob. ;D

Yukan

Betaleser sind für mich auch wichtig, wobei ich da nur einen habe. Viele sagen, dass es nicht gut ist, wenn Freunde den eignen Text lesen. Das kann durchaus stimmen, aber ich bin eher der Typ, der bei Freunden eher dazu neigt, ehrlich zu sein. Wenn ich mit jemandem befreundet bin, dann ist das jemand, der zu mir ehrlich ist und zu dem ich ehrlich bin. Bei Fremden bin ich dann wohl eher jemand, der zur Nettigkeit tendiert.