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Synonyme für irdische Begriffe in Fantasywelten [Sammelthread]

Begonnen von Mithras, 31. Oktober 2015, 20:28:12

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Lupa

Zitat von: Szajkó am 12. Dezember 2015, 10:40:24
Denkbar wäre auch, dass man sich ganz andere Konzepte ausdenkt und versucht die Sprachrealität der erfundenen Welt auch für einen deutschsprachigen Leser erfahrbar zu machen, in dem man eben Wörter wörtlich übersetzt.
Ich finde es sehr schön, wenn dem Autor das gelingt, denn es trägt für mich sehr dazu bei, in die fantastische Welt einzutauchen.

Das sind aus meiner Sicht sehr gelungene Beispiele dafür, Araluen.
Zitat von: Araluen am 04. Dezember 2015, 12:23:17
Im MMO Rift meinte meine Kelari (ein sehr meerbezogenes Elfenvolk) einmal: "[...] dann schaut er jetzt wie eine Jungrobbe und alles ist wieder gut[...]"
Gemeint war natürlich der Dackelblick. Aber Dackel sind in Fantasywelten ja eher selten verbreitet ;)
Meine Charr (römisch/spartanisch angehauchtes Katzenmenschenvolk) aus Guildwars 2 sagt gerne verflammt statt verdammt. Die Flammenlegion ist in dem Setting nach langer Geschichte quasi aussätzig.
Meine Lieblingsbeleidigungen für und von Wüstenbewohnern: Du elender Sohn eines Sandwurms! oder Du Sohn von Kamelpisse!
Inspirieren lasse ich mich da gerne aus anderen Sprachen, die ich dann wörtlich ins Deutsche übersetze. Das bringt immer wieder ganz schöne Ergebnisse wie ich finde (spontan aus dem Ärmel geschüttelt): Es regnet Hunde und Katzen oder Da kommt man ja von der Bratpfanne ins Feuer



EDIT: im Zitat Urheber korrigiert

Tintenteufel

Ich stimme Cryphos auch zu. Lustigerweise wollte ich das gleiche Argument mit dem Kaiser von China bringen.  ;D
Dann werfe ich ein weiteres Argument in den Raum:
Bei TvTropes gibt es dafür eine eigene Seite: Einen Hasen einen Smeerp nennen
Das wirkt in den meisten Fällen einfach nur komisch, oft genug überkreativ. Ich bin allerdings auch einer, der etwas gegen diese unnötig komplizierten Elfennamen hat, also...keine Ahnung.
Wenn jedenfalls einer was von Lebenswasser oder Wasser des Lebens oder Feuerwasser schreibt, wenn er Schnaps meint, dann stöhne ich oft einfach nur und überblättere das. Abgesehen von der bereits erwähnten Tatsache, dass wir nun einmal auf Deutsch oder auf Englisch schreiben, liest der Leser auch in der Sprache. Klingt trivial, macht aber eines klar: Die Leseerfahrung bildet sich durch die deutsche Sprache. Nicht durch elfisch, quenya oder klingonisch. Die allermeisten Leser finden das meiner Erfahrung nach nicht witzig - ich z.B. überspring den ganzen Elfenquarks immer bei Herr der Ringe.
Insofern ist es unsinnig aus etymologischen Gründen auf die Verwendung von bestimmten Wörtern für existierende Konzepte zu verzichten.

Völlig anders sieht es aus, wenn Wörter für nicht-existierende Konzepte verwendet werden. Also wenn die Elfenarmee mit Pfeil und Bogen plötzlich "Feuer frei" erhält, obwohl es keine Feuerwaffen gibt.  :rofl:

Evanesca Feuerblut

Ich gehöre zu denen, die mööööglichst versuchen, ohne irgendwie zu sehr in der Realität und (Kultur)Geschichte verankerte Worte auszukommen.
Zum Einen gehört das für mich zur Immersion dazu - ich reagiere unheimlich pingelig, wenn in einem Text, den ich lese, schlampig damit umgegangen wird. Egal ob Highfantasy oder historische Fantasy - manche Wörter und Sätze, die dann nicht zeit- oder welttypisch sind, katapultieren mich aus dem Lesefluss. Und dann ist die Folgerung für mich ganz einfach. Dinge, die ich schon nicht mag, wenn ich sie lese, vermeide ich natürlich doppelt, wenn ich schreibe :).
(Womit sich bitte niemand beleidigt fühlen soll. Ich kenne viele Leute, die das, was mich aus dem Lesefluss reißt, nicht mal bemerken würden, es daher nicht so furchtbar pingelig sehen wie ich und trotzdem tolle Menschen sind.)
Das liegt daran, dass meine Wahrnehmung stark in Richtung "Details" verschoben ist und mein Hirn ein Hort für 50000000 Fakten, die kein Mensch braucht. Wenn also in einem an das Mittelalter angelehnten High-Fantasy-Roman ein Wort aus der Moderne vorkommt - und ich weiß rein zufällig, dass das Wort zwar altertümlich klingt, aber eine moderne Wortschöpfung ist - wird diese Info aufgerufen, sobald ich das Wort lese. Ich bin genervt, nicht mehr in der Geschichte drin und... mag das Buch nicht, wenn sowas öfter vorkommt.

Zum anderen bin ich leidenschaftliche Sprachbastlerin und sehe es auch als sportliche Herausforderung, Wortneuschöpfungen für unserweltliche Begriffe zu kreieren, die trotzdem ohne Glossar verstanden werden können. Es hat für mich den Reiz des Bastelns, auch wenn ich dann unter Umständen das Web nach etymologischen Wörterbüchern durchforste und drei Stunden in der Recherche versinke, statt zu schreiben.
Solche Problemwörter zu ersetzen, bereitet mir einfach Vergnügen.

Da ich selbst einen Roman schreibe, der auf der Erde in der Prä-Antike spielt, musste ich feststellen, dass es nicht nur Tabuwörter gibt, die man vermeiden könnte (so man will), sondern auch Konstruktionen. In der Urversion siezten sich gewisse Figuren noch, bis ein aufmerksamer Betaleser mich darauf aufmerksam machte, dass das Siezen erst irgendwann im 5 Jh.n.u.Z. aufkam, im postlateinischen Sprachraum, und die meisten älteren Sprachen diese Art der Honorifica gar nicht kennen.
Mit Problemwörtern auf Listen ist es also oft nicht getan. Aber es ist ein praktischer Anfang :).

(Ich selbst ersetzte "König/Königin" durchgängig durch "Herrscher/Herrscherin", eben weil es Jahrtausende vor Karl dem Großen spielt. Aber das störte dann mich viel mehr als sämtliche Betaleser)

Phlox

Was haltet ihr von dem Wort "Kloster" für eine entsprechende religiöse Einrichtung in einer nichtchristlichen Fantasy-Welt?
Zwar habe ich in Reiseführern auch schon von "buddhistischen" oder "hinduistischen Klöstern" gelesen, aber ich denke, das Wort ist schon ziemlich mit dem Christentum verknüpft.
Als Alternative bin ich bisher lediglich zu so Sätzen gekommen wie "...gab ihn für einige Zeit zu den weisen Männern des xy-Tempels", aber richtig gelungen finde ich das nicht bzw. denke ich, es müsste eigentlich noch andere Lösungen geben?


Trippelschritt

Ich nehme mal auf, was Cryphos gesagt hat. In Fantasy klingen eine ganze Menge Begriffe aus unserer Sprache wie ein Anachronismus. Da reicht ein falsches Wort und die Atmosphäre ist zerstört oder noch schlimmer, das Gedankenkonzept, das hinter dem Wort steht passt nicht.

Man sollte aber nun nicht unbedingt über jedes einzelne Wort streiten, weil nicht jeder das gleiche Sprachempfinden hat und solche Diskussionen nicht weit führen.
Kaiser beispielsweise würde ich bedenkenlos verwenden, dann aber in der Geschichte deutlich machen, was für eine extrem herausgehobene Position das ist, denn sonst könnte auch König genügen, das aber ebenfalls seinen eigenen hintergrund hat.
"Whisky" ginge für mich gar nicht, weil es im Grunde genommen ein Regionalbegriff für einen Getreideschnaps ist, der später etwas verändert wurde. Da liefe bei mir im Kopf einfach der falsche Film ab. Als Hilfsbegriff habe ich zunächst Brantwein verwendet, nahm dann aber lieber "Gebrannten" als altertümlichen und allgemeinen Begriff.
Und ganz schwer tue ich mich persönlich bei "Verdammt!", weil ich Verdammnis mit einem christlichen Konzept verbinde. Ich rette mich immer mit verflucht, aber das is tleider nicht immer kraftvoll genug und ich muss dann improvisieren.

Mit gefällt dieser Thread ausgesprochen gut, weil sich jeder Fantasyautor (hoffentlich ;D) mit diesem Problem herumschlägt. Und es würde  mir auch viel Spaß machen, über einzelne Beispiele zu diskutieren, wenn man im Hintergrund weiß, dass es nicht unbedingt immer und in jeder Geschichte ein richtig oder falsch gibt.

Horrido
äh - Liebe Grüße
Trippelschritt


Felix Fabulus

Oh ja, und da hätten wir noch "verflixt", ein Euphemismus von "verdammt". Das ist mir mehrmals reingerutscht, in einer Welt, in der Verdammnis nicht bekannt ist. Warum habe ich es drin gelassen? Weil bekannte Wörter bekannte Assoziationen hervorrufen, wohingegen ein unbekanntes, also erfundenes Wort (k.A., z.B. "vertrampt"?) unweigerlich einen Bremser des Leseflusses, letztlich des Lesegenusses wäre. Eleganter wäre vielleicht ein Synonym, das gebräuchlich ist, aber keinen Bezug zu unserer Welt hervorruft. Und da frage ich mich: Weckt "verdammt" heute  bei einer Mehrheit der Leser*innen überhaupt noch Assoziationen zum christlichen Glauben?
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.

Zit

Verwenden überhaupt viele Leute noch ,,verdammt"? In AC Odyssey wird universal ,,Malaka" für alles mögliche verwendet, von Idiot über verflucht bis Mist ist da alles dabei. Ich denke, fürs Deutsche kann man vergleichsweise ,,Scheiße" für alles mögliche nehmen. (Gibt ja auch die Beleidigung Scheißer.) Wobei es schon recht derb ist und dann auch wieder nicht, sodass es seinen ganz eigenen Reiz hat, sowohl Prinzessin als auch Bettlerin so fluchen zu lassen.
Einen interessantes Konzept hingegen wäre mal eine Gesellschaft, in der man seinen Mitmenschen nichts Böses wünscht. Dann würde sich das Fluchen als solches ja von selbst erledigen. :hmmm:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Churke

Zitat von: Felix Fabulus am 13. Oktober 2020, 16:42:50
Weckt "verdammt" heute  bei einer Mehrheit der Leser*innen überhaupt noch Assoziationen zum christlichen Glauben?

Bei mir jedenfalls nicht. Außerdem ist das ein eher harmloses Lehnwort aus dem Lateinischen

FeeamPC

@Phlox  : Kloster betrachte ich nicht als Konfessions gebunden. Hat eher damit zu tun, dass im Gegensatz zu einem Tempel die Menschen in den Klöstern in einer gewissen Isolation leben.

Was das Fluchen und verfluchen angeht: Erst mal vorstellen, was das jeweilige Volk am meisten füchtet, z.B. die Wassergeister, und dann sagt man z.B. Mögen die Wassergeister dich ertränken, oder Beim schuppigen Schwanz der Wassergeister. Damit hat man elegant einen exotischen, aber gleichzeitig gut verständlichen Begriff.

Churke

Sprache ist ein Code und Kraftausdrücke beziehen ihre Kraft daraus, dass der Code bekannt ist. Mit dem auf Zwischenerde so gefürchteten Gott Fridolin kann Otto Normalleser gemeinhin nichts anfangen und es wird daraus *irgendein Fluch*.