• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Tipps zum Schreiben von nichtweißen Figuren (BI_PoC) mit Linksammlung

Begonnen von DunkelSylphe, 15. Februar 2021, 01:46:05

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Nikki

Ich finde deine Antwort sehr spannend, @Mondfräulein, komme aber heute nicht mehr dazu, ausführlich zu antworten, darum nur zwei Anmerkungen meinerseits:


  • Plotrelevanz - ich meine das jetzt im weitesten Sinne. Ich meine damit nicht, dass unbedingt Plotpoints an der kulturellen Identität einer Figuren hängen müssen. Ich meine das im Sinne der Geschichte. Du schreibst davon, dass deine Figuren mit japanischen Elternteilen zweisprachig aufgewachsen ist und jetzt (wieder) lernt, Kanji/Hiragana/Katakana zu lesen. Dieser Fakt würde null Sinn ergeben bei einer Figur, die keine japanischen Wurzeln hat. Man müsste also Anpassungen vornehmen, wenn man den kulturellen Hintergrund deiner Figur verändern würde. Das meine ich mit Austauschbarkeit. Könnte man einfach via copy und past japanisch durch koreanisch/chinesisch/etc. ersetzen, ist die Darstellung sehr oberfächlich gehalten und damit in meinen Augen schlichtweg nicht gut.
  • Slur bleibt Slur. Ich würde darauf verzichten, dieses Wort auszuschreiben, da diese Verwendung zu leicht von Leuten missbraucht werden könnte, um eine Ausrede zu haben, den Slur zu verwenden.

Azora

@Mondfräulein
zur Beschreibung von "Statisten"
Ich finde das auch wichtig und möchte gerne die "Visuals", so wie ich sehe, rüberbringen. Also im Zweifel eben auch Charaktere unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichem Äußeren.
Ich finde es aber sehr unelegant, das direkt und explizit zu machen. Also so, im ersten Nennen der Figur die Hautfarbe nennen. Oder asiatische Gesichtszüge. Das finde ich plump. Ich denke, da gibt es keine Formel, wie man das elegant machen kann. Also einfach das Wort ersetzen mit einem anderen, das wird auch nicht viel rücksichtsvoller oder eleganter.
Ich denke, man muss sich da einfach ein bisschen anstrengen, und eine Erzählsituation erschaffen, in der die LeserInnen eben dieses multikulturelle Bild bekommen, ohne dass es explizit gesagt wird. Vielleicht, in dem ein bisschen was zum historischen Hintergrund des Ortes erzählt wird, zur Migration, und dass es verschiedene Bevölkerungsgruppen gibt mit verschiedener Herkunft, dass man das daran und daran vielleicht auch erkennt (dass die ihre Schuhe so oder so zubinden, oder ihre traditionellen Hüte tragen, oder krumme Rücken haben, weil sie an den Service-Computern arbeiten). Wie man das eben auch einbettet. Oder, dass man es nicht erkennt, weil... also einfach Geschichten erzählen. Weil, was sagt die Hautfarbe denn schon aus, ohne noch mehr Kontext? Auch fast nichts.

Bei wichtigen Charakteren löse ich das so nebenbei. Über Namen. Auch mal über die Erwähnung der Hautfarbe zusammen mit anderen Merkmalen, aber nicht gleich beim ersten Mal, wenn wir den Charakter treffen, sondern später und nebenbei. Kommt mir trotzdem immer recht plump vor, aber da hab ich auch keine schönere Idee. Aber leider ist es ja so, dass wir nicht da sind, dass im Kopfkino ein Charakter so oder so aussehen könnte, sondern dass man (ich schließe mich da ein) tendenziell immer eher an weiße Personen denkt. Deswegen finde ich es schon wichtig, die Fantasie da etwas anzuregen, und divers zu "casten". Schön wäre es natürlich, wenn man das einfach nicht erwähnen müsste, weil es nicht wichtig ist, und jeder stellt es sich dann so vor, wie es für ihn oder sie passt. Aber das entspricht wohl eher nicht der aktuellen Realität.

Nikki

@Azora einen Slur in Anführungszeichen zu setzen macht es nicht besser. Um meinen instant Widerwillen gegen das von dir verwendete Wort mit einer Googlesuche zu belegen, habe ich diese Seite gefunden. Eine Datenbank, die scheinbar Slurs aus aller Welt zusammenfasst. Das sind dann solche Wörter, die man nicht verwenden sollte.

Das von dir verwendete Wort ist ein Paradebeispiel dafür, dass ein weißer Phänotyp als Norm angesehen wird und alles, was davon abweicht, gelabelt bzw. stigmatisiert werden muss.

EDIT Könnte der Slur bitte entfernt werden?

Elona

Über "asiatisch" bin ich auch gestolpert, dass hat @Nikki aber schon schön erklärt. Ich habe das Problem in meinem letzten Roman gehabt, bin es dann aber umgangen, weil der Protagonist ja wusste, woher die Person stammt. Ich also einfach eine Ministory aufgegriffen habe, wie die sich begegnet sind.
In Band 2 (neue PoV) kommt diese Person aber wieder vor und keiner der PoV weiß das. Ich habe mich an die Empfehlung von Linnea diesbezüglich gehalten. Ich beschreibe aber auch nicht von jedem BIPoC Hautfarbe. Das sind halt keine Statisten, sondern Nebencharaktere, weshalb ich es in den ersten Kapiteln vorbereiten konnte und dann, als die Person auftauchte Spanische Wörter eingebracht habe. Sie wird in keinem Moment vom Aussehen her beschrieben, aber ich denke, es funktioniert so trotzdem.

Bei Statisten würde ich auch nicht die Hautfarbe erwähnen, außer, es ist wichtig. Z.B. wenn man mit der Szene an der Bushaltestelle noch etwas anderes thematisch aufgreifen möchte. Aber das verhält sich eben so, wie @Nikki gesagt hat, warum sollte ich ausgerechnet das erwähnen? Hat das einen Grund?

Ansonsten würde ich aus Sicht des Charakters einfach allgemein bleiben: Von wegen "ich (oder welche Erzählform auch immer gewählt wurde) liebe diese Stadt gerade wegen ihrer kulturellen Vielfalt" o.ä.

Edit: Mit Nikki & Azora überschnitten.

Und noch ein Edit: Was ich gerade überlegt habe: Was wäre denn, wenn man einfach jede Hautfarbe beschreiben würde? Weiß ist ja auch nicht weiß.

Nikki

ZitatAnsonsten würde ich aus Sicht des Charakters einfach allgemein bleiben: Von wegen "ich (oder welche Erzählform auch immer gewählt wurde) liebe diese Stadt gerade wegen ihrer kulturellen Vielfalt" o.ä.

Ganz ähnlich hätte ich wie @Elona angesetzt. Und das meinte ich auch im Vorfeld mit einem "diversen Roman". Wer von Anfang an Anspruch von Diversität an den Roman stellt und diesen Aspekt nicht nur auf Nebenfiguren beschränkt, erleichtert es den Leser*innen ungemein diverser zu lesen. Hier und da eine kleine Anspielung ist um Längen effektiver als in einem einzelnen Satz all-in zu gehen.

Azora

ich habe mein Post editiert, das Wort war unnötig, sorry

Nur zur Klärung: mit Visuals meinte ich nicht, dass ich das Aussehen von Personen wichtig finde, sondern, dass ich gerne will, dass die LeserInnen sich eben nicht alle Szenen mit nur-weißen Menschen vorstellen. Deswegen verstehe ich Mondfräuleins Anliegen, dass man das irgendwie schaffen will, auch in Szenen wo die Einzelcharaktere keine Rolle spielen.
Was @Elona geschrieben hat finde ich ein gutes Beispiel. Die Stadt allgemein zu beschreiben, oder eben einen kulturellen oder historischen Aspekt. Ich denke da muss man kreativ werden, und nicht nur über einzelne Wörter für Hautfarben oder sonstige Gesichtsmerkmale gehen.

Nikki

Ich zitiere jetzt mal @Amanita, denn eine Aussage wie folgende ist meiner Meinung nach ein "gutes" Beispiel für den weißen Blick.
ZitatWenn man bei den Nebenfiguren nichts beschreibt und die Geschichte in Deutschland spielt ist die Wahrscheinlichkeit ja relativ hoch, dass die Leser davon ausgehen, dass alle weiß sind.

Dass Figuren per default als weiß gelesen werden, hat nichts mit der Realität zu tun, sondern ist ein Machwerk der weißen Überrepräsentation in Medien und u.a. des sogenannten Whitewashings. Leser*innen werden Figuren, deren Äußeres nicht näher definiert ist, eher als weiß lesen, weil das durch die Bank die unausgesprochene Regel ist, nicht weil die Geschichte in Deutschland spielt.

Bevor wir anfangen, nichtweiße Figuren zu schreiben, sollten wir zuerst nichtweiße Figuren lesen bzw. Inhalte rezipieren, die von nichtweißen Personen stammen. Fragt euch doch mal, wie viel Prozent der Inhalte (Fernsehen, Filme, Bücher, Podcasts, Serien, Musik, Nachrichten etc.), mit denen ihr Tag für Tag in Berührung kommt, von nichtweißen Personen produziert werden. Kommt dieser Prozentsatz nicht über 50%, bin ich der Meinung, kann man davon ausgehen, dass die eigene Wahrnehmung noch immer sehr weiß geprägt ist. (Meiner Meinung nach sollte er sich sogar eher an mindestens 75% orientieren, um den jahrzehntelangen eingetrichterten weißen Blick zu demontieren. Mit Graus erinnere ich mich an den Geschichtsunterricht oder den Englischunterricht, der mir weisgemacht hat, Rassismus wäre ein Problem, das Amerika allein für sich gepachtet habe.)

Wir würden gerne vorurteilsfrei sein, doch Fakt ist, wir leben in einer weiß dominierten Welt und sind in unserer Wahrnehmung vorbelastet. Bevor konkrete Fragen zu konkreten Szenen oder Sätzen gestellt werden, sollten die Zusammenhange verstanden werden, wieso wir überhaupt darüber diskutieren müssen, wieso sich die Darstellung von nichtweißen Figuren der von weißen Figuren in unserem Denken so sehr unterscheidet.

Tasha

Ich glaube genau das wollte @Amanita aber auch sagen, wenn ich das richtig verstanden habe. Und eben fragen, wie man da sinnvoll gegenansteuert.
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Manouche

Sehr spannendes Thema, genau die Fragen die mich schon eine ganze Weile beschäftigen (wenn auch in meinem allersten Romanversuch).

Eure vielen Überlegungen helfen unheimlich mir selber immer mehr ein Bild zu machen.

Nikki
ZitatEDIT Wenn nicht anderes erwähnt, gehe ich immer von Urban Fantasy bzw. Contemporary als Genre aus, wo Systeme rassistisch geprägt sind. High Fantasy oder Sci-Fi sind wieder andere Bereiche, wo es sich durchaus anbietet, Gesellschaften zu entwerfen, die nicht rassistisch geprägt sind. Durch die Erwähnung von "Bushaltestelle" und "asiatisch" bin ich davon ausgegangen, dass sich diese Frage eher vor einem Urban Fantasy/Contemporary Hintergrund beantworten lässt.

Auch in diesem Fall ist es meiner Meinung nach schwierig, die Charaktere zu beschreiben, denn auch wenn ich in meinem Roman von einer Welt ausgehe, die nicht rassistisch geprägt ist, wird die Geschichte von Menschen gelesen, die eben mit dem ganzen Rassistischen Ausmass leben und leben müssen.

Nikki
ZitatNun zu den Nebenfiguren. In meinen Augen ist die Gefahr einer Stereotypisierung zu groß, wenn innerhalb weniger Sätze Merkmale hingeklatscht werden sollen, die rein gar keine Funktion für den Plot haben. Wenn ich schreibe, frage ich mich immer, wieso erwähne ich gerade das? Könnte ich das auch weglassen, ohne dass die Story an Atmosphäre, Tiefe, Mehrwert verliert? Ganz allgemein gefragt, was für einen inhärenten Mehrwert hat es für die Story, eine unwichtige Nebenfigur an ihren Merkmalen festzumachen? Diese Charakterisierung sagt mehr über die Figur aus, durch deren Augen wir die Beschreibung erhalten, als über die Nebenfigur selbst.

Einerseits ja. Ich bin auch der Meinung, dass wir Personen, die wir beschreiben, immer auf dieselbe Art beschreiben müssten.
Soll heissen, wenn ich einer Freundin über eine Begegnung mit einer interessanten Frau erzählen will die weiss war, dann sage ich zB: Die Frau war etwa in meinem Alter, sie war speziell gekleidet und sie redete ziemlich laut. Dementsprechend sollte ich genau so erzählen, auch wenn die Person eine PoC war. Es sei denn die Frau bekam aufgrund ihrer ihrer Hautfarbe Schwierigkeiten mit jemandem, dann ist es relevant.

Aber Trotzdem...

Felsenkatze
ZitatTrotzdem möchte ich ganz kurz klarstellen, dass ich gar nicht vorhatte, in einen rein weißen Kanon von Figuren PoC nur als "Staffage" aufzunehmen. Mir ging es mehr darum, dass ja auch Nebenfiguren in einem Roman nicht immer weiß, hetero und mitteleuropäisch sein müssen, gerade wenn man einen Plot in unserer Realität schreibt, in der nun mal nicht alle Leute weiß und heterosexuell sind. Und dann kam bei mir die Frage auf, wie ich das rüberbringen kann, eben ohne jemanden zu verletzen.

Amanita
ZitatIch möchte mir da als nicht Betroffene wirklich kein endgültiges Urteil anmaßen, aber ich muss zugeben, dass es sich für mich irgendwie falsch anfühlt, dass PoC nur in Geschichten vorkommen dürfen, wenn der Autor damit etwas Bestimmtes aussagen will. Wenn man bei den Nebenfiguren nichts beschreibt und die Geschichte in Deutschland spielt ist die Wahrscheinlichkeit ja relativ hoch, dass die Leser davon ausgehen, dass alle weiß sind.
Wenn ich aber morgens zum Bahnhof gehe und in den Zug steige, ist das aber definitiv nicht der Fall und ich finde, dass man das durchaus auch innerhalb einer Geschichte so beschreiben dürfen sollte, wenn der Prota beispielsweise im Zug unterwegs ist, auch wenn das keine Bedeutung hat, außer "hier sind auch PoC unterwegs und das ist völlig normal", was ja letztendlich auch schon eine Aussage ist.


Das sehe ich eben genau so @Felsenkatze und @Amanita.
Trotzdem mag ich nicht einen nichtweissen Charakter mit der Gesichtsfarbe beschreiben, wo ich eine Weisse auch nicht als weiss beschreibe (siehe weiter oben). Hier ist meine Schwierigkeit.

Ich sehe in meinem Roman nicht nur ,,weisse" Menschen, aber sehen das auch die Leser*innen?
ZB fällt meiner Protagonistin in einer Szene auf, dass eine paar Menschen, denen sie begegnet, ,,blass" (ungesund) sind. Die Leser*innen werden hier grösstenteils davon ausgehen, dass diese blassen Menschen weisse Menschen sind, obwohl nicht nur weisse Haut blass oder fahl aussehen kann... Und das ärgert mich einfach.

Ich spiele manchmal mit dem Gedanken, die Hautfarbe meiner Charaktere nicht zu beschreiben, denn es hat auf meinen Plot keinen Einfluss. Im Gegenteil, ich merke, dass eine Figur sofort anders gelesen wird, wenn ich sie dunkelhäutig beschreiben würde. Wir haben viel zu vieles verinnerlicht.
Doch wenn ich die Hautfarben sämtlicher Charaktere weglasse und mich auf ihre Körperhaltung, Haare, Mimik etc. beschränke, falle ich wieder in dieses Problem, dass eben die meisten Leser*innen die Figuren als Weiss ,,lesen" werden.

Ich weiss, ich beginne mich zu wiederholen. Sorry!

Mondfräulein
ZitatIch merke aber, dass alle hier, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, eine Diskussionsgrundlage haben, auf der wir uns einig sind, dass wir 1. Repräsentation schreiben wollen und 2. dabei aufpassen wollen, nicht rassistisch zu sein. Und das finde ich super. Wir haben dasselbe Ziel und diskutieren darüber, wie man es am besten umsetzen kann.

Das sehe ich auch so, daher habe ich mich gewagt als absolut Neue trotzdem zu schreiben, wo ihr alle schon so richtig lange dabei seid...



Nikki

Schön, dass du dich zu Wort meldest, @Manouche :)

ZitatAuch in diesem Fall ist es meiner Meinung nach schwierig, die Charaktere zu beschreiben, denn auch wenn ich in meinem Roman von einer Welt ausgehe, die nicht rassistisch geprägt ist, wird die Geschichte von Menschen gelesen, die eben mit dem ganzen Rassistischen Ausmass leben und leben müssen.

Da bin ich voll bei dir. Ich habe etwas später dazu meine Bedenken geäußert. Die Problematik wird in einer Fiktion, die stark an der Realität angelehnt ist, greifbarer und ich wollte nur noch einmal betonen, vor welchem Hintergrund ich meine Lösungsansätze präsentiere. Diese können , je nach Setting und Genre, variieren. Ich habe das nur extra angemerkt, damit wir in grundlegenden Dingen nicht aneinander vorbeireden.

Ich denke, bevor wir wirklich im Detail ausverhandeln können, wie etwas dargestellt wird, sollte uns klar sein, wie mächtig die Erwähnung oder Nicht-Erwähnung gewisser Dinge ist. Das präsenteste Beispiel wäre hierbei die Beschreibung weißer Figuren. Wenn ich konsequent darauf verzichte, weiße Figuren zu beschreiben und nur jene Merkmale nichtweißer Figuren beschreibe bzw. thematisiere, die sie von weißen Figuren unterscheiden, dann schlittert mein Diskurs ziemlich schnell ins Othern ab und, wenn ich jene Merkmale auch noch mit einer Wertung versehe, ins Exotisieren. Und das ist dann das absolute Gegenteil von meiner ursprünglichen Intention, inklusiv zu schreiben, will ich meinen.

Wenn ich nichtweiße Figuren habe und will, dass das meine Leser*innen merken, dann muss ich das auch dementsprechend festhalten, gleichzeitig muss ich aber auch alle weißen Figuren als solche kennzeichnen, um nicht dem Fehlschluss zu verfallen, Weißsein wäre die Norm und alles, was davon abweicht, muss besonders gekennzeichnet werden. Das ist mein bisheriger Zugang dazu.

Weißsein bzw. Nichtweißsein erstreckt sich über so viel mehr als die Hautfarbe, darum finde ich nicht, dass das ein Punkt ist, der erschöpfend diskutiert werden müsste. Hier wurden ja schon einige Links geteilt, die Hilfestellungen geben, wie man Hautfarbe beschreiben kann. Ich finde aber, dass die Frage, wann beschreibe ich ein Merkmal wie die Hautfarbe, genauso wichtig und, wenn nicht sogar, komplexer ist.

Manouche

ZitatDa bin ich voll bei dir. Ich habe etwas später dazu meine Bedenken geäußert. Die Problematik wird in einer Fiktion, die stark an der Realität angelehnt ist, greifbarer und ich wollte nur noch einmal betonen, vor welchem Hintergrund ich meine Lösungsansätze präsentiere. Diese können , je nach Setting und Genre, variieren. Ich habe das nur extra angemerkt, damit wir in grundlegenden Dingen nicht aneinander vorbeireden.

Das ist richtig, du hast später nochmals darauf Bezug genommen, ich hatte dich auch nicht falsch verstanden.
Vielleicht ging es mir eher darum, dass die Option, eine Gesellschaft zu erschaffen, die nicht rassistisch geprägt ist, so verlockend wäre/ist für mich. Wenn auch irgendwie naiv.

der Rabe

Hej,

ich hab ein paar Mal angesetzt und dann doch nicht gefragt. Aber jetzt will ich doch nochmal nachfragen. Es tut mir leid, wenn die Frage ... trampelig ist, aber ich konnte sie jetzt trotz Links noch nicht für mich klären.

Was ich verstehe ist, dass es blöd ist, die Hautfarbe von Menschen nur zu nennen, wenn es 1. nicht-weiße und 2. nur für den Hintergrund ist. Z.B. wenn man sich keine weiteren Gedanken darüber machen will, wie man es besser machen könnte. Ich verstehe auch, dass eine allgemeine Bezeichnung wie "asiatisch", die für eine große Zahl unterschiedlicher Phänotypen steht, ... trampelige Versuche sind, Diversität herzustellen.

Und jetzt kommt meine Frage: wenn man davon ausgeht, dass viele Leser*innen sich erstmal einen hauptsächlich weißen Cast vorstellen, wäre es nicht (erstmal?) hilfreich, die Denkgewohnheiten zu ändern, indem man die zu allgemeinen Bezeichnungen benutzt, damit sie ihre "inneren Sehgewohnheiten" ändern?

Ich gestehe, ich habe selbst ein blödes Gefühl dabei, aber die Frage will nicht aus dem Kopf raus.  :schuldig:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Mondfräulein

Ich kann deinen Gedankengang verstehen. Leider stelle ich mir genau dieselbe Frage und habe darauf noch keine Antwort gefunden. Ich habe bisher auch keine guten Quellen von PoC zum Thema gefunden. Was klar ist, ist dass ein Roman alleine durch PoC-Statisten nicht zu guter Repräsentation wird. Ich verstehe auch, dass es auch problematisch ist, wenn ich den Fakt, dass die Figur nicht weiß ist, als einziges Merkmal hervorhebe, besonders, wenn ich bei weißen Figuren nicht gesondert erwähne, dass sie weiß sind.

Mein Gedankengang kommt auch daher, dass ich schon möchte, dass PoC in meinen Büchern eindeutig als PoC erkennbar sind. Das rührt ein wenig daher, dass ich viel mitbekommen habe, wie sich gewünscht wurde, Katniss wäre eindeutig als nicht-weiß benannt worden, nicht nur, weil dadurch nur weiße Schauspielerinnen eine Chance auf die Rolle hatten, sondern auch einfach, weil ich oft gelesen habe, dass es sonst keine gute Repräsentation ist. Bei queeren Figuren ist es ähnlich, niemand will noch einen Dumbledore, der queer gemeint aber nicht queer geschrieben ist. Natürlich stellt sich dann die Frage, ob das auf Hintergrundfiguren auch so anwendbar ist oder ob man dann nicht mehr Schaden anrichtet als dass es irgendjemandem nützt.

Der Blog wurde im Eingangspost ja schon verlinkt, aber ich möchte gerne auf diesen Artikel verweisen, weil er gut zum Thema passt.
https://vickieunddaswort.de/warum-hautfarbe-allein-nichts-aussagt

ZitatWenn ihr aus diesen Gründen bewusst gegen das weiße Bild halten wollt, achtet darauf, dass ihr euch nicht das Andersartige, also auf die dunkle Hautfarbe von BI_PoC, versteift und es dadurch hervorhebt – außer es gehört zu Figurenperspektive (aber dazu später). Beschreibt alle Figuren gleichermaßen detailreich, egal welcher Ethnie sie angehören. Wenn ihr nur optische Merkmale erwähnt, die nicht typisch für weiße Menschen sind, verfestigt es den Gedanken noch mehr, dass Weiß die Norm ist.

ZitatIch hoffe, ihr habt euch nicht von mir ärgern lassen, sondern verstanden, dass es mir darum geht, aufzuzeigen, welches Ungleichgewicht bei den Beschreibungen herrscht. Aus dunklen Hautfarben wird ein Mysterium gemacht, während die Hautfarben von Weißen nicht benannt werden brauchen – und falls es geschieht, klingt es kolonial-royal (Alabaster! Porzellan! Elfenbein!) oder seltsam ungewohnt.

Ich würde aber unbedingt empfehlen, den ganzen Artikel zu lesen.

Insofern tendiere ich dazu, Hautfarben zu beschreiben, aber nach Möglichkeit alle Hautfarben. Was mich in der Frage, wenn es um Hintergrundfiguren geht, überhaupt nicht weiterbringt, weil ich damit bei schwarzen Figuren deutlich machen kann, dass sie nicht weiß sind, aber ich sage damit nichts über die Ethnie aus und wäre bei Figuren aus dem ostasiatischen Raum auch nicht weiter. Oder bei der Frage, ob ich PoC als Hintergrundfiguren und Statisten einbauen und so beschreiben sollte. Wenn jemand eine gute Quelle zum Thema findet wäre ich auch sehr dankbar darüber.

der Rabe

Den Blog habe ich letztes Jahr schon gelesen und danach angefangen, Hautfarben, Geschlecht und Orientierung meiner neu eingeführten Figuren auszuwürfeln. Aber ich werde mir den nochmal in Ruhe neu zu Gemüte führen. Danke. :)
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Nikki

Ich würde euch wirklich raten, Bücher zu lesen, die von nichtweißen Personen geschrieben sind und überwiegend nichtweiße Figuren haben. Ad hoc fällt mir Children of Blood and Bone - Goldener Zorn von Tomi Adeyemi ein, wo wirklich die Hautfarbe von jeder einzelnen Figur (sie sind, glaube ich, alle Schwarz) erwähnt wird und zwar am laufenden Band. Mir persönlich sagt diese Strategie nicht zu, das weiße Default aus den Köpfen zu lösen, weil sie auf ziemlich offensichtliche Weise in ein anderes "Extrem" verfällt. Stilistisch halte ich das nicht für gut gelöst, aber vielleicht dafür inhaltlich. EDITIERT, um auszuführen, was ich meine, da ich glaube, ich klinge hier gerade so, als würde ich mir selbst widersprechen: Wenn ich mich recht erinnere, wird von jeder Figur, egal, wie nebensächlich sie ist, die Hautfarbe erwähnt (ok), aber die Hautfarbe der Protagonist*innen wird alle paar Seiten immer wieder beschrieben, was mir persönlich zu viel war, weil dadurch der Zweck dieses "Kniffs" offensichtlich wurde, was mir stilistisch gesehen wiederum nicht zusagt. Es hat sich für mich nicht schön gelesen, aber vielleicht war das auch gar kein Anspruch und die exzessive Nennung von Hautfarbe hat ihren Zweck innerhalb des Buches erfüllt.

Ich persönlich halte es nicht für den optimalen Zugang, nichtweiße Präsenz über Nebenfiguren (mit einmaligem Erscheinen) Eingang in den Roman finden zu lassen, weil diese Herangehensweise unwillkürlich Stereotypisierung zur Folge hat bzw. haben kann. Vor allem, wenn die nichtweiße Beschreibung der Nebenfigur ein vorherrschendes Charakteristikum ist.

Ich halte es für die viel bessere Strategie, ein Setting zu schaffen, dass nichtweiße (Neben-)Figuren zulässt, ohne diese überdeutlich als solche zu outen. Wie Elona es an ihrem Satz mit der kulturellen Vielfalt veranschaulicht hat. Wer jetzt eine Universallösung auf die Hand haben möchte, wird enttäuscht werden, weil das von Buch zu Buch neu ausverhandelt werden muss, wie vorherrschendes Weißsein demontiert werden kann. Ein wichtiger Schritt, um diese Grundlage zu schaffen, ist in meinen Augen, sich bewusst zu machen, was für weiße Privilegien bestehen und wie diese unser Zusammenleben beeinflussen.

@Rabe
Zitatwenn man davon ausgeht, dass viele Leser*innen sich erstmal einen hauptsächlich weißen Cast vorstellen, wäre es nicht (erstmal?) hilfreich, die Denkgewohnheiten zu ändern, indem man die zu allgemeinen Bezeichnungen benutzt, damit sie ihre "inneren Sehgewohnheiten" ändern?

Was verstehst du unter allgemeinen Bezeichnungen?