• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

"Eine neue, intelligentere Art der Fantasy"?

Begonnen von Debbie, 28. Oktober 2014, 15:06:35

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Thaliope

@Witch: E-Literatur steht für ernsthafte Literatur, in Abrenzung zur sogenanten U-(Unterhaltungs-)Literatur.
Wie genau die Bereiche definiert werden, ist natürlich umstritten. Salopp gesagt, ist U-Literatur das, was sich verkauft, und E-Literatur das, was Literaturpreise kriegt bzw. im Feuilleton besprochen wird.

Ich persönlich find's ja immer am schönsten, wenn beides zusammenkommt, wenn E unterhaltend geschrieben ist. Aber ... naja, es gibt eben auch Texte, die nicht primär der Unterhaltung dienen und vielleicht sperriger zu lesen sind und vielleicht etwas ganz anderes wollen.

Und weil ich finde, dass beide Bereiche ihre Berechtigung haben, finde ich diese Grabenkämpfe immer so bedauerlich.

Ary

E-Literatur ist nach meinem Verständnis "ernste" Literatur, also Literatur, die nicht um des Unterhaltens willen geschrieben und gelesen wird, sondern um "anspruchsvoll zu sein" oder Literatur um ihrer selbst willen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff "Hochliteratur" dasselbe beschreibt. Und ich muss sagen, ich finde die Unterteilung in ernste/Hochliteratur und Unterhaltungsliteratur irgendwie schwierig, denn ich kann mich auch durch ein E-Literatur-Buch anspruchsvoll unterhalten fühlen. Das kann ich aber auch mit einem gut geschriebenen "U"-Buch.


Edit: mit Thali überschnitten
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

HauntingWitch

Ich kenne mich zu wenig aus, aber ich frage mich gerade, ob es überhaupt Sinn macht, das explizit zu unterscheiden.  :hmmm: Aber ich glaube, das driftet langsam ins OT ab...

Zitat von: Debbie am 20. Januar 2015, 15:05:49
Aber zu behaupten, dass z. B. ein Werk wie Harry Potter (Fantasy für Kinder) in seiner Komplexität und seiner Vielschichtigkeit jedem der oben genannten literarischen Klassiker unterlegen wäre, halte ich für engstirnig und vermessen. Allein zu dem Thema "Die Katharsis des Lesers durch Harry Potter" könnte ich wahrscheinlich eine fünfzigseitgie Abhandlung verfassen ...

Stimme völlig zu. Man könnte das noch weiterziehen und fragen, woran man die Intelligenz bzw. den Anspruch eines Buches überhaupt festmachen kann. Hat ein Buch (übrigens auch Lied, Film, Bild oder andere Kunstformen) nicht seinen Zweck erfüllt, sobald es jemanden berührt? Und stellt sich dann nicht die Folgefrage, ob es überhaupt anspruchsvoll oder intelligent sein muss? Ich meine, für mich persönlich ja, aber für jemand anderen, der einen ganz anderen Anspruch hat, ist etwas für mich zu Flaches wahrscheinlich tiefgründig genug. Ich hoffe das klingt jetzt nicht wirr, ich glaube, meine Gedanken drehen sich gerade im Kreis.

Sunflower

#33
Ich mochte Deutsch in der Schule eher und auch die Interpretationen fand ich eigentlich ganz gut - denn wir hatten im Abitur z.B. Kafkas Prozess und in den kann man wirklich einiges hineininterpretieren. Da würde ich auch gar nicht bestreiten, dass Kafka sich nicht doch einiges mehr dabei gedacht hat, als er hingeschrieben hat. Andere E-Literatur aus der Schule mochte ich weniger (Kleist, Wilhelm Tell, Antigone ...), dafür entdecke ich gerade meine Liebe zur "ernsten" Literatur.
Wobei ich vor allem Shakespeare verehre, der ja auch irgendwie Fantasy geschrieben hat - womit die Grenzen von anspruchsvoller Literatur und der Phantastik verschwimmen.

Zitat von: Witch am 20. Januar 2015, 16:26:01
Man könnte das noch weiterziehen und fragen, woran man die Intelligenz bzw. den Anspruch eines Buches überhaupt festmachen kann. Hat ein Buch (übrigens auch Lied, Film, Bild oder andere Kunstformen) nicht seinen Zweck erfüllt, sobald es jemanden berührt? Und stellt sich dann nicht die Folgefrage, ob es überhaupt anspruchsvoll oder intelligent sein muss? Ich meine, für mich persönlich ja, aber für jemand anderen, der einen ganz anderen Anspruch hat, ist etwas für mich zu Flaches wahrscheinlich tiefgründig genug. Ich hoffe das klingt jetzt nicht wirr, ich glaube, meine Gedanken drehen sich gerade im Kreis.

Ich finde, das passt auf mich jedenfalls auch gut. Ich lese Bücher, weil sie mich faszinieren, berühren, mitnehmen ... aber ob das jetzt ein neues Fantasybuch ist oder Shakespeares Hamlet, ist da erst einmal zweitrangig.
Von heutiger E-Literatur bekomme ich gar nicht viel mit, da habe ich nicht wirklich das Bedürfnis, so viel davon zu lesen ... kann sein, dass mir da einiges entgeht. Aber zumindest frühere, geachtete Literatur ist eigentlich (teilweise) ziemlich actionreich und macht großen Spaß zu lesen. Ich wiederhole mich, aber von Shakespeares Hang zur Dramatik, seinem Feuer und von seiner genialen Sprache könnten sich manche heutigen Geschichtenerzähler noch eine Scheibe abschneiden.

Die Trennung von intelligenter/nicht-intelligenter (?) Literatur würde ich also weder in der Phantastik noch sonst irgendwo machen. Es gibt geniale phantastische Bücher aus heutiger Zeit und aus früheren Epochen und es gab auch immer Schwachsinn.

Edit: Mein Text klingt ein bisschen wirr, entschuldigt, aber ich kriege nicht hundertprozentig zu fassen, was ich sagen will.
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

Churke

Zitat von: Spinnenkind am 20. Januar 2015, 12:15:02
Ich finde es unfair, nur von unintelligenter Fantasy zu sprechen. Niemand beschwert sich über die Schwemme dämlicher nichtfantastischer Plots, die zum Großteil die Regale unserer Buchhandlungen verstopfen. Geschweigedenn über die angeblich so tiefgründigen preisgekrönten Bücher, die zumindest auf mich teilweise wahnsinnig konstruiert und steril wirken.
Ich schätze was ich sagen will, ist: Die Seele ist, was zählt.

Letzteres wage ich zu bezweifeln. Der moderne Buchmarkt ist vor allem Marketing. Man kann den letzten Schrott verkaufen, wenn er richtig vermarktet wird. Heute zählen Rankings, das Urteil eines Experten ersetzt die eigene Meinung. Also: Der Schrott bekommt ein Gütesiegel, wird hochgejubelt und auf den Bestseller-Listen gepusht - und der bildungsbürgerliche Belletristik-Freund greift zu.
Es macht nichts, wenn der Autor nicht schreiben kann, wenn er wie der Blinde von der Farbe zusammen kolportiert. Er hat das richtige Thema, das wird schön verpackt und die Sache läuft. Es gibt nicht viele Kritiker, die gescheit rezensieren und ein gutes Buch von einem schlechten unterscheiden können, muss man leider so sagen.

Die Fantasy hat da nun leider das kleine Image-Problem, dass jeder weiß, dass das nix taugt. Es hat keinen Sinn, das schön zu verpacken. Obiges Geschäfstmodell des Qualitätsmarketings funktioniert nicht. Also stellt man das Buch gleich ins Extra-Regal, wo die Fantasy unter sich ist. 

Debbie

Zitat von: Churke am 20. Januar 2015, 19:39:18

Es macht nichts, wenn der Autor nicht schreiben kann, wenn er wie der Blinde von der Farbe zusammen kolportiert. Er hat das richtige Thema, das wird schön verpackt und die Sache läuft. Es gibt nicht viele Kritiker, die gescheit rezensieren und ein gutes Buch von einem schlechten unterscheiden können, muss man leider so sagen.


Stimmt beides, leider!

Es ist ja inzwischen auch schon ein übliches Prozedere, dass Verlage den Autoren Themen vorgeben und so noch einen wichtigen Beitrag zum allgemeinen Einheitsbrei in den Buchhandlungen leisten. Innovation ist ja nicht wirklich gefragt. Nur kein Wagnis mit eigenem Stil und fremdartiger Idee eingehen - lieber Stil und Thema von derzeit beliebten Themen kopieren, das spült Geld in die Kassen. Und gibt dem Feuilleton wieder ausreichend Stoff für Verrisse; aber Kritiker müssen ja auch von irgendetwas leben ...  :psssst:

Zit

#36
Ich denke, dass das Interpretieren in der Schule falsch angegangen wird bzw. wird irgendwie nie gesagt, warum man das tut. Normalerweise interpretieren wir ja alle beim Lesen oder wenn wir mit Menschen interagieren (er kratzt sich am Hals, guckt immer wieder auf die Uhr, schweift mit seinem Blick ab, gibt zögernd Antwort -- er ist wohl offensichtlich im Kopf mit anderen Dingen beschäftigt, hat vll. Zeitdruck, sagt es mir aber nicht, weil er mir trotzdem zuhören will? Ich gerade da bin und es keinen Unterschied macht, ob er mich erzählen lässt oder nicht? etc.) Wenn man den Schülern beibringt, dass Interpretieren eigentlich nur das Herausfiltern ist, was ungesagt passiert und warum es vll. passiert, dann macht das wohl auch vieles einfacher für die Schüler. (Ich habe leider nur sehr lange für die Erkenntnis gebraucht und fand Interpretieren in der Schule dröge, weil für mich in den Texten meistens wirklich nur das passierte, was da schwarz auf weiß stand. ;D Ach ja, zu Gedichten habe ich idR. keinen Zugang, weil da eigtl. immer der Kontext fehlt.)

ZitatEs ist ja inzwischen auch schon ein übliches Prozedere, dass Verlage den Autoren Themen vorgeben und so noch einen wichtigen Beitrag zum allgemeinen Einheitsbrei in den Buchhandlungen leisten.

Ich finde es immer bisschen mühselig, das zu diskutieren. Ich brauche ja nicht weiter ausführen, dass sich Verlage schon um eine ständige Querfinanzierung bemühen und eben nicht nur einen Justin Biber nach dem nächsten raushauen. Das Ding ist nur, denke ich, auch, dass die, die nach Innovation rufen, bei Weitem nicht die sind, die eben kaufen. Und dann beschweren sich wieder die Autoren, dass sie vom Schreiben nicht leben können. :d'oh:
Nun ja, es ist wie es ist, wir können nicht in die Glaskugel gucken und rausfinden, was innovativ wäre und sehr viele Leute anspricht, die das dann auch kaufen. (Natürlich bleibt auch die Frage, wie innovativ man sein kann, wenn man sich innerhalb eines Genres bewegt. Kann man auch zu innovativ sein und aus seinem anvisierten Genre rausfallen und in ein andres rutschen oder gleich gar keins haben? etc.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

FeeamPC

Gar kein Genre zu haben dürfte verdammt schwer werden, bei den vielen Schubladen, die die Schreiberei mittlerweile kennt ...
Und wenn es wirklich zu nichts Brauchbarem passt, ist es experimentell, das ist auch nur wieder eine Schublade.

Zit

Nun ja, ich dachte in erster Linie an die Genre, die in Buchhandlungen ausgewiesen sind -- und das sind tatsächlich sehr wenige bzw. recht allgemeine. Natürlich gibt es unter Kennern immer für alles mögliche eine Genrebezeichnungen, und wenn es irgendein Crossover ist. Aber ob man sich damit einen Gefallen tut, wenn es den Händlern dann schwer fällt, es einzusortieren bzw. wenn viele Leser das Buch dadurch nicht finden? Am Ende landet sowas nur im Romane-Regal und das ist einfach nur schade.
Aber das war nur ein Gedanke.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Erzbrecher

Wie viele Kritiker, die sich wirklich auskennen, werden überhaupt gelesen? So Rezensionen aus der Zeitung findet man immer in den Kritiksammlungen, wenn ein Werk gegoogelt wird. Und die sagen meist wenig aus und erklären nicht, wie sie zu ihrem Urteil kommen. Sie reden von Stil, wenn es passt, erklären aber nicht, was damit gemeint ist. Sie sagen was zum Plot, teilen aber nicht kurz mit, wie ein Plot aufgebaut ist. Schreiben sie also für Leute, die das alle wissen, Leute, denen zu viel Materie gar nichts sagt, oder schreiben sie nur, weil das Geschriebene andere ihr Schreiben rechtfertigt? Ich für meinen Teil habe aufgehört, Kritiken zu lesen. Ich guck mir eine knappe Handlungszusammenfassung an, um die Prämisse zu kriegen. Packe mir das Buch im Laden und lese stichprobenartig eine, oder zwei Seiten. Kritiken...wie viele werden davon nicht sogar abgesprochen, wenn ich mir überlege, dass einer Jungautorin mal gesagt wurde, ich weiß nicht mehr, ob sie hier davon berichtete, dass man nur genug Geld fürs Marketing braucht, was vielleicht auch auf Kritiker anspielt, die ja nicht alles voll lesen, was sie rezensieren, sondern von anderen viel aufgetischt bekommen. Außerdem lesen Menschen negative Kritiken lieber, um sich selbst smart zu fühlen. Sie selbst haben nichts gemacht, aber sie glauben sich ohne Ahnung zu haben, in der Materie bei der Frage von Qualität mitsprechen zu können. Wie hoch ist heute noch der Anspruch an das Fachwissen von Kritikern. Seltsamerweise kennen sich meines Erachtens amerikanische YT-Reviewer besser mit Struktur und Storytelling aus als alles, was sich im deutschprachigen Raum als Kritik zum besten gibt.