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Haben die Unterhaltungsmedien nachgelassen?

Begonnen von Siara, 27. November 2020, 11:53:57

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Alana

#45
Nun ja. Es ist ein Teil der Theorie, dass wahre Kunst immer ein Dialog zwischen Betrachter und Erschaffer ist. Wenn du ein Buch schreibst und Leute es lesen, passiert das automatisch. Und zwar auch auf eine Art, die man als Autor nicht immer vorher sieht. Es gibt ja auch die Diskussion, ob man als Autor akzeptieren muss, dass Leser den Text ganz anders auslegen als man selbst und zwar auch dann noch, wenn sie die ursprüngliche Absicht des Autors kennen. De fakto kann man das nicht verhindern (würde ich eh nicht wollen, ich finde das toll und spannend). Das bedeutet, der Leser hat IMMER Anteil an der Rezeption eines Buches. Ob es dem Autor gefällt oder nicht. Der Autor kann dafür nicht komplett verantwortlich sein, weil er nicht jeden Leser vorhersehen oder berücksichtigen kann und meiner Meinung nach auch nicht sollte.
Alhambrana

Churke

Wenn man einen Text auf verschiedene Arten lesen/deuten kann, werte ich das als Qualitätssignal. Es bedeuet nämlich, dass der Text offensichtliche dreiminensional ist und eine gewisse Denkarbeit erfordert. Ob das vom Autor so gewollt war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Phlox, meine These lautete (und lautet immer noch), dass Trivialität das Fehlen von Überraschungen ist. Wenn mich ein Buch zum Gähnen bringt, weil ich das alles so oder so ähnlich schon mehr als einmal gelesen habe, kann der Autor schlecht sagen: "Ich konnte doch noch wissen, dass du das alles schon kennst."
Gut, er kann schon, aber dann sind die Ansprüche an sich selbst nicht sonderlich hoch.



Alana

#47
@Churke Das ist aber massiv arrogant, denn dabei gehst du von dir ganz persönlich aus. Gerade im Jugendbuchbereich wächst die Zielgruppe immer wieder nach, da MUSS man immer wieder die gleichen Themen bearbeiten, gegebenenfalls mit einem neuen Twist etc. Auch in anderen Genres kommen immer wieder neue Leser dazu und auch Autoren kennen nicht immer alles, was schon geschrieben wurde. Dann kann so ein Buch super ankommen und wird von den Lesern nicht als trivial betrachtet. Wenn du nun so ein Buch liest, ist es dann trivial, weil du das schon mal gelesen hast? Sicher nicht. Ich denke, man sollte hier differenzierter herangehen.
Alhambrana

Trippelschritt

Zitat von: Alana am 03. Dezember 2020, 01:18:36
Nun ja. Es ist ein Teil der Theorie, dass wahre Kunst immer ein Dialog zwischen Betrachter und Erschaffer ist. Wenn du ein Buch schreibst und Leute es lesen, passiert das automatisch. Und zwar auch auf eine Art, die man als Autor nicht immer vorher sieht. Es gibt ja auch die Diskussion, ob man als Autor akzeptieren muss, dass Leser den Text ganz anders auslegen als man selbst und zwar auch dann noch, wenn sie die ursprüngliche Absicht des Autors kennen. De fakto kann man das nicht verhindern (würde ich eh nicht wollen, ich finde das toll und spannend). Das bedeutet, der Leser hat IMMER Anteil an der Rezeption eines Buches. Ob es dem Autor gefällt oder nicht. Der Autor kann dafür nicht komplett verantwortlich sein, weil er nicht jeden Leser vorhersehen oder berücksichtigen kann und meiner Meinung nach auch nicht sollte.

Dem stimmte ich sofort zu. Das ist in der Malerei oder Bildhauerei auch nicht anders. Dem Künstler mag die Öffentlichkeit gleichgültig sein, in dem Augenblick, wo sein Werk die Öffentlichkeit erreicht, gibt es diese Dreieinigkeit: Künstler-Kunstwerk-Rezipient

Liebe Grüße
Trippelschritt

Churke

Alana, der Anspruch die Leserschaft zu überraschen, ist nicht besonders hoch. Wir reden hier über Grundlagen einer Spannungskurve. Die Jugendbücher, dich ich damals so gelesen habe, waren alle irgendwie originell und darum kann ich mich auch noch an sie erinnern.

Phlox

Um mal den Bogen (mehr oder weniger elegant...) zurückzuschlagen zu Siaras Eingangsfrage: die Unterhaltungsmedien haben wahrscheinlich nicht pauschal nachgelassen, aber vermutlich hat sich die Art und Weise verändert, wie du, Siara, sie wahrnimmst. Und das dürfte für uns alle hier gelten in unserer Laufbahn als Medienkonsument/innen... Hinzu kommt, dass wohl auch der Grad unserer Begeisterungsfähigkeit lebensphasenabhängig schwankt - also, nur Mut, Siara - früher oder später wirst du wieder etwas finden, was dich so richtig mitreißt. Oder noch besser: es selber schreiben!  :winke:   
Zum Thema Überraschungen möchte ich noch einwerfen, dass viele zwar von sich sagen würden, dass sie gerne überrascht werden - Studien aber oft eine andere Sprache sprechen. z.B. im Radiobereich - angeblich reichen 300 Musiktitel aus, damit die Hörer treu bei der Stange bleiben und ja nicht wegschalten. Manche Studien sprechen sogar nur von 100 Titeln. Hinzu kommt die Macht der Algorithmen "(wenn du dies magst, konsumiere mal jenes...") und dass man heute vieles im Voraus googeln kann, wovon man sich früher überraschen lassen musste.
Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass die Bereitschaft, sich überraschen zu lassen, tatsächlich eher ab- statt zunimmt. Ist aber wohl ein anderes Thema.       

   

Yamuri

Ich denke, dass nicht unbedingt die Medien nachlassen. Tatsächlich habe ich auch den Eindruck, dass sie vielfältiger werden. In Deutschland kommt das halt, wie das oft so ist, erst 10 Jahre nachdem es in Amerika schon zur Normalität gehört, an. Die deutsche Medienlandschaft habe ich in meiner Jugend als sehr starr, konservativ und unbeweglich wahrgenommen. Aber ich merke, dass sich da durchaus langsam etwas bewegt. Es ist nicht mehr ganz so verkrampft und erstarrt wie noch vor 20 Jahren.

Bezüglich des "überraschens" kommt es immer darauf an wie viel der Empfänger bereits gelesen/angesehen hat von einem best. Genre oder Thema. Jemand der ein richtiger Nerd ist und alles verschlingt was da Fantasy heißt, hat logischerweise schon mehr Tropes kennengelernt und lässt sich nicht mehr so leicht überraschen. Ich habe z.B. in meiner Kindheit/Jugend alle Krimis verschlungen. Daher überraschen sie mich nicht mehr. Ich kenne einfach schon zu viele Varianten und kann mir daher oft schon vorher denken, wie es ausgehen wird. Bei den ostasiatischen Krimis finde ich allerdings hin und wieder noch Überraschendes, weil ich da noch nicht so viele kenne, wie von den westlichen Krimis. So ist das mit allem. Umso mehr man kennt, aber auch umso höher die eigenen Ansprüche sind, desto schwieriger wird es, etwas zu finden, was einen mitreißt.

Sicherlich bediene auch ich ein paar Tropes, die anderen schon bekannt sind und die sie dann nicht mehr so bahnbrechend finden werden. Aber es wird bei bald 8 Milliarden Menschen (ich weiß nicht genau ob wir schon 8 Milliarden erreicht haben) wohl genauso viele Menschen geben, die  die Tropes noch nicht kennen. Es wird also immer jemanden geben, der überrascht wird. Und es wird sicher auch diejenigen geben, die gar nicht überrascht werden wollen, weil sie genau nach einem best. Trope gesucht haben und sich dann darüber freuen, dass es noch ein Buch/ noch einen Film dieser Art gibt.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Feuertraum

Zitat von: Phlox am 03. Dezember 2020, 14:48:06
[...] z.B. im Radiobereich - angeblich reichen 300 Musiktitel aus, damit die Hörer treu bei der Stange bleiben und ja nicht wegschalten. Manche Studien sprechen sogar nur von 100 Titeln.

Ich hatte eine Zeitlang versucht, ein Volontariat bei einem Radiosender zu bekommen und habe mich dafür auch deutschlandweit bewerben. Zeitgleich war ich Mitglied in einem Forum für Radiomacher aber auch Radiokonsumierer.
Es war gar nicht mal selten, dass ich Sätze gelesen habe wie "Musik jenseits des Mainstreams ausprobiert und damit Zuhörer vergrault", "Beraterin empfiehlt immer Adult Contemporary Titel zu spielen und eine Playlist von maximal 120 Titeln in der Rotation", aber auch Sätze wie "Ich höre Webradio, um vom Einheitsbrei wegzukommen".
Von daher glaube ich, dass es mittlerweile eine Art "Erziehung" gegeben hat, eine Art: Wir spielen nur diese Musik, weil der Hörer nur diese Musik haben will. Und der Konsument hört eben nur diese Musik, weil er sich daran gewöhnt hat.
Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass es irgendwann eine Übersättigung gibt, wie auch im linearen Fernsehen. Diverse Formate wurden begraben, weil der Zuschauer diese nicht mehr sehen wollte. Was teilweise auch verständlich war, belegten doch gerade die Privaten Fernsehsender ihre Zeiten mit einigen Stunden Talkshows, Gerichtsshows, Scripted Reality Shows, wobei es teilweise auch in die Richtung geht "Aggressivität, Beleidigungen, Abwertung"
Irgendwo sehe ich die Problematik eben in der Taktik, einen Hype auszulösen und so den Konsum zu steuern, auch wenn es eigentlich nicht die hohe Qualitätsstufe hat, die er haben sollte.

Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Aphelion

Ich finde schon, dass Unterhaltungsmedien im Durchschnitt nachgelassen haben. Das liegt mMn aber einfach daran, dass der viele Schrott den Durchschnitt nach unten zieht. Es ist heutzutage viel einfacher, zu veröffentlichen. Das hat auch Schattenseiten, wenn auch nicht nur.

Zu allen Zeiten haben die Menschen geglaubt, es sei schon alles erzählt worden. Wirklich gestimmt hat das nie. Das Gefühl kenne ich aber auch. Bislang konnte ich mich als Leserin allerdings noch jedes Mal eines Besseren belehren. :D

Abgesehen davon gibt es heutzutage eine enorme Auswahl – und zu viel Auswahl macht nachweislich unzufriedener. Diese paradoxe Unzufriedenheit beschreibt zwar den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft, aber ich denke, dass sie sich beheben lässt, sobald wir besser damit umgehen können. Dieses extreme Überangebot an Unterhaltungsmedien ist relativ neu. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass sich die Gesellschaft (und damit auch der Einzelne) erst noch darauf einstellen muss.

Ich würde deshalb auch nicht wollen, dass mir diese Auswahl wieder genommen wird und es nervt mich, dass ständig Algorithmen versuchen, mir die Auswahl abzunehmen. DAS ist so ein Punkt, den ich viel schlimmer finde. Ich fand es allerdings auch schon früher™ saudämlich, wenn mir irgendwelche Hypes oder andere Formen von "Gruppenzwang" vorgeben wollten, was ich laut anderen lesen sollte...

Und klar: Wenn man immer wieder dasselbe liest, wird es irgendwann langweilig. Aber ist das nicht eher das Problem der Lesenden als der Gelesenen? Als Autorin ziehe ich mir diesen Schuh jedenfalls nicht an, als Leserin aber sehr wohl.

Schneerabe

Also zur größeren Auswahl und einer geringeren Qualität durch niedrigerer Hürden kann ich sagen das ich bis vor etwa einem Jahr ohnehin nur Bücher von Konzernverlagen wahrgenommen habe (und Filme der großen Studios aber beim Filmdrehen ist die Hürde wohl noch größer als beim Schreiben) und ich hatte trotzdem auch irgendwie das Gefühl, dass es mit den Geschichten gerade nicht so weit her ist... Ich ziehe mir den Schuh da auch als Leser an - ich glaube ich finde einfach nicht die richtigen Bücher und das man aus Genres rauswächst ist normal...

Davonabgesehen kommen mir viele Geschichten auch irgendwie so... trivial vor. Im jüngeren Fantasy-Bereich fühlt es sich so an wie ein endloses durchkauen von Campbells Heldenreise +/- ein wenig Twililight-Flair, wieder und wieder ohne das irgendwelche ernsthaften Reflektionen hinter den präsentierten Moralvorstellungen stehen würden- oder ohne das jemals irgendwie vom alten Kochrezept abgewichen werden könnte. Und das macht es für mich irgendwie... belanglos ohne Gewicht und Gravitas - Tv-Shows wie Avatar (die Serie) haben auch klassische Helden-Moralvorstellungen präsentiert, aber zumindest wurden hier auch durch die Figuren Reflektionen zu Themen wie Ehre und Moral angestellt - und das durchaus auf eine Weise, die für ein jüngeres Zielpublikum geeignet war, während die eigentliche Story ja noch dazu meisterhaft erzählt wurde... Solche Sachen, die ein wenig tiefer gehen, vermisse ich irgendwie und nehme sie in den Unterhaltungsmedien momentan im jüngeren Fantasybereich eben nicht wirklich wahr - dabei gab es sowas vor nicht allzu langer Zeit wie gesagt durchaus mal zumindest in meinen Augen... Aber gut, vielleicht sind wir ja auch nur in einen kleinen Loch bis zum nächsten Hype (und ich meine das gar nicht abwertend, ich meine hier einfach nur populäre Werke a la Panem die irgendwas treffen, dass den Zahn der Zeit berührt...)
"To hell or to Connacht."

Ahneun

#55
Ihr Lieben,
ich möchte sehr gern den Titel des Threads etwas genauer betrachten, und, die aufgeworfene Frage von Siara, sowie meinen Beitrag vom 29. November dahingehend ergänzen.

Ich würde die Frage, ob die Unterhaltungsmedien nachgelassen haben, sehr gern mit einem "Nein" beantworten. Wenngleich ich generell eine Veränderung des Angebotes unserer Unterhaltungsmedien feststellen kann und hier wäre diese Frage für mich mit einem "Ja" zubeantworten. Ist das aber eine Verschlechterung? Hier würde meine Antwort,"Nein" lauten.
So ist es doch das jeweilige Empfinden des Konsumenten, ob er eine Verschlechterung bzw. eine Veränderung feststellt. Ich persönlich habe nicht die Absicht, das Angebot von privaten und öffentlich Rechtlichen Anbietern zu vergleichen. Es kommt doch hier speziell auch auf mein eigenes Konsumverhalten sowie auf mein breitgefächertes Interesse an den Inhalten an.

Ich denke beim Lesen der Kommentare hier zum Beispiel, - an das alte Programm von "Jürgen von der Lippe - Männer, Frauen, Vegetarier". *Tante Gogg'l weiß Bescheid* Dieses Programm ist in dieser Fassung SO heute überhaupt nicht mehr darstellbar. Weil sich die beschriebenen Personengruppen diskriminiert sowie verunglimpft fühlen und eine Klagewelle wäre die Konsequenz. Etwas Lustig finden, oder aber sich in der Öffentlichkeit über Etwas lustig machen, muss als Veranstalter/Moderator/Autor/Darsteller heute sehr genau überlegt werden.

Ich erinnere mich an die ausschweifenden Diskussionen über gendergerechte Formulierungen hier im Forum (Nein!! Bitte jetzt nicht) Genau hier sehe ich aber auch eine Veränderung der Unterhaltungsmedien, in Wort, Schrift und Bild. Ist das aber ein Nachlassen der Qualität? Hier denke ich, "Nein", denn der Erzeuger von Unterhaltung MUSS sich genau überlegen, was er dem gemeinen Konsumenten präsentiert.

Ob die Unterhaltungsmedien nachgelassen haben, - kann also entweder mit einem "Nein" als auch mit einem "Ja" beantwortet werden.

Sicher ist, dass sich mein Beitrag mit anderen Kommentaren überschneidet bzw. deckt. Ich wollte nur noch eine Ergänzung meiner Äußerung zum Besten geben.  :engel:
- Ein Diamant
ist

Archibald

Was nachgelassen hat, ist bei mir eher die Intensität, die ich früher empfunden habe, was mich aber auch nicht verwundert, da früher eben vieles noch ,,ein erstes Mal" gewesen ist, während ich heute ständig meinen Gehirnfundus anzapfe und ständig vergleiche.

Insofern haut mich heute so leicht nichts mehr aus den Socken – schließlich habe ich das meiste davon bereits in anderen Varianten gehört/gelesen/gesehen.

Meiner Meinung nach ist es eher eine Art Sehnsucht nach den Empfindungen, die man hatte, als man z.B. das erste Mal Herrn der Ringe gelesen hat. Im Lauf der Zeit und je mehr ich kennengelernt habe, umso geringer ist jedenfalls meine Begeisterungsfähigkeit geworden. Dennoch gibt es sie, auch wenn ich nicht behaupten kann, dass es so furchtbar viele Bücher oder Filme gewesen sind, die es geschafft haben, mich auch noch Jahre später zu beeindrucken. Sternstunden sind rar. Star Wars, Herr der Ringe, Harry Potter, der Name des Windes waren da meine größten. Aber wie oft hat man die? Vielleicht alle zehn, fünfzehn Jahre.

Was FÜR das Nachlassen der Unterhaltungsmedien spricht, ist meiner Meinung nach die Ökonomisierung im ganzen Betrieb. Auffällig ist, dass sich die Schlagzahl deutlich erhöht hat. Denke ich allerdings an die Autorinnen und Autoren denke, deren Welten mich nachhaltig beeindruckt haben, muss ich feststellen, dass das allesamt nicht unbedingt Vielschreiber sind oder waren.

Auf mein eigenes Schreiben bezogen bin ich da zwiegespalten. Auf der einen Seite möchte ich natürlich ein ,,gutes" Werk abliefern, aber ich bezweifle, dass jedes Manuskript, dass man fünfzehn Jahre oder mehr beackert, so weit bringen kann, dass es tatsächlich ein großer Erfolg wird.
Andererseits, und das Gefühl habe ich, seit ich mich etwas näher mit Patrick Rothfuss befasst habe, scheint es sich durchaus zu lohnen, ein Manuskript über einen langen Zeitraum und etliche Überarbeitungen vorwärts zu treiben

Frostschimmer

#57
Was mir auf jeden Fall auffällt, ist das immense Bedürfnis nach ,,political correctness", das sich inzwischen durch etliche Serien und Filme zieht. Doctor Who beispielsweise wurde davon ruiniert, die Staffel, in der der Doktor eine Frau ist, ist eine Katastrophe. Jedoch nicht etwa, weil der Doktor eine Frau ist, sondern wegen der Zusammenstellung von so vielen politisch korrekten Aspekten. Bei jedem Inhalt kann man sich fast schon vorstellen, wie da jemand mit der Checkliste sitzt und abhakt, ob auch jede Minderheit und jede Geschlechteridentität etc. berücksichtigt wurde und sich niemand außenvorgelassen fühlen muss. Hinterher sind dann doch wieder alle unzufrieden, wenn zum Beispiel der dunkelhäutige Hauptcharakter in Star Wars nicht heldenhaft genug ist, die asiatische Schauspielerin in Mulan zu regimetreu ist, oder die sexuelle Orientierung eines Charakters nicht genug gewürdigt wird. Irgendwer ist immer unzufrieden. :gähn:
Diese ,,political correctness" nervt nur noch, vor allem auch, weil sie die Unterschiede immer als besonders hervorhebt und nicht zeigt, dass wir alle Menschen sind. Doctor Who ist da eigentlich ein gutes Beispiel. Da hatten wir Martha, die einfach eine dunkelhäutige Frau war, ohne dass das permanent betont werden musste. Das war eben so und vollkommen normal! Dann hatten wir die Leute von Torchwood, deren sexuelle Orientierung auch eher vielseitig war, auch das hat niemanden gestört, war eben so. Warum auch nicht?
Dann aber... ja, dann kam die Begleiterin ,,Bill". Grundsätzlich war sie ein interessanter Charakter, aber in wirklich jeder Folge mussten explizit ihre Hautfarbe und ihre Homosexualität betont werden. Plötzlich waren diese eigentlich normalen Dinge also offenbar nicht mehr normal, warum sonst muss das dauernd betont werden?
Die Staffel mit dem weiblichen Doktor treibt das aber auf die Spitze:
Wir haben jetzt also einen weiblichen Doctor Who. (Checkliste: Feminismus)
Dann ist da der dunkelhäutige Begleiter mit Behinderung hinsichtlich der Bewegungskoordination. (Checkliste: dunkelhäutige Menschen; Menschen mit Behinderung)
Dann ist da die pakistanische Begleiterin aus der unteren Mittelschicht. (Checkliste: Mittlerer Osten; soziale Ungleichheit)
Zuletzt ist da noch der Mann mittleren Alters, der seit längerem arbeitslos ist und wenig Geld hat. (Checkliste: soziale Strukturen; sozioökonomische Benachteiligung)
Zudem behandeln viele Folgen Rassismus, Behinderung oder Benachteiligung. Außerdem werden die genannten Faktoren bis zur Lächerlichkeit ausgewalzt, indem beispielsweise auf der eiligen Flucht vor den feindlichen Aliens trotzdem noch Zeit für ein ausgiebiges Reflexionsgespräch mit dem in seiner Koordination beeinträchtigten Begleiter vor dem Besteigen einer Leiter bleibt, wobei der Fokus auf Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit gelegt wird. :o
Insgesamt bewirkt diese ganze Betonung von Diversität das genaue Gegenteil von dem, was wünschenswert ist. Diversität sollte normal sein! Wie kann sie das, wenn sie permanent mit erhobenem moralischen Zeigefinger als besonders hervorgehoben wird?!
Das stört mich an den modernen Unterhaltungsmedien. Man erhält permanent das Gefühl, moralisch belehrt zu werden. :lehrer: Geschichte und Authentizität wandern in den Hintergrund, um wirklich jede Gruppe irgendwie abzudecken, statt die Diversität einfach als Normalität anzunehmen und in einem vernünftigen Kontext darzustellen.
Es gibt aber auch Lichtblicke. Die neue ,,She-Ra" Serie etwa stellt verschiedene sexuelle Orientierungen und Ethnien dar ohne permanent darauf herumzureiten. Diese Aspekte sind einfach da und werden als normal angenommen.
LG
Frostschimmer

Aylis

Ich muss dir da widersprechen, @Frostschimmer . Meiner Meinung nach haben die Medien genau wegen dieser Versuche an Qualität zugenommen und ich habe deutlich mehr Freude daran, als an Serien aus z.B. den frühen 2010ern. Die betreffende Doctor Who Staffel kenne ich nicht. Ich möchte aber daran erinnern, dass bei Martha z.B. sehr wohl häufig auf Rassismus aufmerksam gemacht wurde. Sie sind ja auch in die Vergangenheit gereist und da war das schon sehr oft Thema. Gefühlt. Ist ja auch schlichtweg realistisch.

Am Beispiel von Marvel sehe ich es aber z.B. recht deutlich. Also vom MCU. In den Filmen und in den früheren Folgen von Agents of Shield z.B. erwische ich mich regelmäßig dabei, dass ich händeringend nach Queerness suche. Captain Marvel und ihre "beste Freundin" würde ich z.B. total gerne als Paar sehen. Jeder Charakter ist da aber erstmal straight/hetero. Und das geht mir tierisch auf den Senkel.
In Agents of Shield kommt dann mal ein kleiner Nebencharakter ab Staffel 3 oder so vor, der offen schwul ist. Das wird aber auch nie gezeigt und er verschwindet total schnell wieder aus der Staffel.
Dadurch hat die Serie für mich schlichtweg Minuspunkte gesammelt. Ich liebe sie für viele Dinge und habe auch Spaß an den Marvelfilmen. Aber in unserer heutigen Zeit finde ich es total lahm.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Wenn eine Serie aber Diversität drin hat, dann gehören die Probleme, die damit einhergehen einfach dazu. Wenn diversen Charakteren keine Diskriminierung begegnet, finde ich es einfach seltsam. Zumindest in Serien, die annähernd mit unserer Welt und Gesellschaft zu tun haben. Und da zählen Doctor Who und Marvel meiner Meinung nach dazu.

Dass es da auch holprige Versuche gibt mag stimmen. Ich genieße aber jeden Versuch trotzdem, weil ich glaube, dass es für viele Menschen, die Jahrzehnte lang nicht repräsentiert wurden, total wichtig ist, dass man's versucht. Da hab ich lieber mal eine Serie/Film/Buch, wo es zu viel gemacht wird, als eine, wo es komplett außen vor ist.

Zum allgemeinen Thema: Tatsächlich fühle ich es nicht so, dass die Unterhaltungsmedien nachgelassen haben. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich halt auch erst 25 bin. :rofl:
Ich stimme euch zu, dass sich das Angebot gesteigert und veändert hab. Allerdings fühle ich inzwischen sogar mehr mit Medien mit. Außer bei so einzelnen Beispielen. Die Herr der Ringe Trilogie schaue ich z.B. deutlich lieber als den Hobbit. Aber das liegt glaube ich auch an der Liebe zur Produktion.
(und ja ich weiß, dass das ungefähr eine der undiversesten Reihen ist, die es gibt. Und ich würde sie NOCH besser finden mit queeren und Bi_Poc Charakteren. Dennoch mag ich sie immer noch gerne. Das war natürlich nicht der Punkt der obigen Ausführungen. :D)
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Mondfräulein

Mich stören solche Ansichten gegenüber "Political Correctness" sehr. Es wird so gerne behauptet, dass Diversität ein Medium schlechter macht, aber die Personen haben ja nichts gegen Menschen, die nicht weiß/cis/hetero/able-bodied sind.

Woran sich die Leute hier eigentlich stören, ist dass Diversität sichtbar ist. Und das zeigt mir, dass sie mich nicht wirklich akzeptieren, weil sie nur die Aspekte von mir akzeptieren, die nicht "anders" sind. Alles andere tolerieren sie, sehen darüber hinweg, solange sie es ignorieren können.

Woran sich die Leute hier eigentlich stören, ist dass Geschichten nicht mehr ausschließlich für Personen erzählt werden, die weiß/cis/hetero/able-bodied sind. Sie sind es so gewohnt, ihr Leben lang zu der Gruppe zu gehören, für die Geschichten erzählt werden. Jetzt werden Geschichten erzählt, die Aspekte beinhalten, die anderen Gruppen wichtig sind, die ihre Lebensrealität widerspiegeln und sie ansprechen. Das stört sie, denn diese Geschichten sind nicht primär nur für sie da und wie kann das denn sein?

Und letztendlich heißt das, dass es die Personen insgeheim immer noch ärgert, dass Personen existieren, die nicht weiß/cis/hetero/able-bodied sind. Sie vergessen das nur, solange die Personen schön unsichtbar bleiben. Ich bin irgendwie müde, zu erklären, dass andere Personen ein Recht haben, zu existieren, offen zu leben und ihre Geschichten zu erzählen. Es macht mich müde, zu argumentieren, warum ich existieren darf. Warum ich auch einen Platz in dieser Welt verdient habe. Und es macht mich wütend. Ich könnte heulen.

Und zu "Bill erwähnt ständig ihre Sexualität": stimmt nicht. Die Leute haben tatsächlich nachgezählt. https://www.reddit.com/r/gallifrey/comments/6nxbpc/a_look_at_the_sexuality_of_companions_and_whether/