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Wann habt ihr euch selbst beim Schreiben überrascht

Begonnen von DunkelSylphe, 01. August 2018, 23:03:48

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DunkelSylphe

[Mein erster Thread hier, waaah, hoffentlich mache ich alles richtig!]

Hallo ihr Lieben! Bin gerade frisch aus dem Kurzurlaub in Hallstatt zurückgekehrt, in den schönen Bergen kommt einem so manche Idee. Zum Beispiel: Ach, würde ich nur hier wohnen, dann hätte ich eeewig Zeit zu schreiben und müssste mir nicht Sorgen machen, ob das Buch wirklich noch dieses Jahr fertig wird :omn:

Haha, Natürlich ist das ein Wunschtraum, irgendwo ist es immer eng. Trotzdem kommen mir beim neuen Buch mal wieder Zweifel, ob alles zu schaffen ist – ganz gleich, wie gut ich schon immer alles geschafft habe. Gehört wohl zum Prozedere.  ;D

Grübelnd hab ich mich weiter gefragt: Geht es anderen vielleicht auch so?

Überrascht ihr euch selbst beim Schreiben? Schafft ihr unmöglich erscheinende Deadlines, schreibt ihr gegen den Schlafmangel, entdeckt ihr Szenen in euch, die ihr nie für möglich gehalten hättet?

Erzählt mal!  :pompom:

Bei mir ist es definitiv die Fähigkeit, bei näherrückenden Deadlines kaum bis ohne Schlaf durchzuarbeiten. Da mobilisiere ich regelrechte Superwoman-Schreibkräfte.
Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.

Maubel

Am meisten habe ich mich beim Schreiben von Ravenblood überrascht. Das sollte eine High Fantasy Geschichte werden und beginnt während des Falls einer Stadt. Tja und plötzlich wurde der Anfang düsterer und düsterer und da lag eine wahre Horrorbegegnung vor mir. Seitdem ist Ravenblood Dark Fantasy und es gefällt mir megagut. Ich hatte gar nicht gewusst, dass mir Horror liegt.  :hmmm:

Trippelschritt

Wow, was für ein geiler Thread.

Deadlines kenne ich nicht, deshalb gibt es da auch keine Überraschungen. Aber dafür woanders. Massenhaft. Das passiert vor allem, wenn während des Schreibprozesses die gesamte Geschichte anfängt zu reifen und Blasen zu schlagen. Und dann hat an ein Drittel geschrieben und eine dieser Blasen platzt. Und die gesamte Konzeption ändert sich. Und das Schlimme daran? Ich brauche erst gar nicht zu versuchen, dagegen anzuschreiben. Ich kann nur noch die Weiße Flagge hissen. Das aber mache ich gerne, weil es sich immer um Verbesserungen handelt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

FeeamPC

#3
Die größte Überraschung bei mir war, als sich aus einem eigentlich als einteiliger Beitrag zu einem Wettbewerb gemeinten Manuskript eine bislang sechsteilige Serie entwickelte. Und sie ist immer noch nicht zu Ende.

Sascha

Ich bin gerade im Moment dabei, mich  zu überraschen. Am 10. Juli habe ich mit dem MS angefangen, gestern die Datei bei knapp 52.000 Worten geschlossen. Das ist zwar erst ungefähr die Hälfte des nötigen Umfangs, und ich weiß noch nicht, wie ich die rund 100k sinnvoll füllen soll, aber trotzdem: So schnell war ich noch nie.

canis lupus niger

#5
Das schrägste Erlebnis in dieser Hinsicht war mal, dass ich die letzten Endkorrekturen eines Romans in die Tastatur gehämmert habe, während meine Familie mit den Hufen scharrend hinter mir stand, weil wir schon vor zwei Stunden in den Urlaub aufgebrochen sein wollten. Aber da waren halt noch einige handschriftlich im Ausdruck vermerkte Korrekturen noch nicht ins Manuskript eingetragen. Ich hatte dem Verleger versprochen, ihm die Endfassung noch an diesem Tag zuzumailen. Ich hatte zuvor tagelang Koffer gepackt und andere Vorbereitungen erledigt und war extra früh aufgestanden, um die paar Änderungen noch schnell zu tippen. Sollte ja kein Problem sein ... Aber es dauerte doch "etwas" länger als erwartet.  ;D

Wir sind dann trotzdem noch rechtzeitig in Dänemark angekommen, um den Schlüssel für das Ferienhaus abzuholen.

Ixys

Also ich überrasche mich auch immer wieder selbst wenn es um Deadlines geht und was man so alles schaffen kann, wenn man eigentlich gar keine Zeit hat. Deshalb mag ich auch den Nano so gerne. Jedesmal vorher denke ich mir, dieses Jahr wirds bestimmt nichts, aber dabei sein ist alles, und dann klappt es letztendlich doch.
Freudig überrascht war ich auch demletzt, als ich mir Sachen durchgelesen habe, die ich vor 15 Jahren geschrieben habe (die zum Teil wirklich schlecht waren). Als ich dann wieder zu kürzlich geschriebenen Sachen zurückgekehrt bin, mit denen ich sehr unzufrieden war, habe ich mich gefreut, dass man insgesamt doch einen deutlichen Unterschied erkennen kann.

Holger

Ja, die liebe und knappe Zeit. Das Problem kenne ich auch zu gut. Daher drücke ich dir die Daumen, DunkelSylphe, dass es mit deinem Buch klappt. Ist es denn eine feste Deadline oder eher eine persönliche, die du dir selbst gesetzt hast?

Zu deiner Frage, ob ich mich auch beim Schreiben überrasche: regelmäßig.

Das fängt schon bei der täglichen Arbeit an, da ich in einer PR-Agentur tätig bin und häufig auf sehr knapp Deadlines dann Texte über Themen schreiben muss, von denen ich noch nie gehört habe und die extrem technisch sind. Meist stehe ich am Anfang dann davor und denke mir: "Oh Gott, wie soll ich das Thema nur anfangen und wo anpacken? Wie soll ich da einen Text draus machen? Das klappt nie!"

Dann bekämpfe ich die weiße Seite immer erst einmal, indem ich eine grobe Struktur schreibe, Bilder bearbeite und einfüge etc. Am Ende überrascht es mich bei manchen Themen echt, wie plötzlich innerhalb von manchmal nur einem Tag ein tatsächlicher Text daraus wird. Das ist häufig so skurril, dass ich den Text regelmäßig von oben nach unten staunend durchscrolle und mich wundere, wie der plötzlich in die Tastatur gefallen ist. Es ist vermutlich wie bei langen Wanderungen: Man muss einfach immer einen Schritt nach dem anderen setzen und das summiert sich auf Dauer - und plötzlich ist man dann da.

Privat beim Schreiben überrasche ich mich aber auch immer selbst, da ich sehr ungerne "richtig" plotte und plane. Meist habe ich nur eine grobe Idee, eine Richtung, eine Szene, einen Charakter oder etwas in der Richtung und dann schreibe ich darauf los. Das funktioniert bei Kurzgeschichten recht gut und ist wohl eine Arbeitsweise, die ich mir aus dem NaNoWriMo so angewöhnt habe und die überraschend gut und häufig funktioniert.

Am Anfang denke ich mir häufig: "Da ist kein vernünftiger Twist" oder "Ich habe keinen roten Faden" oder "Ich weiß noch nicht einmal, wo das Ende sein soll" oder "Das ist doch gar nicht spannend/interessant!" und dann ist plötzlich etwas da, das sich ganz natürlich aus dem Text und dem Schreiben ergeben hat. Natürlich funktioniert es leider auch mal nicht und ich schreibe mich in eine Sackgasse. Aber wenn es klappt - und das ist nicht selten -, überrascht es mich immer wieder neu.
"No one asks for their life to change, not really. But it does. So, what are we? Helpless? Puppets? No. The big moments are gonna come, you can't help that. It's what you do afterwards that counts. That's when you find out who you are."
(Buffy: The Vampire Slayer; S02E21: Becoming - Part 1)

DunkelSylphe

Wow, so viele unterschiedliche und interessante Antworten!

@Maubel: Mann, ich muss Ravenblood echt lesen. Was hast du da eigentlich für Pläne? Wird das noch mal an die Verlage oder in SP gehen? Wenn du da mal jemanden zur Zusammenarbeit brauchst ...  ;D

So Genre-Überraschungen kommen echt öfter, als man denkt. Ich hatte so was auch, als ich einmal eine Kurzgeschichte für einen Wettbewerb geschrieben habe, Kategorie "Humor". Ich hätte nie gedacht, dass mir Humor liegt bzw. dass meiner viel zu schräg oder schwarz ist. Aber die Leserfeedbacks waren überwältigend und ich bin sofort auf den zweiten Platz gesprungen. So kann's gehen!

@Trippelschritt: Laufend Überraschungen bei der Geburt des Romans quasi? Kein Wunder, dass wir schreiben  ;)

@FeeamPC: Irre, das ist wirklich eine Überraschung! Kann ja auch niemand ahnen, dass aus einer einzigen Geschichte mal etwas so Großes wird.

@Sascha: Wie viel Zeichen in wie viel Tagen?! Ich beneide dich! So eine Überraschung soll mir auch mal passieren, bitte  :jau:

@canis lupus niger: Ach du je, die Überraschung war dann wohl, wie schnell man mit der Familie im Rücken schreiben kann? *lach*

@Ixys: Oh ja, der NaNo ist immer für Überraschungen gut. Und genau wegen dem, was du beschreibst, hebe ich meine alten Texte allesamt auf. Auch wenn sie nirgends mehr brauchbar sein sollten, können sie einen daran erinnern, wie weit man schon gekommen ist. Das vergisst man sehr schnell.

@Holger: Danke für die Glückwünsche! Ist eine persönlich gesetzte Deadline, weil Selbstveröffentlichung. Da möchte ich aber eisern dranbleiben, hab da so einige LeserInnen, die mit den Hufen scharren. Und die Story muss einfach aus mir raus  8)

Also das Arbeiten in einer PR-Agentur stelle ich mir dauerhaft chaotisch vor, aber das ist vielleicht auch nur ein Klischee. Bilder einfügen? Unterstützt du deinen Schreibprozess mit Stockphotos? Die Metapher mit den Schritten stimmt wirklich, stelle ich immer wieder fest. Man darf gar nicht erst denken: "Oh Gott, ich habe noch 200 Seiten vor mir!", sondern: "In fünf Zeilen hab ich schon die nächste Zeile geschafft!"


Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.

Lucia

Zitat von: Holger am 02. August 2018, 18:02:45

Privat beim Schreiben überrasche ich mich aber auch immer selbst, da ich sehr ungerne "richtig" plotte und plane. Meist habe ich nur eine grobe Idee, eine Richtung, eine Szene, einen Charakter oder etwas in der Richtung und dann schreibe ich darauf los. Das funktioniert bei Kurzgeschichten recht gut und ist wohl eine Arbeitsweise, die ich mir aus dem NaNoWriMo so angewöhnt habe und die überraschend gut und häufig funktioniert.


Ich bin genau das Gegenteil - ich plotte ziemlich genau, im Vorhinein, weil ich irgendwie einen Plan brauche und mich sonst völlig verliere und wenn es dann storymäßig auf einmal nimmer zusammenpasst und ich müsste was ändern/überarbeiten, hab ich die Befürchtung, dass ich aufgeben würde. Drum ist der Plot/Plan für mich so wichtig und es führt kein Weg dran vorbei  :hand:

Dann aber bin ich wieder völlig überrascht, wenn der Plot fertig ist und ich schreibe und schreibe und auf einmal passiert doch etwas völlig anderes als in meinem Plan, auf einmal schleicht sich eine neue Figur in meine Geschichte oder es passiert etwas für mich völlig Unvorhergesehenes und ich denke immer - aber ich hab das doch ganz anders geplant - und schüttel ungläubig den Kopf.

Ist aber auch irgendwie schön so überrascht zu werden! Da sieht man irgendwie dass es am Ende dann doch Kunst ist, dass ein unbenennbares Element notwendig ist um ein "richtiges" Ganzes zu erhalten.

@DunkelSylphe - drück Dir die Daumen für die Deadline!!  :jau:



Holger

@DunkelSylphe: Eine persönlich gesetzte Deadline finde ich immer Fluch und Segen zugleich. Segen, weil man sie nicht so richtig verpassen kann - nur sich selbst enttäuschen. Fluch, weil ich meine persönlichen Deadlines viel häufiger verpasse als fixe Deadlines von außen - Ausschreibungen, NaNoWriMo etc. Aber um so besser, dass du Leser hast, die da mit den Füßen bereits scharren, denn dadurch wird die persönliche Deadline ein wenig brisanter, weil man schließlich seine Leser nicht enttäuschen will. Sowas finde ich immer gut als "externen Antrieb" im Hintergrund.

Zum Schreiben in der PR-Agentur - ja, es ist manchmal ein wenig chaotisch, aber als Schreiber muss man da schon extrem strukturiert vorgehen, vor allen Dingen, weil man sich sonst mit den Deadlines wahnsinnig macht. Da heißt es wirklich: ein Schritt nach dem anderen - und lieber gar nicht weiter an den Horizont schauen. ;) Mit den Bildern ist es so, dass wir die Pressemitteilung als redaktionelle Beiträge für Fachzeitschriften erstellen und daher entweder von unseren Kunden die Fotos bekommen oder uns halt aus Datenbanken bedienen. Ist also im Prinzip "nur" das Bildmaterial für den Text, aber da dafür auch immer wieder Bildunterschriften erstellt werden müssen, ist das häufig ein angenehmes kleines Schrittchen, um in den Lesefluss zu kommen.

@Lucia: Vor zu ausgefeilten Plänen scheue ich mich in erster Linie, weil ich das Gefühl habe, dass das Schreiben für mich dann uninteressanter werden könnte. Das ist mir jedenfalls schon ein paar Mal aufgefallen, dass ich mir dann denke: "Ich weiß ja, wie es weitergeht. Muss nur noch geschrieben werden. Das mache ich dann später." Wenn ich selbst noch ein wenig darauf neugierig bin, wie es denn genau weitergeht, dann bleibe ich da mehr am Ball - da versuche ich also meine persönliche Überraschung als eigene Motivation zu nutzen.

Wobei es auch nicht so ist, dass ich gar nichts plane. Gebe ich meinen Kapiteln häufig Überschriften mit Stichworten - manchmal sogar mehreren. In den meisten Fällen habe ich aber höchstens eine ungefähre Vorahnung, was darin vorkommen soll. Meist ergibt es sich oder dient später nur als Inspiration und dann geht das Kapitel doch in eine ganz andere Richtung. Aber da ist natürlich jeder Schreiber verschieden und das ist ja auch das Schöne daran. Ich beneide jedenfalls immer ein wenig die Leute, die alles durchplanen. Bei mir ist das immer ziemliches Kreativchaos, das vermutlich deswegen auch häufiger mal schiefgeht.
"No one asks for their life to change, not really. But it does. So, what are we? Helpless? Puppets? No. The big moments are gonna come, you can't help that. It's what you do afterwards that counts. That's when you find out who you are."
(Buffy: The Vampire Slayer; S02E21: Becoming - Part 1)

Lucia

@Holger Ich beneide "Kreativköpfe"! Jeder will irgendwie immer ein Stück von dem, was er nicht hat  :hmmm:

Ich hab immer das Gefühl, dass ich ein bisschen verkopft bin und es mir vielleicht mal gut täte einfach so loszulassen. Vielleicht bin ich auch deshalb so froh über die "Überraschungen" die immer wieder auftreten, wenn dann doch nicht alles nach Plan verläuft!

Ich finde es immer wieder total interessant wie andere Menschen plotten, Du zB mit Überschriften und Stichworten, ich mit Excel-Listen in denen ungefähre Abläufe, aus welcher Perspektive erzählt wird und welche Tageszeit es gerade ist, vermerkt werden...

Vielfalt ist schon was Cooles  :vibes:

Maubel

@DunkelSylphe Kennst du den Thread zu Ravenblood schon? Ich will erst mal Band 4 fertigschreiben und dann die gesamte Reihe überarbeiten. Danach geht es auf Agentursuche (vielleicht habe ich dann ja auch schon eine für die englischen Arbeiten)  :)

Vaporea

@Lucia

Deinen ersten Beitrag kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich bin auch ein ausführlicher Planer, was bei mir aber auch daran liegt, dass ich ungern chronologisch schreibe und deshalb einen festen vorgefertigten Rahmen brauche, um mich nicht vollständig im Szenenchaos zu verlieren.

Deine Erfahrungen kann ich im Übrigen auch teilen. Es passiert trotz ausgefeiltem Plot und detaillierter Planung immer mal wieder etwas Unvorhersehbares, das die Geschichte in eine neue Richtung lenkt. Oder es drängelt sich ein eigentlich unwichtiger Nebencharakter in den Vordergrund und spielt plötzlich eine tragende Rolle für den Fortlauf der Handlung. Sowas finde ich eigentlich ganz schön, so lange es nicht gleich den ganzen Plot über den Haufen wirft.

Zuletzt hat mich eine Szene zwischen zwei dauerflirtenden Charakteren überrascht. Die beiden waren schon von Beginn an als Paar geplant, haben im Laufe der Geschichte auch durchaus Interesse aneinander gezeigt und dann bin ich so gnädig und setzte die beiden gemeinsam auf ein Bett, wo sie alle Zeit der Welt haben, um sich ausgiebig zu beschnuppern. Und was ist? Die beiden reden lieber über ihre ungleichen Vorlieben bezüglich Heißgetränke. Nicht mal einen zarten, unschuldigen Kuss wollten die beiden. :pfanne:

Nachtfee

Ich habe mich bisher nicht überrascht, zumindest fällt mir da gerade nichts ein.
Meine Protas allerdings crashen in unregelmäßiger Regelmäßigkeit meine Stundenlage Charakterplanung, und entwickeln ein (meist viel passenderes) Eigenleben, bei dem ich nur dabeisitzen und zusehen kann wie sie ihr Leben leben... :wart: