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Worauf es beim Überarbeiten sprachlich/stilistisch ankommt

Begonnen von Franziska, 17. Juli 2012, 16:09:15

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Franziska

Ich weiß, es gibt schon mehrere Threads zum Überarbeiten. Hier und  hier. Worum es mir geht ist, einige Tipps zu sammeln, worauf man beim Überarbeiten sprachlich achten sollte. Wenn das besser ins Sprachbastelboard soll, bitte verschieben.
Ich werde die Punkte dann sammeln und hier zusammenfassen. Vor einigen Tagen habe ich einen Text vom Betaleser zurückbekommen und er hatte einige grundsätzliche Verbesserungsvorschläge was die Sprache betraf. Als ich das gelesen habe, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und mir gedacht, wieso ich das nicht selbst gesehen habe und dass ich beim Überarbeiten jetzt wirklich jeden Satz und jedes Wort noch einmal ganz genau angucken werde.
Ich hätte den Thread jetzt auch nennen können, worauf man grundsätzlich überhaupt sprachlich achten sollte. Aber da ich so was nie beim ersten Schreiben hinkriege und ich gerade bei der Überarbeitung bin, beziehe ich mich darauf.
Was sind bei euch so grundsätzliche Sachen, die ihr immer wieder macht und worauf euch Testleser gestoßen haben?
Alles jetzt nur auf den sprachlichen/stilistischen Aspekt bezogen betrifft, nicht auf den Inhalt.

Ich sammel erstmal, worauf ich achte:

Einige Sachen, wie Wortwiderholungen, Bezugsfehler und Füllwörter sind klar und fallen auch schnell auf, wobei ich denke, dass es da auf die Menge ankommt. Ich bin doch immer wieder überrascht, wie viele Füllwörter mir noch entgehen, die ich problemlos streichen könnte.

Abwechslung in der Satzstruktur (also nicht nur kurze Hauptsätze hinterainander, aber auch keine Bandwurmsätze)
Abwechslung beim Satzanfang

Satzstruktur: Ich neige dazu, Sätze seltsam zusammenzusetzen, was das Lesen unnötig erschwert. Also jeden Satz noch mal anschauen und wenn einer seltsam klingt, die Wörter herumschieben, bis es besser klingt und die Bedeutung stimmt. Auch gut, um Zeichen für Wettbewerbe einzusparen.

Mehrere Sinnzusammenhänge in einem Satz: etwas zu dem ich anscheinend neige, besser trennen, sonst verwirrt man den Leser.

dann noch einige Vorschläge aus den anderen Threads:

doppeltgemoppeltes wie: grüne Wiese, blauer Himmel, weißer Schimmel etc. streichen.

Prüfen, ob die Bilder und Metaphern wirklich das ausdrücken, was man möchte und nicht gar unfreiwillig komisch wirken.

eine Person immer wieder anders bezeichen, um bloß den Namen nicht zu oft zu wiederholen: erst ist es die Blonde, dann die Blauäugige, dann die Anwältin und eigentlich nur ein und dieselbe Person.

Das Gegenteil von Wortwiederholungen: nicht nur beim Namen wirkt es verkrampft, wenn man versucht sie auf Teufel komm raus zu vermeiden.


Vermeiden von Redewendungen. Besonders gruselig wirds dann, wenn es die Wörter daraus in der Welt gar nicht geben kann.

Auf Konjunktivkonstruktion mit Würde achten und überrpüfen, ob sie richtig sind.

Passivkonstruktionen vermeiden, bzw. überprüfen, ob man das aktiv umformulieren kann.

Darauf achte, ob die Satzlängen dem Tempo des Erzählens /Inhalts entsprechen (z.B. keine Endlossätze in einer spannenden Kampfszene)

Die verschiedenen Figuren auch verschieden sprechen lassen. Eine Sache die ich ziemlich schwer finde und die vielleicht besser Testleser beurteilen können.

Vermeiden von Haben und Sein. Etwas, was ich sicher schon mal in einem Schreibratgeber gelesen habe, zu dem ich aber offenbar neige. Natürlich geht es nicht daraum, die Verben komplett zu streichen, das dürfte auch ziemlich schwer sein. Aber oft sind diese Verben an falscher Stelle eingesetzt und es gibt andere Verben, die konkret das bedeuten, was man eigentlich meint.


und noch eingie Punkte, die mir manchmal beim Lesen von anderen Texten aufgefallen sind:

Keine Unterscheidung beim Ton zwischen erzählendem Autor und erzählender  Figur. Meiner Meinung nach sollte ein Autor nicht in umgangssprachlichem Ton erzählen, das kann nur die Figur und dass sollte klar unterscheidbar sein.
Das würde jetzt vielleicht schon eher zum Stil zählen. Genauso, wie dass sich Erzählton insbesondere von Ich-Erzählern bei verschiedenen Figuren unterschieden sollte.

Auch sehr schön: falscher Dialekt. Ich weiß inzwischen, was "heuer" heißt, aber in Hamburg benutz das niemand. Das ist mir besonders oft bei Übersetzungen aufgefallen, wo der Übersetzer anscheinend nicht überprüft hat, ob sein Dialekt dem Hochdeutschen entspricht.

Und ganz zum Schluss: meine ich mit jedem Satz und mit jedem Wort wirklich das, was ich meinen will? Und gibt es ein besseres konkreteres Wort, wenn nicht?

Doch wie immer gilt das alles nur als Orientierung und die warhen Könner offenbaren sich darin, dass sie wissen, wie man diese Regeln bricht.


Aphelion

Schöne Idee. :) Ein paar Ergänzungen von meiner Seite:

- "man" vermeiden

- "irgendwer", "irgendwo" etc. vermeiden (wörtliche Rede ggf. ausgenommen); ebenso "da","dort", "das" (lieber benennen, wenigstens ab und an)

- nicht zu viele Synonyme verwenden (klingt künstlich)

- Satzbau nicht nur zwischen einzelnen Sätzen, sondern vielmehr zwischen einzelnen Abschnitten und/oder Perspektiven verändern - je nach Spannung, "Actiongehalt", Charakteristika der Erzählstimmt

- Satzbau (oder Stil allgemein) innerhalb eines Abschnittes gleich halten und bei Abschnitten mit ähnlicher Stimmung/gleicher Perspektive ähnlichen Stil verwenden (wirkt sonst inkonsequent und zusammengestückelt)

- Aufassen bei "der" statt "er" - nur bei flapsiger Erzählstimme oder wörtlicher Rede verwenden

- gleiches "Sprachlevel", keine Vermischung von Umgangssprache und gehobenen Floskeln (klingt ungewollt komisch)

- nicht zu viele Adjektive (langweilt und bremst aus, klingt i.d.R. unbeholfen und ist auf Dauer eintönig)

- Nebensätze an der richtigen Stelle im Satz platzieren (Lesbarkeit, Charakteristik der Erzählstimme, Verständlichkeit, kleiner Aha-Effekt oder "neuer Blickwinkel/Mosaikstein" beim Lesen - also nicht nur Notwendigkeit der Richtigen Platzierung, sondern auch interessante Aspekte durch die Erfahrung des Lesens selbst, ohne aufgesetzt zu wirken. Letzteres ist imho das schwerste.)

- Beschreibungen an die richtige Stelle setzen. Wann muss ich was wissen? Wann brauche ich welchen Bestandteil des Settings oder des Aussehens einer Person? - Dieser Bestandteil sollte deutlich *früher* beschrieben werden, als er "gebraucht" wird, sonst entsteht der Eindruck, der Autor sucht sich alles zusammen, wie es ihm grade passt. (Das macht man als Autor auch; aber es sollte natürlich wirken und nicht wie ein Zauberer, der sich alle Utensilien erst dann herbeizaubert, wenn er sie akut benötigt.)

Rynn

#2
Ein sehr schönes Thema. Hier mal noch ein paar Ergänzungen:


  • Ausdrucksstarke Verben und Nomen statt Adverben und Adjektive: Er geht nicht langsam, sondern er schleicht, trottet, ... Er ist kein runzliger Mann, sondern ein Greis, usw ...
  • Ungewöhnliche Anekdoten statt langweilige Allgemeinheiten: Statt "Er mag kein Eis." "Das letzte Mal, als wir Eis essen waren, hat er der Bedienung den Teller ins Gesicht gepfeffert und den Tisch umgeworfen."
  • Keine doppelte Information: Sag mir nichts, was ich schon weiß.
  • Raus: "plötzlich" und "auf einmal", "ganz" und "wenig", "sehr", "irgend-"
  • Raus: unnötige Information: Muss der Leser das wissen? Alles abklopfen, ob man es vielleicht nur eingefügt hat, weil man es selbst so gern mag oder man ein wenig mit Wissen prahlen will oder, oder, oder ...
  • Dazu zählt auch: Überprüfe jedes Adjektiv, am besten mehrmals: Muss ich wirklich, wirklich wissen, dass diese Tasche schwarz, dieses Haus alt, dieser Mann groß ist? Was tut das für den Plot/das Setting? Oh, eigentlich nichts? Dann raus!
  • Nicht die Perspektive wechseln!
  • Partizip-I-Konstruktionen vermeiden bzw. spärlich einsetzen; wirken schnell hölzern, stören dann den Lesefluss.
  • "als" und "während"-Sätze spärlich verwenden, wirken sehr analytisch, wenig emotional, sind vor allem in hektischen Kampfszenen zu verkopft.
  • Ursache und Wirkung in der richtigen Reihenfolge wiedergeben. Nicht: "Ich zuckte zusammen, weil ...", sondern "Das passiert, also zuckte ich zusammen."
  • Raus: Filterverben wie denken, sich fragen, überlegen, sich wundern, hören, sehen. Solche unnötigen Verben schaffen eine zweite Sinnesebene und damit Distanz zum Prota. Nicht "Sie sah ein Haus.", sondern "Am Ende der Straße stand ein Haus." Nicht "Sie hörte einen Knall.", sondern "Es knallte.", nicht "Sie überlegte, was sie kochen wollte.", sondern "Was wollte sie eigentlich kochen?"
Und als letztes:

  • Die eigenen Vorlieben bemerken und besonders kritisch unter die Lupe nehmen. Jeder hat welche. :D

Das ist das, was mir auf Anhieb einfällt. Ein paar Sachen davon habt ihr schon gesagt, aber ich fand sie dermaßen wichtig, dass ich sie trotzdem noch mal anfügen wollte. ;)
Natürlich muss man solche Regeln immer der Textstimme unterordnen. Aber es hilft ja schon zu wissen, wie solche Dinge wirken und warum.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

zDatze

Ihr habt hier ja schon jede Menge aufgelistet. Dankeschön, das ist jetzt genau das richtige für mich! :D
Ein Fitzelchen kann ich vielleicht auch noch beitragen: Ich hab mal wo den Tipp aufgeschnappt, dass man am ersten und letzten Satz einer jeden Szene besonders feilen soll. Obwohl es total logisch klingt, wäre ich da von alleine nie draufgekommen.

Ary

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Merwyn

Vielen Dank!
Das kann ich gerade gut gebrauchen, habe heute damit angefangen, eine Geschichte zu überarbeiten.

Ryadne

Ui, da fällt mir ja einiges auf, worauf ich besser mal achten sollte. Aber auf meine "irgend-"s kann ich nicht verzichten, auch wenn ich weiß, dass ich das tun sollte.  :no:

Eins fällt mir noch ein:
"Das" nicht zu oft durch "jene" ersetzen. Wenn es überhaupt passt, wirkt es schnell zu hochtrabend.

Und eine Ergänzung zum Thema Satzstruktur:
Die Verben sollten möglichst im Großteil der Sätze am Ende stehen.

gbwolf

Zitat von: Ryadne am 07. September 2012, 11:44:08Die Verben sollten möglichst im Großteil der Sätze am Ende stehen.
Hast du da Beispiele? Bei mir klingen solche Konstruktionen meistens sehr passiv, weil es dann oft ein Infinitiv oder Konjunktiv ist.


Zitat... kratzte sich wieder, als würde das seine Konzentration fördern.
... kratzte sich. Vielleicht förderte das seine Konzentration.

Ryadne

Da hast du recht, tut mir Leid, ich hab in dem Moment gar nicht dran gedacht, dass es natürlich auch andere Beispiele gibt, bei denen es eher flach klingen würde, das Verb ans Ende zu setzen. Was ich meinte war dieser konkrete Fall:

Besser
ZitatSie wusste nicht, welche Wahl sie zwischen beiden treffen sollte.
als
ZitatSie wusste nicht, welche Wahl sie treffen sollte zwischen beiden.

Hat mir ein Beta-Leser kürzlich dauernd angestrichen... zu Recht, ich weiß nicht, warum ich mich dauernd so kompliziert ausdrücke. ::)



Franziska

In diesem Beispiel hast du natürlich recht. Allgemein gesehen würde ich sagen, dass man die Dinge in einer logischen Reihenfolge in den Satz bringen sollte. D.h. erst die Wahl, dann worin, dann das Verb. Klingt das irgendwie logisch? :versteck:
Dass ist so ähnlich wie wenn man erst sagt, dass sich eine Person erschrickt und danach erst schreibt, wovor. Das ist unlogisch und nimmt Spannung raus.

Franziska

Ha, Zit hat mich gerade an diesen Thread erinnert. Hatte den ganz vergessen.
Vielleicht hat ja noch jemand Ideen? Was habt ihr denn so bei euren Lektoraten gelernt?
Ich habe da ein bisschen was gelernt. Mir wurde ganz oft gestriche "sagte soundso", konnte man gut weglassen, wenn klar ist, wer spricht.

Außerdem, um mehr Nähe zur Figur zu schaffen: vom Erzähler als er sprechen, und nicht den Namen nehmen, wann immer es geht und es nicht zu Bezugsfehlern kommt.

Lothen

#11
Ich bin gerade erleichtert, dass viele meiner All-Time-Favorites hier schon aufgelistet sind - es liegt also nicht an mir. ;D

Was ich noch ergänzten könnte:

Plusquamperfekt vermeiden, wenn nicht dringend nötig.

Nicken und Kopfschütteln in Verbindung mit wörtlicher Rede streichen: Wenn A "nein" sagt muss er nicht auch noch den Kopf schütteln oder umgekehrt.

"spüren" und "fühlen" vermeiden (nicht: "sie fühlte, wie ihr Herz schneller schlug" sondern "ihr Herz schlug schneller")

umgangssprachliche Füllwörter wie "eh" oder "mal" oder Anglizismen stören mich massiv, wenn sie nicht ins Setting passen (oder zur jeweiligen Erzählstimme)

Christian

Zitat von: Lothen am 07. September 2015, 16:57:32
"spüren" und "fühlen" vermeiden (nicht: "sie fühlte, wie ihr Herz schneller schlug" sondern "ihr Herz schlug schneller")
Woah, ja, das kann ich gut. ::) Danke für die Erinnerung. Da muss ich im aktuellen Projekt noch stärker drauf achten. Zumal es dort aber manchmal auch wirklich Sinn macht.

Janika

Wow, ihr könnt Gedanken lesen! Grob in die Richtung wollte ich die Tage einen Thread eröffnen (hatte über Lektorat gesucht und daher nichts gefunden). Super, danke! :jau:
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Churke

Zitat von: Franziska am 07. September 2015, 16:47:19
Mir wurde ganz oft gestriche "sagte soundso", konnte man gut weglassen, wenn klar ist, wer spricht.

Im Prinzip ja.
Bei Hörbüchern kann das allerdings mit der Zuordnung schwieriger sein.