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Wie marktfähig sind bisexuelle Figuren?

Begonnen von Alaun, 18. März 2011, 14:31:09

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Alaun

Hallo Ihr Lieben!

Ich grüble gerade so ein wenig vor mich hin... Jeder von uns bemerkt ja Schemata, die immer wieder in den eigenen Geschichten auftauchen. Tja, bei mir sind es bisexuelle Frauenfiguren  ::)

An sich kein Problem, ich fühle mich damit ok (die Figuren übrigens auch)- aber ein kleines, gemeines Stimmchen auf meiner Schulter flüstert gelegentlich: "Damit kriegst Du nie eine Agentur, schmink Dir das ab, Kleines! Sowas will keiner lesen, die Zielgruppe ist viiiiileeel zu klein, das Risiko macht kein Verlag mit, der auch nur grob kalkulieren kann, neee, neee..."

Die Frage, die sich mir nun stellt: Liegt mein fieses Stimmchen auf der Schulter damit vielleicht richtig?  :gähn:

Ich glaube, meine Projekte sind an sich nicht schlecht. Doch Verkaufszahlen orientieren sich nun mal auch daran, wie sehr Leser/Innen mitschmachten und sich identifizieren können. Und ich habe da nun ein Schema in meinen Geschichten, das dem "Mädchen trifft Mann/Vampir/Werwolf/WeissderGeierwas des Lebens und wird nach vielen Umwegen tooooootal glücklich" nicht wirklich entspricht. Ähm, nee, ehrlich nicht. Und das ist auch gut so, finde ich, denn anderes könnte ich wahrscheinlich sowieso nicht schreiben  :-\

Ich frage mich, wie viele heterosexuelle Frauen es wohl auch in Kauf nehmen würden, eine Story zu lesen, in der eben nicht ein toller Mann im Mittelpunkt des Interesses steht. Klar kommen in meinen Geschichten auch Männer vor, die sind auch nicht zwangsläufig uninteressant (hoffe ich!). Aber meistens stellt sich halt raus, dass die Frauen in den Geschichten "das gewisse Etwas" haben. Meine Frauenfiguren entscheiden sich letztendlich auch nicht für Männer, obwohl sie durch ihre Bisexualität natürlich die Option hätten. Aber die Frauen sind immer irgendwie spannender.

Und ich glaube, ich wäre nicht bereit, das umzuschreiben... Man stelle sich vor, eine Agentur würde das Projekt gut finden und vertreten wollen- möchte da aber doch lieber eine klassische Konstellation drinhaben. Oder eine Geschichte, in der sich Frau letztlich doch für den Mann in der Geschichte entscheidet, einfach, weil es die üblichere Erzählform ist. Ich glaube ehrlich, ich würde mich irrsinnig schwer tun. Und wahrscheinlich NICHT umschreiben.  :no:

Andererseits möchte natürlich auch ich gerne irgendwann mal eine Agentur finden und Bücher verkaufen, um damit Lesern eine gute Zeit zu bereiten. Mich würde ehrlich interessieren, wie ihr das seht. Problem bei der Vermittlung, oder egal?

Liebe Grüße,
*Aquamarin



gbwolf

Da ich mich in diesem Markt nicht auskenne, frage ich einmal von einer anderen Warte aus zurück: Welche Romane kennst du, in denen homo- oder bisexuelle Figuren eine Hauptrolle spielen und in welchen Verlagen sind diese erschienen? Wenn das erfolgreiche Titel sind, am besten noch von deutschsprachigen Autoren, dann wird es sicherlich einen Markt und eine Vermittlungswahrscheinlichkeit geben. Wenn die Titel sich auf Nischenverlage beschränken, dann ist es eher lohnenswert, direkt an diese Verlage heranzutreten, was aber nicht bedeutet, dass du nicht vorher eine große Agenturrunde drehen und dort anfragen kannst.
Trends und Geschmäcker ändern sich, aber ein guter Indikator für die Stimmung auf dem Markt ist eine intensive Recherche, welche Titel es bereits gibt oder was die Verlagsvorschauen für die nächsten Monate ankündigen.

Alaun

#2
Hm, grübel... Als einziges großes Werk fällt mir da gerade die Millenium Trilogie von Stieg Larsson ein. Da gibts eine bisexuelle Figur. Und das Werk ist unbestreitbar akzeptiert  ;)

Im Fernsehserienbereich gibts natürlich die Figur der Alice in L-word. Die Serie war in den USA ja ein Riesenerfolg, in Deutschland aber nicht. Was einem ja zu denken geben könnte, auch als Autor. Hm, bei Dr. House gibts dann noch die "13", sie ist auch bisexuell.

Ansonsten herrscht da eher gähnende Leere. Das Problem bei bisexuellen Figuren ist, glaube ich, das keiner sich so richtig identifizieren kann, weil Lesben und Schwule eben ihr eigenes "Team" bilden, ebenso wie Heterosexuelle. Dass viele sich identifizieren können, was aus meiner Warte großartig wäre, ist eher unwahrscheinlich, oder???




Franziska

hi,

das Problem haben glaube ich einige hier, ich auch, wobei meine Charas eher homosexuell sind. In einer Ausgabe von "Nautilus, Abenteuer und Phantastik" hat Darkstar einige Autoren, sowie Lektoren und Agenten zum Thema befragt. Die Antworten sind sehr interessant. Ich würde da Heft jedem empfehlen, der sich für das Thema interessiert. Ergebnis ist: Es gibt Bücher, auch von deutschen Autoren mit solchen Charas, ob bi oder homosexuell.

Die Verlage lehnen das nicht grundsätzlich ab, sie sagen eigentlich, es geht um die Geschichte, wenn der Text wirklich gut ist, spielt es keine Rolle, allerdings sind die meisten Beispiele doch Übersetzungen, der englischsprachige Markt hat da einiges hervorgebracht.

Was ganz wichtig ist, denke ich, inwieweit das als Thema im Vordergrund steht. Wenn es bei dir nur darum geht, dass deine Prota sich in eine andere verliebt, und wie sie sich kriegen, würde ich mich damit an einen Verlag für lesbische Literatur wenden, gibt es ja auch einige von.
Wenn das aber nur eine Nebenhandlung ist, würde ich da kein großes Problem sehen. Du wirst dann eben die Leser nicht erreichen, die damit gar nichts anfangen können. Aber ich glaube, viele  Frauen können sich da doch reinversetzen. Ich persönlich finde es schade, dass es so wenige bisexuelle Frauen in der Fantasy gibt.
Angeblich sollen ja ca 1/3 aller  Frauen bi sein. Männern gefällt sowas ja meistens sowieso. Trotzdem gibt es natürlich auch einige Menschen, die Vorurteile haben, oder das ablehnen bzw. nicht verstehen.
Ich bin dafür, dass man sich traut. Ich werde meine homosexuellen Charas jedenfalls nicht raussterichen, da würde ich mich verbiegen. Da muss man sich eben entscheiden, ob man das Risiko eingeht.

Auch eine Strategie wäre, erstmal was anderes zu schreiben, und wenn du dann eine Agentur hast, bzw. was veröffentlicht das mal unterzuschieben, sobald genug Fans da sind, die alles von dir kaufen.

Sowas unterliegt ja auch immer Trends, ichc habe aber eigentlich ein ganz gutes Gefühl, dass da aus den USA auch immer mehr kommt, und dass die Verlage da auch mutiger werden.

Alaun

Hey,

es sind bei mir eher die Grundbedingungen der Figuren. Sie sind eben bi, ich schreibe aber keine expliziten Liebesgeschichten. Die Haupthandlung beschäftigt sich schon mit was anderem  :)

Danke für den Tipp mit dem Heft, da schaue ich mal!

Maria

Bei mir liegen ein paar erotische Romane rum, die weiblichen Hauptcharas sind meist bisexuell. Sie haben im Verlauf der Geschichte Sex mit Männern und Frauen.
In einem Buch war auch ein Mann, der mit Männern und Frauen Sex hatte, die zweite Hauptfigur.

In dem Genre ist das offenbar nicht selten.

Bei Fantasy ... hmm... außer Meredith Lackey mit ihrer Saga fällt mir keine Fantasyautorin ein, bei der Homo- und Bisexualität so locker nebenbei ein Thema mit sind.

Kati

So locker nebenbei, wie Maria sagt, finde ich es auch am Besten und kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Leser groß daran stören würde, wenn ein Charakter homo- oder bisexuell ist, es sei denn, es wird groß thematisiert und stellt den Grundplot in den Schatten, da sehe ich schon, dass es einige Leser nerven wird, besonders, wenn sie darauf nicht vorbereitet waren.Ich kenne mich jetzt im Verlagswesen nicht aus und weiß nicht, wie Verlage das sehen, aber bei "normalen" Fantasyromanen dürfte das kein Problem sein, oder?
Ich sehe schon eines, wenn es romantische Urban Fantasy sein soll, da gehen die Verlage bestimmt lieber auf Nummersicher und verlegen eine Geschichte mit einem Schmachtpärchen für die LeserInnen, denen die Liebesgeschichte das Wichtigste ist.
Mir fallen auch einige Romane ein, in denen es homo- und bisexuelle Charas gibt, einige waren sogar sehr erfolgreich. City of Bones zum Beispiel, obwohl es dort "nur" Nebenfiguren sind.

Also, langer Rede kurzer Sinn ist, dass es kein Problem sein dürfte.  ;)

Ach ja, kennst du "Ash" von Malinda Lo? Das geht wohl so in die Richtung, was du meinst und ist im PAN-Verlag erschienen.

Nachtblick

Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass es mit Homosexualität schwieriger als mit Bisexualität. Nichtsdestotrotz ist beispielsweise "Glühender Stahl" mit einem schwulen Hauptcharakter bei Heyne erschienen, und wie die meisten hier würde ich mir da überhaupt gar keine Sorgen machen. Und ich möchte selbst gar nicht erst damit anfangen, nachdem ich gerade zum Spaß aufgeschrieben habe, wie viele meiner (felsenfest heterosexuellen, heteroflexiblen und bisexuellen) Charaktere homosexuelle Erfahrungen gemacht haben. Da ergeben sich erschreckende Tendenzen :d'oh:

I did it for the gay.

Judith

"Des Teufels Maskerade" hat einen bisexuellen Hauptcharakter. Für die Jury beim Heyne-Wettbewerb war der offensichtlich kein Problem, aber so insgesamt scheinen die Agenten doch eher skeptisch zu sein.

Aber falls ich diesbezüglich bei Victoria mal genauer nachfragen soll, kann ich das machen und dir dann eine PN schicken.

Churke

Da gibt es so ein paar Anspielungen in "Spiegeltanz" von Lois McMaster Bujold.
Der Protagonist ist ein Klon, der als Hochstapler die Rolle seines Originals übernimmt.
Als Klon hat er das Problem, dass er nie weiß, mit welchen Weibern aus dem "Harem" das Original was hatte. ;D Und neben den Weibern gibt es da noch so einen Typ mit dem sanften Augenaufschlag. In dem Glauben, seine Rolle richtig zu spielen, begibt sich der Protagonist in Schwulitäten und fliegt genau DESHALB auf, weil das Original NICHT schwul ist.

sirwen

#10
Hmm, mir würden da spontan Beispiele aus der amerikanischen Fernseh-/Filmkultur einfallen. In "The Kids are alright" hat eine der lesbischen Hauptfiguren eine Affäre mit dem biologischen Vater ihrer Kinder, und der Film war ja, soweit ich mich richtig erinnere, für einige Oscars nominiert. Und Willow aus Buffy war ja auch ein beliebter Chara, oder?

Umschreiben fände ich auf alle Fälle doof – nur der Markttauglichkeit wegen? Ne ...

Steffi

Kennt jemand "Torchwood"? Ich sag nur Captain Jack Harkness  ;D Leider lief die Serie hier nicht sehr erfolgreich. Ich glaube aber nicht, dass das an der Hauptfigur lag.  ::)
Sic parvis magna

Lomax

Zitat von: Nachtblick am 18. März 2011, 20:00:32Nichtsdestotrotz ist beispielsweise "Glühender Stahl" mit einem schwulen Hauptcharakter bei Heyne erschienen, und wie die meisten hier würde ich mir da überhaupt gar keine Sorgen machen.
Ich würde gerade "Glühender Stahl" nicht so leicht als Beispiel anbringen, dass man so was gut unterbringen kann. Das Buch kam von einem etablierten Autor, es wurde sehr umstritten aufgenommen und die Verkaufszahlen blieben weit hinter dem zurück, was Morgan sonst hier so erzielt hat. Mag also sein, dass gerade "Glühender Stahl" zu einem Grund wird, warum man solche Stoffe in Zukunft eher wieder skeptisch sehen wird.
  Wobei natürlich nie jemand weiß, ob die relative schlechte Stellung des Buches am Markt etwas mit dem Thema Homosexualität zu tun hatte, oder an anderen Dingen lag. Ich schreibe ja auch gerade Heroic Fantasy und hoffe, dass es nicht am Subgenre liegt. :-X (Weswegen Glühender Stahl auch derzeit zufällig noch auf meinem Schreibtisch liegt, weil die Ähnlichkeiten zu dem, was ich schreiben wollte, doch so groß klangen, dass ich es mal lesen und checken musste. Und seitdem habe ich mal wieder Minderwertigkeitskomplexe, weil die Ähnlichkeiten zwar akzeptabel waren, aber Morgan halt ein so verdammt guter Autor ist, bei dem man sich gleich fragt, ob man da je rankommen wird ... aber das ist jetzt ein anderes Thema).

Ansonsten, wie solche Figuren allgemein gehen, lässt sich wohl auch allgemein schlecht beantworten. Die Spannbreite ist einfach zu groß. Die Hauptfigur in meinem letzten Roman war zwar nicht ausgeprägt bi, aber sexuellen gleichgeschlechtlichen Abenteuern auch nicht abgeneigt - das wurde allerdings nur irgendwann mal in irgendeiner Rückschau erwähnt, spielte für den laufenden Roman aber gar keine Rolle.
  Und zwischen diesem Extrem, wo die Figur theoretisch zwar eine solche Neigung hat, aber nie entsprechende Beziehungen gezeigt werden, bis hin zu expliziten Szenen im Buch, und je nachdem, wie groß die Rolle der Figur ist, ob Haupt- bis hin zu unwichtigen Nebenfiguren, da gibt es ja ein so breites Feld, wie unterschiedlich prominent man Bisexualität in den Roman einbringen kann, dass sich gar keine Aussage treffen lässt, die für alle diese Fälle gilt.
  Man müsste also im Einzelfall genau sehen, welche Figuren sind es, welche Rolle spielen sie im Roman und welche Rolle spielt ihre sexuelle Orientierung, ist sie für die Geschichte bedeutsam; geht es hin bis zu explizitem Sex; betrifft es männliche oder weibliche Figuren ... und dann muss man auch noch sehen, welches Subgenre und welche Zielgruppe genau damit bedient werden soll.
  Und erst wenn man all diese Parameter genau bestimmt hat, dann kann man sich überlegen, welche Rolle die Bisexualität in diesem Einzelfall evtl. für die Marktgängigkeit haben kann.

Rakso

Ich schließe mich der Meinung an, dass es darauf ankommt, wie wichtig die Sexualität eines Charakters für die Geschichte ist. Wenn sie eher "nur so nebenbei" ist und nicht ausdrücklich daraufeingegangen wird, vielleicht ein paar Anspielungen gemacht werden oder es eben einfach für den Plot nicht relevant ist, stört das bestimmt niemanden (Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass ich in Sachen Verlage und Marktgängigkeit noch keine Erfahrungen gemacht habe  ::) )

Wenn es für den Plot relevant ist, dann könnte das vielleicht kniffliger werden.

Zitat von: Nachtblick am 18. März 2011, 20:00:32
Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass es mit Homosexualität schwieriger als mit Bisexualität. (ist(?))

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es umgedreht ist. Das man eher dazu bereit ist jemanden zu akzeptieren, der sich "auf eine Seite" festgelegt hat, als jemanden der "sich nicht entscheiden kann" (wobei bei die meisten Bisexuellen ebenfalls ganz individuelle Vorlieben haben und man nicht verallgemeinernd sagen kann, dass sie einfach nicht auf einen Mann oder eine Frau als festlegen könnten)
Was ich sagen möchte ist, dass es da (falls es wirklich plotrelevant ist) unter Umständen Probleme oder Unbehagen geben könnte.

Aber Umschreiben würde ich wegen Markttauglichkeit auch nicht

Nachtblick

#14
Lomax, damit ziehe ich das gern zurück – mir fiel das Buch bloß assoziativ ein, war wohl irgendwo abgespeichert unter "schwuler Held" und "großer Verlag". Aber ist korrigiert und wird nicht wieder angeführt. Obwohl es trotzdem für Heyne spricht, wenn auch nicht für die Leserschaft ;D

Silberrauch – das ist erstaunlich. Ich habe diese Erfahrung vielleicht im Bezug auf Männer gemacht. Ist eine Frau bisexuell, gilt das allzu schnell als "heiß", und allzu viele Kerle freuen sich, mit zwei Frauen ins Bett gehen zu können. Mag sein, dass das ein Klischee ist, aber dann kenne ich erschreckend viele Leute, die nichts lieber tun, als Klischees zu stützen.
Gehen dann auch mal Männern eben mit Männern ins Bett, abgesehen davon, dass Sexualität ja eben gern auf das Sexuelle reduziert wird, könnte ich deinen Punkt gut nachvollziehen. Es scheint tatsächlich die Ansicht vorzuherrschen, Männer "müssten" sich, wie du sagst, für eine Seite entscheiden, damit man(n) weiß, ob er "befürchten" muss, von seinem Gegenüber angemacht zu werden (und in Zukunft kein Bier mehr mit ihm trinkt, und hey, ich vertrete diese Meinung nicht) – bei Frauen scheint das "Uferwechsel" dagegen weitestgehend akzeptiert. Genauso wie von Schwulen-Ehe gesprochen wird und man die Lesben irgendwie gern mal übergeht und und und es wird jetzt nicht politisch – meine Meinung steht fest.
;)