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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Lastalda

*seufz* Ich weiß, deswegen les ich ja momentan massenweise davon. Aber da ich so einen konkreten Fall noch nicht gefunden habe (worüber ich andererseits ganz froh bin; was es schon zigmal gibt, braucht man ja nicht mehr zu schreiben), hilft mir das leider nur bedingt weiter.

Lastalda

Moni

Ich kann dir einen Roman empfehlen, der superklasse ist: Anonymus Rex von Eric Garcia.
Ich lese es gerade und muß immer wieder aufpassen, daß ich in der Bahn nicht zu laut lache.
Es geht um einen Velociraptor, der in L.A. als Privatdetektiv arbeitet . Ach ja, die Dinosaurier sind nicht ausgestorben, sie leben in Latexkostümen mitten unter uns  ;D.
Es ist wirklich witzig und, obwohl in der Ich-Perspektive und im Präsens geschrieben, sehr gut lesbar.

LG
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Termoniaelfe

Hallo Leute,

ich habe ein großes Problem damit, dass ich hin und wieder einen Perspektivwechsel mache, den ich gar nicht wollte und den ich vor allem, beim schreiben gar nicht merke. Es sind dann Andere, die mich hinterher darauf aufmerksam machen.
Das ist sehr ärgerlich für mich, da es sehr viel Arbeit macht, sich dann durch sein gesamtes Werk zu wühlen um diese Sache wieder auszubügeln. Ich möchte natürlich nicht, dass meine Leser unsicher werden und nicht mehr recht wissen, um welches Schicksal sie sich nun sorgen müssen.

Habt ihr eine Idee, wie ich dieses Problem von vornherein vermeiden kann?

LG
Renate

Maja

Ich selbst ärgere mich beim Lesen über kaum etwas mehr als über Autoren, die in der dritten Person von einer Perspektive zur anderen springen. Dabei finde ich es selbst sehr einfach, die Perspektive zu halten ...
Vielleicht liegt es daran, daß ich Rollenspielerin bin. Wenn ich perspektivisch schreibe - und das mache ich eigentlich immer - richte ich mich so sehr darauf ein, daß ich zu der Person werde, aus deren Sicht ich gerade schreibe.
Das bedeutet zunächst einmal: Nur diese Person hat die Möglichkeit, ihr Innenleben auszubreiten. Alle anderen Gedanken und Gefühle können höchsten gemutmaßt werden - also nicht "Fritz war zum Speien zumute", sondern "Fritz sah aus, als müsse er sich jeden Moment übergeben".
Zugleich bedeutet es: Die Person, in der ich drinstecke, sieht sich selbst niemals von außen, sondern nur von innen - was bedeutet: Sie sieht sich in den allermeisten Fällen (solange keine spiegelnde Oberfläche da ist) gar nicht. Mimik kann also aktiv ausgeführt werden, aber nicht wahrgenommen werden. Z.B. "Erstaunt hob Gabriele eine Augenbraue", aber nicht "Verwirrung trat in Gabrieles Gesicht".
Wichtig ist auch, daß die Erzählsprache dem Sprachgebrauch des Erlebers angepaßt wird - ein jugendlicher Dieb gebraucht sicher andere Worte als ein abgeklärter Magier oder ein weltfremder Elf. Dazu gibt es hier einen passenden Thread:
http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1117913841

Perspektivisches Schreiben in der dritten Person ist - von der Grammatik abgesehen - nicht viel anders, als würde man in der Ich-Perspektive schreiben. Nur, daß es deutlich einfacher ist, zwischen den Kapiteln die Perspektive zu wechseln. Ich habe mich einmal (und da war ich vierzehn) an einer Geschichte mit wechselnder Ich-Perspektive versucht und dann aufgegeben, obwohl die Idee sicher interessant war, und für eine Vierzehnjährige geradezu revolutionär.
Einen Thread zu dem Thema hatten wir schon mal hier:
http://www.tintenzirkel.de/forum/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?board=workshop;action=display;num=1100805821

Die wenigsten Bücher in der Dritten Person sind komplett in einer einzigen Perspektive geschrieben. Ich wollte ausprobieren, ob das möglich ist, und so gibt es in der ganzen "Spinnwebstadt" auf 780 Seiten nur eine einzige Sichtweise - die des jugendlichen Anti-Helden.
Es hat zur Folge, daß der Leser die Geschichte sehr intensiv erlebt - wenn er jedoch die Hauptfigur nicht mag oder keine Beziehung aufbauen kann, wird ihn das ganze Buch kaltlassen, denn eine Alternative gibt es nicht. Es führt auch dazu, daß am Ende viele Fragen unbeantwortet bleiben: Wie im wirklichen Leben. Niemand erfährt jemals alles.
Es hat großen Spaß gemacht, das Buch so zu schreiben, aber bei den nächsten Geschichten habe ich mich doch für wechselnde Perspektiven entschieden. Es ist spannend, aber man darf es nicht zu sehr abnutzen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Termoniaelfe

Hallo Maja,

vielen Dank für Deine schnelle Antwort. Die Perspektivwechsel innerhalb einer Szene muss ich natürlich beseitigen.

ZitatNur diese Person hat die Möglichkeit, ihr Innenleben auszubreiten. Alle anderen Gedanken und Gefühle können höchsten gemutmaßt werden - also nicht "Fritz war zum Speien zumute", sondern "Fritz sah aus, als müsse er sich jeden Moment übergeben".

Das leuchtet mir schon ein, aber was mache ich ,wenn die Person, aus deren Sicht ich erzähle gar nicht in Fritzchens Nähe ist, ich aber seinen Zustand trotzdem beschreiben möchte? Kann ich das dann aus Fritzchens Perspektive tun?

Das nächste Problem in meiner Geschichte, sind Kathy und ihre Mutter Susan. Eine Bekannte, die das MS gerade liest, schrieb mir folgendes:

Du hast zwei Hauptfiguren; Kathy und ihre Mutter.
Das ist insofern ungewöhnlich, weil beide Figuren unterschiedliche Leserschichten ansprechen. Entweder ist es aus Verlagssicht ein Jugendbuch
(und da hat Kathys Mutter schlechte Karten) oder  es ist Erwachsenenfantasy (dann hat Kathy schlechte Karten).


Es ist in erster Linie Kathy, aus deren Sicht ich schreibe.
Aber jetzt bin ich total unsicher geworden. Soll ich mich jetzt tatsächlich von Susan trennen? Das bringe ich nicht übers Herz. Dann müsste ich ja noch einmal von vorne anfangen.

Ich bin so unsicher, dass ich mir deswegen die halbe Nacht um die Ohren geschlagen habe.

LG
Renate


Maja

Zum Problem 1:

Fritzchen, in Raum A, ist übel. Karlchen, in Raum B, hat die Erzählperspektive: Woher soll Karlchen wissen, daß Fritzchen spucken muß? Nur Gott sieht alles.
Muß der Leser auch alles wissen? Wenn ja, gibt es zwei Möglichkeiten:
a) Karlchen erfährt es zu einer späteren Gelegenheit, beispielsweise, weil Fritzchen es ihm erzählt, oder weil Fritzchen sich tatsächlich übergibt und es danach in Raum A seltsam riecht, oder weil eine dritte Person sagt "Sag mal, was ist den mit dem Fritz los, richtig käsig sah der heute aus".
b) eine andere Szene, parallel zur anderen angesiedelt und durch Leerzeilen eindeutig abgesetzt, beschreibt die Ereignisse aus Fritzens Sicht (Zur Gleichen Zeit im Schloß)
Ansonsten ist die plausibelste Lösung, daß Karl und Leser es nie erfahren. Macht das Ganze ja auch spannend. Um es wie Mowsal aus der Spinnwebstadt zu sagen: "Das Leben schreibt dir keine Klassenarbeit, und nicht mal die Streber können alle Fragen beantworten".

Zum Zweiten Problem:
Wo soll nun das Problem sein? Wieso darf man nicht aus Perspektive eines Erwachsenen und eines Kindes schreiben? Natürlich können sich Kinder mit einem jugendlichen Protagonisten besser identifizieren. Aber in einem Erwachsenenbuch kann man ohne Probleme Dinge aus Kindersicht beschreiben - es ist nur eine Gradwanderung, ob man die kindliche Weltsicht hinbekommt oder nicht.
Im Elomaran-Zyklus habe ich Erzählperspektiven von zwölf bis 36 Jahren. Man muß den Unterschied rausarbeiten - aber ich wüßte nicht, welches Problem da sonst sein sollte.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Termoniaelfe

ZitatFritzchen, in Raum A, ist übel. Karlchen, in Raum B, hat die Erzählperspektive: Woher soll Karlchen wissen, daß Fritzchen spucken muß? Nur Gott sieht alles.  
Muß der Leser auch alles wissen? Wenn ja, gibt es zwei Möglichkeiten:  
a) Karlchen erfährt es zu einer späteren Gelegenheit, beispielsweise, weil Fritzchen es ihm erzählt, oder weil Fritzchen sich tatsächlich übergibt und es danach in Raum A seltsam riecht, oder weil eine dritte Person sagt "Sag mal, was ist den mit dem Fritz los, richtig käsig sah der heute aus".
b) eine andere Szene, parallel zur anderen angesiedelt und durch Leerzeilen eindeutig abgesetzt, beschreibt die Ereignisse aus Fritzens Sicht (Zur Gleichen Zeit im Schloß)
Ansonsten ist die plausibelste Lösung, daß Karl und Leser es nie erfahren. Macht das Ganze ja auch spannend. Um es wie Mowsal aus der Spinnwebstadt zu sagen: "Das Leben schreibt dir keine Klassenarbeit, und nicht mal die Streber können alle Fragen beantworten".

Ja, dass habe ich jetzt geschnallt.


ZitatZum Zweiten Problem:
Wo soll nun das Problem sein? Wieso darf man nicht aus Perspektive eines Erwachsenen und eines Kindes schreiben? Natürlich können sich Kinder mit einem jugendlichen Protagonisten besser identifizieren. Aber in einem Erwachsenenbuch kann man ohne Probleme Dinge aus Kindersicht beschreiben - es ist nur eine Gradwanderung, ob man die kindliche Weltsicht hinbekommt oder nicht.
Im Elomaran-Zyklus habe ich Erzählperspektiven von zwölf bis 36 Jahren. Man muß den Unterschied rausarbeiten - aber ich wüßte nicht, welches Problem da sonst sein sollte.


Danke, Maja.
Du hast mir den Tag gerettet. Vielleicht sollte ich dich beim nächsten Mal gleich um Rat fragen. :)

LG
Renate

Zealot

Ahllo, mir ist mal wiedr ein seltsamer Einfall gekommen, zu dem ich gerne mal eure Meinunghätte....
Und zwar tauchen in meiner Geschichte nun 2 neue Pro/Antagonisten auf. Während ich so vor mich hin schrob, merkte ich, dass ich begonnen hatte den Sprachstil dieser Charas (beides Edle Persönlichkeiten), auch in meinen Erzählstil zu verwenden. Während ich wenn ich über den ersten Protagonisten (der Minenjunge, ihr erinnert euch??) ebenfalls einen für ihn typischen Umgangston in den Erzählungen verwendete...
Meine Frage:
Ist das zulässig? ich meine würde das gut ankommen/euch gefallen.
Weil, mir gefällts :D

Schelmin

Hi!
Hm, schwer zu sagen. Interessant klingt das schon, daher ist es sicher ein Experiment wert.
Wahrscheinlich ist ausschlaggebend, was am Ende dabei herauskommt und wie es sich anhört.
Am besten mal ein bißchen was schreiben und dann die Beispiele einstellen. Ich weiß nur nicht, ob hier dann der rechte Ort dafür ist, oder besser das Federfeuer.
Schelmin

Arielen

Es wird zwar selten gemacht, und sehr oft dann auch wieder von den Lektoren verwässert, aber ja, es wird benutzt und dürfte schon recht interessant klingen. Versuche es einfachmal, es dürfte den Figuren mehr Charakter geben.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Maja

#25
Ich mag wechselnde Erzählstile. Ich finde, sie sind das A&O beim perspektivischen Schreiben. Zur Zeit experimentiere ich in "Klagende Flamme" damit, jedem meiner vier Protagonisten einen eigenen Stil zuzuordnen.

#1, Byron Fadar, der verhinderte edle Ritter, erzählt seine Parts immer selbst auf seine unverfälscht naive Art in der ersten Person.

#2, Telya, ist Puppenspielerin und in der Gosse großgeworden, sie hat eine recht abgeklärte Sicht auf die Welt, ist aber zugleich in ihrem Glauben so tief verfestigt, daß sie damit manchmal ein wenig übers Ziel hinausschießt. Ihr Stil ist am ehesten so, wie ich auch sonst immer schreibe, mit viel Dialog

#3, Lharkan, ist eine Art Schamanin aus einem nomadischen Naturvolk mit ererbter Sonnenallergie. Ihr Stil soll mystisch werden und sehr nach innen gekehrt. Mystisch kann ich noch nicht so gut, also gibt es erst drei Seiten Lharkan

#4, Jarvis, ist der Dieb und Byrons Bruder. Er sieht die Welt ohne große Leidenschaft, wenn es nicht gerade um seine Diebeskunst geht. Ich arbeite mit einem ziemlich nüchternen Stil, arbeite mit Wortwiederholungen und Stilmerkmalen der Kurzgeschichte, auch viel Dialog, und gehe ein Wagnis ein: In Jarvis Teil (bevor die vier aufeinandertreffen, gönne ich jedem seinen eigenen ausgeprägten Hintergrund) habe ich die Kapitel in umgekehter Chronologie angeordnet. Das soll den Effekt haben, daß Jarvis immer mehr weiß als der Leser (denn er weiß, was war), und zugleich der Leser immer mehr als Jarvis (denn er weiß, was kommt). Das soll es für beide Seiten spannend machen, aber ob das irgend ein Leser verstehen wird, muß sich erst noch zeigen. Und wo nach der Zusammenführung dann Jarvis' Kapitel hinkommen, ob ich sie auch anachronologisch einstreue oder sie dahin packe, wo sie passieren, weiß ich noch nicht.

Aber weg vom Beispiel, zurück zur Frage:
Schau mal in diesen Thread: Erzählperspektive Dritte Person
in diesen hier: Sprachgebrauch
und diesen hier: Ego-Perspektive
Und das bitte nächstes Mal, bevor du den vierten Workshop zum Thema aufmachst...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

MarkOh

Hallo Ihr

Weiß jetzt gar nicht, ob das hierher gehört, aber wenn nicht, dann bitte einfach verschieben.
Und zwar habe ich ein kleines Problem hinsichtlich des mehrmaligen Änderns der Perspektive.
So habe ich jetzt ein neues Buch begonnen, in welchem sich am Anfang eine alte Frau aus der Ich-Perspektive an alte Zeiten erinnert. Ähnlich wie in den alten Geschichten nach dem Motto: "Ich kann mich noch gut erinnern, als ich damals..."usw... Es gibt also eine Art Rückblende mit der das erste Kapitel auch enden wird.
Mit Beginn des zweiten Kapitels möchte ich dann aber gerne wieder in meine "Beobachterperspektive" wechseln, die wohl für den Rest des Buches so bleiben würde.
Am Ende dann, praktisch als Schlusselement würde ich dann vielleicht wieder in die Ich-Perspektuive der alten Frau wechseln.

Geht das so überhaupt? Und mal so nebenbei... Aus welchen Perspektiven schreibt Ihr meistens?

Lieben Gruß
MarkOh

Termoniaelfe

Hallo MarkOh,

also ich finde da jetzt nichts Verwerfliches dran. Warum sollte das nicht machbar sein. Du beginnst mit der alten Dame und endest mit ihr. Ich bin allerdings auch kein Experte auf dem Gebiet. Ich selber schreibe in meinem Termonia Roman aus zwei Perspektiven, die ständig wechseln. (aber niemals innerhalb eines Kapitels) Und ich bin nicht sicher, ob das so zulässig ist. Am Anfang schreibe ich aus Kathys Perspektive und dann aus der ihrer Mutter. Beide werden, im Lauf der Handlung von einander getrennt und ich erzähle mal davon, wie es  Kathy ergeht (also Kathys Sichtweise) und  mal davon, was ihre Mutter so alles durchmachen muss, bis sie wieder vereint sind.  Ich denke, wichtig ist bei Perspektiv- Wechseln nur, dass der Leser nicht aus dem Fluß kommt und immer weiß, wo er sich gerade befindet. Ich persönlich denke, das Perspektiv- Wechsel, wenn sie gut gemacht sind, dem Text durchaus eine  gewisse Vitalität und Vielfältigkeit geben können.

LG
Termi

Papiervogel

Natürlich geht das, kommt auch relativ häufig vor. Manche Autoren schreiben dann die Person, aus deren Sicht erzählt wird, in die Kapitelüberschrift, aber wenn es nur ein Rahmen ist, dürfte das gar nicht nötig sein.

Elena

Hm, in dem Buch "Dreckskind" von Uta-Maria Heim wird da so gemacht. Ich empfand es nicht als verwirrend oder als störend, sondern war recht interessant, weil die Person nicht benannt wurde, aber natürlich in der Geschichte vorkam und man sich immer fragte: Wer ist es denn jetzt?
Leider blieb das ganze recht ungenutzt, da das Erzählte mit der Geschichte irgendwie nur wenig zusammenhing (ich hab den Schluss einfach nicht kapiert), selbst als man wusste, wer diese Person war.

Aber es ist eine nette Abwechselung - wenn man weiß, was man damit bezwecken will.

Liebe Grüße,

Elena