Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: Robin am 20. Juli 2012, 21:59:20

Titel: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Robin am 20. Juli 2012, 21:59:20
...wie weit geht das bei euch eigentlich?

Ich kann von mir selbst folgendes sagen: Nach 4 Jahren intensiven Schreibens haben so manche Charaktere einfach einen festen Platz in meinem Kopf. Ich verwende sie oft und gerne, und habe ihre Entwicklung richtig beobachten können. Sie haben gefestigte Persönlichkeiten (die je nach Geschichtenzirkel leicht variieren können), alle möglichen Macken und Eigenheiten - und sie geben mir ziemlich gute Ideen.

Mittlerweile bin ich so weit, dass ich von anderen Charakteren durch eine kurze Beschreibung der Persönlichkeit solide Kurzgeschichten schreiben kann, die ganz 'in character' (verzeiht das Fehlen eines deutschen Begriffs, mir fällt nur keiner ein, der es genau trifft) sind. Manchmal gerate ich etwas auf die 'out of character' Seite, aber das passiert eher selten.

Mir wurde schon ein paar Male gesagt, meine Fähigkeit sie so schnell zu adaptieren wäre unheimlich - aber ich habe durchaus Menschen kennen gelernt, die das noch besser können als ich.


Wie steht es eigentlich bei euch? Wie schnell, und wie dauerhaft übernehmt ihr einen Charakter in euer Denken?
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Ary am 20. Juli 2012, 22:21:42
ZitatWie steht es eigentlich bei euch? Wie schnell, und wie dauerhaft übernehmt ihr einen Charakter in euer Denken?
Wenn ich sehr in einem Projekt drin bin: ganz schnell, ganz intensiv. Je besser eine Geschichte läuft, desto mehr denke ich wie der Protagonist und ertappe mich manchmal schon dabei, dass ich mir überlege, was Figur X denn nun tun würde oder wie ich mich verhalten würde, wenn ich Figur Y wäre.
Liegt vielleicht an meiner Rollenspielvergangenheit - ich kann mich recht schnell in eine andere Persönlichkeit einfühlen und einfinden und auch durchaus mal für einen Moment zu dieser Person werden. Wir haben während meines Studiums sehr intensiv zwei Spielrunden durdchgezogen. Wir kannten uns alle sehr gut und wussten, wie der jeweils andere tickt udn haben manchmal auch in Tischrollenspielrunden bestimmte Szenen wie in einem Larp ausgespielt, ganz einfach, weil wir in diesen Momenten so "drin" waren. Das ist für mich immer wieder eine geniale Erfahrung (wenn auch ein bisschen gefährlich, weil ich mich kenne und weiß, dass ich zu Realitätsverlust neige).
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Zit am 20. Juli 2012, 22:43:40
Kenne ich (nicht) mehr. Es gibt Figuren, die ich aus dem FF schreiben kann, aber die sind sehr alt. Und die restlichen Charaktere von mir muss ich entweder noch kennen lernen oder sie sind eindeutig auf ihre Plätze verwiesen und dürfen nur mit mir spielen, wenn sie ihre Zeit kriegen (also das Schreiben an sich oder Plotten).
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Alana am 20. Juli 2012, 22:44:05
Ich habe mit dem Schreiben eigentlich im Kopf angefangen, lange bevor ich auch nur daran gedacht habe, etwas zu Papier zu bringen. Ich habe monatelang im Kopf Nacht für Nacht an der gleichen Geschichte gearbeitet, sie durchlebt und mich dabei vollkommen als der jeweilige Charakter empfunden. Im Prinzip mache ich das auch, wenn ich schreibe. Ich fühle alles, was der Chara fühlt und genau das ist für mich auch der akute Reiz des Schreibens und nur deswegen halte ich durch. Dennoch habe ich beim Schreiben noch ein klein wenig mehr Distanz als bei meinen im Kopf ausgedachten Geschichten, die ich auch unbedingt brauche, damit etwas Sinnvolles dabei herauskommt.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Sunflower am 20. Juli 2012, 22:51:26
Bei mir kommt das auf den Charakter an. Die drei Protas aus meinem ersten Projekt, die ich gerade wieder für den zweiten Teil verwende, kenne ich mittlerweile wirklich gut und kann mich auch in sie hineinversetzen. Sie sind wie echte Persönlichkeiten für mich, was mich oft ziemlich fasziniert. Bei Charakteren, die ich das erste Mal verwende, brauche ich lange, bis ich sie so schreiben kann, wie sie sind. Ich brauche einfach etwas Zeit, um sie "kennenzulernen".
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Tanrien am 20. Juli 2012, 22:57:43
Ich schließe mich Zit an: Ich mache das gar nicht - außerhalb der Situationen/Szenen in der Geschichte kommen meine Charaktere nicht in meinem Kopf vor. Vielleicht liegt das daran, dass ich meine Charaktere in und für den Plot entwickle und sie damit nur in dieser Einheit existieren. Somit habe ich zwar Charaktereigenschaften für sie im Sinne von "Wenn sie wütend wird, macht Charakter X das und das und reagiert so und so, weil traumatische Kindheit", was man ja durchaus für Situationen außerhalb der Geschichte verwenden könnte. Allerdings vergesse ich diese Eigenschaften gleich auch wieder, wenn ich sie im Plot verarbeitet habe und dann letztendlich nur eine detaillierte Szenenübersicht habe in der die Charaktere eingebettet sind.
Von daher sind die Charaktere nur bis der Plot steht in meinem Kopf, danach nicht mehr.

Zitat von: Robin White am 20. Juli 2012, 21:59:20
'in character' (verzeiht das Fehlen eines deutschen Begriffs, mir fällt nur keiner ein, der es genau trifft)
Charaktertreu?

Schade, dass man nicht nachprüfen kann, ob das nun für die fertige Geschichte/den Leser etwas bringt, wenn die Charaktere den Autor länger begleiten oder nur für den Plot existieren.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Lemonie am 20. Juli 2012, 23:42:08
Ich mache das schon und auch ziemlich intensiv ;)
Es kommt natürlich auf die Charaktere an, aber manche (nicht nur Protas, aber die besonders), sind wirklich ziemlich stark bei mir "drin". Ich merke das dann im realen Leben in Situationen, die irgendwie mit ihnen zu tun haben (zum Beispiel wenn es um ein Thema geht, auf das einer meiner Protas total empfindlich reagieren würde), dann stelle ich mir oft vor, wie die Charaktere in dem Moment reagieren würden, ich kann es eigentlich gar nicht verhindern, dass ich daran denke.
Aber mich stört es nicht, weil ich so manchmal auch Ideen bekomme...
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Kati am 21. Juli 2012, 00:17:06
Ich mache das eigentlich auch nicht. Eigentlich. Ich habe einen Charakter, der mich seit Jahren begleitet und den ich in jede Geschichte schmuggele. Das Aussehen mag von Haar- und Augenfarbe her varieren, aber ansonsten ist es immer derselbe Typ Mann und vom Charakter eh. Ich sehe das ein bisschen als Markenzeichen an und, wer mehr als eine Geschichte von mir kennt, kann wahrscheinlich sogar die Verbindungen zwischen den verschiedenen Alter-Egos dieser Figur ziehen.  ;D Dieser Charakter ist manchmal sogar der Prota, hat aber seine ganz eigene "echte" Geschichte nur in meinem Kopf, die ich nicht aufschreiben kann, weil sie viel zu wirr ist und es eigentlich keinen festen Plot gibt. Früher habe ich die Geschichte viel im Kopf weitergesponnen, heute mache ich das weniger, aber trotzdem mischt er immer unter anderem Namen in meinen Geschichten mit.  :) Das ist die einzige Figur, wo ich sagen würde, ich versetze mich richtig in ihn hinein und er ist mir so wichtig, dass ich ihn nicht loslassen möchte. Er war natürlich auch mein allererster Charakter, noch bevor ich überhaupt mit dem Schreiben richtig angefangen habe.  ;)
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: FeeamPC am 21. Juli 2012, 09:18:18
Das klingt fast mehr nach einem imaginären "alter ego" als nach einem bloßen Charakter.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Arcor am 21. Juli 2012, 11:12:46
Mhh, ganz so intensiv kenne ich das auch nicht. Die Figuren aus meiner High-Fantasy-Trilogie kenne ich - den Jahren sei Dank - auch sehr genau, aber sie tauchen eigentlich immer nur im Rahmen der Geschichte, in der sie agieren, in meinem Kopf auf. Außerhalb nur höchst selten. Da haben sie auch eigentlich nichts verloren. Sie sind für die Geschichte entworfen worden und da funktionieren sie. Daher bin ich auch gegen Fortsetzungen, die nicht von Anfang an geplant waren.

Aber ich brauche immer ein bisschen, bis ich warm bin mit Figuren und sie wirklich lebendig werden. Die meisten entwickeln ihre Persönlichkeit auch im Laufe des Schreibens. So kann ich auch sagen, dass ich die Protas meines aktuellen Projektes erst noch kennenlerne. Direkt auf Knopfdruck sind eigentlich nur die aller wenigsten Figuren da.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: HauntingWitch am 21. Juli 2012, 11:30:31
Was bin ich froh, dass ich nicht die einzige bin, der es so geht. Es kommt bei mir allerdings darauf an, wie gut ich den Charakter bereits verinnerlicht habe. Ist einer gerade erst aufgetaucht, (meist zu Beginn eines neuen Projekts, aber nicht immer), fällt es mir zunächst schwer, mich in ihn hineinzuversetzten, weil ich ja noch gar nicht weiss, wie er funktioniert. Dann schweben sie mir eine Zeit lang (die auch wieder von Charakter zu Charakter variiert) im Hinterkopf herum, bis es eines Tages ausbricht. Ab diesem Tag habe ich den Charakter quasi "in mir" und kann fast jederzeit "in ihn hinein gelangen", sozusagen. Je nach meiner Stimmung sind allerdings gewisse Charaktere zu gewissen Zeiten blockiert und dann finde ich den Zugang nicht. Aber abgesehen davon, geht es mir ähnlich wie Alana: Ich fühle alles mit und wenn ich etwas nicht fühlen kann, bringe ich mich auf einen Zustand, in dem ich es kann.

Gerade weil ich sie ab diesem bestimmten Zeitpunkt permanent im Hinterkopf habe, können sie aber auch schon mal im Alltag durchscheinen. Was nur wieder von Vorteil ist, denn so lerne ich sie noch besser kennen. Dann kann es zum Beispiel sein, dass ich eine Situation beobachte und ich wie aus heiterem Himmel einfach weiss: "Ha, mein Charakter, der würde jetzt... Moment!" Und dann habe ich wieder etwas, womit sich arbeiten lässt.  ;D
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Nirathina am 21. Juli 2012, 12:48:55
Zitat von: Aryana am 20. Juli 2012, 22:21:42
Wenn ich sehr in einem Projekt drin bin: ganz schnell, ganz intensiv. Je besser eine Geschichte läuft, desto mehr denke ich wie der Protagonist und ertappe mich manchmal schon dabei, dass ich mir überlege, was Figur X denn nun tun würde oder wie ich mich verhalten würde, wenn ich Figur Y wäre.
Liegt vielleicht an meiner Rollenspielvergangenheit - ich kann mich recht schnell in eine andere Persönlichkeit einfühlen und einfinden und auch durchaus mal für einen Moment zu dieser Person werden.

Das geht mir genauso  ;D Rollenspiele liefern die beste Methode, mit der Operation "kurzzeitiger Realitätsverlust" zu beginnen, wie ich am eigenen Leib mehrmals erfahren musste *hust*

Eigentlich ist es meistens so, dass ich, sobald ich die entsprechende Datei geöffnet habe und mit dem Schreiben anfange, alles mit den Augen meiner Charaktere sehe. Ich bin ab diesem Augenblick geistig nicht mehr in der Realität, sondern in meinem Buch, weshalb ich auch nur sehr ungern beim Schreiben gestört werde. Reißt mich jemand aus dieser Form des abstrakten Denkens, ist der ganze Faden weg und ich muss mich erst wieder in aller Ruhe einfinden. Der Vorteil dabei ist natürlich, dass man so sehr genaue Beschreibungen - Kopfkino sei Dank - in die Geschichte einbauen und relativ authentische Gespräche formulieren kann. Der Nachteil ist, dass man schnell die Zeit und andere Dinge vergisst.

Ich empfinde dieses Hineindenken/Mitfühlen aber auch beim Lesen anderer Autoren, nur nicht so intensiv, da die Charaktere nicht meiner eigenen Fantasie entsprungen sind.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Kati am 21. Juli 2012, 13:53:03
ZitatDas klingt fast mehr nach einem imaginären "alter ego" als nach einem bloßen Charakter.

Ach, nee, so ist es eigentlich auch nicht. Es handelt sich eher um meinen allerersten Charakter, den ich nicht loslassen wollte und jetzt kriegt er aus diesem Grund, aber auch als Gag eben überall seine Rolle. Ich könnte auch nicht sagen, dass er mir sehr ähneln würde oder so wäre, wie ich gern sein würde. Gar nicht. Ich glaube, würde ich ihn im wahren Leben kennen, würde ich ihn nicht einmal mögen. Das geht mir aber mit vielen meiner Charaktere so. Die Sache ist glaube ich, dass meine meisten Charaktere eher für den Moment entstehen. Ich schreibe ja keine Reihen, deshalb habe ich sie dann vier, fünf Monate während des Schreibens bei mir und dann geht es weiter zu den nächsten und die Charaktere verschwinden aus meinem Kopf. Vielleicht ist dieser Charakter auch so eine Art Verbindungsstück für mich als Autorin, mein Ersatz fürs Reihenschreiben.  :rofl: Ich habe ihn auch früher gar nicht bewusst überall eingebaut, mir ist das erst letzten Dezember aufgefallen, dass ich das mache.

Arcor: Dass ich Protas erst beim Schreiben überhaupt kennenlerne, ist mir auch aufgefallen. Ich habe früher immer versucht, vor dem Schreiben alle Eigenschaften und auch die Charakterentwicklung komplett vorzuplotten, aber es kam dann beim Schreiben doch immer ganz anders. In letzter Zeit mache ich das nicht mehr. Dann habe ich nur ein grobes Bild von dem Charakter und der Rest kommt irgendwie von alleine.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Arcor am 21. Juli 2012, 20:06:19
Zitat von: Kati am 21. Juli 2012, 13:53:03
Arcor: Dass ich Protas erst beim Schreiben überhaupt kennenlerne, ist mir auch aufgefallen. Ich habe früher immer versucht, vor dem Schreiben alle Eigenschaften und auch die Charakterentwicklung komplett vorzuplotten, aber es kam dann beim Schreiben doch immer ganz anders. In letzter Zeit mache ich das nicht mehr. Dann habe ich nur ein grobes Bild von dem Charakter und der Rest kommt irgendwie von alleine.

Genau so hat sich einer meiner Protas ein Nervositätsproblem gegenüber Frauen eingehandelt, die er gern hat. Da versagt jetzt seine gute Rhetorik und sein sicheres Auftreten. Keine Ahnung warum, aber er wollte das haben. Sowas passiert dann halt, wenn man Protas nicht von Anfang an straff durchplant, sondern sie an die lange Leine lässt.  ;D
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: HauntingWitch am 22. Juli 2012, 12:03:09
@Kati und FeeamPC: Hm, so einen habe ich aber auch, muss ich mir Sorgen machen?  ;D Nur bei mir ist das nicht ein bestimmter Charakter, sondern ein bestimmter Typ von Charakter, der sich in alle meine Geschichten schleicht, meist unbewusst. Interessant ist, dass das aber immer der Charakter ist, der mir von Anfang an am Leichtesten von der Hand geht. Vielleicht ist es doch immer derselbe und ich merke es nur nicht.

@Arcor: Deshalb sammle ich immer zuerst eine Weile. Ich schreibe dann auch schon, aber nur Szenensammlungen, nichts wirklich Handfestes. Meistens finde ich da schon eine ganze Menge heraus und erlebe danach nur noch wenige Überraschungen. (Ausser bei denen, zu denen ich zu wenig Zugang habe, die muss ich dann ab einem gewissen Punkt zwingen, mit mir zu reden.)

Was ich auch festgestellt habe ist, wie länger ich mich im Vorfeld mit den Charakteren beschäftigt habe, umso leichter fällt mir das eigentliche Schreiben.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Notrya am 25. Juli 2012, 15:07:40
Zitat von: HauntingWitch am 22. Juli 2012, 12:03:09
@Nur bei mir ist das nicht ein bestimmter Charakter, sondern ein bestimmter Typ von Charakter, der sich in alle meine Geschichten schleicht, meist unbewusst. Interessant ist, dass das aber immer der Charakter ist, der mir von Anfang an am Leichtesten von der Hand geht. Vielleicht ist es doch immer derselbe und ich merke es nur nicht.

Genau so eine Figur habe ich auch; es war mir bis vor kurzem aber gar nicht bewusst, erst als ich irgendwann dachte "komisch, den Satz könnte jetzt auch XY in Geschichte Z gesagt haben", ist es mir aufgefallen. ;D

Anscheinend tendiere ich auch dazu, ab und an eine Figur einzubauen, der ich eine Menge meiner Charaktereigenschaften verpasse; jedenfalls hat mir das letztens ein Freund gesagt, der eine Geschichte von mir gelesen hat. Auch das war mir gar nicht so bewusst... Ich habe auch beim Schreiben dieser Figur nicht bemerkt, dass ich mich in sie besser hineinversetzen konnte als in andere.

Ob ich mich überhaupt in Figuren hineinversetzen kann, hängt auch bei mir davon ab, wie lange ich sie schon kenne; wenn ich mit einer neuen Geschichte anfange, habe ich meist nur eine grobe Vorstellung der Figuren, der Rest ergibt sich dann im Laufe der Geschichte. Ich schreibe seit über einem Jahr an dem gleichen Projekt, und in die Charaktere daraus kann ich mich super hineinversetzen - und trotzdem steckt die Geschichte gerade fest, weil mir mittlerweile aufgefallen ist, dass, wenn ich sie so weiterschreibe, wie ich sie geplottet habe, mir gar nicht gefällt, wie meine Charaktere reagieren würden... :hmmm:
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: A-ya am 26. Juli 2012, 05:08:20
Ich finde es immer wieder erschreckend wie oft ich mich frage, was meine Charaktere in einer bestimmten Situation tun würden - sei es beim Filme schauen oder Bücher lesen. Neulich hab ich mir nach einiger Zeit wieder Avatar angetan (die Serie - nicht den "Pocahontas-mit-Schlümpfen-im-Weltraum-Film") und mir ist die Frage sehr oft in den Sinn gekommen. Ich stelle aber auch fest, dass ich mich manchmal im RL frage, wie der eine oder andere Charakter meiner Geschichten reagieren würde, beispielsweise wenn ich mal wieder irgendwelche Idioten im Bus oder der Bahn sehe.
Was mir aber auch schon des öfteren passiert ist, das meine Charaktere sich verselbstständigen oder das ich ihnen ohne es zu beabsichtigen Charakterzüge von mir oder mir bekannten Leuten gebe.
Hineinversetzen kann ich mich allerdings in so ziemlich aller meiner Charaktere. Ich denke das ist auch wichtig um sie authentisch wirken zu lassen. Ich habe zum Beispiel ziemliche Probleme damit Charaktere zu entwickeln, die großes diplomatisches Geschick oder strategische Planung an den Tag legen müssen - da hole ich mir regelmäßig Hilfe bei Freunden und Bekannten. Ich selbst bin absolut undiplomatisch und im voraus planen fällt mir auch nicht leicht, da ich mich dann immer in zu viele Eventualitäten verrenne.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Mika am 26. Juli 2012, 08:40:51
Manchmal, vor allem allerdings bei Rollenspielcharakteren kann ich mich wirklich extrem hineinsteigern. Der Chara ist aufgeregt und nervös, meine Hände werden nass, mein Herz beginnt zu rasen. Ist der Charakter traurig, fallen auch bei mir manchmal die Tränen (vor allem letzteres ist mir schon das ein oder andere Mal beim Schreiben passiert).
Ich mache mir eigentlich selten wirklich einen Plan, oder einen Charakterbogen oder ähnliches, meist lasse ich es einfach auf mich zukommen, die Charaktere sind so wie sie sind und entwickeln sich irgendwie eigenständig. Manchmal schlüpfe ich beim Schreiben in eine Prota und staune selbst wie sie auf die eine oder andere Situation reagier, oder gar Wörter in den Mund nimmt, die ich niemals verwenden würde. So geht es mir vor allem häufig bei meinem aktuellen Projekt.
Das Hineinversetzen in verschiedenste Charas war bislang bei mir eigentlich nie das wirkliche Problem, weil ich meine Geschichten immer aus mindestens aus der Perspektive von drei oder vier, manchmal auch wesentlich mehr Figuren schreibe. Ich kann gar nicht mehr ohne meine Mehrfachperspektive. Natürlich gibt es Figuren die mir leichter fallen und solche bei denen es manchmal etwas schwierig wird, aber gerade die finde ich oft besonders interessant. Ob es mir natürlich immer gelingt mich wirklich 100%ig hineinzuversetzen, sei mal komplett dahingestellt, das dürfte selbst etwas schwierig zu beurteilen sein.

Kennt ihr das andere Extrem? Ihr kreiiert einen Charakter, versetzt euch hinein und schafft es nicht sofort wieder hinauszukommen? Mir ist das bislang nur bei Rollenspielcharas passiert, aber es ist bislang wirklich unheimlich. Man befindet sich in irgendeiner Situation, reagiert und denkt sich danach: ups, das war aber jetzt nicht ich, das war mehr Charakter XY?
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: HauntingWitch am 26. Juli 2012, 19:56:28
Zitat von: mika am 26. Juli 2012, 08:40:51
Kennt ihr das andere Extrem? Ihr kreiiert einen Charakter, versetzt euch hinein und schafft es nicht sofort wieder hinauszukommen?

Ja. Das passiert mir besonders bei Langzeitprojekten oder solchen, mit denen ich mich besonders intensiv beschäftige.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Nirathina am 27. Juli 2012, 09:13:54
Zitat von: mika am 26. Juli 2012, 08:40:51
Kennt ihr das andere Extrem? Ihr kreiiert einen Charakter, versetzt euch hinein und schafft es nicht sofort wieder hinauszukommen? Mir ist das bislang nur bei Rollenspielcharas passiert, aber es ist bislang wirklich unheimlich. Man befindet sich in irgendeiner Situation, reagiert und denkt sich danach: ups, das war aber jetzt nicht ich, das war mehr Charakter XY?

Ja, das kenne ich auch. Da ich ja meistens für Fortsetzungen mitplane, beginne ich immer damit, eine Lebensgeschichte zu verfassen - und das führt zu dem von dir genannten Extrem. Bei Rollenspielcharakteren ist mir das auch schon des Öfteren passiert, mittlerweile - da ich so etwas nicht mehr mache, leider - hat sich das aber so abgeschwächt, dass es sich nur noch auf meine Buch-Charaktere bezieht. Dennoch ... bei mir ist es mittlerweile so weit, dass ich im Alltag so rede wie meine Charaktere. Meine Eltern finden das unheimlich  ;D
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Ary am 27. Juli 2012, 09:46:55
Zitatbei mir ist es mittlerweile so weit, dass ich im Alltag so rede wie meine Charaktere. Meine Eltern finden das unheimlich
DAS kenne ich auch. Irgendwie lustig, wie man dabit Leute vor den Kopf stoßen kann. Ich muss aufpassen, weil ich gerade ziemlich die Spitzzüngigkeit meines "Schattenpanthers" angenommen habe und sehr zum beißen neige, wenn ich genervt bin.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: canis lupus niger am 18. August 2012, 22:04:37
Zitat von: mika am 26. Juli 2012, 08:40:51
Manchmal, vor allem allerdings bei Rollenspielcharakteren kann ich mich wirklich extrem hineinsteigern. Der Chara ist aufgeregt und nervös, meine Hände werden nass, mein Herz beginnt zu rasen. Ist der Charakter traurig, fallen auch bei mir manchmal die Tränen (vor allem letzteres ist mir schon das ein oder andere Mal beim Schreiben passiert).

Ja, das kenne ich nur zu gut. Kürzlich hatte ich eine depressive Phase, unter der meine ganze Familie mitgelitten hat, weil ich einem Prota so große Probleme auf den Leib geschrieben habe.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Farean am 19. August 2012, 13:39:18
Zitat von: canis lupus niger am 18. August 2012, 22:04:37
Ja, das kenne ich nur zu gut. Kürzlich hatte ich eine depressive Phase, unter der meine ganze Familie mitgelitten hat, weil ich einem Prota so große Probleme auf den Leib geschrieben habe.
Ups! :( Das klingt heftig. Geht es dir inzwischen wieder besser?

In der Hinsicht muß ich auch immer etwas vorsichtig sein. Für manche Charaktere, in die ich mich gar nicht so recht hineinversetzen will (skrupellose Söldner, Vergewaltiger etc.) habe ich dankenswerterweise meine Frau. Die hat in der Hinsicht ein dickeres Fell und kann mir die entsprechenden Rollen ganz gut "anspielen".
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: canis lupus niger am 19. August 2012, 14:17:00
Zitat von: Farean am 19. August 2012, 13:39:18
Ups! :( Das klingt heftig. Geht es dir inzwischen wieder besser?

Na klar! Aber deswegen muss ich solche Sachen ganz zum Schluss schreiben, denn anderenfalls würde diese miese Grundstimmung sich durch das ganze Buch ziehen und den Leser daran hindern, sich mit diesem Charakter unbeschwert über Belanglosigkeiten zu freuen.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Runaway am 19. August 2012, 22:02:19
Oooh, was für ein tolles Thema, hab ich aufgrund meines Urlaubs letztens wohl verpaßt ...

Also ich muß sagen, bei mir geht gar nichts, wenn ich mich nicht total in die Charaktere hineinversetze. Ich lebe sie. Ich stelle mir teilweise auch im Alltag vor: Was würde meine Figur jetzt tun? Was würde sie denken?

Das führt natürlich auch bei mir dazu, daß sich die Stimmungen, die ich den Charakteren auf den Leib schreibe, auch manchmal bei mir niederschlagen. Gespenstisch, aber ist so.
Beruhigend, daß es auch anderen so geht ...

Der Witz ist, wenn ich ein neues Projekt beginne, dann muß ich die Charaktere trotzdem erst mal kennenlernen und manchmal werden die dann auch anders als geplant. Manchmal tun die was die wollen!
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Farean am 20. August 2012, 12:47:49
Zitat von: Dani am 19. August 2012, 22:02:19
Das führt natürlich auch bei mir dazu, daß sich die Stimmungen, die ich den Charakteren auf den Leib schreibe, auch manchmal bei mir niederschlagen. Gespenstisch, aber ist so.
Beruhigend, daß es auch anderen so geht ...
Bei mir ist es aber auch genauso. Das krasseste, was mir in der Hinsicht mal passiert ist, war bei einem SF-Projekt. Nachdem ich den ganzen Tag beschrieben hatte, wie meine Protagonisten auf gleitenden Bürgersteigen in ihrer Stadt unterwegs waren, blieb ich beim Rausgehen am Nachmittag zunächst etwas desorientiert am Straßenrand stehen. Ich brauchte einen Moment, bis mir bewußt wurde, daß ich allen Ernstes nach den Gleitsteigen suchte und dafür die Straßenbahnschienen nicht gleich einordnen konnte... :hmhm?:
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Nurelie am 20. August 2012, 14:03:20
Ich weiß nicht...irgendwie bin ich mir nicht sicher ob ich da wirklich "der Charakter" werde. Ich wende zwar meine Schauspielerischen Vorkenntnise an und versinke manchmal so sehr im "Handeln des Charas" dass ich für andere Leute doof aussehe und schiefe fragende Blicke kassiere, aber ich versinke eben nur im Handeln des Charas. Generell fürchte ich, dass ich Gefühlsmäßig nicht sonderlich "begabt" bin...gut, ich habe einfach das Problem dass ich nicht weiß ob ich es richtig mache (ich bin Kategorie: "Nur am Beispiel kann ich erkennen wie toll ich bin." ) Naja. Ich schweife ab. Ja, also ich kann mich eher ins Handeln meiner Charas versetzen, das logische Verständnis für die Psychologie dahinter fehlt mir. Leider.
Titel: Re: Sich in Charaktere hinein versetzen...
Beitrag von: Zit am 27. August 2012, 01:15:57
Küchenpsychologie lässt sich aber anlesen, zumindest der Urschleim. Gibt ja auch Leute, die in sowas ausgebildet werden; irgendwoher müssen die es ja auch haben. ;D