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Wieviel "Phantastisches" braucht Fantasy?

Begonnen von Antigone, 23. März 2007, 09:36:53

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Anathor

ich denke das man nicht viel braucht, um etwas ''Fantasy'' bezeichnen zu können. Es reicht eigendlich, etwas zu machen, dass nicht in Geschichtsbüchern steht^^

etwas anders ausgedrückt: Man muss einfach ein bisschen ''lockerer'' schreiben und nicht bei jedem Satz nachdenken, ob das wirklich so sein kann /war/ sein wird

THDuana

#61
@ Anathor

Zitat von: Anathor am 05. Mai 2007, 20:00:16etwas anders ausgedrückt: Man muss einfach ein bisschen ''lockerer'' schreiben und nicht bei jedem Satz nachdenken, ob das wirklich so sein kann /war/ sein wird
Das ist bei anderen Genres auch nicht so.

Ich denke, was du meinst, ist, dass man es nicht in ein anderes Genre ohne Weiteres stecken kann.


Duana

Immortal

Das stimmt finde ich.

Ich wollte immer einmal einen historischen Roman schreiben, aber die ganze Recherche - und überhaupt, über welches Thema denn? Ständig muss man nachschauen gab es das, gab es dies und wenn man wie ich große Schlachten mag, hat man es gleich nochmal schwerer, denn man muss ja erstmal schauen, was es denn für Kriege etc. gab.

Tja, und so entstanden dann in meinem Kopf Fantasywelten, in denen ich vorgeben kann, was in der Vergangenheit geschah, wann es große Kriege gibt und wie zum Beispiel die Namensgebung war/ist und ich muss nicht mal nach Ortsnamen suchen, ich denke mir einfach ein Dorf aus und zeichne es dann auf der Karte ein. Wenn ich nicht schon ein Passendes gefunden habe.

So viel dazu.
Immortal
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.

THDuana

#63
@ Immortal

Ich frage mich gerade, warum der Glaube besteht, ein historischer Roman müsste immer auf Tatsachen basieren.
Klar, die Welt, wie sie damals war, sollte einbezogen werden, muss aber nicht in ihrer ganzen Komplexität.
Die Geschichte kann wirklich ganz frei erfunden sein und bei den Kriegen ist einem meist auch freie Hand gelassen bzw. man kann ihn interpretieren, wie man möchte.

Bei Fantasy ist es eben so, das man es nur schwer in ein anderes Genre stecken kann, zumindest nicht ohne weiteres.
Deshalb ist die Freiheit in Fantasy auch so groß.


Duana

Chuck

Ich sehe es mittlerweile all zu oft in der Uni, dass die Professoren, die sich mit altertümlichen Dingen auskennen, oft über Filme auslassen. Die Studenten ziehen da gerne nur zu oft einfach mit.

Da wird dann schon einmal der ein bis andere Witz über einen Film, wie Alexander losgelassen. Aber bei allem Respekt fehlt den Fachleuten da der objektive Weitblick. Zum einen ist nunmal ein Film ein Film und Buch ein Buch.
Darüber hinaus ist die Rekonstruktion jedes einzelnen Verhaltensmuster und Aktionen der Vergangenheit ein Ding der Unmöglichkeit. Wie oft musste die Geschichte nicht schon umgeschrieben werden, weil neue Funde ans Licht kamen. Aber darum geht es ja nicht.
Die Geschichte und Altertumskunde kann zwar das Leben von früher Rekonstruieren, aber niemals das Leben! Also dürfen Recherchen durchaus mal etwas oberflächig ausfallen. Und solange nicht "Sachbuch" draufsteht ist alles im grünen Bereich.

Artemis

Das beste Beispiel dafür sind ja die Biographien von berühmten Persönlichkeiten. Ob das jetzt Karl der Große, Atilla oder Sissi ist - über jeden wird geschrieben, als habe der Autor stets Mäuschen gespielt und jeden einzelnen Satz aufgeschrieben. Dass so etwas niemals gehen kann, ist vollkommen klar. Es gibt vielleicht Tagebücher und Berichte, aber niemals wird man jeden Moment im Leben einer Person dokumentieren können.

Und was heißt das für den Leser?

Dass das innere Gerüst des Buches zwar stimmt, aber der Rest, im Prinzip also jeder Dialog, jede Handlung, frei heraus erfunden sind. Und das sollen dann historisch belegte Romane sein?  ::)


Zweites Beispiel: Die ganzen Historienschinken á la Iny Lorentz. Ob das jetzt die Wanderhure, die Kastellarin oder was weiß ich wer ist, auch die Story ist von vorn bis hinten erfunden. Vielleicht spielt sie zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Stadt, aber im Grunde ist das alles Fantasy. Klauen wir mal das Datum und den Namen der Stadt, könnte die Story quasi überall und zu jeder Zeit spielen - und trotzdem werden sie als historische Romane in den Himmel gelobt.  :happs:

Aber die böse Fantasy, wo ja alles nur Bla Bla ist und aus der Nase gezogen wurde, das ist natürlich der letzte Scheiß, den die Fans der Historik verdammen...  :wums:

Gemein, so was...  :nöö:

Papiervogel

Nee, ich finde, da hat Immortal Recht.
Wenn ein Roman in einer bestimmten Zeit spielt, sollten die Personen keine Gegenstände benutzen, die damals noch nicht erfunden waren, und wenn eine Person in einen Krieg zieht, käme es schon ganz gut, wenn dieser Krieg auch tatsächlich geführt worden wäre.
Natürlich kann man sich Menschen und Handlungen ausdenken, aber das historische Setting muss schon stimmen.

Chuck

Klar... aber da muss mal eben aufpassen... einen Cäser mit Handy fänd ich jetzt auch nicht prickelnd. Aber ein Cäser mit z.B. bestimmten Waffen, die eigentlich anderen Völkern zugeschrieben waren, ist dann auch ok.
Ein Beispiel:
Aquädukte werden allgemein den Römern zugeschrieben. Ich fände es jetzt aber nicht schlimm, wenn ein Alexander der Große vllt. auch schon mal eins in einer Geschichte baut. Nur eben nicht als Massenprodukt oder ähnliches.

Ryuhi

Hmh, also ich persönlich finde die meisten historischen Romane furchtbar abgegriffen...
Unterdrückung durch die Verhältnisse, sei es nun als von der Obrigkeit unterdrückter Bauer/ Bürger, als von den Männern unterdrückte, unemanzipierte Frau, als unbescholtene Person, die in die Intrigen und Ränkespiele der Kirche gerät...
Wirklich adäquate Beschreibung der Verhältnisse ist eh eher eine Seltenheit, meistens hat man einfach eine in ihren Ansichten völlig moderne Hauptfigur und die bösen Misstände der damaligen Zeit, denen sie trotzen muss.
Gerade wenn es um historische, große Persönlichkeiten geht wird meistens sehr schnell und gern ein grobes schwarz- weiß Raster aufgesetzt, dass den Protagonisten zum edlen Helden und den Gegenspieler zum niederträchtigen Schurken macht; Filme tun dies sogar meist noch mehr als Bücher.
Als Medium der Unterhaltung ist dies sicherlich zu einem gewissen Grad legitim, allein, man sollte nie aus den Augen verlieren, dass historische Romane und Filme sehr leicht das Bild der Leser von der behandelten Materie prägen können.
Über Phantasiewelten wie Mittelerde kann man bedenkenlos (Oder auch nicht ganz so bedenkenlos?) schreiben, was man möchte, schließlich ist es eine ganz und gar eigene Schöpfung. Allein, wer historische Romane schreibt geht seinen Lesern gegenüber eine gewisse Verantwortung ein und sollte diese auch ernst nehmen.
Nun, soviel zu den historischen Romanen und ich hoffe, dass mir all jene, die historische Romane schätzen, meine abfälligen Worte verzeihen mögen. ^^ ()

Zum eigentlichen Thema im Folgenden:

Was braucht Fantasy denn eigentlich, um Fantasy zu sein?
In meinen Augen eines: Magie.
Doch bevor jene protestieren, die hier bereits von Anfang an gegen die magie protestierten, möchte ich mich genauer erklären.
Wenn ich Magie sage meine ich nicht zwangsläufig stabschwingende Magier, sengende Feuerlanzen und mysteriöse, unverständliche Zauberformeln, was ich meine, ist Magie im Sinne der Überwindung des naturwissenschaftlich eigentlich Möglichen, die Erhebung des Geistes über das Stoffliche, oder auch schlicht und einfach die Existenz des Wunderbaren.
Egal ob dies durch Überwesen, geheimnisvolle Kräfte, Welten jenseits der Wirklichkeit, der Greifbarkeit der Seele  oder auch schlicht und einfach Zauberei geschieht, ein solches magisches Element muss vorhanden sein, um Fantasy zu dem zu machen, als das wir es verstehen.
Selbst wenn man eine völlig fiktive Welt schafft, in der Orte, Namen und Geographie erfunden sind, ohne Magie ist dies strenggenommen genauso wenig "Fantasy" wie das Dorf St. Mary Mead, oder ähnliche fiktive Ortschaften in Büchern, die eigentlich in der realen Welt spielen.
Eine Phanatsiewelt, in der alles den irdischen Naturgesetzen gehorcht, mag zwar der Phantasie des Autors entsprungen sein, zur phantastischen Literatur macht es sie jedoch noch nicht.
Selbst mit Elfen, Zwergen oder sogar Drachen ist noch nicht zwangsläufig Fantasy zu machen, wenn diesen Geschöpfen ihre "Magie" fehlt. Wenn Elfen nur etwas langsamer alternde, sensorische überlegene Menschen mit spitzen Ohren sind und Drachen lediglich dinosaurierartige Großreptilien, wenn Einhörner nichts mehr sind als gehörnte Pferde, dann wäre auch eine solche Welt nicht wirklich phantastisch.
Fantasy braucht das Unwirkliche, das Unmögliche und das Wunder, egal in welcher Form, egal ob in wenigen Dingen oder in einer gänzlich andersartigen Welt, aber ohne dies kann keine Fantasy Literatur sein.

Allerdings gibt es natürlich gewisse Grenzbereiche:
Wie sieht es zum Beispiel mit Werken aus, die sich mit parawissenschaftlichen Phänomenen befassen, mit Psi- Kräften, Telepathie und ähnlichem? Ist dies nun schon Science Fiction, auch wenn es in einer Welt ohne fiktiven technologischen Fortschritt spielt, oder ist es Fantasy, auch wenn die Phänomene unter einem parawissenschaftlichen Gesichtspunkt behandelt werden, oder fasst man es schlicht als eigene Gattung auf?
Dann wiederum überschneidet sich Fantasy oftmals mit Horror, wenn es um Alpgestalten, Werwölfe oder Vampire geht.
Und nicht zuletzt, wie verhält es sich, wenn man über eine Zeit schreibt, in der Hexerei, Alchemie und die Existenz von mythischen Geschöpfen unumstritten waren und man sich geschickt in der diffusen Grauzone des Aberglaubens und der Mythen bewegt, ohne klar erkenntlich zu machen,was wirklich ist und was Täuschung, Glaube und Phantasie?

Was das Rechte Maß betrifft, also wie viel der phantastischen Elemente nun wichtig und richtig sind, in dieser Hinsicht habe ich, wie ich glaube die gesamte Bandbreite von der Magie, die in Scharlatanerie übergeht, von dem einen einzigen Quäntchen des Wunderbaren, bis hin zur gänzlich von Magie durchdrungenen Welt, in der Zauberei zum Alltag gehört, magische Geschöpfe vielfältig sind und magischer Fortschritt den technologischen ersetzt oder ergänzt, in der ein oder anderen Form erlebt zu haben.
Und persönlich hatte ich den Eindruck, dass all dies sowohl reizvoll als auch stumpf und langweilig erzählt werden kann. Es gibt wunderbare Geschichten, in denen die "Magie" nur ganz am Rande auftaucht, wie "Der Clan der Otori", aber ebenso solche wie "Die Unendliche Geschichte", die nur so überquellen vor Wunderbaren und Wundersamen.
Wie zuvor schon zu den Elfen gesagt wurde: man kann mit allen Stoffen schöne und gute Geschichten spinnen, solange man seine eigene Geschichte dazu erzählt. Nur wenn man sich selbst, seine Erfahrungen, seine Überzeugung und seine Phantasie, seine eigene Sicht der Dinge benutzt, kann man eine Geschichte schaffen, die nicht bereits "da gewesen" ist.
Geschichten, die mit "ganzem Herzen" geschrieben sind, können sich nur soweit ähneln, wie zwei Menschen sich ähneln können; egal wie viele Gemeinsamkeiten sie haben, wirklich gleichen werden sie sich nie.

Grey

Puh. Also erstmal:

Bist du anstrengend! ;D Wenn deine Sätze ein bisschen kürzer wären, wären sie etwas leichter zu lesen... ^^

Aber zum Inhalt:

Zitat von: Ryuhi am 07. Mai 2007, 18:37:47

Wenn ich Magie sage meine ich nicht zwangsläufig stabschwingende Magier, sengende Feuerlanzen und mysteriöse, unverständliche Zauberformeln, was ich meine, ist Magie im Sinne der Überwindung des naturwissenschaftlich eigentlich Möglichen, die Erhebung des Geistes über das Stoffliche, oder auch schlicht und einfach die Existenz des Wunderbaren.
Egal ob dies durch Überwesen, geheimnisvolle Kräfte, Welten jenseits der Wirklichkeit, der Greifbarkeit der Seele  oder auch schlicht und einfach Zauberei geschieht, ein solches magisches Element muss vorhanden sein, um Fantasy zu dem zu machen, als das wir es verstehen.

Eine Phanatsiewelt, in der alles den irdischen Naturgesetzen gehorcht, mag zwar der Phantasie des Autors entsprungen sein, zur phantastischen Literatur macht es sie jedoch noch nicht.

...

Fantasy braucht das Unwirkliche, das Unmögliche und das Wunder, egal in welcher Form, egal ob in wenigen Dingen oder in einer gänzlich andersartigen Welt, aber ohne dies kann keine Fantasy Literatur sein.


So. Und jetzt sage ich dir, ich glaube fest daran, dass es Magie auch in unserer realen Welt gibt, und was sagst du jetzt? Wenn man sich ein bisschen mit der biologischen Sicht der Sensorik befasst, sieht man, dass es sogar Dinge geben muss, die wir einfach nicht wahrnehmen können, oder die von unserem Gehirn zumindest weggefiltert werden, bevor sie ins Bewusstsein gelangen. Bloß weil bei uns Übernatürlichkeiten immer mit Göttern oder Naturgewalten erklärt werden sollen... vielleicht gibt es da überhaupt keinen Unterschied...
Außerdem sagte ich ja vorher schon, dass ich es für gut halte, zumindest den Bezug zu den äußeren Bedingungen unserer realen Welt beizubehalten. Man benutzt ja auch Menschen, die bekanntermaßen gewisse Umweltbedingungen zum Leben brauchen, sonst wären wir längst auf den Jupiter gezogen. Dinge  hinzufügen kann man immer noch. Und ich behaupte einfach mal, es ist etwas anderes, sich eine ganze Welt mit Völkern und Kulturen auszudenken, als ein einzelnes Dorf mit bereits bekannter Kultur in ein reales Land einzufügen.

Joh. Soviel dazu.

fuxli

Ich finde, Phantastik ist alles, was nicht mit realem Verstand (oder technischen Fortschritt wie bei Sience Fiction) erklärt werden kann, trotzdem aber real passiert.
Fantasy als Untergruppe ist im Prinzip dasselbe, aber obendrein in einer anderen Welt, wobei die Welt nicht unbedingt komplett ausgeführt sein muß. Ein unirdischer Ort genügt.

annorra

Hallo Ryuhi,

interessanter Beitrag von dir. Du hast mit der Magie das angesprochen, was ich auch so sehe: Auch für mich ist das Fantasy recht eng mit Magie verbunden. Ich mag es nicht, wenn da nur andere Ortsnamen genommen werden, aber im Grunde bewegt sich alles nur in der üblichen, oft mittelalterlichen Welt. Ich komme mir da immer veräppelt vor, wenn das unter ,,Fantasy" verkauft wird. Ich liebe schon extremere Fantasy, wo es Magie gibt und zwar in der Vielfältigkeit, wie du sie beschrieben hast – und die soll nicht nur theoretisch in der alten Sage eines Prologs erwähnt sein, sondern die Wesen der Welt sollen davon auch Gebrauch machen.
Auch für mich sind Einhörner etc. noch nicht so richtig Fantasy, wenn die einzige Veränderung im Aussehen liegt, es aber ansonsten ganz normale Pferde sind.

Gut, bei fremden Völkern muss es für mich nicht immer Magie sein, was sie von uns unterscheidet, aber die Kultur sollte schon fremd genug sein, dass ich nicht so empfinde, als sei sie nur eine leicht abgewandelte Form von Mittelalter oder Indianern. Da sollen schon große Unterschiede sein.

Was Greys ,,Einwurf" betrifft, dass es auch in unserer Welt Magie gibt: Schön, aber paradox: Wenn es in unserer realen Welt so viel Magie gibt, warum kommt dann in manchem Fantasy-Buch nichts davon rüber? Warum wirkt es so gewöhnlich auf manche Leser?

Aber ich habe Lust, ein wenig über Magie und Glauben zu philosophieren: Ob man etwas für Magie oder für etwas ,,Normales" hält, ist Glaubens-, Definitions- und Ansichtssache. Magie verdeutet für mich etwas Unmögliches – und sobald etwas bisher Unmögliches in unserer Welt wissenschaftlich erklärt wird, ist es keine Magie mehr für mich, sondern etwas ,,Naturgesetzliches".

Beispiel Taschenlampe: Hätte man den Menschen vom Mittelalter gezeigt, wie man eine Taschenlampe per Knopfdruck an und aus macht, wäre das unerklärbar für sie: Zauberei eben. Heute sind wir aber so daran gewöhnt, dass kaum einer auf die Idee kommt, es für Zauberei zu halten, genau wie alle technischen Geräte. Aber aus einer bestimmten Perspektive ist es Zauberei.

Nach demselben Prinzip funktionieren auch alle Tricks von David Copperfield oder anderen Bühnenzauberern: Ob das Publikum etwas für Zauberei, für etwas Unmögliches hält, hängt von seinem (Un)Wissen um die technische Machbarkeit ab – und vor allem von so etwas wie ,,Gunst" des Publikums an dem Zauberer, was es ihm zutraut und was nicht:

Beispiel: Ich führe einen Trick vor, bei dem ein Becher auf meinem Schreibtisch mit Tischdecke steht und gieße so viel Wasser rein, wie unmöglich ist. Hätte Copperfield den Trick ausgeführt, würde jeder denken: ,,Ah, da steht ein riesiger Eimer unter der Tischdecke und in der Tischplatte und im Becher ist ein Loch!"

Nur: Meine Freunde und Verwandten wissen gut genug, dass ich kein ewig bleibendes Loch in meinen Schreibtisch bohren würde, nur um einen Trick zu zeigen, selbst wenn ich das Loch vertuschen könnte: den Schreibtisch gegen ein gleiches, neugekauftes Exemplar austauschen , wenn die Zuschauer gegangen sind. Jeder meiner Zuschauer weiß einfach, dass ich so einen Aufwand für keinen Trick machen würde. Und damit fällt diese simple Trick-Erklärung weg, damit bleibt dieser Trick für sie erst mal unerklärbar, Magie eben, so lange er von mir und nicht von Copperfield aufgeführt ist, denn im traut man zu, dass er einen Schreibtisch nur für einen Trick durchbohrt.

Die Anerkennung von Magie ist eine Statuserhöhung des Zauberers durch das Publikum: Es bescheinigt dem Zauberer, dass er der ,,Klügere" von ihnen beiden ist.

Aber genug herumtheoretisiert.

Grüße

Annorra

Grey

Zitat von: annorra am 10. Mai 2007, 11:05:32

Was Greys ,,Einwurf" betrifft, dass es auch in unserer Welt Magie gibt: Schön, aber paradox: Wenn es in unserer realen Welt so viel Magie gibt, warum kommt dann in manchem Fantasy-Buch nichts davon rüber? Warum wirkt es so gewöhnlich auf manche Leser?


Das liegt dann wohl am Autor, hmm?  ::)
Außerdem war 'so viel' nicht meine Wortwahl... ich bezweifle, dass es in unserer Welt Magie gibt, so wie sie in Geschichten beschrieben wird, denn: Das ist Fantasy. Ich behaupte nur, dass es in unserer Realität Dinge gibt, die wir uns einfach nicht vorstellen können. ;)
Allgemein ausgedrückt: Alles ist möglich. Auch in unserer Welt. Und darum ist eine neu erfundene Welt, selbst wenn sie nur von Menschen bevölkert ist und unserer in den physikalischen Gesetzmäßigkeiten u.s.w. fast komplett identisch ist, eine FANTASYwelt - in der man dann hinzufügen und verändern kann was man will. Die Lebensweise ihrer Bewohner ist, wie ich finde, da viel entscheidender. Fantasy bedeutet eben: der Fatasie entsprungen, eine Welt, die so nicht existiert mit ihren Bräuchen und Kulturen und Geschehnissen, die nur der Autor beeinflussen kann. Und selbst wenn keine Magie verwendet wird, ist es immer noch Fantasy...


Ryuhi

Grey, das Problem ist, dass nach Deiner Definition auch praktisch jegliche Form von Science Fiction Fantasy ist.
Solange in einer der Phantasie entsprungenen Welt unsere Naturgesetze in der uns bekannten Form herrschen, ist die Welt auch nicht wirklich mehr als ein fiktiver Planet, oder auch ein fiktiver alternativer Verlauf der Erdgeschichte, usw...
Sicherlich, du bedienst Dich hierbei genauso deiner Phantasie und Vorstellungskraft, also deiner Kreativität, aber das tust Du bei jeder Form von Fiktion schlussendlich. Die Frage ist dann, wo Du die Grenze ziehst.
Ab wann ist es denn Fantasy für Dich? Reicht schon ein fiktives Land?
Die meisten Bücher von Tonke Dragt spielen in fiktiven Ländern, als Fantasy werden sie allerdings dennoch nicht gesehen.
Wo also beginnst Du? Wo ist der "Unterschied", den Du postulierst?

Und zu den nicht wahrnehmbaren/ nicht vorstellbaren Dingen:

Klar gibt es die, aber das hat nichts mit Magie oder auch nur Parawissenschaft zu tun! ^^
Kannst Du Protonen sehen? Bist Du in der Lage, Dir ein Eich- Boson, die "Farben" eines Quarks, oder auch nur ein Photon wirklich vorzustellen? 
Die Physik, gerade die Quantenphysik arbeitet schon lange mit nicht mehr vorstellbaren Dingen, sehr viel länger sogar schon mit solchen, die man nicht sehen kann.
Trotzdem können wir mit solchen Objekten arbeiten, sie messen oder Theorien und Modelle für sie erstellen.
Wenn es tatsächlich Übernatürliches, Magisches oder Göttliches gibt, dann muss es da zumindest einen gewissen Unterschied zum physisch- stofflichen geben, denn warum sonst konnte man es bisher noch in keinster Weise nachweisen?

Als religiöser Mensch glaube ich ja in gewisser Weise auch an ein übernatürliches Element, allein, der Unterschied liegt in ihrer Greifbarkeit, sprich, in unserer Welt "existiert" das Übernatürliche, so es den existiert, wohl auf einer vom physischen getrennten Ebene.

Auf Deine Frage also eine Gegenfrage, wie erklärst Du Dir den offenkundigen Unterschied zwischen physikalischen Phänomenen und Übernatürlichem weg?

@annorra:

Zu den fremden Völkern...
Nun, das Problem ist da eben meistens die Trennung zwischen "Phantasievölkern" und "Aliens", also zu denen, die man sich in unserem Universum auf einem anderen Planeten vorstellen könnte und denen, die wirklich nur in einer Phantasiewelt existieren können.
Aber natürlich müssen nicht alle fremden Völker in einer Phantasiegeschichte auch magisch sein, Zwerge und Orks sind das ja beispielsweise für gewöhnlich nicht.
Das Problem ist natürlich, dass man mit bestimmten Völkern eben automatisch Fantasy verbindet.
Aber ansonsten ist es auch nicht anders als mit den Einhörnern.

Tja, das mit der Magie ist wirklich eine knifflige Sache, deshalb auch mein Einwand bezüglich Parawissenschaften...
Ich meine, wenn du herausfindest, dass bestimmte Personen in der Lage sind, durch eine spezielle Ausprägung in ihrem Gehirn die Gedankenimpulse anderer auffangen und auswerten können, also telepathisch begabt sind und Du das auch wissenschaftlich erklären könntest, wäre das ja auch keine Magie mehr...
Wir können uns heute viel mehr erklären oder uns zumindest ein mögliches Erklärungsmodell denken.
Ich könnte zum beispiel vermuten, dass dein Becher eine dicke, ausgehöhlte Wand aufweist, die zusätzliches Wasser aufnimmt, oder dass es sich über extrem dünne kapillare ableitet, oder ähnliche Erklärungen.

Ich denke "Magie" beginnt da, wo man wirklich völlig neuartige, bisher unbekannte Phänomene annehmen müsste, wie zum Beispiel die Existenz einer Art von magischen Kraftfelds, das andere Arten von Feldern beeinflussen kann und das Menschen mit ihrem Geist verändern können, u.ä.

Ich glaube schon, dass Magie auch in einem Fantasy- Roman "erklärbar" sein darf, aber es sollte eben nicht direkt aus unseren Naturgesetzen möglich sein (Wie das Telepathie- Erklärungsmodell)...

@fuxli: Hmh, ja, aber es gibt ja auch Fantasy, die in einem historischen Setting spielt...
Wieso ist dann Harry Potter Phantastik und eine Geschichte zu König Arthurs Zeiten nicht?
Ich persönlich finde diese Einteilung etwas willkürlich...

Hr. Kürbis

Mit dieser ganzen Einteilung ist es wie mit allen anderen Einteilungen auch...
Es ist immer alles so schwammig oder fest und unverrückbar wie man selbst es sieht. Deswegen ist auch die Diskussion um eine genau Festlegung unnötig. Es gibt immer eine andere, eigene Definition.

Ryuhi, was du in deinem (interessanten) Megaposting geschreiben hast, hört sich für mich sehr nach High-Fantasy an (wenn man denn einen Namen für das Kind haben muss). Es gibt aber Fantasy Geschichten/Romane, die fast gänzlich ohne diese (praktizierte) "Magie" auskommen und sich gänzlich darauf beschränken, andere (fiktive) Welten, ihre Historie, ihre Flora und Faune, ihre Völker etc. zu schildern.
Klar, dann kann man sagen das auch Science-Fiction dazugehört, aber ich denke mal, es kommt auf das "Wie" in einer Geschichte an.
Das ist wie mit der Industrialisierung, wenn ich den Vergleich mal heranziehen darf. Vorher war die Arbeit handgemacht, danach ließ man sie immer mehr die Technik machen. Denn das ist der einzige Unterschied.
In der Fantasy ist die Magie die treibende Kraft einer für uns eigentlich "rückständigen" Welt, die doch aus unserer Sicht unmögliches schafft.
Science-Fiction wiederum bezieht ihre Möglichkeiten aus einer (un-)vorstellbaren Weiterentwicklung von Technik, die rasend voranschreitet.
Fantastische Lebensformen, Welten und dergleichen haben aber beide.

Wobei es auch bei meiner Definition natürlich auch wieder massig Löcher, Widersprüche und Überschneidungen gibt. Aber das Genre ist wohl eines der weitesten, das die Unterhaltungsliteratur kennt. Und darum lieben wir es doch, oder?  ;)