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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Maja am 24. August 2019, 06:56:55

Titel: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Maja am 24. August 2019, 06:56:55
Frage: Was kann man den Lesern zumuten? Ich denke, dass erwachsene Leser ziemlich abgebtüht sind, wo es um detaillierte Beschreibungen von Knochen,  Blut und Gedärmen geht, insbesondere in der High Fantasy. Aber wie sieht es mit anderen Sachen aus?

Ich stehe hier gerade beim Überarbeiten vor einer Szene, wo eine alkoholkranke Hauptfigur, die sich fast zu Tode getrunken hat, in ihrem Erbrochenen liegt. Details gibt es keine, nur die Feststellung, dass es so ist,  und mein Mann meint, das ist schon zu viel, und ich soll nur schreiben, dass er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Meine Betaleser haben drum gebeten, dass ich dem Thema Alkohol etwas weniger Platz eintäume, als ich es in der ersten Fassung getan habe, und das beherzige ich ich brav - es geht mir wirklich nicht darum, meine Leser zu ekeln oder zu vergraulen. Was aber drin bleibt, ist, dass dich Kevron bewusstlos trinkt, und an der Stelle will ich auch nichts verherrlichen oder beschönigen. Und man kann sich nicht schön bewusstlos trinken.

Was würdet ihr in so einer Situation machen? Voll mit der Kamera drauf, je härter, desto besser, im Dienste des Realismus und zur Abschreckung? Oder wirklich auf die Feststellung beschränken, dass Puls und Atmung immerhin noch vorhanden sind?

Danke für eure Anregungen! Da wir generell noch keinen Thread zum Thema "Zumutbares" haben, steht dieser jetzt für alle Fragen dieser Art offen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Wildfee am 24. August 2019, 07:57:14
Nein, ich würde nicht direkt draufhalten. Wenn ich mich bewusst triggern lassen möchte, lese ich entsprechende Genres.

Bei Thrillern, Krimis und Horror und auch in Teilen von Fantasy weis ich, dass es extremere Beschreibungen geben kann. In einem normalen Fantasyroman erwarte ich keine Szenen, in denen Blut spritzt, Gedärme irgendwo heraushängen oder in denen der Held oder die Heldin betrunken in ihren eigenen Körperflüssigkeiten liegen.

Ich habe mal einen eigentlich guten Roman einer lieben Bekannten abgebrochen und nicht wieder angefasst, weil sie ihrer 13jährigen Heldin bei der Geburt ihres Kindes das Becken gebrochen hat.
Das war in meinen Augen absolut und vollkommen überzogen, weil es dramaturgisch nicht notwendig war. Hoher Blutverlust, lange schwere Geburt hätten gereicht, aber so drastisch, wie die Geburt beschrieben war, war es definitiv nicht nötig.

Also von daher ganz generell für mein Empfinden: Nur dann draufhalten, wenn es für den Verlauf der Story unbedingt notwendig ist.
Gilt für mich auch für Sexszenen, obwohl ich Liebesromane liebe. Das muss angekündigt sein, und wenn es nur das eine Wörtchen "romantisch" im Klappentext ist.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Anila am 24. August 2019, 08:01:50
Guten Morgen Maja,

Ich mag als Ärztin da abgebrüht sein aber so kommen stark alkoholisierte Menschen in die Notaufnahme, in ihrem Erbrochenen, und bedeckt mit den anderen Körperflüssigkeiten. Ich finde das gehört so beschrieben, schon um die Dimension (optisch und olfaktorisch) der Selbstzerstörung zu begreifen.

LG aus dem Nachtdienst (Bett ich komme..)
Anila



Liebe Wildfee,
Lustig das Du genau das Gegenteil geschrieben hast.. wie gesagt bei mir könnte ein gewisser Abstumpfungsgrad vorliegen, aber um den Grad eines "Absturzes" zu charakterisieren finde ich es deutlich anschaulicher Einzelheiten zu schreiben, als wenn Einer einfach das Bewußtsein verliert... bin gespannt welche Meinungen noch kommen..
Bei Gewalt und Sex stimmt ich Dir übrigens zu, deswegen vll doch Berufsproblem.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Christian am 24. August 2019, 08:08:01
Ich mag zwar die Kategorie "Nicht schön, aber (gar nicht so) selten" und würde es gern etwas ausführlicher und in seiner ganzen hässlichen Pracht lesen, aber ich habe da so ein (nennen wir es ...) Gefühl, dass es am Ende sowieso gestrichen wird. Auch wenn viele (gerade in meinem Genre) gern meinen, es so realistisch haben zu wollen, ist Realismus gar nicht gern gesehen. Mag noch jemand heißen Brei? ;D
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Yamuri am 24. August 2019, 08:26:33
Das ist eine wirklich schwierige Frage, die ich mir ja auch beim Betalesen gestellt habe. Einerseits bin ich eine Verfechterin des authentisch Darstellens, andererseits ist das Thema Alkoholmissbrauch ein Thema, dem man einen eigenen Roman widmen könnte. Es sollte daher nicht zu stark im Vordergrund sein, weil es nicht das Hauptthema der Reihe ist. Wenn Kevron sich bewusstlos trinkt, würde ich an sich aber auch nichts beschönigen wollen, einfach weil es ein ernstes Thema ist und weil ich es an sich gut finde abzuschrecken, mich nur eben frage ob das zu deinem Projekt passt, wenn du es zu detailliert machst.

Ich denke ich würde es so handhaben, dass ich mit Ausblenden arbeiten würde. Bis zu einem bestimmten Punkt würde ich beschreiben was Kevron tut, vielleicht auch einen inneren Kampf einflechten, den er verliert. Beschreiben wie er weiter trinkt, und weiß, der Alk hat ihn jetzt wieder fest im Griff, vorbei die Fortschritte des Entzugs. Auf das Psychische vielleicht etwas mehr eingehen und dann ausblenden. Wenn du wieder zu Kevron zurückkehrst die Bewusstlosigkeit darlegen, wobei ich durchaus reinschreiben würde, wenn er im Erbrochenen liegt. Ich schätze ich würde es tatsächlich mehr auf verschiedene Feststellungen beschränken und nicht zu detailliert werden. Denn du schreibst Fantasy und nicht Horror. Bei Horror würde ich anatomisch genaue Szenen erwarten, bei Fantasy weniger, da stören sie eher. Daher mein Gedanke mit Ausblenden zu arbeiten und dann eben auf wesentliche Fakten beschränken.

Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Christopher am 24. August 2019, 08:34:43
Hm. Ich sehe da einen anderen Punkt:
Ebenso wie bei Sex- und Kampfszenen, kann es eher hinderlich sein mehr ins Detail zu gehen. Die Lücken füllt ein Leser für sich selbst und wird dabei so extrem/unextrem wie er/sie möchte. Zu viel Detailreichtum schränkt das Vorstellungsvermögen ein und gibt ihm keinen Spielraum. Ich würde mich daher auf 1-2 der extremsten Empfindungen die dein Charakter dabei hat beschränken, die ggf. die anderen Sachen die alle dazu gehören quasi unabdingbar machen. Wer mit kratzen im Hals in seinem eigenen Erbrochenem liegt, wird generell nicht besonders sauber sein z.B.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Angela am 24. August 2019, 09:01:52
Ein Punkt würde mir reichen, seine Ausdünstungen, (wenn es dann nicht sogar Schlimmeres gibt). Das ist etwas mit dem jeder von uns Erfahrung gemacht hat bei Trinkern. Er stinkt nach ...
Das wäre mir eklig genug.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: KaPunkt am 24. August 2019, 09:16:04
So wie du es jetzt beschreibst würde ich es drinlassen.
Er ist bewusstlos und liegt in seinem Erbrochenem. Das ist so. Du musst ja nicht weiter auf Geruch, Konsistenz etc. eingehen. Und nur was geschrieben ist, hat eine Chance, nicht gestrichen zu werden.
Vielleicht bin ich ebenfalls abgestumpfter (auch wenn ich nicht wüsste, woher), aber ich bin bei @Anila.
Oder du machst es wie Angela vorschlägt, gehst auf ein sensorisches Detail ein und überlässt den Rest der Phantasie des Lesers.

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Anila am 24. August 2019, 09:22:47
Ich glaube schon auch das ein Mittelweg richtig ist: es muss nicht jedes unappetitliche Detail beschrieben sein, weil da bin ich ganz bei Christopher, der Leser hat ein Recht sich das nach seinem Geschmack auszumalen.

Trotzdem finde ich es ist ein Unterschied (ohne das ich Kevron kenne) ob jemand elegant das Bewußtsein verliert wenn er zu schnell oder zu viel getrunken hat oder ob man so dicht ist, dass man sich übergibt und einfach drin liegen bleibt.. Dabei ginge es mir gar nicht um eklig oder schockierend sondern darum den Grad des Trunken- und vielleicht auch Kaputtseins zu beschreiben.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Tintenteufel am 24. August 2019, 09:24:10
Ich greife mir für mein Argument mal ein Zitat von @Wildfee heraus, obwohl ich den Gesamtpunkt verstehe.
Zitat von: Wildfee am 24. August 2019, 07:57:14
Nein, ich würde nicht direkt draufhalten. Wenn ich mich bewusst triggern lassen möchte, lese ich entsprechende Genres.

Das ist für mich keine Frage des Genres, sondern des Stils. Wenn ich Tolkien lese, erwarte ich keine heraushängenden Gedärme - bei GRRM sehr wohl. Es gibt Horrorromane, die vergleichsweise zahm, wegen ihrer psychologischen Finesse aber unglaublich gut sind, genau wie es explizite und lächerliche Horrorwerke (Saw etc.) gibt.

Ich denke das musst du mit dir selbst ausmachen, Maja. Es gibt für alles ein Publikum, für manche Sachen aber eben nur ein kleines. Da spielen dann auch Fragen der Schuldigkeit eine Rolle: Willst du explizit die schlechten Auswirkungen von Alkohol zeigen? Oder ist das "nur" ein Plotpoint, der abgehakt werden soll? Soll es ekeln, Mitleid erwecken, abschrecken usw. usf. Das sind künstlerische (d.h. ästhetische) Entscheidungen, die nicht von Genrekonventionen abgedeckt werden.

Persönlich würde ich sagen, dass ein Autor bei lebensnahen Situationen (wie Alkoholismus, der jährlich 74.000 Menschen in Deutschland tötet) auch eine lebensnahe Beschreibung schuldig ist. Keine abschreckende, aber eine realistische. Das ist nur eine Frage des persönlichen Stils. Ich würde Christopher da ansonsten vollumfänglich zustimmen. Ist aber allein deine künstlerische Verantwortung, die kann dir keiner abnehmen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Zit am 24. August 2019, 09:29:19
Hat der Leser einen Mehrwert davon, so angeekelt zu werden? Passiert da in der Charakterentwicklung etwas, das man nur in diesen Zustand der Figur erkennt oder hat es direkte Plotrelevanz, dass er da soooo abstürzt und du jedes Detail beschreibst? Ich sehe es eher wie Yamuri. Ist es ein Roman, in dem es hauptsächlich um Kevron und sein Alkoholproblem geht, dann kannst du da ins Detail gehen. Ist das nur Kevrons persönliche Schwäche in einem sonst anders gelagertem Foman, würde ich bei Statements bleiben. Vielleicht auch das Fasttotsaufen überspringen und gleich da bleiben, dass er im Erbrochenen aufwacht und nun in aller Schande seinen Dreck aufwischen und sich reinigen muss.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Wildfee am 24. August 2019, 09:34:05
Zitat von: Tintenteufel am 24. August 2019, 09:24:10
Ich greife mir für mein Argument mal ein Zitat von @Wildfee heraus, obwohl ich den Gesamtpunkt verstehe.
Zitat von: Wildfee am 24. August 2019, 07:57:14
Nein, ich würde nicht direkt draufhalten. Wenn ich mich bewusst triggern lassen möchte, lese ich entsprechende Genres.
Das ist für mich keine Frage des Genres, sondern des Stils. Wenn ich Tolkien lese, erwarte ich keine heraushängenden Gedärme - bei GRRM sehr wohl. Es gibt Horrorromane, die vergleichsweise zahm, wegen ihrer psychologischen Finesse aber unglaublich gut sind, genau wie es explizite und lächerliche Horrorwerke (Saw etc.) gibt.

danke  :jau: das war mein Punkt  :)
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Alina am 24. August 2019, 10:02:23
Also spontan würde ich sagen, die Information, dass die Figur in ihrem Erbrochenen liegt, würde ich dem Leser geben.
Ich finde, diese Einzelheit ist hilfreich, die Situation - auf den ersten Blick hin - einzuschätzen und ich bekomme als Leserin eine deutlich bessere Vorstellung von der Szene als wenn ich nur erfahre, die Figur ist bewusslos (Bewusstlosigkeit erkennt man ja auch nicht auf den ersten Blick?) Weitere Einzelheiten würde ich aber glaube ich nicht unbedingt lesen wollen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Coppelia am 24. August 2019, 10:13:20
Für mich klingt es eher harmlos (bin vielleicht abgebrüht? ;D), und ich hätte gar kein Problem damit. Bei solchen Sachen denke ich mir tendenziell: Was ich gern im Text hätte, darf in den Text. Wenn man das Glück hat, ein Lektorat zu haben, was ja in deinem Fall gegeben ist, kann das Lektorat im Zweifelsfall anmerken, dass etwas gestrichen werden soll. Ich hänge nicht an jedem Detail.
Wenn man aber ein schlechtes Gefühl hat, während man es schreibt, weil man es selbst als zu viel empfindet, würde ich es rausnehmen.
Natürlich trägt alles, was man schreibt, dazu bei, sich ein Image als Autor*in zu erarbeiten und die weiteren Erwartungen der Leser*innen zu beeinflussen, das muss man bedenken. Ich denke, von der Genre-Konvention her ist dieses Detail kein Problem.

ZitatGilt für mich auch für Sexszenen, obwohl ich Liebesromane liebe. Das muss angekündigt sein, und wenn es nur das eine Wörtchen "romantisch" im Klappentext ist.
Gilt das Wort "romantisch" als Kennzeichen für Sexszenen im Text? Das würde mich echt mal interessieren. Ich würde eher andere Wörter erwarten; was weiß ich, "leidenschaftlich" oder so. Denn ich kann mir gut nicht romantische Sexszenen vorstellen und habe tendenziell den Eindruck, dass in "romantischen" Texten höchstens geküsst wird, aber ich kenne mich in dem Genre nicht so aus. :rofl:
Meine Storys enthalten fast alle Sexszenen, aber sie als "romantisch" zu bezeichnen, würde völlig falsche Erwartungen wecken. GRRM hat übrigens auch Sexszenen in seinen Romanen. ;)
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Jen am 24. August 2019, 10:33:45
Als in Heitz' Legenden der Albae direkt im Prolog Augen zerstochen wurden, wusste ich immerhin, dass ich dieses Buch nicht lesen möchte. Triggerwarnungen oder Ekelhaftes direkt zu Beginn finde ich sinnvoll. Bei Erbrochenem wäre die Triggerwarnung z.B. für (ggf. ehemals) Bulimiekranke sinnvoll.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Gizmo am 24. August 2019, 10:56:08
Zitat von: KaPunkt am 24. August 2019, 09:16:04
So wie du es jetzt beschreibst würde ich es drinlassen.
Er ist bewusstlos und liegt in seinem Erbrochenem. Das ist so. Du musst ja nicht weiter auf Geruch, Konsistenz etc. eingehen. 

Ich sehe das wie KaPunkt. Dass er sich bewusstlos getrunken hat und nun in seinem Erbrochenen liegt, ist (für mich) zunächst einmal eine Information, die ich als Leser verarbeiten kann. Ich kann es mir näher ausmalen oder nicht, aber es ist wichtig. Es zeigt die Umstände, charakterisiert Kevron weiter, und ist auch wichtig, wie z.B. andere Charaktere auf ihn reagieren, falls sie ihn finden.

Näher ausgestalten würde ich es ebenfalls nicht, weil ich selbst ungern Schlachtplatte oder so etwas im Detail lese. So bleibt mir selbst überlassen, wie genau ich mir alles vorstelle, und mir ist selten eine detaillierte Darstellung von Blut, Gewalt usw. begegnet, die einen wirklichen Mehrwert für die Geschichte hatten. Damit meine ich jetzt natürlich nicht Genres wie Horror, wo das z.T. erwartet wird.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Trippelschritt am 24. August 2019, 11:27:48
Ich befürchte, Maja, dass es auf Deine Frage keine Antwort gibt. Ob Du mit der Kamera voll drauf hältst oder nicht, hängt u.a. von der Gesamtstimmung Deiner Geschichte ab. Und von der Frage, was die Nahaufnahme für Deine Geschichte bringt. Wenn es nichts bringt, kannst es getrost streichen.

Viel wichtiger ist aber wie du beschreibst. Denn das kannst du klinisch kalt tun oder extrem bildhaft. In gewisser Weise ähnelt die Frage nach "Wie viel Ekel?" der Frage nach sexuellen Details. Da ist die übereinstimmende Meinung, dass das, was die erotische Spannung ausmacht, selten die Beschreibung des Vorgangs ist, weil er dem Leser bekannt ist. Und die Ausnahme Pornographie zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, aus etwas, das jeder kennt noch etwas herauszuholen.

In diesem Fall geht es möglicherweise ebenfalls um eine starke Gefühlsreaktion. Welche möchtest Du denn erzeugen? Ist es wirklich Ekel? Oder Mitleid mit wem auch immer? Dem Betrunkenen, seinen Angehörigen, dem Fachpersonal, die sich darum kümmern müssen etc. Und schon sind wir wieder bei der Funktion der Szene.

Übrigens sind die Vergewaltigungs- und Folterszenen bei George Martin auch nicht unbedingt gut bei der Leserschaft angekommen, wie ich mich an eine alte Diskussion erinnere. Nach der Meinung recht vieler Leser erschienen sie aufgesetzt und des Effekts wegen geschrieben. Wenn das die Reaktion ist, schwächt es die Geschichte.

Ich hätte Dir gern eine einfachere Antwort gegeben.

Wird schon
Trippelschritt
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Coppelia am 24. August 2019, 11:42:44
Mir ist noch ein Aspekt eingefallen, den ich für recht wichtig halte. Ich hatte mal eine Geschichte, in der jemandem der Bauch aufgeschlitzt wurde. In der Szene habe ich absichtlich auf alle Details verzichtet. Rückmeldung einer Betaleserin: Die Szene sei so schlimm, ich solle doch bitte all die schrecklichen Details rausnehmen. Ich habe die Szene noch mal gelesen, sie gefragt, was sie meint. Daraufhin nannte sie zahlreiche Details. Nur dass keins davon im Text stand.
Man hat als Autor*in wohl nur bedingt Einfluss darauf, was im Kopf der lesenden Personen abgeht. Wenn man es schafft, mit wenigen Worten ein lebhaftes Kopfkino zu erzeugen, spricht das vermutlich irgendwie für die Qualität des Textes, aber vielleicht sind die Folgen dann traumatischer, als es die Schilderung von Details wäre. Es ist gut möglich, dass Leser*innen unter Details leiden, die nie im Text standen, aber in ihren Köpfen sind, und sich ggf. auch in Rezensionen darüber beschweren. Wenn man negative Reaktionen auf alle Fälle verhindern möchte, muss man sich wohl die Inhalte insgesamt verkneifen. Nicht dass ich diesen Weg in jedem Fall gehen möchte.

@Trippelschritt
Mit Sexszenen meinte ich nicht Vergewaltigungs-Szenen, um das klarzustellen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Christian am 24. August 2019, 11:59:28
Zitat von: Coppelia am 24. August 2019, 11:42:44
Rückmeldung einer Betaleserin: Die Szene sei so schlimm, ich solle doch bitte all die schrecklichen Details rausnehmen. Ich habe die Szene noch mal gelesen, sie gefragt, was sie meint. Daraufhin nannte sie zahlreiche Details. Nur dass keins davon im Text stand.
Das habe ich auch schon einige Male als Rückmeldung erhalten.

Zitat..., aber vielleicht sind die Folgen dann traumatischer, als es die Schilderung von Details wäre.
Wenn ich darüber nachdenke, geht es mir als Leser eigentlich so. Mein Kopfkino ist in der Regel schlimmer als tatsächliche Details, wenn sie im Text stehen und eigentlich bin ich dann für Details im Text ganz dankbar. Wie es hier im konkreten Fall wäre, kann ich aber nicht sagen, weil mich das nicht sonderlich berührt. Ich weiß, wie so etwas in der Realität aussieht und ich weiß wie es sich anfühlt.

ZitatWenn man negative Reaktionen auf alle Fälle verhindern möchte, muss man sich wohl die Inhalte insgesamt verkneifen. Nicht dass ich diesen Weg in jedem Fall gehen möchte.
Hmm, ja, nein ... Ich habe mich bei einem Buch davon überzeugen lassen, bestimmte Dinge rauszunehmen und ich habe die Argumente verstanden und eigentlich stehe ich auch noch hinter der Entscheidung (die ja letztlich meine gewesen ist), aber das hat mir auch negative Reaktionen eingebracht, dass das Buch zu lasch, zahm und blutarm sei. Andere finden es hingegen brutal. Ich selber empfinde es als ... "glatt". ;D
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Ilva am 24. August 2019, 12:02:44
Zitat von: Jen am 24. August 2019, 10:33:45
Als in Heitz' Legenden der Albae direkt im Prolog Augen zerstochen wurden, wusste ich immerhin, dass ich dieses Buch nicht lesen möchte. Triggerwarnungen oder Ekelhaftes direkt zu Beginn finde ich sinnvoll. Bei Erbrochenem wäre die Triggerwarnung z.B. für (ggf. ehemals) Bulimiekranke sinnvoll.
Das finde ich z.B. fast wichtiger als die Frage, ob es drin sein soll oder nicht. Wenn früh im Buch eine krasse Szene drin ist, dann passt das für mich. Wenn vorher alles Friede Freude Eierkuchen war, dann würde ich vielleicht nicht allzu sehr ins Detail gehen - ausser natürlich, du willst die Leser richtig schockieren. Von dem her würde es mir viel mehr darum gehen, dass die krassen Szenen ähnlich krass sind (entsprechend dem Plot natürlich). Da schliesse ich mich der "Tolkien vs GRRM"-Fraktion an.

Ich würde die Szene drinlassen, ausser sie tanzt völlig aus der Reihe. Hier würde mich nicht nur die Tatsache interessieren, dass er in seinem eigenen Erbrochenen liegt, sondern v.a. was er empfindet, wenn er aufwacht (und nein, ich meine nicht einfach den Kopfschmerz :D). Oder die Person, die ihn findet.

Bei Fernsehserien macht man das auch häufig, dass in der ersten Folge irgendwas sehr Heftiges passiert. Gibt auch einen bestimmten Ausdruck dafür, den ich leider vergessen habe.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Christopher am 24. August 2019, 12:34:54
Zitat von: Christian am 24. August 2019, 11:59:28
Zitat..., aber vielleicht sind die Folgen dann traumatischer, als es die Schilderung von Details wäre.
Wenn ich darüber nachdenke, geht es mir als Leser eigentlich so. Mein Kopfkino ist in der Regel schlimmer als tatsächliche Details, wenn sie im Text stehen und eigentlich bin ich dann für Details im Text ganz dankbar. Wie es hier im konkreten Fall wäre, kann ich aber nicht sagen, weil mich das nicht sonderlich berührt. Ich weiß, wie so etwas in der Realität aussieht und ich weiß wie es sich anfühlt.

Meine Rede. Jetzt ist natürlich die Frage: Warum stellst du dir das schlimmer vor, als es beschrieben ist, und kann das was du dir vorstellst, oberhalb deiner "Schmerzgrenze" liegen? Was Coppi da beschreibt, zeigt, dass es zumindest einigen so gehen kann. Ich denke aber nach wie vor, dass das offen lassen die bessere Variante ist. Es gibt dem Leser mehr Freiraum und die Möglichkeiten für Fehler/zu viel Details sind einfach kleiner.

Aber das Thema, ob die eigene Vorstellung die ein Leser erzeugt oberhalb seiner Schmerzgrenze liegen kann, bzw. wie oft das vorkommt, wäre einen eigenen Thread wert.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Trippelschritt am 24. August 2019, 14:18:03
Zitat von: Coppelia am 24. August 2019, 11:42:44
@Trippelschritt
Mit Sexszenen meinte ich nicht Vergewaltigungs-Szenen, um das klarzustellen.

Ich hatte auf Dein Posting auch gar nicht angespielt. Ich meinte Martins (Halb)vergewaltigungen. Sie waren für den Fortgang der Handlung nicht nötig und wären deshalb besser unterblieben.
Das war es schon.

Trippelschritt
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Maja am 24. August 2019, 21:51:36
Ich denke nicht, dass Triggerwarnungen in meinem Fall, bei einem Buch für Erwachsene, das grundsätzlich an Grausamkriten spart, die richtige Lösung sind. Ich hielte es für Hohn, allein für die Erwähnung des Wortes "Erbrochenes" eine Warnung an eventuelle ehemalige Bulimiekranke auszusprechen, wenn die Szene tatsächlich Gefahrpotenzial für (trockene) Alkoholiker mitbringt. Und Alkoholiker müssen lernen, mit der Existenz von Alkohol zu leben, da ist die Supermarktkasse gefärlicher als ein Roman.

An der Stelle kann man es auch übertreiben, sonst müsste ich echt alles mit Triggerwarnungen versehen, weil jeder Mensch mit irgendwas traumatische Wrfahrungen gemacht haben kann und damit leben muss, dass sie existieren - ich bekomme Angst, wenn ich Männer in einer bestimmten Tonlage herumkrakrlen höre, seit ich einmal zusammengeschlagen worden bin. Da muss ich kernrn, meine Angst zu bewältigen, statt zu verlangen, dass Männer nicht mehr krakelen dürfen.

Für ein einziges Wort halte ich Triggerwarnungen für unangemessen, sie wirken oft reißerisch und sensationsgeil und bauschen Situationen unnötig auf. Bei langen, ausführlichen Beschreibungen halte ich einen grundsätzlichen Hinweis für angebracht - nicht unbedingt unter dem Titel "Triggerwarnung", was daran liegen kann, dass ich dieses Wort verabscheue, aber da hilft es, wenn das im Klappentext so verpackt wird, dass der, der gerne solche Szenen liest, angesprochen wird und der, der das nicht mag, die Hände davon lässt. Warnungen haben zu oft eine allein abschreckende Wirkung, das kann man auch neutraler verpacken.

Zurück zu meiner Szene: nach euren Kommentaren denke ich, die grundsätzliche Erwähnung des Erbrochenen sollte zumutbar sein, aber keine Details (Farbe, Konsistenz, Geruch), das kann der Leser im Zweifelsfall im Geiste ergänzen. Es ist auch in meinen Augen ein Unterschied, ob ich neutrale Worte wie "erbrechen" und "sich übergeben" verwende oder vulgäre Ausdrücke, die einen höheren Ekelfaktor mitbringen.

Ich glaube, aus eigener Erfahrung, dass eingefleischte Antialkoholiker (wie ich selbst einmal war) diese Szene so oder so als ekelig empfinden werden, allein durch die Situation, dass sich da eine Figur buchstäblich ins Koma getrunken hat, und für die der ganze Handlungsbogen eher unangenehm ist, mit Erbrochenem oder ohne. Ich lasse den Halbsatz also drin, aber ich spare mir alle Ausschmückungen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Golden am 24. August 2019, 23:07:39
Wäre in so einer Szene nicht das Einbringen von "Ekeldetails" gut, um dem Ekel der anderen Figuren mehr Gewicht zu geben? :hmmm:
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Churke am 24. August 2019, 23:55:59
Zitat von: Maja am 24. August 2019, 06:56:55
Ich stehe hier gerade beim Überarbeiten vor einer Szene, wo eine alkoholkranke Hauptfigur, die sich fast zu Tode getrunken hat, in ihrem Erbrochenen liegt. Details gibt es keine, nur die Feststellung, dass es so ist,  und mein Mann meint, das ist schon zu viel, und ich soll nur schreiben, dass er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Ehrlich gesagt finde ich deine Szene bereits geschönt. Du bewegst dich damit in der Komfortzone der Realität. Alkies sind so. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Ekel-Szene, die sich der Autor aus den Fingern gesogen hat. Wenn du den Alkie zensierst, unterschlägst du dem Leser wesentliche Informationen über die Figur.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Maja am 25. August 2019, 05:02:38
Zitat von: Churke am 24. August 2019, 23:55:59
Zitat von: Maja am 24. August 2019, 06:56:55
Ich stehe hier gerade beim Überarbeiten vor einer Szene, wo eine alkoholkranke Hauptfigur, die sich fast zu Tode getrunken hat, in ihrem Erbrochenen liegt. Details gibt es keine, nur die Feststellung, dass es so ist,  und mein Mann meint, das ist schon zu viel, und ich soll nur schreiben, dass er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Ehrlich gesagt finde ich deine Szene bereits geschönt. Du bewegst dich damit in der Komfortzone der Realität. Alkies sind so. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Ekel-Szene, die sich der Autor aus den Fingern gesogen hat. Wenn du den Alkie zensierst, unterschlägst du dem Leser wesentliche Informationen über die Figur.
Ja, das ist der Grund, warum ich es jetzt dringelassen habe - weil es sonst einfach nicht ehrlich ist. Und wenn es eine Sache am ersten Teil gibt, die Rezensenten gelobt haben, dann meine Ehrlichkeit im Umgang mit den Figuren. Auch wenn Kevron Hauptfigur und Sympathieträger ist und ihn diese Sache viele Leserstimmen kosten kann, ist das eben so. Genauso wie klar ist, dass Kevron zwar immer wieder eine Zeitlang ohne Alkohol auskommen kann und trotzdem immer wieder rückfällig werden wird - ich finde es so verlogen, wenn in einem Roman eine Figur als schwerer Trinker anfängt, dann die Erleuchtung hat, sich zusammenreißt, keinen Tropfen mehr anrührt und ein großer Held wird.

So funktioniert das leider nicht, und erst recht nicht in einer mittelalterlich geprägten Fantasygesellschaft, in der es keinen medizisch begleiteten Entzug gibt. Er wird sich nicht innerhalb der Trilogie zu Tode zu trinken, aber er ist alkoholkrank und wird es bleiben. Es tut mir ein bisschen für die Leser leid, denen das unangenehm ist, aber Kevron ist Perspektivträger, und sein Denken kreist, auch wenn er nüchtern ist, immer wieder um den Alkohol - ich glaube, das ist die Liebesgeschichte, der in diesem Buch der größte Raum eingeräumt wird.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Trippelschritt am 25. August 2019, 09:43:56
Ich halte Triggerwarnungen für grundsätzlich überflüssig. Es ist doch gerade symptomatisch für einen Trigger, dass, wenn er aktiviert wird, ein unkontrollierbares Programm abläuft, der Trigger selbst aber alss Mögliche sein kann. Für alles Mögliche kann man aber nicht von außen keine Vorkehrungen treffen. Es muss anders herum geschehen. Wer weiß, dass er anfällig für Trigger ist, muss schauen, dass er diese Gefahr entschärft.

Ich mache diese Bemerkung nicht ohne Anlass. In Montsegur hatten wir gerade eine leidenschaftliche Diskussion, wie sensititv ein Autor zu sein hat. Die Meinungen waren sehr breit gestreut, aber wenn ich den Verlauf richtig beurteile, sah die Mehrheit eine größere Gefahr darin, mit einer Schere im Kopf zu schreiben. Das war auch der Anlass der Diskussion. Ein ehemaliges Mitglied des Forums hatte ein längeres Statement (Artikel, Essay?) im literarischen Cafe gepostet, das genau diese Gefahr sah.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Amanita am 25. August 2019, 09:45:20
Meiner Meinung nach ist es bei "Giftszenen", was der Alkoholmissbrauch nunmal ist, durchaus sinnvoll und geboten, die Wirkungen auch realistisch zu beschreiben. Das muss und soll nicht ins letzte Detail gehen, aber die Figur einfach friedlich und sauber bewusstlos werden zu lassen, wäre auch unehrlich.

Wobei ich zugeben muss, dass ich mir mit einer dauerhaft alkoholkranken Hauptfigur vermutlich als Leser schwertun würde, aber da sind die Geschmäcker natürlich verschieden. Wenn man aber entscheidet, dass man diese Problematik thematisieren möchte. In dieser Situation ist aber schließlich schon von vorneherein klar, dass es sich nicht um eine "heile Traumfantasywelt" handelt, sodass der Leser auch nicht so geschockt sein sollte, schließlich ist der Erbrechen auslösende Effekt von übermäßigem Alkoholkonsum allgemein bekannt und die meisten haben das vermutlich auch schon miterlebt.

Wenn man realistische und auch unschöne Szenen vermeiden möchte, gibt es in der Fantasy ja immer noch die Möglichkeit, bei Dingen wie Gift (und Folter) auf erfundene Mittel zurückzugreifen, um sich mit den Themen befassen zu können, ohne zu nahe an realen Erlebnissen zu sein, aber reales Gift sollte auch reale Wirkungen haben.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: KaPunkt am 25. August 2019, 09:54:54
 Der beste Artikel zum Thema Triggerwarnungen, den ich bisher gelesen habe. (https://eleabrandt.de/2019/04/12/mythbusting-triggerwarnungen-in-buechern/)

Liebe Grüße,
KaPunkt
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Steffi am 25. August 2019, 10:04:43
Zitat von: Maja am 25. August 2019, 05:02:38
Zitat von: Churke am 24. August 2019, 23:55:59
Zitat von: Maja am 24. August 2019, 06:56:55
Ich stehe hier gerade beim Überarbeiten vor einer Szene, wo eine alkoholkranke Hauptfigur, die sich fast zu Tode getrunken hat, in ihrem Erbrochenen liegt. Details gibt es keine, nur die Feststellung, dass es so ist,  und mein Mann meint, das ist schon zu viel, und ich soll nur schreiben, dass er nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Ehrlich gesagt finde ich deine Szene bereits geschönt. Du bewegst dich damit in der Komfortzone der Realität. Alkies sind so. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Ekel-Szene, die sich der Autor aus den Fingern gesogen hat. Wenn du den Alkie zensierst, unterschlägst du dem Leser wesentliche Informationen über die Figur.
Ja, das ist der Grund, warum ich es jetzt dringelassen habe - weil es sonst einfach nicht ehrlich ist. Und wenn es eine Sache am ersten Teil gibt, die Rezensenten gelobt haben, dann meine Ehrlichkeit im Umgang mit den Figuren. Auch wenn Kevron Hauptfigur und Sympathieträger ist und ihn diese Sache viele Leserstimmen kosten kann, ist das eben so. Genauso wie klar ist, dass Kevron zwar immer wieder eine Zeitlang ohne Alkohol auskommen kann und trotzdem immer wieder rückfällig werden wird - ich finde es so verlogen, wenn in einem Roman eine Figur als schwerer Trinker anfängt, dann die Erleuchtung hat, sich zusammenreißt, keinen Tropfen mehr anrührt und ein großer Held wird.

Ehrlich gesagt ist das der Punkt, an dem der Alkoholismus deiner Figur für mich unrealistisch werden würde. Alkoholiker sind an Alkohol gewöhnt, vor allem gewöhnen sie sich langsam daran. Sie steigen nicht von jetzt auf gleich von Null auf drei Flaschen Wodka am Tag um. Sie funktionieren darum auch noch bei Promillezahlen, bei denen andere Leute längst im Krankenhaus lägen, da sie sich ihre Toleranz über einen langen Zeitraum aufgebaut haben. Ich habe über viele Jahre eine schwere Alkoholikerin begleitet und sie nicht einmal in ihrem eigenen Erbrochenem vorgefunden. Diese Szene wäre für mich nicht eine realistische Darstellung von Alkoholismus, sondern Effekthascherei.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Churke am 25. August 2019, 10:55:49
Das ist individuell unterschiedlich. Es gibt Pegeltrinker, die voll ansprechbar sind. Sie haben eine Fahne, eine herabgesetzte Hemmschwelle und sind kognitiv eingeschränkt.

Und dann gibt es welche, die sind hochgradig dement. Ich habe mal versucht, so jemandem zu erklären, dass ihm gerade eine Räumungsklage zugestellt wurde.
Das war dann ein Typ, dem man ansah und - roch, dass er letzte Woche in seiner Kotze aufgewacht ist, weil er seitdem weder sich noch seine Klamotten gewaschen hat. Aus der Entgiftung kam er trocken, rasiert und gewaschen und reden konnte man mit ihm auch wieder. Dass das immer noch der Fall ist, bezweifle ich allerdings. Solche Leute nässen sich auch mal ein, geistern in Unterhose durchs Treppenhaus, urinieren in den Hausflur, beschmieren Wände mit Kot usw.. Das sind keine Einzelfälle, das hört man von Vermietern und Ehefrauen.


Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Steffi am 25. August 2019, 11:12:44
@Churke: Die von mir begleitete schwere Alkoholikerin ist mittlerweile trocken, leidet aber am am Korsakoff-Sydrom (hat also Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis) und war, als es ganz schlimm wurde, auch inkontinent. Sicherlich mag es von Fall zu Fall unterschiedlich sein, aber "wacht in seinem Erbrochenem auf" als den Marker für Alkoholismus zu benutzen, damit es realistisch wirkt, ist einfach falsch.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Ahneun am 25. August 2019, 14:51:12
Der Link von @KaPunkt, bzw. dessen Inhalt ist in dieser Frage sehr aufschlussreich. "Was soll man denn alles Triggern, ... und, vor was soll ich (als Autor) alles warnen?"
Bezogen auf @Maja, ich würde auch die "Kamera draufhalten".

Allgemein kommt es natürlich auf das Genre an. Da bin ich bei @Wildfee.
@Anila schreibt aus der Sicht einer Ärztin, die, wie sie schreibt, "so Einiges gewöhnt ist".

Da stellt sich mir persönlich die Frage; -> Welcher Personenkreis gehört zu meiner Leserschaft? Ich habe doch zu Beginn meines Buches ein Genre festgelegt in dem sich mein Roman befindet.
Dazu gehören doch Leser, die sich mit einer "Grundeinstellung" an das Buch heranwagen. Genre bezogen. Entweder, ich habe als Autor einen Ruf und der Leser weiß auf was er sich einlässt, oder, ich bin ein Autor mit einem breiten Spektrum an Genres, wo der Leser nicht weiß, was ihn erwartet. Oder, ich bin ein Autor der neu auf dem Markt ist und der Leser weiß noch gar nichts von mir und ICH muss mich als Autor erst etablieren. Da ist der Erstroman ein wichtiger Baustein in der Autorenkarriere gleich zu Beginn.

Natürlich, und da gebe ich Wildfee absolut Recht, muss in einem Fantasy-Roman, das Erbrochene nicht auch noch seziert bzw. analysiert werden. (nur mal als Beispiel)
Anders ist es in einem Horror-Roman. Da möchte ich, als Autor, schon die Einzelheiten einer Szene beschreiben um entsprechende Gefühlszustände bei meinen Lesern auszulösen.

Ich kann das auch in meinem Klapptext andeuten, ohne groß auf den Inhalt einzugehen. Daraufhin entscheidet doch der Leser, kaufen - oder - stehenlassen. Das Risiko, ob ein Roman Mist oder Top ist, entscheidet letztendlich die breitgefächerte Leserschaft.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Maja am 25. August 2019, 19:02:56
@Steffi
Kevron ist Alkohol gewöhnt, und er kennt sein Limit. Ich habe mir sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie viel er trinkt und wann - due Geschichte erfordert, dass er, wenn auch unfreiwillig, über längere Zeit ohne Alkohol auskommen muss, ohne am Entzug zu sterbrn, was bei Alkoholismus ha ein echtes Thema ist. Wenn er trinkt, dann nicht bis zum Koma. Normalerweise.

Die betreffende Szene passiert aber unter ganz anderen Umständen: Nachdem Kevron erzwungenermaßen eine Weile ohne Alkohol auskommen musste, mit ständigem Druck, aber ohne dem nachgeben zu können, wird ihm von einer anderen Figur, die ihn zu gut krnnt, Alkohol verabreicht - kein Wein, womit er dich auskennt, sondern ein Gemisch aus Alkohol und Wasser mit schwer zu kontrollierender Dosierung.

Kevron ist gerade dabei, einer anderen Figur zur Flucht zu verhelfen, er will sich eigentlich  nicht ausgerechnet jetzt betrinken, weil er sich noch braucht, aber er wird genötigt und kann ja schlecht zugeben, dass da gerade diese Fluchtaktion anläuft. Stattdessen beschließt er, den Alkohol für sein Alibi zu verwenden, damit es so aussieht, als wöre die Person hinter seinem Rückrn geflohen, während er seinen Rausch ausschläft. Zu diesem Zeck zwingt er sich in kurzer Zeit große Mengen Alkohol herunter, ganz anders, als er normalerweise trinkt. Und wenn jemand, der üblicherweise seine zwei Flaschen Wein über den Tag trinkt, eine Flasche Wodka ext, dann rebelliert der Körper. Das ist dann die Situation, in der er aufgefunden wird.

Ich kenne mich mit Alkoholismus leider besser aus, als mur lieb ist, und in dem Buch steckt viel Recherche,  keine Sorge.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Ahneun am 26. August 2019, 00:45:16
In diesem Fall, @Maja, was Du hier schreibst, ist doch das Daraufzeigen und Schildern von Handlungen sinnvoll. Vielleicht musst Du nicht alles bis in's kleinste Detail ausbreiten. Aber, wie Du schreibst, Du hast recherchiert und leider dahingehend eigene Erfahrungen sammeln müssen, kannst Du die Dinge ruhig beim Namen nennen. Das Thema Alkoholismus ist harter Toback. Es ist eine Krankheit. Und, es gibt Gesellschaftspolitisch keinen Grund, darüber hinweg zu sehen. Hier muss man die Dinge beim Namen nennen.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: Kunstmut am 26. August 2019, 02:03:19
ZitatWas kann man den Lesern zumuten?

Was ist ein Leser? Wer liest? Warum liest man? Wie alt ist die Person, die liest? Ich würde mir einen klaren Filter setzen. Da ich lange genug auf fanfiktion unterwegs war, finde ich die Richtlinien vom Jugendschutz nach wie vor passend. Es gibt die drei groben Einschränkungen FSK 12, FSK 16 und FSK 18 - wie bei Filmen und Videospielen. Ein "Life Is Strange" wäre also FSK 16 (wie man das Thema Suizid auf FSK 12 bringen kann, ist mir ein Rätsel), ein "The Last Of Us" dagegen eindeutig FSK 18. In der Literatur macht man das ja gerne daran fest, wie hoch das Maß an Gewalt ist und wer in der Perspektive die moralische Instanz ist. Sherlock Holmes steht für das Gute und bekämpft das Verbrechen, also gut geeignet für den Nachwuchs? Als ich das in der Grundschule gelesen habe, war ich irritiert, dass niemand über die eine Szene eine Warnung gesetzt hat, in der ein Mann mit einer Harpune aufgespießt an der Wand hängt. Und in einer anderen Kurzgeschichte "Das gefleckte Band" wird eine Giftschlange in der Nacht, während alle schlafen, durch den Lüftungsschacht geschickt. Oder wer erinnert sich noch an den süßen Anime Detektiv Conan? Die Doppelfolge "Der Nebelkobold" hat mein Blut eingefroren, weil die Folge gekonnt Horrorelemente einsetzt. Selbst als Erwachsener kann einem das Szenario Angst machen.

Dass die Amerikaner mit ihrem rigorosen Free Speech ankommen, liegt in deren bisweilen sonderbaren Kultur. Da darf auch jeder eine Schusswaffe haben, weil ein Nichtbesitz von Waffen ein Verbot vom "Nanny"- Staat wäre. Und man darf alles sagen, zum Beispiel den Holocaust leugnen - weil Meinungsfreiheit. Wer mit deutschem Recht aufwächst, wundert sich, wie es sein kann, dass auf youtube, reddit usw. Nutzer nicht gesperrt werden, obwohl sie mit der Rassenlehre anfangen und einen Sehnsuchtskult rund um die Nazis aufbauen. Was dank Spielen wie Wolfenstein oder Filmen wie Indiana Jones mit Hakenkreuzen bis zum Exitus schleichend passiv gefördert wird. Auch wenn sich alle immer mit der "Kunstfreiheit" und der "Verantwortung des Individuums" herausreden. Nicht umsonst kursiert eine Karikatur auf twitter, in der Toleranz (free speech) gegenüber Rechtsextremismus dazu führt, dass man letztlich alles sagen und schreiben kann. Bis hin zum Bau einer Mauer, Verhöhnung von Vergewaltigungsopfern, Bezeichnung anderer Länder als Slums. Deshalb bin ich ein Verfechter für Triggerwarnungen! Allerdings ist ein Aufwachen in Erbrochenem, wenngleich ekelhaft und unangenehm, noch kein Grund für eine Triggerwarnung. Das kann man problemlos verkraften. Oder ich habe einfach zu viele Schnapsleichen im schalen Echo basslastiger Ballermannmusik gesehen. Eine Triggerwarnung ist zum Beispiel zwingend für Geschichten, in denen es zu Lobotomie oder Genitalverstümmelung kommt, niemand die Aktion verhindert und die Täter ungestraft davonkommen, weil es eben eine realistische Geschichte sein soll. Aber solche krassen Sachen sollte man beim Schreiben oder Testlesen erkennen.

Der Thread heißt: Wie viel ist zu viel? Und ich finde den Einwand mit der künstlerischen oder ästhetischen Entscheidung hier entscheidend. Wenn ich mich beim Schreiben für einen Stil entscheide, kann ich vom Publikum in Schubladen einsortiert werden. Wobei sich die "Weltliteratur" gerne dadurch arrogant beweihräuchert, dass hier ein besonders vornehmer und edler Stil behauptet wird, während man die Belletristik fast schon abwertend bis untauglich abkanzelt. Gerade Deutschland ist hier (oder war hier) super spießig. Schulen zum Sprachenlernen heißen immer noch Goethe-Institute und die Anmaßung und Arroganz in Person - Marcel Reich-Ranicki - hat sich sogar dazu erhoben mit diesem Blödsinn eines nationalen Kanons der Literatur - nach seinem Geschmack - anzufangen. Dabei gibt es durchaus Fälle wo jemand im einen Moment einen hardboiled Krimi schreibt, der wortkarg, derb und bisweilen boshaft pervertiert daherkommt, während die exakt selbe Person wenig später ein freundliches und naives Buch für Kinder schreibt. Wenn ich etwas von Michael Ende lese, erwarte ich Neugierde, Wärme, Phantasie, Lieblichkeit und eine gewisse lustige Entrücktheit von der Welt. Es ist wie ein Besuch eines Weihnachtsmarktes, man erwartet gemütliche Holzhäuschen, frohe Beleuchtung und dampfenden Glühwein, während es im Sonnenuntergang sanft schneit. Wenn ich dagegen Jean-Christophe-Grangé lese, muss ich damit rechnen, dass ein nackter Mann in Embryonalstellung in einer Gletscherspalte gefunden wird. Wenig später gibt dann der Pathologe einen sehr nüchternen Bericht darüber ab, wie die Person erst mit glühenden Eisenstäben verbrannt wurde und wie im Anschluss bei lebendigem Leibe mit dem Skalpell die Augäpfel aus dem lebenden und gefesselten Opfer entfernt wurden. Ja nun, puh. Nicht jeder wird Grangé lesen, sein Publikum aber will genau das, wie man an dutzenden weiteren Romanen erkennt, die als brutale Thriller in dieselbe Kerbe schlagen.

Ganz subjektiv und persönlich bin ich ein Fan von "weniger ist mehr" plus Schockmomente an der richtigen Stelle. Also eine Vorgehensweise wie in dem Film "Drive". Die meiste Zeit ist es ruhig, bis dann jemand einfach knochentrocken und ohne einen Wirbel darum zu machen, eiskalt getötet wird. Lovecraft macht das in seinen Horrorgeschichten ebenfalls andauernd. Ellenlang werden pseudowissenschaftliche Erkenntnisse und Beschreibungen eingebracht - wie zu Beginn von "Berge des Wahnsinns" - bis man fast beim Lesen einschläft. Und dann zack, reißt die Verbindung zu einem Lager ab, die handelnde Person begibt sich dort hin, und ohne Rücksicht auf die Nerven der Leser wird hart und sachlich, klipp und klar beschrieben in welchem Zustand der Verwüstung sich das Zeltlager befindet und wie die Überreste der Menschen aussehen. Gerade weil das alles so intensiv beschrieben ist, wie der realistische Bericht einer Tatortuntersuchung, entsteht jenes Gefühl des langsam stärker werdenden Grauens. In einer Liebesgeschichte vor dem wildromantischen Hintergrund der schottischen Highlands will man solche Szenen sicherlich mit allen Mitteln verhindern.

Zwei Geschichten habe ich bislang nicht weitergelesen, weil mir der Stil zuviel wurde. Das eine ist "Das Parfum" von Patrick Süskind, das andere "Wendekreis des Krebses" von Henry Miller. Beim ersten Beispiel war es nur ein Auszug damals im Deutschbuch, in der eine Geburt in der Gosse beschrieben wird, dazu dann all der Dreck, Morast, Unrat und alles weitere, was man in diesem Moment nicht lesen möchte. Beim zweiten Beispiel war es insgesamt der Stil, der eine deftige Zote an die nächste reiht und auf eine Weise schreibt, die nur schwer zu ertragen ist. Beide Beispiele sind literarisch faszinierend, aber genauso kann man zum Frühstück Milch mit Granitsteinen essen. Die einzige Geschichte, die bei mir bislang Ekel hervorgerufen hat, ist übrigens "In der Strafkolonie" von Franz Kafka. Die dort beschriebene Foltermethode, die dann über Seiten diabolisch ausgekostet wird, ist nur schwer zu ertragen. Kafka ist allgemein ein Autor, der mich beim Lesen anstrengt und enorm erschöpft, aber dieser Text ist die Härte. Als gelungenes Beispiel für Grenzüberschreitungen halte ich "Watchmen" von Alan Moore. Das geht weiter als die meisten anderen Sachen, zum Beispiel in der Szene mit Rorschach und den Fleischermessern auf der Suche nach einer Kinderleiche, während draußen die Kampfhunde offensichtlich um Reste eines Kinderbeines raufen. Aber die härtesten Szenen werden dann doch nicht gezeigt, beziehungsweise, die Comicpanels wechseln den Standpunkt. Das, was ich bisher von Game Of Thrones gesehen habe, wirkt überwiegend wie ein 0815 Abklatsch der Rosenkriege und des typischen europäischen Mittelalters gemischt mit einigen Softpornoszenen. Für Menschen, die wohl schon "Shades Of Grey" fälschlicherweise als verrucht, lasterhaft und heiß fehlinterpretiert haben.

Fazit: Die Szene mit dem Erbrochenen würde ich genauso drin lassen. Es ist immer gut zu sehen, wenn Charaktere Fehler machen und die Konsequenzen tragen müssen. Allerdings sollte man die Beschreibung der Szene kurz halten. Müsste ich mehr als 400 Worte über Erbrochenes lesen, würde ich den Teil wohl überspringen und schauen, wo die Szene endet und es weiter geht. Aber die Schreibschulen sind verschieden. Hemingway würde jetzt sagen, dass man es ganz streichen kann. James Joyce würde dich jetzt ermutigen, die Szene aus mindestens drei verschiedenen Perspektiven zu erzählen und sie auf mindestens 3000 Worte auszudehnen. Und du müsstest alle wichtigen Biersorten und Schnapssorten erklären und alle Vokabeln zum Thema "Alkohol" einbauen, die dir in allen Dialekten der deutschen Sprache einfallen. Aristoteles würde etwas von der goldenen Mitte schwafeln, um einen gelingenden Übergang zur Katharsis zu schaffen. Und Gertrude Stein würde sagen: Ein Erbrochenes ist Erbrochenes ist Erbrochenes. Dazu gibt es die üblichen zehn Leser, die es mochten, zehn, die es nicht mochten, zehn, denen es nicht aufgefallen ist, und zehn, denen es egal ist.
Titel: Re: Harter Tobak - Wie viel ist zu viel?
Beitrag von: AlpakaAlex am 30. August 2021, 12:05:57
Das ist ein wenig ein kompliziertes Thema.

In erster Linie würde ich sagen: Jedes Buch braucht Triggerwarnungen und diese sollten eben vor entsprechenden Themen warnen. Dabei kann man eben in den Triggerwarnungen auch deutlich machen, ob ein Thema nur angedeutet oder sehr explizit vorkommt. Entsprechend können Leute, die über bestimmte Dinge nicht lesen wollen, auch selbst entscheiden, es dann nicht zu lesen.

Aber gut, was kann man schreiben und was nicht? Ist halt wirklich ein kompliziertes Thema. Natürlich kann man alles schreiben, aber die Frage ist halt, ob es sinnvoll ist. Ist es eben in der Geschichte wirklich notwendig, diese explizite Szene mit dem Alkoholmissbrauch zu haben?

Denn Fakt ist halt, dass viele solcher Szene häufig als Schockfaktor drin sind. Und wenn es als Schockfaktor drin ist, bin ich halt kein Fan davon. Das ist für mich dann einfach billige Effekthascherei, die meistens nicht notwendig sind, um die Geschichte zu erzählen.

Ich habe beispielsweise eine Geschichte, in der Vergewaltigung und Folter vorkommen, aber ich schreibe beides kaum aus, weil es halt für die Leserschaft nicht wirklich einen Unterschied macht. Leser*innen verstehen auch so, was da passiert, ohne dass ich jetzt genau beschreibe, auf welche Art die Hauptfigur gefoltert wird.

Entsprechend sollte man sich meiner Meinung nach Gedanken darüber machen, ob man es wirklich braucht für die Geschichte. Also ob es mehr als einfach nur Schock der Geschichte hinzufügt.