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Mit Rückblende beginnen?

Begonnen von Rewa Kasor, 05. Dezember 2019, 11:54:59

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Rewa Kasor

Hallo liebe TiZi's!

Ich habe mich gleich im ersten Kapitel meines Romans festgefahren. Geplant ist, schon nach zwei Absätzen eine Rückblende einzufügen. Der Gedanke dabei ist, dass ich in der Rückblende die Ereignisse des aktuellen Tages besser zusammenfassen kann, als wenn ich sie chronologisch erzähle.

Gedacht ist es in etwa so:
Erik fluchte gottestlästerlich und riss am Lenkrad, aber es war zu spät ... Krach, Bumm, Peng - ein Unfall auf einem Feldweg mitten in der Pampa. Wenige Sätze zur aktuellen Situation die in etwa so enden: Soweit also zu der genialen Idee, den Stau zu umfahren. Dabei hatte der Tag so gut begonnen ... Rückblende.

Mir gefällt das so eigentlich ganz gut. Nur geistert in meinem Kopf der Satz von James N. Frey aus "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" herum
Zitat... die Rückblende ist ein Mittel, das törichte Autoren verwenden, um den Konflikt zu umgehen.

Wie seht ihr das? Kann, darf, sollte ich eine Rückblende benutzen und dann schon so früh, oder besser nicht? Bei mir dreht sich gerade alles um dieses Problem und ich komme einfach nicht weiter.

caity

Hallo Rewa,

ich würde sagen, es kommt auf verschiedene Faktoren an:
1. Wie lang ist die Rückblende? Ist in ihr die eigentliche Geschichte verborgen? Dann würde ich den einleitenden Part eher als "Foreshadowing" bezeichnen und eventuell ein neues Kapitel beginnen. Beliebte Methode, wurde z. B. von Sebastian Fitzen in "Das Paket" genutzt.
2. Wie genau willst du die Rückblende darstellen? Im Plusquamperfekt oder im Präteritum?
3. Soll das eine Rückblende am Stück sein, oder kannst du halt immer mal wieder Sachen einfließen lassen, während die eigentliche Handlung weitergeht?

Ich würde nicht sagen, die Rückblende umgeht immer den Konflikt. Wie bei allen Mitteln der Schreiberei ist es eine Frage, wie man sie verwendet.

Grüße
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Wordzombie

Ich persönlich liebe Rückblenden ja besonders, wenn sie quasi nahtlos mit dem aktuellen Geschehen verknüpft sind bzw. das Eine in das Andere über- und wieder zurückgeht. Wirklich gut ist das Stephen King in "ES" gelungen. Dort laufen Vergangenheit- und Zukunftsblock ja quasi parallel ab, wofür ich ihm noch heute höchsten Respekt zolle.
Womöglich könnte man ja auch hier eine Art Symbiose finden?
Beim Stichwort "Unfall" musste ich zb. sofort an Ohnmachtsfantasien bzw. tiefe Bewusstlosigkeit und damit verbundene Träume denken. Vielleicht "flippt" der Protagonist je nach Situation/Schlüsselreiz/etc ja von der Gegenwart Richtung Rückblende und umgekehrt?
Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Oder Steine. Solange du nur triffst!

Nuya

In Flammengarde hab ich nicht mit einer klassischen Rückblende gearbeitet, sondern nach (ich müsste jetzt lügen) zwei, drei, vier Kapiteln einen Zeitsprung nach zehn Jahren später.
Ansonsten kann es funktionieren, ich kenne aber viele, die das nicht mögen (aus Gesprächen über den Aufbau bei mir).

Rewa Kasor

Hallo @caity !
Ich mache es mir mal leicht und beantworte die Fragen so:
1. Ich möchte die Rückblende sehr kurz halten. In ihr wird beschrieben, wie mein Prota an einen Gegenstand kommt, den er für den weiteren Verlauf der Geschichte dabei haben muss. Foreshadowing passt also eher nicht.
2. Präteritum
3. Sie soll in einem Stück dargestellt werden. Die Rückblende führt dann zu dem Unfall zurück und es geht in der Gegenwart weiter.

Hallo @Wordzombie !
Mein Prota bleibt weitestgehend unverletzt. Auf die Geschehnisse in der Rückblende wird nur sehr viel später noch einmal Bezug genommen. Da erkennt er dann die Frau wieder, die ihm den o.g. Gegenstand verkauft hat.
Ich schicke den armen Kerl ohne Vorwarnung in eine andere Welt, ihn auch noch in der Zeit herumspringen zu lassen wäre unnötig grausam, oder?  ;)

Rewa Kasor

Hallo @Nuya !

Zitat von: Nuya am 05. Dezember 2019, 12:22:07
Ansonsten kann es funktionieren, ich kenne aber viele, die das nicht mögen (aus Gesprächen über den Aufbau bei mir).
Ich habe mich durch ältere Threads zu diesem Thema gequält und nicht wirklich Hilfe gefunden. Anscheinend gibt es ebenso viele Argumente dafür wie dagegen.

Schick mir doch mal wer die ultimative Erleuchtung büdde  :bittebittebitte:

Nuya

Wichtig ist, dass es dir für den Roman als passend erscheint.
Zur Not merkst du später, dass es nicht funktioniert und änderst es. :) Ich befürchte, es gibt keine Erleuchtung die bei allen Romanen greift. ;)

Angela

Wieso sollte eine gut geschriebene Rückblende nicht gehen? Ich lese gerade mal wieder etwas von einer sehr gut verkauften amerikanischen Autorin, die hat ständig Rückblenden drin und die sind oft spannender als das, was gerade passiert.  Da sehe ich eher die Gefahr, weil in der Rückblende vermutlich ein sehr wichtiger Moment geschildert wird.

caity

Danke für die Erläuterung und die Beantwortung der Frage. In dem Fall würde sich für mich tatsächlich die folgende Frage anschließen: wo beginnt deine Geschichte denn? Ist wirklich der Unfall das Entscheidende? Oder wie der Protagonist den Gegenstand erhält? Falls das eine "unspektakuläre Übergabe" ist, finde ich die Idee, mit einer kurzen (meiner Meinung nach max. 1 Normseite) Rückblende zu arbeiten, gut. Ansonsten würde ich an deiner Stelle einfach mal etwas weiter vorne in der Geschichte einsteigen. Vielleicht klemmt es ja auch, weil du eben noch nicht den richtigen Moment für den Einstieg erwischt hast?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Rewa Kasor

Zitat von: Nuya am 05. Dezember 2019, 12:39:13
Ich befürchte, es gibt keine Erleuchtung die bei allen Romanen greift. ;)
Man kann ja mal hoffen ...  ;D

Hallo @Angela !
Ja, für die weitere Geschichte direkt nach dem Unfall braucht mein Prota eben diesen Gegenstand. Aber dafür den ganzen Tag chronologisch erzählen möchte ich nicht.

@caity
Wie mein Prota den Gegenstand bekommen hat, ist interessant (weil er ihn von seiner Mutter, die er aber nicht kennt, bekommt), aber nicht wichtig. Dass er ihn dabei hat ist entscheidend.
Der Unfall selbst ist auch nicht von Bedeutung. Der Ort des Unfalls aber schon.

Die Rückblende soll so kurz wie nur möglich sein. So in der Art: Schöner Tag, er fährt zu einem Mittelaltermarkt. Kauft dort besagten Gegenstand. Interessiert sich kurz für die Verkäuferin. ... Auf dem Rückweg dann Staumeldung auf der Autobahn. Er versucht den Stau zu umfahren. Hirsch von rechts, PENG - Unfall. Weiter im Text.


Trippelschritt

Wie fast immer geht grundsätzlich alles, wenn man es gekonnt oder sogar richtig macht. Aber mit so einer antwort ist niemandem geholfen. Vielleicht vergesse ich einfach mal einfach, dass ich selber hin und wieder schreibe, und komme Dir als Leser.
Nichts ist für mich unangenehmer, als wenn ich einen kurzen Textabschnitt bekomme, dann eine Rückblende, und es dann im Text weitergeht. Bis auf wenige Ausnahmen klappe ich das Buch bereits bei B eginn der Rückblende zu.
Warum?
Von dem Anfang eines Romans erwarte ich, dass die Geschichte mich einfängt. Dafür muss sie mich von dort abholen, wo ich mich befinde, mit eine mishcung von Vertrautem und irritierend Neuem vorsetzen, mich anbeißen lassen und dann langsam ranziehen. Und wenn ich mich dann für die Geschichte entschieden habe, dann will ich sie auch hören, diese Geschichte.
Und damit ist fast alles gesagt. Manchmal geht es schnell, manchmal braucht man länger, bis man an der Angel hängt. Wenn ich noch nicht gefangen wurde und noch zögerre und es kommt dann etwas völlig anderes (aus der Rückblende), dann bin ich weg.
Bin ich gefangen und warte jetzt auf die Geschichte, und es kommt etwas anderes, dann stehe ich das durch, aber gefallen tut es mir nicht.

Also lass es besser, obwohl es möglich ist.

Solche Überlegungen gehören zu jenem Teil des Handwerkszeugs, bei dem man sich klar sein muss, dass man auch mal aus der Sicht der Leser schreiben muss, damit das Konzept aufgeht. Das gilt besonders für den Anfang. Später sind Rückblenden einfacher zu handhaben, aber am Anfang sind sie toxisch.

Eine Alternative (die aber auch nicht immer aufgeht) ist am Anfang mit schnellen Schnitten zu arbeiten, aus denen sich der Leser ein Bild zusammensetzen kann. Und da kann auch eine Episode aus der  Vergangenheit stammen. Ist aber etwas tricky.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Alana

#11
Also sorry, aber dieser Satz von James N. Frey ist absoluter Quatsch. Oder extrem aus dem Kontext gerissen. Ich mag Dogmas generell nicht. Man kann alles machen, wenn man sich der Wirkung bewusst ist. Ich liebe es, mit Rückblenden zu arbeiten. Sie können Spannung und Konflikt enorm erhöhen und schützen einen vor langweiligen inneren Monologen. Man muss nur aufpassen, dass die Rückblenden und die aktuelle Handlung sich gut verschränken.

Was deinen speziellen Fall angeht: Wozu der Unfall? Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich Action am Anfang eines Romans überhaupt nicht mag, weil ich die Figur nicht kenne und mir ehrlich total egal ist, ob ihr gerade ein Unfall passiert. Am Anfang eines Romans müssen Dinge passieren oder Gedanken stehen, die mich wirklich reizen, die Geschichte zu lesen. Rätsel, besondere Charaktereigenschaften, ein Konflikt (ein bloßer Unfall ist für mich kein Konflikt), der mich neugierig macht. Ich würde mich hier nicht fragen, ob die Rückblende okay ist, sondern überlegen, ob die Rückblende wirklich an dieser Stelle der beste Weg für deine Geschichte ist. Überleg, ob du den Unfall brauchst und ob du die Rückblende an dieser Stelle brauchst.

Steig doch mit dem Gegenstand ein. Er ist froh, dass er ihn hat (falls das zutrifft), weil er extrem wichtig ist. So kannst du Neugier wecken, weil der Leser jetzt etwas über den Gegenstand wissen möchte und warum die Figur daran hängt. Vielleicht schaut er auf den Gegenstand und hat deswegen den Unfall (falls du den an der Stelle wirklich zeigen musst). Wie er den Gegenstand bekommen hat, kann doch ein Detail sein, das du später vielleicht viel interessanter einbinden kannst, wenn der Leser das wirklich, wirklich wissen will.
Alhambrana

Rewa Kasor

Hallo @Trippelschritt ,

genau das ist ja eben meine Befürchtung.

Ich weiß jetzt nicht, was ich machen soll. Natürlich kann ich den Einstieg früher machen, den Tagesablauf beschreiben und damit viele Wörter benutzen, ohne mehr zu sagen als ich in der viel kürzeren Rückblende beschreiben kann. Oder ich mache es doch mit Rückblende und zerreisse damit den Handlungsablauf.

Ich muss mir wohl Gedanken darüber machen, einen ganz anderen Einstieg zu finden.

Rewa Kasor

Hallo @Alana

Zitat von: Alana am 05. Dezember 2019, 13:51:34
Was deinen speziellen Fall angeht: Wozu der Unfall?
Der Unfall passiert nicht zufällig. Er ist genau geplant. Mein Prota wird an eben diesen Ort gelenkt und der Hirsch ist nur dazu da, den Unfall ihm gegenüber als zufällig erscheinen zu lassen. Er merkt erst sehr viel später, dass er manipuliert und ausgenutzt - und streng genommen entführt - wird. Der Gegenstand, den mein Prota dabei hat ist erforderlich, um an der Unfallstelle ein Portal öffnen zu können und ihn in eine andere Welt zu befördern. Das ist das Ziel derjenigen, die diese ganze Aktion geplant haben.
Lasse ich jetzt den Unfall weg, muss ich einen neuen Plot schreiben.

Zitat von: Alana am 05. Dezember 2019, 13:51:34
Überleg, ob du den Unfall brauchst und ob du die Rückblende an dieser Stelle brauchst.
Den Unfall brauche ich nicht wirklich. Was ich brauche, ist mein Prota an genau dieser Stelle und mit dem Gegenstand in der Hand. Den Unfall nutze ich also nur, um ihn dorthin zu bringen.
Mit der Rückblende erkläre ich, warum er diesen Gegenstand dabei hat.

Zitat von: Alana am 05. Dezember 2019, 13:51:34
Steig doch mit dem Gegenstand ein. Er ist froh, dass er ihn hat (falls das zutrifft), weil er extrem wichtig ist.
Mein Prota hat keine Ahnung, wie wichtig der Gegenstand ist und was er bewirken kann. Er kauft ihn nur weil er billig ist und er schon mal etwas darüber gelesen hat.

Mindi

Zitat von: Rewa am 05. Dezember 2019, 11:54:59
Ich habe mich gleich im ersten Kapitel meines Romans festgefahren.
[...] 
Bei mir dreht sich gerade alles um dieses Problem und ich komme einfach nicht weiter.
Ich beziehe mich hauptsächlich auf den Aspekt, dass dich dieses Thema im Moment blockiert, denn das finde ich schade, gerade wenn du am Anfang des Schaffensprozesses für deinen Roman bist.
Falls du schon eine erste(zweite ...) Fassung geschrieben hast und gerade überarbeitest, dann trifft das Folgende natürlich nicht unbedingt zu ;)

Unabhängig von Rückblende ja oder nein, den Anfang der Geschichte wirst du vermutlich noch etliche Male ändern, denn wie Trippelschritt und Alana auch schon gesagt haben, muss gerade der faszinieren und den Leser davon überzeugen, dass diese Geschichte lesenswert ist. (bzw. dass er sie lesen muss, weil er unbedingt wissen will, wie es weitergeht. ;D)
Wenn dich diese Frage gerade blockiert, entscheid dich intuitiv für eine Variante und schau dir die Stelle in ein paar Wochen bzw. Monaten nochmal an. Dann hast du einen viel besseren Überblick über deine Geschichte, die Abläufe und wo du noch etwas anpassen musst, damit es für den Leser spannender wird.
Wenn du gerade am Schreiben der ersten Fassung deiner Geschichte bist, ist es noch egal, ob eine Rückblende ein gutes Mittel ist oder nicht, da diese ganze Szene bei der Überarbeitung vielleicht sowieso rausfliegt, da sie so nicht funktioniert, dass du früher, später einsteigen musst oder er sogar auf ganz andere Art und weise mit Gegenstand X an Ort Y gekommen ist. Also erstmal schreiben, perfekt wird es dann später :) Wenn du bei der Überarbeitung wieder an der Stelle ankommst, kannst du sie viel gezielter hinterfragen als gerade jetzt.

Ich denke nicht, dass es auf diese Frage eine universelle Antwort gibt. Ich persönlich wäre bei so einem Anfang vermutlich auch raus, vor allem wenn es nur darum geht, dass er einen Gegenstand erhalten hat. Um diese Information zu übermitteln, würden vermutlich auch ein, zwei Sätze reichen, die direkt mit in die Handlung einbezogen werden. Außerdem klingt es gerade so, als wolltest du einen Batzen "Informationen" in die Rückblende packen - aber muss man das unbedingt wissen? In diesem Moment?
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí