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Diskussion: Junge Autoren - bringen die's?

Begonnen von Coppelia, 10. September 2008, 08:05:56

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felis

#30
@Beate, jung ist relativ.
Als Autorin  bin ich jung. Ich schreibe erst seit 5 Jahren regelmäßig.
Altersmäßig bin ich leider nicht so jung (44)  :'(

Ich denke, wir können uns auf folgende Fakten einigen:
1. Übung macht den Meister.
Praktisch jeder hier wird wohl bestätigen, dass man nach 5 Jahren regelmäßigen schreibens sehr viel besser schreibt als am Anfang.

2. Der Effekt wird vermutlich irgendwann geringer.
Um nochmal MZB zu erwähnen, weil die den Darkoverzyklus wirklich über Jahrzehnte weiterentwickelt hat und deswegen ein super Anschaungsfall ist: Der Qualitätsunterschied zwischen der 1. bis  2. Veröffentlichung und einer nach 15 Jahren ist erheblich.
Der zwischen nach 15 Jahren und nach 20 Jahren nur noch minimal.
Die "Lernkurve" flacht also irgendwann einmal ab.

3. Lebenserfahrung IST ein Vorteil
Nix für ungut an die jüngeren. Aber ich glaube schon, dass ich gewisse Vorteile habe. Ich weiß eben aus eigener Anschaung sowohl wie man sich mit 16 als auch wie man sich mit 44 Jahren fühlt. Und nicht nur das: ich kann auch aus einfach mehr Erfahrungen schöpfen, als jüngere. Das spart Rechercheaufwand und ermöglicht mir vielleicht auch ein glaubwürdigeres Darstellen älterer Charaktere als einem jüngeren Schreiber.
Als Leserin fällt mir jedenfalls sehr stark auf dass junge Autoren
a) an jungen Charakteren kleben. Ältere Charaktere geraten oft recht klischeemäßig (wenn sie denn überhaupt auftreten).

b) oft auch eine "jugendliche" Weltsicht transportieren, in dem was sie schreiben. Je älter der Schreiber desto ausdiffernzierter und weniger Schwarz-Weiß die Charaktere und Handlungen. Natürlich gibts da unzählige Ausnahmen von der Regel, die ihr mir jetzt vermutlich mit Genuss um die Ohren klatschen werdet.   ;D
Und direkte Vergleiche sind natürlich auch schwierig, da jeder Mensch anders ist und fast nur für den selben Autor möglich.
Aber für praktisch alle Autoren, die ich über Jahre bis Jahrzehnte verfolgt habe, tirfft die These von der zunehmenden Komplexität des Geschriebenen m. E. zu. Selbst wenn sie an so unterschiedlichen Startpunkten angefangen haben wie, MZB, Tad Williams, P. McKillip und J.R.R. Tolkien (um mal ein paar meiner Lieblings-Fantasy-Autoren zu nennnen)

4. Handwerksmäßig zählt allerdings m. E. das "Schreibalter" und nicht das Lebensalter. 




Tenryu

Zitat von: Beate am 11. September 2008, 09:38:29
Ist es heute im Zeitalter des Internets und Wikipedias noch nötig, die griechischen Heldensagen wirklich gelesen zu haben? Oder die Geschichten aus 1001 Nacht? .....
Ich denke, die Literaturklassiker der "alten Zeit" sind gute Werke, aber haben keinen Einfluss mehr auf unser Schreiben. Denn sie sind Zeugen einer anderen Denkweise, einer anderen Erziehung und fast schon anderen Kultur.

Da könnte man genauso gut fragen, ob einen Sinn hat, mehr als vier Jahre Grundschule zu besuchen. Denn wer Lesen & Schreiben gelernt hat, kann im Internet nachschauen und wer einen Taschenrechner bedienen kann, braucht nicht mehr rechnen zu lernen.

Es geht bei der Kenntnis der Literatur nicht darum, irgend eine Erkenntnis aus Roman X oder Drama Y nutzbringend anzuwenden, sondern es geht um Bildung.
Was unterscheidet einen Deutschen von einem Chinesen oder einem Angolaner? Das ist nicht allein die Sprache, sondern eben der kulturelle Hintergrund, der sich in einem nicht geringen Teil in der Literatur eines Volkes manifestiert. Es ist die Art zu denken, und die Welt zu betrachten. Es ist die Geschichte eines Volkes. Es gibt kein Rezept, keine verbindliche Liste, welche Bücher man gelesen, welche Theaterstücke man gesehen und welche Musik man gehört haben muß. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob einer glaubt, das Rad neu erfunden zu haben, oder ob wer weiß, daß schon vor 300 Jahren ein anderer die selben Ideen und Ansichten geäußert hat. Und in dem man die eigene Kultur und Philosophie reflektiert, kann man aus dem alten etwas neues erschaffen.
Wenn man manche populären Werke aus anderen Kulturen liest, findet man nicht selten einfach Versatzstücke europäischer Historie, Religion oder Mythologie wahllos eingestreut, einfach nur als exotische Zutat. Für einen gebildeten abendländischen Leser wirkt das unfreiwillig komisch, zum Teil gar peinlich. Und genau so ergeht es einem, wenn man die Bücher von gewissen zeitgenössischen Literaten liest: Man merkt sofort, der weiß eigentlich gar nicht, wovon der überhaupt spricht.

Maja

#32
Richtig. Die Ilias und Tausendundeinenacht sind unverzichtbare Werke des deutschen Kulturguts, die für einen ungebildeten Chinesen oder Angolaner schlichtweg ungeeignet sind. Jawoll!

@Tenryu
Bleib bitte beim Thema, und verschone uns vor Allgemeinplätzen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Lomax

Hm, ich würde Tenryu hier weitestgehend Recht geben. Zumal er ja auch darauf hingewiesen hat, dass diese allgemeine Aussage nicht zwingend bestimmte einzelne Werke umfasst, und dass vor allem auch Werke anderer Kulturen hinzukommen können, um den Horizont zu erweitern. Was dann ja "1001 Nacht" sein könnte.
  Und die Ilias gehört ohne Zweifel zu den Grundlagen unseres europäischen Erzählens. Ob man sie dafür selbst gelesen haben muss, oder ob es reicht, andere, spätere Werke zu kennen, die davon beeinflusst wurden - wer weiß?
  Jedenfalls darf die Basis nicht zu schmal werden, sonst merkt man's auch an den Werken. Insofern mag man sich darüber streiten, ob Tenryus Äußerung wirklich noch so viel mit jungen Autoren zu tun hat - aber es war in jedem Fall ein angemessener Einwand zu Beates Ausführungen.
  Es ist jedenfalls kein zwingender Einwand gegen jüngere Autoren. Ich denke, einen Großteil seiner Leseerfahrung hat man ohnehin auch schon in jungen Jahren gemacht. Es ist aber schon eine Korrelation zu beobachten, dass vor allem junge Fantasyautoren ein solches Fundament recht oft als entbehrlich hinstellen. Ein Phänomen übrigens, dass man in der Form nicht beobachten kann, wenn erfahrenere Literaturschaffende oder genreübergreifende Gruppen aus dem Bereich zusammenkommen. Insofern denke ich, dass dieser Punkt durchaus zu den Vorbehalten gegen junge Autoren beiträgt.

Beate

Ich habe das Gefühl, dass ich ein wenig missverstanden wurde. Ich habe nicht gesagt, dass man auf ein Fundament verzichten kann. Gerade was Heldensagen, Göttermythen und co angeht, sollte man schon firm sein und sich damit beschäftigen, auch Originaltexte bzw. Übersetzungen ebendieser lesen.
Ich wollte auch nicht ausdrücken, dass man auf Wissen zu historischen Ereignissen und zur Entwicklung der Kultur verzichten kann oder sollte. Das wurde leider falsch verstanden.

Ich habe lediglich bezweifelt, dass "deutsche Klassik" wie etwa Goethe oder Schiller uns da viel mehr beibringen als "in der Epoche wurde so und so geschrieben". Und ich hatte Deutsch-Leistungskurs und ich hab Faust interpretiert. Auch im Hinblick auf die Zeit. Ich kenne auch Parodien von Faust, ebenso wie ernste Abhandlungen. Aber ich kann diesen Werken schlichtweg nichts abgewinnen, was ich in irgendeiner Weise als Autor verwenden könnte oder mir dahingehend weiterhilft.

Und was "deutsches Kulturgut" angeht: Ilias ist von Homer (--> Griechenland) und 1001 Nacht kommt aus dem Morgenland - der Originaltext ist in Arabisch. Deutsches Kulturgut? Wir habens uns angeeignet wie so vieles anderes auch.

Shay

Interessantes Thema!
Prinzipiell geht es mir wie Neyasha. Ich will ein gutes Buch lesen, wie alt der Autor ist, ist mir egal. Wenn ich mich mal an eine Verallgemeinerung wagen darf (Ausnahmen bestätigen die Regel), so sind junge Leute viel leichter zu begeistern oder einfach zu beeindrucken. Alles ist stärker, bunter, krasser. Wenn man ähnliche Dinge dann schon ein paar mal erlebt hat, wird man ruhiger. Ich (Anfang 30), finde es immer wieder amüsant, was Teenies so alles aufregend finden. Mag ja sein, daß ich damals genauso war, und das gehört sicher zur Jugend dazu, das will ich ihnen auch gar nicht nehmen, aber nur weil Robbie Williams Take That verläßt, geht die Welt nicht unter (um mal ein etwas angegrautes Beispiel zu nehmen). Ein Autor braucht eine ganze Menge Begeisterung für sein Werk, aber damit ich das Werk auch genießen kann, muß ich eben auch in der Lage sein, diese Begeisterung zu teilen. Es gibt so diese Texte, wo man sich nur denkt "der hat gerade sein allererstes Fantasy-Buch gelesen und ist hin und weg von der Idee, daß es Drachen ja tatsächlich geben könnte". Ich hab mittlerweile mehr als ein Fantasy-Buch gelesen und nur damit lockt man mich nicht hinter dem Ofen vor. Vielleicht könnte man es so sagen: ein Autor darf ruhig jung sein und unerfahren, aber er darf nicht unerfahren wirken.

Was meine eigene "Karriere" angeht, so geht es mir ähnlich wie Coppelia. Auch ich bin mit den alten Sagen groß geworden und anders als Beate haben mich meine Eltern nie vor Erwachsenen-Büchern in Schutz genommen. Ich hab Ecos Name der Rose mit 11 gelesen und war damals sicher nicht alt genug dafür, aber was soll's. Daran wächst man ;) Jugendliteratur habe ich sicher auch gelesen, aber die Bücher waren so schnell durch. Meine hauptsächliche Nahrung waren in der Zeit von 10-15 wohl die Bücher, die mittlerweile als Jugendbücher gelten, die aber für Erwachsene geschrieben wurden (Karl May, Jack London, Alexandre Dumas...). Ich bin also schon früh mit einer sehr großen Bandbreite an Sprachstilen in Kontakt gekommen und das hat sich auch auf mein Schreiben ausgewirkt. Meinen ersten Versuch habe ich mit ca. 12 Jahren gemacht - und nach einer Seite abgebrochen, weil ich meinen Stile so unsagbar schlecht fand. Mit 16 hab ich's nochmal versucht, wieder nix. Erst mit 24 war ich sprachlich so weit, daß ich meine eigenen Texte ertragen konnte. Mag sein, daß mich das einiges an Erfahrung gekostet hat, die ich jetzt mühsam nachholen muß und ich könnte heulen, wenn ich daran denke, wieviel Zeit ich zu Schulzeiten zum Schreiben hätte verwenden können. Aber was soll ich machen, ich konnte das Zeugs einfach selbst nicht lesen. Und in anderer Hinsicht hat mir dieser späte Start auch nicht geschadet. Ich hab die Zeit nämlich genutzt, um unendlich viel zu lesen. Und ich denke schon, daß es einen Unterschied macht, ob man sich gezielt Informationen, Anregungen etc besorgt, oder ob sie von selbst kommen, weil man vieles einfach schon fest verinnerlicht hat.

Beate

Wieso versteht mich jeder falsch?  :wums:
Meine Eltern haben mir NIE verboten, "Erwachsenenliteratur" zu lesen. Die Bücher stehen im Regal und sie haben immer gesagt, wenn ich sie lesen will, soll ich das machen. Aber sie haben mir diese Dinge nicht vorgelesen oder als Gute-Nacht-Geschichten hergenommen.

saraneth

Um noch mal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich kann es nicht wirklich beurteilen, da ich selber noch jung bin, aber ich habe mich neulich mit einer Schriftstellerin unterhalten, die Lehrerin an meiner Schule ist. Sie schreibt übrigens Kinderbücher und ist der Meinung, dass sie als Erwachsene eben manchmal zu "erwachsen" schreibt. Da holt sie sich Hilfe von ihrem (relativ) kleinen Sohn.
So mache ich es auch, wenn ich Figuren habe, die viel älter sind als ich. Oder wenn ich über etwas schreibe, das ich nicht kenne. Ich denke, man kann nicht über ein Alter schreiben, in dem man sich nicht selber befindet, auch wenn man es schon hinter sich hat. Man verändert einfach seine Ansichten und kann sich dementsprechend zwar versuchen einzufühlen, aber mit jemandem zu sprechen, der sich in genau der "Phase" befindet ist mMn sehr hilfreich.

Mardil

Zitat von: saraneth am 11. September 2008, 22:49:06
Um noch mal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich kann es nicht wirklich beurteilen, da ich selber noch jung bin
Da geht es mir ähnlich mit meinen extrem jungen 15 Jährchen. Wenn ich mir den einzigen Hobbyautor in meiner Klassenstufe anschaue, müsste ich entschieden Ja sagen. Kindische Geschichte (kleiner Bauernjunge kriegt Monsterschwert und besiegt Obermotz, natürlich alles mit Prophezeiung  :omn: ) und nicht das kleinste bisschen Realismus. So ist es natürlich nicht bei allen, trotzdem würde ich gerade das Problem mit der Glaubwürdigkeit als Hauptargument gegen junge Autoren einstufen.
Irgendwo in den anderen Antworten habe ich gelesen, junge Autoren würden zu wenig recherchieren. Vollkommen richtig! Ich hatte wie gesagt etwas Glück, ein dermaßen drastisches Beispiel in meinem Umfeld zu haben, so etwas prägt und man nimmt sich vor: "So werde ich das nie, nie angehen".
Folge: Ich recherchiere seit Monaten, das Buch selbst wird nicht angefangen, ehe die gesamte Vorarbeit komplett abgeschlossen ist (ein, zwei Jahre vielleicht). Um Realismus bemühe ich mich mehr als um alles andere, wodurch ich dauern zu hören bekomme, alles von mir wäre so "grausam" oder "düster", vielleicht übertreibe ich ein wenig. Trotzdem meiner Meinung nach besser, als noch einen Eragon zu schreiben (von dem ich nicht viel halte, das typische Beispiel für kindische Story).
Fest steht für mich auf jeden Fall, dass junge Autoren gerade was Kreativität betrifft, auf jeden Fall etwas taugen. Was den Schreibstil angeht ebenfalls, was die Handlung und die Glaubwürdigkeit betrifft, schon sehr viel weniger, Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel.

Elena

Interessanter Weise ist es gerade die Kreativität, mit der mich viele junge Autoren so gar nicht überraschen können, obwohl man immer von der "blühenden Phantasie" der Kinder ausgeht. Keine Ahnung, woher das kommt, ich fühle mich inzwischen wie phantasiereiher als noch vor ein paar Jahren. Das hat für mich vor allem mit der Komplexität der Sachen zu tun. Wenn ich mich an meine allerallerallererste "eigene" "Welt" erinnere, so gab es dort ein Schloss samt Schlossgraben in Gehentfernung von einem, hm, Berg? Einer Felssäule? plus zwei Häuser. Das war alles. Es reichte, um meine Figuren hin und her zu schieben (auch wenn das Schloss noch kein Inneres hatte), aber viel passiert ist da auch nicht. Damals war ich fünf.
Was danach kam, wurde erst nach und nach komplexer, ganz einfach, weil ich mit den Jahren mehr hatte, woraus ich schöpfen konnte - was Weltengestaltung, Charaktere, aber auch Handlungsverläufe angeht.

Wenn ich mir die Sachen anderer sehr junger Autoren anschaue (und zwar bewusst von nicht-Veröffentlichten, wer nicht veröffentlicht, hat ja alle Freiheiten) - so sind sie selten sonderlich "kreativ". Damit meine ich nicht ein deutliches "an Vorbildern orientieren", sondern einfach eine gewisse Beschränkheit im Geschichtenverlauf und Weltgestaltung selbst. Die Stücke, aus denen die Geschichte zusammengebaut wird, sind sehr begrenzt.

Tenryu

#40
Zitat von: Elena am 12. September 2008, 00:16:15Wenn ich mich an meine allerallerallererste "eigene" "Welt" erinnere, so gab es dort ein Schloss samt Schlossgraben in Gehentfernung von einem, hm, Berg? Einer Felssäule? plus zwei Häuser. Das war alles.

Das reicht doch. Bei "Jim Knopf" gibt es auch nicht viel mehr (außer zwei Tunnels und einer Eisenbahn)...  ;D

Ich weiß nicht. Ich finde, daß gerade im Fantasy-Bereich oft zu viel des Guten getan wird. Viele Autoren stopfen ihre Geschichten mit zu vielen Details voll. (Haben vermutlich alle Tolkien gelesen). Ich denke, daß eine gute gradlinige Geschichte, ohne überflüssigen Schnickschnack eher das Merkmal von erfahrenen Autoren ist, die wissen, was in eine Geschichte rein muß, und was seitenfüllendes Blabla ist.

Coppelia

ZitatDas reicht doch. Bei "Jim Knopf" gibt es auch nicht viel mehr (außer zwei Tunnels und einer Eisenbahn)... 
Ich vermute nicht, dass du die Bücher mal gelesen hast, oder? ;)

Das mit den Ideen, was Elena sagt, kann ich auch bestätigen. Ich bekomme bessere Ideen durch Übung. Früher habe ich versucht, einfach nachzumachen, was ich irgendwo gefunden hatte und toll fand. Heute kann ich immerhin überlegen, warum ich es toll finde, und kann dann etwas eigenes entwickeln aus dem, was mich begeistert.

Fehlende Recherche ist wahrscheinlich eine Falle, in die jeder Autor tappen kann. Ich mag gar nicht an die Recherche denken, die mir demnächst bevorsteht ... "mein" Römer hat aber so viel gewusst, dass er es manchmal seitenweise aufgezählt hat. Aber diese etwas lästige Angewohnheit haben noch andere Autoren, die Recherche betrieben haben, finde ich. ;D Das ist unabhängig vom Alter. Ok, manchmal findet man solche Absätze auch in Fantasyromanen.

Ich denke, mit dem Alter wird man besser im Abstrahieren von Geschichten. Ich hatte mit ja bei den Galottaromanen z. B. gewundert, dass viele Leser nicht in der Lage waren, die Aussagen der Figuren und meine Person auseinander zu halten. Sie glaubten, alles, was die Personen sagten, wäre auch meine Ansicht. Ich hatte nicht begriffen, wie das sein konnte.
Als ich dann Praktikum in der Schule hatte und Literatur in der 10. Klasse unterrichtet habe, war mir völlig klar, dass solche Forderungen an die meisten Schüler dieses Alters absolut zu hoch waren. Ich konnte erkennen, dass sie definitiv viel weniger in der Lage waren, bei Texten zu abstrahieren, Strukturen, übertragene Bedeutungen zu finden usw als ich. Sie setzten auch die in Texten geäußerte Ansicht augenblicklich mit der des Autors gleich. Und das war sicher überhaupt kein Zeichen dafür, dass sie irgend etwas nicht begriffen hatten. Ich musste nur denken, dass es mir wahrscheinlich damals auch so ähnlich gegangen war.
Ich habe zwar ein abgeschlossenes Studium in LitWis hinter mir, aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass dieses Studium mit der Verbesserung dieser Fähigkeiten nichts zu tun hat. Eher mein anderes Fach Latein. Wahrscheinlich war es aber einfach das Alter.

Inzwischen sehe ich eher meine Fehler, wenn ich Geschichten strukturiere. Aber ich freue mich wirklich auf den Tag, an dem ich so alt bin, dass ich auch etwas dagegen tun kann.

Ob man unglaubwürdig schreibt, hängt vielleicht eher davon ab, ob man schreibt, weil man sich etwas wünscht, oder weil man eine Geschichte erzählen will. Vielleicht ist es bei jungen Leuten dann noch verbreiteter zu schreiben, weil man sich etwas wünscht, einen Hund, ein Pferd, die große Liebe mit einem Popstar, Freiheit ... :)

Churke

Zitat von: Coppelia am 12. September 2008, 07:08:50
Ich konnte erkennen, dass sie definitiv viel weniger in der Lage waren, bei Texten zu abstrahieren, Strukturen, übertragene Bedeutungen zu finden usw als ich.

Könnte auch an mangelnder eigener Erfahrung liegen. Wenn man selbst schreibt, liest man Bücher eher mit dem Kopf und als Schmökerer liest man sie eher mit dem Bauch. Und wenn ich an meinen eigenen Deutschunterricht zurück denke - o weh! Da wurde ein Klassiker nach dem anderen durchgekaut und auf Stilmerkmale untersucht. Praktischer Nutzen: 0. Wenn nicht zufällig Schillers Theorie des Dramas auf dem Lehrplan gestanden hätte... :no:
Über Aufbau und literarische Strukturen habe ich in Englisch da deutlich mehr gelernt.  ::)

Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn die Kinderchen das nicht blicken.

Hr. Kürbis

#43
Ich würde es auch unterteilen in die Kategorie "Schreiberfahrung" (die nichts mit dem Alter zu tun haben muss) und Lebenserfahrung, von der man mehr mit steigendem Alter hat.
Das kann man nicht verallgemeinern, es gibt sowohl junge Autoren, die durchaus in der Lage sind, authentische Figruren mit wesentlich höherem Alter zu charakterisieren. Das hängt mit der emphatischen Begabung zusammen, entweder man hat sie oder nicht ... Auf der anderen Seite kann ein älterer Autor aber auch keinen blassen Schimmer vom Leben haben, wenn er mit Scheuklappen durch die Welt geht. Man muss die Augen immer offen halten, das Hirn wie einen Schwamm benutzen, der alles aufnimmt. Das geht auch schon (oder erst recht?) in jungen Jahren.
Schreiberfahrung sammelt man am besten durchs Schreiben selbst, aber man wird auch bessern, wenn man sich anders als inhaltlich mit Texten auseinander setzt. Ich selbst bin ja kein fleißiger Schreiber, trotzdem entwickle ich mich weiter. Ich lese anders und beurteile Texte auch nach ihrer Handwerklichkeit, unabhängig vom Inhalt, das bringt mich auch weiter. Besser ist es natürlich, wenn man sich dann selber ausprobiert und Möglichkeiten findet, diese Eindrücke auch umzusetzen, aber wie sagt man so schön? Wer selbst nicht Schreiben kann, lehrt es andere! ;D
Also zwangsläufig würde ich Alter und Qualität nicht zwangsläufig in einen Kontext setzen, die Wahrscheinlichgkeit, in einem "höheren" Alter reifere Texte zu verfassen, ist aber wohl wahrscheinlicher.

Falckensteyn

Dieses Thema ist sehr komplex, was Anzahl unterschiedlicher Meinungen beweist. Vielem kann ich mich anschliessen.

Mit 19 wollte ich mich an ein erstes Buchprojekt wagen, mit wenig Lebenserfahrung, fast keiner Schreiberfahrung und einfach nur der Idee im Kopf. Ich scheiterte ziemlich rasch, denn ich war mir damals schon bewusst, dass ich älteren und erfahreneren Autoren (vermutlich) das Wasser nicht reichen konnte.

Wenn ich auf mein Leben zurückschaue (gottlob noch nicht als verbitterter Greis sondern als mitten im Leben stehender Bald-40'er), dann stelle ich fest, dass ich in meiner Teenie-Zeit und auch anfangs bis Mitte 20 ein komplett anderer Mensch war, als ich es heute bin. Vieles war mir damals noch unbekannt und wirkte verklärt auf mich. Viele Sorgen/Gedanken von heute, hatte ich damals noch nicht. Ich hatte Ideale und Träume, die ich beim Älterwerden irgendwann verlor.

Ich denke nicht, dass ich damals fähig gewesen wäre, etwas in der Art zu schreiben, wie ich es heute tue. Mit komplexen Charakteren, die in meinem Kopf ein Eigenleben entwickeln und mit Handlungssträngen, die so in sich verworren sind. Aber ich schliesse von mir selbst nicht auf Andere.

Wenn ich zwischen zwei Büchern zu wählen hätte, deren Titel mich ansprechen, und von denen der eine Autor grad mal 19 ist und der andere bereits 45, dann würde ich mich spontan für das zweite Buch entscheiden. Ganz einfach deshalb, weil ich mir vom zweiten Buch mehr erwarte.

Liebe Grüsse

Falckensteyn