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einen Schauer über den Rücken jagen...

Begonnen von Rei, 24. Juni 2007, 09:48:16

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Manja_Bindig

Rei, vergleich es mit Tieren... ich hab eine Gänsehaut mal mit einem Igel verglichen. Das las sich dann so:

Er spürte dieses unangenehme Kribbeln, das er immer hatte, wenn er beobachtet wurde.
Dieses scheußliche Gefühl, als ob ein Igel über seinen Hals tappelte. Er kroch seinen Nacken hinauf, dann seine Kopfhaut, ließ ihm dort die Haare abstehen.
Dann zurück in den Nacken und begann zu rollen, teilte sich auf in mehrere Igel, die genauso groß waren. Sie rollten ihm über Arme, Schultern, Rücken, die wirbelsäule hinunter.
Es schüttelte ihn, als hätte man ihn mitsamt Igel in Eiswasser getaucht.
Er drehte sich um.

Lavendel

Hey Manja! Ich finde die Idee echt cool! Aber ich hätte es bei einem Igel belassen^^'. Zu sehr darf man (meiner Meinung nach) solche Bilder dann auch nicht ausschlachten. Aber wie gesagt, die Idee finde ich richtig gut!

@Quidam: könntest du mal ein Beispiel geben? Vielleicht hilft uns das.

Quidam

Gebt doch erst einmal ein Beispiel vor.

Wie ist die Szene? Die Figur, der der Rücken kalt schauert. Was erlebt sie gerade? Wo ist sie? Welche Details umgeben sie? Was hat sie an?

Dann kann ich ja zeigen, wie ich es darstellen würde.


Lavendel

Hm, ich dachte, du würdest dich vielleicht berufen fühlen, selbst kreativ zu werden^^'.
Ok, dann mach ich jetzt mal einen ganz spontatnen Vorschlag, damit alle auf ihre Kosten kommen:
Metin ist 27 Jahre alt und hat einen zweijährigen Sohn (Kasi). Er lebt in einer frühindustriellen Hafenstadt und ist Tätowierer. Eine Mutter zu dem Kind gibt es nicht, die hat sich aus dem Staub gemacht. Metin ist troztdem eher der lebeslustige Typ und trifft sich auch öfter mal mit den Nachbarsleuten zum Backen oder Kinderhosen flicken. (Soviel zum überaus spannenden Hintergrund). Eines Tages kommt ein seltsamer Typ zu Metin, um sich ein Tattoo stechen zu lassen. Die Farbe bringt der Fremde selbst mir. Sowohl der Kerl alsauch die Farbe kommen Metin äußerst seltsam vor, aber er redet sich ein, das sei alles nur Einbildung. Aber dann bemerkt er - während er selbst an der Tätowierung arbeitet -  wie sein unheimlicher Kunde seinen Sohn anstarrt...

Was besseres fällt mir jetzt nicht ein. Mach was draus.

Quidam

#19

Kasi spielt im Eck, während eben Merit versucht, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und sich einzureden, dass das Geld des Fremden nicht stinkt. Oder er versucht, sich abzulenken und denkt daran, was er nachher noch alles kaufen muss, oder warum der Babysitter nicht gekommen ist und er Kasi mit hierher nehmen musste. Diese anfängliche Verwunderung über den Typen weicht also bald der üblichen Routine und das sollte der Leser spüren. Und weil er eben in seinen routinierten Rythmus kommt, versucht er, mit Smalltalk die Stille zu überbrücken, die zwischen den beiden Männern herrscht.
"Sind sie öfters in der Gegend?"
Und weil der Fremde nicht antwortet, sieht er kurz von seiner Arbeit auf - und sieht, wie der Fremde auf einen Fleck hinter Merit starrt. Und dieser Blick ist Merit unheimlich, weil er signalisiert, dass der Typ etwas im Schilde führt.
In diesem Augenblick hört Merit seinen Sohnemann quengeln - aus der Richtung, in die der Fremde starrt und Merit weiß, dass der Fremde Kasi fixiert.

Kalter schauer lief seinem Rücken hinunter. <- Aber das kann sich doch der Leser ohnehin denken, weils ihm eventuell nicht anders geht. Personifikationen von gefühlen stören (mich) da auch gewaltig.

Daher würde ich Merit so erschrecken lassen, dass er mit der Nadel den Fremden sticht. Oder dass ihm die Nadel (oder wie nennt man das Teil, mit dem man tätowiert?) und die Farbe aus der Hand fällt. Oder ich würde ihn fiebrig nachdenken lassen. Und seine Gedanken ausformulieren. All das läßt diese Unbehaglichkeit des Prot dem Leser viel intensiver spüren, als eben bloße Gefühlsbeschreibungen, weil es eben durch Gedanken oder/und Handlungen reflektiert wird.

Und jetzt schreiben wieder tausend, dass es ihnen anders besser gefällt. :) Das ist natürlich vollkommen ok, ich akzeptiere das ja, und hoffe, dass man akzeptiert, dass es mir eben so besser gefällt.

Grüße
Quidam


Grey

Da haben wir ja Glück, dass du das akzeptierst... ::) ;)

Ich sag aber trotzdem noch was dazu ^^
Und zwar finde ich das, was du vorschlägst, tatsächlich gut und ich mache es sogar selbst so. Nichtsdestotrotz nutze ich hin und wieder den guten alten Schauer und andere Gefühlsbeschreibungen, denn:

Warum sollte das eine das andere ausschließen? Warum ist ein Gedanke oder eine Handlung eine intensivere oder deutlichere Beschreibung des Unbehagens? Den Unterschied sehe ich nicht so recht. Andere Sinneswahrnehmungen wie sehen, hören, riechen beschreiben wir ja auch und erzeugen damit Atmosphäre...

Quidam

#21
Zitat von: Grey am 03. Juli 2007, 00:58:39
Warum sollte das eine das andere ausschließen? Warum ist ein Gedanke oder eine Handlung eine intensivere oder deutlichere Beschreibung des Unbehagens? Den Unterschied sehe ich nicht so recht. Andere Sinneswahrnehmungen wie sehen, hören, riechen beschreiben wir ja auch und erzeugen damit Atmosphäre...

Es ist aktiver.

Natürlich ist es auch mal wichtig, passiv zu sein, um die Geschichte zu verlangsamen, aber dann eben mit anderen Mitteln.
Mal ehrlich, wen packt beim Lesen eine Gefühlsbeschreibung? Besonders eine, die er sich denken kann! Ich glaube, das wird deutlich, wenn man es übertreibt:

Ich ging in den Keller, weil mein Date nach einem Wein verlangt. Natürlich hatte ich kein Problem, nachts in den Keller zu gehen. Zumindest gab ich das vor. Von einem Angsthasen würde sie sich heute bestimmt nicht ins Bett locken lassen. Ich knipste das Licht an und suchte erst das Gewölbe nach irgendwelchen Spinnen, Ratten und sonstigen Monstern ab, bevor ich die Holztreppe hinunter knarrte.
Als ich vor dem Weinregal stand und nach dem Jahrgang suchte, in dem sie geboren war, schlug die Kellertür zu. Der Knall hallte an den Wänden wider, das Licht ging aus. Es war so dunkel, dass ich die Flaschen vor meinen Augen nicht mehr sehen konnte. Mir lag es auf der Zunge, nach dem Date zu rufen, schluckte es aber hinunter. Du bist hier alleine. Dir passiert nichts. Ich tastete mich am Regal entlang zur Wand, wußte ich doch, dass es nur wenige Meter zur Treppe sind und ohne, dass mir etwas im Weg stehen würde.
Dann hörte ich es. Ein Schnaufen, zwischen mir und der Treppe.
Mir rann es kalt dem Rücken hinunter. Die Gedanken wirbelten in meinem Kopf. Das Herz stand mir still. Wäre die Angst ein Felsbrocken, läge jetzt die Hälfte der Alpen auf meinem Herzen.  ;D

Interessiert den Leser jetzt wirklich, was der Prot da alles fühlt? Kann es sich der Leser nicht denken? Und reicht es nicht, ihn aufgrund von Handlungen und Gedanken spüren zu lassen, dass der Prot genau das spürt? Also, den Rückenschauer.

Sich also den unterstrichenen Teil sparen und stattdessen erzählen, was eben im weiteren Verlauf der Geschichte passiert. Und da sollte eben der Leser spüren, dass dem Prot Schweißperlen der Angst auf der Stirn prickeln.-)

Überdies will zumindest ich als Leser nicht die Gefühle lesen, sondern sie spüren.
Er war ja so verliebt. Wie der Schmetterling in den warmen Frühlingstag. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als an die Nacht mit ihr. An den intensiven Sex.

Das find ich langweilig. Und der Leser weiß nur, dass der Prot verliebt ist, er spürt es aber nicht. Er würde es aber spüren, wenn er den Prot in seiner Wohnung sehen würde, nach der gemeinsamen Nacht und nachdem er wieder alleine ist:

Er wollte in die Küche, Geschirr spülen. Auf der Kommode lag sein Handy. Er nahm es in die Hand, las die Sms, bevor es zum ersten und bislang einzigem Treffen kam. Ich bin gespannt auf dich. Bis gleich. Da hatte er am Bahnhof gestanden, als diese SMS eintrudelte, und er nur mehr eine Minute von diesem Mädchen getrennt war.
Was könnte ich ihr schreiben? Er ging in der Wohnung auf und ab, ohne es zu merken. Nein, eine SMS war keine gute Idee. Sie würde sich bedrängt fühlen.
Was sie wohl gerade macht? Er wollte das Geschirr spülen, und fand sich im Schlafzimmer wieder, sah auf das Bett, die Decke hing halb zu Boden, dort, wo sein Slip lag. Er ließ sich auf die Matraze fallen und saugte den Duft in sich auf, der von ihr im Kopfkissen hing. Hoffentlich bin ich für sie keine Bettgeschichte.

Muss man da noch großartig schreiben, dass der Prot verliebt ist?

Grüße
Quidam

Hr. Kürbis

Ich finde mei gerade solchen Szenen wie mit dem Tätowierer, der ja seinem "Opfer"  ;) auch Schauer über den Rücken (oder ähnliche Stellen) jagt, bietet sich ein Vergleich zu seiner Tätigkeit doch geradezu an, oder?  :hmmm:

Grey

Ich mein ja auch nicht, dass man mit Gefühlsbeschreibungen um sich werfen soll... ::)

Aber ich denke, wir sollten das vielleicht in Artemis' neuem Thread weiterdiskutieren... das führt hier doch glaub ich ziemlich ins Allgemeine...

Lavendel

Richtig... aber ich sehe immernoch nicht ein, warum du die am Anfang des Threads angeführten körperlichen Reaktionen ausschließt, Quidam.

Was zum Beispiel spräche dagegen, dass Metin ihm übel wird, wenn ihn die Angst erfasst? Dass seine Hände anfangen zu zittern (was nicht besonders weit von seinem Ausrutscher mit der Nadel entfernt ist, wie du ihn beschrieben hast). Meines Wissens hat niemand bestritten, dass solche Reaktionen mit der Umgebung des Charas in Interaktion stehen sollten. Wenn jemand Tee trinkt, und die Hände anfangen zu zittern, wenn er/sie grade die Tasse hält, dann schwappt eben alles über, um es mit einem Beispiel zu sagen. Die Fragestellung war eben allgemein gehalten.
Und du schreibst ständig über den leidigen Schauer, den du vermeiden willst. Aber für den haben wir ja grade Synonyme gesucht.
Ich finde es wichtig, körperliche Empindungen darzustellen - in Verbindung mit Gedanken. Eine Figur besteht eben nicht nur aus Psyche, aber eben auch nicht nur auf physicher Ebene. Wenn man körperliche Empfingungen anschaulich beschreibt kann man eine gute Wirkung damit erzielen. Mit dem Text über den Verliebten beweißt du ja auch, dass dir sinnliche Erfahrungen wichtig sind (das Riechen am Kissen) - so what?

Wenn man in dem Kellerbeispiel jetzt zum beispiel statt dem unterstrichenen Part etwas in dieser Richtung schreibt:
Ich stolperte rückwärts, prallte mir dem Rücken gegen das Regal. Flaschen krachten auf Stein, Scherben spritzten, und meine Hände klammerten sich eiskalt an die spröden Bretter hinter mir. Dir passiert nichts. Wieder das Schnaufen, diesmal näher. Ein Schwall Fäulnisgeruch kroch mir in die Nase, dann schwappte feuchtheißer Atem in mein Gesicht. Dir passiert nichts!Ich wollte meinen Glieder zum weglaugen zwingen, doch sie blieben steif, gelähmt von der Panik...
Naja. Kein Meisterwerk, aber meiner Meinung nach überwiegen gerade in einer Angstsituation (um die es bei dem diskutierten Schauer ja geht) die physischen Reaktionen - da schaltet sich das Denken aus.  Da wird man dann eben von seinen Instinkten gesteuert. Und das sollte sich auch in der Sprache niederschlagen.

Ich habe irgendwie den Eindruck, wir Reden über das Gleiche - nur irgendwie aneinander vorbei ;)

Quidam

Ja aber jetzt hast du eigentlich das gleiche gesagt!

Wenn jemand Tee trinkt, und die Hände anfangen zu zittern, wenn er/sie grade die Tasse hält, dann schwappt eben alles über, um es mit einem Beispiel zu sagen.

Das ist eigentlich das Beispiel, das ich gerne nehme.  ;D

Natürlich hat niemand bestritten, dass Gefühle mit der Umgebung in Interaktion stehen sollen - aber es wird eben meist nicht gemacht, Gefühle so dazustellen! Und gerade das versuche ich hier zu sagen. Dass bloße Gefühlsbeschreibungen einfach langweilig sind, wenn sie Standart sind, und dass sie lächerlich wirken, wenn sie personifiziert werden. Am für mich Besten ist es eben, die Umgebung, Details ectr. mit den Gefühlsbeschreibungen einzubinden - das macht es lebendiger. Meiner Meinung nach!

Grüße
Quidam

Lavendel

Asooooo ;D
Siehst du, jetzt haben wir uns gefunden! Manchmal ist man auch wie vernagelt, was? Jaja, *schulterklopf* wir haben ja sooo recht!