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Na, was bin ich? - Woran erkennt man das Geschlecht des Ich-Erzählers?

Begonnen von Thaliope, 28. Juli 2013, 08:04:01

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Thaliope

Ich frage mich gerade, woran man beim Lesen erkennt (oder zu erkennen glaubt), ob ein Ich-Erzähler männlich oder weiblich ist. Identifiziert man es vielleicht sogar automatisch mit dem Namen des Autors? Wie gängig ist es überhaupt, dass eine Autorin aus einer männlichen Ich-Perspektive schreibt?

Beim Schreiben selbst habe ich ja klar im Kopf, aus wessen Sicht ich schreibe, aber mir ist es schon mehrfach passiert, dass der Leser/Hörer dann eine andere Vorstellung im Kopf hatte.

Gibt es typisch männliche und typisch weibliche Arten, sich auszudrücken? Worauf muss ich als Frau besonders achten, wenn ich eine Erzählstimme wie einen Mann klingen lassen möchte (ohne dass er jetzt besonders "männlich" sein müsste. Einfach nur ein Mann eben)?

Was meint ihr? Habt ihr euch beim Lesen vielleicht auch schonmal "vertan" - und habt eine Ahnung, woran es gelegen haben könnte?

LG
Thali

Feuertraum

Auch auf die Gefahr, dass man bei meiner Antwort nun die Augen verdreht und ich die Pfanne bekomme, aber in den allermeisten Fällen ist es so, dass die Ich-Person entweder sich am Anfang selbst vorstellt oder - was auch keine Seltenheit ist - mit Namen angesprochen wird.
Und ich wage mal zu behaupten, dass kein Autor seine Leser dadutch aufs Glatteis zu führen bereit ist, in dem er die Hauptfigur als einen Thomas hinstellt und zum Schluss erklärt, dass Thomas eine Frau ist.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Thaliope

Hmja. Ich hätte in meinen Post doch noch aufnehmen sollen, dass ich Situationen meine, in denen es nicht aus dem Inhalt hervorgeht. Ich meine wirklich die reine Ausdrucksweise und das Bild, das dabei im Kopf des Lesers entsteht.

Ich weiß schon, dass man es eindeutig klarmachen kann, wenn  man will. Aber es geht mir um das Gefühl, um den intuitiven Eindruck beim Lesen. Manchmal habe ich zumindest eine klare Vorstellung davon, wer mir da was erzählt, und dann kommt irgendwann die "Aufklärung", und ich muss beim Lesen komplett umdenken. Und ich frage mich, wie sowas entsteht.

LG
Thali





Rynn

Ich glaube, es wird ziemlich schwer, das Geschlecht zu bestimmen, wenn man keine eindeutigen Hinweise gibt. Ich schreibe fast ausschließlich Ich-Erzähler, und ich schreibe auch sehr gern männliche Ich-Erzähler, aber ich würde nicht sagen, dass es eine männliche und eine weibliche Art zu erzählen gibt. Es gibt individuelle Arten zu erzählen, völlig losgelöst vom Geschlecht. Mann 1 redet anders als Frau 1, die wiederum anders redet als Frau 2 und Mann 2. Ich stelle mir meine Figuren als Individuen vor, nicht als "männliche Figur vs. weibliche Figur". Sicher schreibt man einem Mann prinzipiell eine andere Wortwahl zu als einer Frau, aber meistens ist das dann auch eine ziemlich klischeebehaftete Vorstellung. Wenn man, einmal überspitzt gesagt, jeden Text nach "nett erzählt = weiblich" und "mit Schimpfwörtern erzählt = männlich" sortiert, dann wird man wohl mehr als einmal falschliegen.

Trotzdem halte ich es für unheimlich wichtig, dass man als Autor früh im Text – so früh wie möglich – klarstellt, welches Geschlecht der Erzähler hat. Denn wenn man die Handlung dreißig Seiten liest und den Erzähler für eine Frau hält, bis dann auf Seite 31 jemand sagt "Ey, Junge" (oder eben auch andersherum), dann stößt man den Leser damit vor den Kopf. Und das ist für mich in den meisten Fällen schlechtes Handwerk.
Einen anderen Fall haben wir natürlich, wenn das Geschlecht den ganzen Text über nie aufgelöst wird und bewusst offengelassen wird oder wenn der Autor ganz bewusst mit der Erwartungshaltung spielt und diese ganz gezielt zerstören will. Das gibt es natürlich auch, kommt aber seltener vor. Meistens ist es eben doch einfach nur nicht optimal gelöst.

Abgesehen von der bloßen Namensnennung gibt es aber noch einige andere Dinge, die man verwenden kann, um das Geschlecht zu implizieren, ohne es auszusprechen. Wenn ein Ich-Erzähler im allerersten Satz sagt, zum Geburtstag bekam er "ein pinkes Fahrrad", dann gehen Leser automatisch davon aus, dass der Erzähler ein Mädchen sein wird. Wenn ein Ich-Erzähler im allerersten Satz sagt, dass er sich mit Kumpels zum Bier trifft, dann gehen Leser davon aus, er muss ein Mann sein. Damit bedient man einfach Gemeinplätze, mit denen man zumindest ein wenig subtiler sein kann als mit der "Hallo Thomas, wie schön dich zu sehen, mein Sohn!"-Taktik. ;) (Gegen die ich an sich auch nichts einzuwenden habe; auch das finde ich legitim. Hauptsache, ein Leser erfährt so früh wie möglich, wen er vor sich hat.)
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Churke

Zitat von: Thaliope am 28. Juli 2013, 08:33:18
Manchmal habe ich zumindest eine klare Vorstellung davon, wer mir da was erzählt, und dann kommt irgendwann die "Aufklärung", und ich muss beim Lesen komplett umdenken. Und ich frage mich, wie sowas entsteht.

Bei Absicht durch das Können, bei Nichtabsicht durch das Unvermögen des Autors.

Zitat von: Thaliope am 28. Juli 2013, 08:04:01
Gibt es typisch männliche und typisch weibliche Arten, sich auszudrücken?
Ja.

ZitatWorauf muss ich als Frau besonders achten, wenn ich eine Erzählstimme wie einen Mann klingen lassen möchte (ohne dass er jetzt besonders "männlich" sein müsste. Einfach nur ein Mann eben)?
Achten? Du musst Männer verstehen und wissen, wie sie reden. Der Rest ist ein Rollenspiel und stinkeeinfach.  :engel:


Christopher

Kommt durch die Art und Weise wie ein Charakter denkt.

Ich gebe mal ein etwas aus dem Zusammenhang gerissenes Beispiel. Eine kurze Zusammenfassung eines kleinen Artikels über ein psychologisches Experiment, der in "Die Welt" erschienen ist.

Bei diesem Experiment wurden Frauen und Männern unterschiedlichste bilder gezeigt und dabei gemessen, wie lange ihr Blick in verschiedenen Regionen des Bildes verweilte, wo er zuerst hinging usw. Waren z.B. Raubtiere (Löwen o.ä.) auf dem Bild zu sehen, gingen die Blicke grundsätzlich zuerst da hin usw.

Nun zu der Männer/Frauensache. Waren Personen auf den Bildern zu sehen (egal ob Männer oder Frauen!) verweilte der Blick von Frauen grundsätzlich deutlich länger auf diesen, als der von Männern. Frauen taxierten die gezeigten Personen oftmals komplett, während Männer sich nur einen kurzen Überblick verschafften und dann an andere Punkte des Bildes schweiften, z.B. dem Fisch den die gezeigte Person gerade gefangen hatte, interessante Punkte der Landschaft o.ä.
Es kann natürlich sein, dass die Männer, bewusst nicht allzugenau die gezeigten Frauen angesehen haben. Schließlich wurde ja gemessen, was sie sich angucken und für wie lange. Da aber Personen beiderlei Geschlechts gezeigt wurden und die Verweildauer des Blicks von Frauen auch beim betrachten von anderen Frauen länger war, kann man davon ausgehen, dass Frauen Personen ein deutlich höheres Interesse entgegenbringen als Männer.

So, was hat das ganze jetzt mit dem Thema zu tun?

Es geht um die Denkweise und den Umfang des Interesses. Frauen (so scheint es mir auch wenn ich Bücher von ihnen lese) legen Beobachtungsschwerpunkte oftmals in Personen oder deren Interaktionen mit ihnen/mit anderen. Männer betrachten Personen zwar und taxieren sie kurz um sie einzuordnen, widmen ihre Aufmerksamkeit danach aber eher dem Geschehen. Ist ein Mann kein Konkurrent oder eine Frau keine Potenzielle Partnerin, wird diese Person gedanklich schnell in den Hintergrund gedrängt und es geht eher um die Handlung. Ebenso geht Männern dieses "schwärmen" völlig ab. Eine Person zu beobachten und dann mitten im Gedankengang darauf zu kommen wie toll sie doch ist, geht Männern völlig ab. Bei so etwas würde ich die Person sofort als Frau identifizieren. Das muss nichts sexuelles sein. Die reine Bewunderung für eine Person die etwas besonders gut macht kommt  - zumindest bei mir - gedanklich sehr selten mittendrin vor.

Ich würde empfehlen, einfach versuchen einen Text bei dem nicht genannt wird welchen Geschlechts der Ich-Erzähler ist zu schreiben und dem einem Testleser vorzulegen. An praktischen Beispielen kann man das viel einfacher festmachen, als so ins Blaue hinein zu erzählen, was die Denk-/Erzählweise eines Mannes/einer Frau ausmacht ;D
Be brave, dont tryhard.

Thaliope

Danke, Christopher!  :knuddel: deine Ausführungen finde ich schonmal ungemein hilfreich. Informationen in diese Richtung habe ich gesucht. Das gibt mir jedenfalls einen sehr interessanten Ansatzpunkt zur Analyse von Texten und zur eigenen Umsetzung.

@Rynn: In Sachen Individualität stimme ich dir natürlich völlig zu :) Und es geht ja auch nicht darum zu sagen, dass alle Männer gleich sprechen und alle Frauen anders gleich ;). Aber offenbar haben wir ja beim Lesen ein bestimmtes Bild im Kopf.

ZitatTrotzdem halte ich es für unheimlich wichtig, dass man als Autor früh im Text – so früh wie möglich – klarstellt, welches Geschlecht der Erzähler hat. Denn wenn man die Handlung dreißig Seiten liest und den Erzähler für eine Frau hält, bis dann auf Seite 31 jemand sagt "Ey, Junge" (oder eben auch andersherum), dann stößt man den Leser damit vor den Kopf. Und das ist für mich in den meisten Fällen schlechtes Handwerk.

Und genau das ist der Punkt, der mich interessiert: Wie kommt es denn, dass man jemanden fälschlicherweise für eine Frau hält? Woran macht sich das im Text fest? Und inwiefern spielt die Vorerwartung des Lesers da mit rein? Weißt du, was ich meine?

Danke für die konstruktiven Beiträge!
LG
Thali


Alaun

Interessantes Thema!
Ich denke, es hängt auch sehr davon ab, welche Art von Persönlichkeit die Figur hat. Um mal ganz bewusst extreme und plakative Beispiele zu bringen:

Ein Fußball-Proll, der seine Freizeit überwiegend mit Grillen und Biertrinken verbringt, drückt sich anders aus als der verkopfte Philosophiestudent. Eine Frau, die sich ausschließlich über Äußerlichkeiten definiert setzt andere Schwerpunkte in ihrer Wahrnehmung und Kommunikation als eine Geschlechtsgenossin, die mehr reflektiert. Und nicht zuletzt gibt es einfach mehr oder weniger sensible Menschen, unabhängig vom Geschlecht.

Um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe weder etwas gegen Fußball, noch gegen das Grillen noch gegen Äußerlichkeiten. Es sind nur plakative Beispiele.




Kati

Ich würde mich da Rynn anschließen wollen, ich glaube nicht, dass man so von vorne rein sagen kann "Männer sind so, Frauen sind so". Figuren sollten zuallererst individuell sein, unabhängig vom Geschlecht, dann kann man sich Gedanken darüber machen, wie man nun deutlich werden lässt, welches Geschlecht eine Figur hat. Das Problem mit all den Beispielen ist ja, dass es immer Ausnahmen gibt. Die Person, die ein pinkes Fahrrad geschenkt bekommt, kann genauso gut ein Junge sein, der die Farbe eben mag, kommt öfter vor, als man denkt.  ;) Schrecklich finde ich, wenn ein Autor versucht das Geschlecht des Protagonisten über "typische" Eigenschaften zu definieren. In einem von einer Frau geschriebenen Roman mit männlichem Erzähler starrte der Protagonist allen Mädchen auf die Beine, weil das ja angeblich typisch männlich ist.  ::) Wie man es also ohne Klischees und dergleichen von Anfang an deutlich macht, ist eine gute Frage.

Ich denke, ganz wichtig ist, was Churke sagt: Man muss die Figur verstehen. Damit meine ich aber nicht "man muss Männer / Frauen verstehen", weil so unterschiedlich denken wir von Natur aus sicherlich nicht. Es geht viel eher um die gesellschaftlichen Einflüsse, unter denen die Figur aufgewachsen ist. Da ich nie mit männlichen Rollenbildern aufgewachsen bin, muss ich mich da rein denken können, um die Figur so handeln zu lassen, wie ein Junge unter den Umständen handeln würde. Jungen werden ja durchaus anders erzogen als Mädchen und ich denke, da muss man ansetzen um zu verstehen, wieso eine Figur so ist, wie sie ist. Merkwürdig kommt es dem Leser meist vor, wenn eine männliche Figur wirkt, als wäre sie mit weiblichen Rollenbildern erzogen worden. Das merkt man und dann fühlt sich das Buch komisch an und man weiß nicht so recht, was man da nun vor sich hat. Aber am sichersten ist natürlich immer noch die männliche Anrede, dann ist alles klar.

ZitatUnd ich wage mal zu behaupten, dass kein Autor seine Leser dadutch aufs Glatteis zu führen bereit ist, in dem er die Hauptfigur als einen Thomas hinstellt und zum Schluss erklärt, dass Thomas eine Frau ist.

Doch. Mir ist einmal ein Roman untergekommen, in dem die ominöse Hauptperson mit Unisexnamen sich später als Frau herausgestellt hat, obwohl ich und andere Leser über die Hälfte gedacht haben, es müsste ein Mann sein. Sowas soll wohl als Plot Twist funktionieren, finde ich aber wenig optimal, man ärgert sich eher und fühlt sich veralbert.

Thaliope

Hmmm, das mit den Rollenvorbildern ist auch ein sehr interessanter Ansatz, in den ich mich mal reindenken müsste. Das könnte sehr aufschlussreich sein, danke dafür :)

Ich selbst habe mir bisher wenig Gedanken um solche Rollenbilder gemacht, weil für mich - wie hier auch schon mehrfach angesprochen - nur die individuelle Figur im Vordergrund steht und nicht ihr Geschlecht. Aber dann stand ich einmal recht ratlos vor dem Feedback, meine Figur würde sich "weiblich" lesen. Und da frage ich mich eben, welcher Teil an meiner Ausdrucksweise  dafür verantwortlich ist.

In diesem Punkt finde ich übrigens, dass Klischees eine zweischneidige Sache sind. Natürlich sind sie einerseits böse und wir wollen uns alle davon lösen. Auf der anderen Seite sind sie, dosiert eingesetzt, prima dazu geeignet, im Leser Bilder und Vorstellungen hervorzurufen, was sich gerade an diesem Beispiel ganz interessant zeigt, finde ich. Es geht ja nicht um zwingend eindeutige Zuordnungen, sondern um Wahrscheinlichkeiten, darum, mit welchen Worten welche spontanen Assoziationen verknüpft sind (so sehr diese Assoziationen gesellschaftlich bedingt sein mögen, und so gründlich wir sie intellektuell hinterfragen - als Mechanismus zur Bilder-Erschaffung dürfen wir sie wohl nicht außer Acht lassen.)

LG
Thali


Judith

Ich habe einmal ein Buch mit so einem Plot-Twist gelesen - Hintergrund des ganzen war da im Grunde, dass ein Mädchen sich bei anderen als Junge ausgibt und auch den Lesern erst sehr spät verrät, dass es eben keiner ist. Ich habe nachher Rezensionen gelesen, die mir gezeigt haben, dass die meisten Leser damit aufs Glatteis geführt wurden, aber ich habe genau so etwas schon vom Beginn an geahnt.
Ob es allerdings nun an der Erzählstimme lag oder einfach an dem diffusen Gefühl, dass da ein Twist kommen wird, kann ich nicht mehr sagen. Interessant war es dennoch, dass ich bei der großen "Enthüllung", die anscheinend die meisten kalt erwischt hat, nur dachte "Aha, ja, genau das, was ich schon die ganze Zeit geahnt habe".  ::)

Grey

Zitat von: Churke am 28. Juli 2013, 09:29:03
Bei Absicht durch das Können, bei Nichtabsicht durch das Unvermögen des Autors.
Ja.
Achten? Du musst Männer verstehen und wissen, wie sie reden. Der Rest ist ein Rollenspiel und stinkeeinfach.  :engel:

:wache!:

Churke, wenn du schon nichts Konstruktives oder Hilfreiches zur Diskussion beizutragen hast, würde ich dich bitten, dir auch Kommentare wie diese zu verkneifen, die keinerlei Inhalt haben, außer dem Fragesteller zu vermitteln, dass seine Frage aus deiner Sicht dumm war. Das ist vollkommen unnötig, verletzt darüber hinaus die Kommunikations- und Umgangsformen des Forums und bringt niemanden weiter, vor allem wenn es sich um eine vernünftige handwerkliche Diskussion handelt.

Lavendel

Hm, jetzt kommt natürlich wieder die Feministin durch, aber ich würde sagen, es gibt keine "weibliche" oder "männliche" Sprache - nicht an sich. Es gibt allerdings Attribute, die im Allgemeinen die eine Zuschreibung von weiblich oder männlich beinhalten, obwohl sie im Grunde nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun haben, auch in der Sprache. Das ist allerdings nicht so fürchterlich eindeutig, finde ich, genauso wenig wie es eindeutig sein muss, ob ein Autor männlich oder weiblich sit.

Ich denke, man beurteilt das Geschlecht des Erzählers vermutlich am ehesten über die Themen, die der Text berührt, und über die Dinge, die die Figur tut. Wer joggen geht und zum Frühstück die Kalorien der Haferflocken mit frischem Obst zählt, wird wahrscheinlich schnell als weiblich eingestuft, wer vor dem Duschen zehn Klimmzüge macht und sich dann ein Mettbrötchen reinhaut, wahrscheinlich eher als männlich. Ok, das sind blöde Beispiele (es geht da doch subtiler ... ::)) und es ist sicherlich nicht immer in jedem Text ganz einfach, einen Ich-Erzähler einem Geschlecht zuzuordnen, aber ich würde sagen so funktioniert die Zuschreibung im Allgemeinen - über die mehr oder weniger auffälligen Unterschiede in der Sozialisation. (Natürlich auch über die Körperlichkeit der Figur, wenn das denn ein Thema ist, aber dann wäre es ja eh sehr schnell eindeutig, jedenfalls, was das biologische Geschlecht angeht ;)).

Christopher

Man kann sich natürlich gegen diese Klischees sträuben, im ach so politisch korrektem modernen Leben mag das auch angebracht sein...

Aber: Was spricht dagegen, diese Klischees für sich arbeiten zu lassen? Anstatt sich dagegen zu sträuben und darüber zu ärgern und es unbedingt ANDERS machen zu wollen, kann man das auch ausnutzen. Und das ist nicht mal schlimm.

Das fiel mir das erste mal auf, als ich zufällig bei einem Bekannten eines der Harry Potter Bücher in die Finger bekam. Aus reinem Vergnügen würde ich die nicht lesen, ist einfach nicht mein Geschmack, aber rein interessehalber hab ich mal die ersten 5-10 Seiten gelesen.

Dabei konnte ich ungefähr alle 30 Sekunden ein Klischee benennen, welches da gerade bedient wurde. In England ist Nebel, in Audienzzimmern hängen immer irgendwelche Übergroßen Porträs herum, in England wird ständig Tee getrunken usw. usf. Hätte ich den Text nicht mit einem Kritiker- sondern Leserauge gelesen, wäre mir das nicht aufgefallen. Was sie damit erreicht hat war aber simpel: Der Leser konnte sich alles sehr leicht vorstellen, weil es eben IMMER in die Klischeenische schlug, also genau das beschrieb, was sich die meisten sowieso schon so vorstellten.

Soviel zum Thema: Klischees für sich arbeiten lassen.
Wie viel oder wenig man dann nutzt, ist jedem selbst überlassen, aber es muss eben nicht schlecht sein. Das politisch korrekte "Aber jeder Mensch ist anders!" hilft dem Leser nicht.

Hoffe, das klang jetzt nicht zu scharf  :-[
Be brave, dont tryhard.

Kati

Es sagt ja auch keiner, dass Klischees böse sind und um jeden Preis vermieden werden müssen. Zumindest mir ging es eher darum, nicht alles an Klischees festzumachen. Das Problem mit Klischees ist, dass sie vielleicht auf bestimmte Gruppen zutreffen, aber nicht auf jedes Mitglied dieser Gruppe. Natürlich kann man Klischees super für sich arbeiten lassen, aber man muss ja deshalb nicht jedes umsetzen. Wenn ich will, das mein Protagonist ein rosafarbenes Fahrrad fährt, dann fährt er ein rosafarbenes Fahrrad. Das hat für mich nicht viel mit alles anders machen wollen oder politischer Korrektheit zu tun, sondern mehr mit dem Versuch es näher an die Realität zu bringen. Menschen sind ja nicht nur Klischee, sie haben meist Eigenschaften, die man als "Klischee" bezeichnen würde und solche, die eben vom Klischee abweichen.  :)