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Das Problem mit der Mitte oder "Warum komm ich jetzt nicht weiter?"

Begonnen von Ary, 01. Juni 2012, 21:20:49

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Ary

Vielleicht kennt ihr das auch. Mid-Book-Blues. Die Geschichte fing gut an, kam ins Rollen, und dann ist man plötzlich so ungefähr in der Mitte - und plötzlich ist die Motivation weg, an dem Ding weiterzuschreiben. Warum? Weil ich, wenn ich oben auf dem Berg angekommen bin, erst mal ausruhen und die Aussicht genießen will?
Ich verstehe das nicht. Warum fällt es mir so verdammt schwer, ab ungefähr der Buchmitte bei der Stange zu bleiben und die Geschichte wirklich abzuschließen? Warum kommt in der Mitte immer so ein Riesen-Motivationsloch?
Mich würde mal interessieren, wem es noch so geht und vor allem, was ihr dagegen macht. Plotten? Liegenlassen? Wobei liegenlassen bei mir im Moment keine Alternative ist, da es um einen Wettbewerbsbeitrag geht, dessen Deadline näher und näher rückt.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Tintenweberin

Bei mir ist es eher das letzte Drittel, das mir regelmäßig die Lust am Weiterschreiben vergällen will. Ich habe den Verdacht, dass sich "etwas in mir" am liebsten konsequent weigern würde, eine Geschichte fertig zu schreiben weil sie im fertigen Zustand vor die Augen der Welt treten muss und Beifall oder Buh-Rufe kassiert.

Ich habe gegen dieses Motivationsloch vier tapfere Beta-Leser, die meine Geschichten auch häppchenweise verputzen und lautstark "Mehr!" schreien, wenn der Nachschub ausbleibt ...   ;)

Naudiz

Ah, der Mid-Book-Blues. Ja, den kenne ich nur zu gut. Momentan ist das bei meinem NaNo 2011-Projekt so. Ich habe es nach dem NaNo noch bis zur ungefähren Mitte des Plots gebracht, und dann... war auf einmal Sense. Ich hatte keine Lust mehr, kam auf einmal überhaupt nicht mehr in die Geschichte rein, hatte keine Empathie mehr übrig, mit denen ich in die Rolle meiner Charaktere hätte schlüpfen können... Keine Ahnung, woran das liegt.

Noch detailreicher plotten hat überhaupt nicht geholfen. Liegenlassen... ja, das mache ich jetzt schon seit letztes Jahr, das bringt mir überhaupt nichts. Je länger ich nicht mehr schreibe, desto mehr entferne ich mich von der Geschichte, und desto schwieriger wird es für mich, wieder hineinzufinden, wenn ich denn endlich mal die Motivation finde, weiterzuschreiben.

Aber vielleicht sollte ich das Ganze ja auch einfach mal mit meinem besten Freund diskutieren... schließlich wäre Rebellion ohne ihn gar nicht erst in dieser Form zustande gekommen...

Wie dem auch sei. Mir persönlich hilft es jedenfalls immer am meisten, mit anderen Leuten darüber zu reden - am besten solchen, die beim Plotten und Charakterdesign zumindest geistig beteiligt waren, sprich die Leute, die ich schon von Anfang an damit zugetextet habe  ;D

Runaway

Mir passiert das eher selten und mir passiert das auch nur dann, wenn ich die Geschichte falsch konzipiert habe. Wenn ich beim Schreiben irgendwann merke, daß die Story sich irgendwie ganz anders entpuppt als geplant, dann kann das schon mal schnell nerven. Aber dann ist immer die Frage, ob es mich motiviert, sie zu ändern und dann geht es einfach weiter - oder aber ich gebe die Story auf.
Ansonsten hab ich eher den End-Blues ... ich mag nie aufhören ;D

Ich glaub, Liegenlassen ist auf jeden Fall eine schlechte Idee, denn das macht es nur schlimmer. Motivierende Betas sind sicherlich gut - und vielleicht die Frage: Was hat mich seinerzeit motiviert, die Story anzufangen? Wo wollte ich damit hin? Was mag ich bislang daran?
Und dann "einfach" mit diesen Stärken weitermachen.

Telas

Ich kriege ab der Mitte immer Zweifel, ob das, was ab einem bestimmten Zeitpunkt folgt überhaupt noch mit dem Anfang harmoniert.
Irgendwann fällt es mir wirklich schwer den Überblick über all das zu behalten, was ich alles geschrieben habe. Daraus resultiert dann die
Angst, sich in blöde Widersprüche und Logiklücken zu verstricken- demnach müssen wohl auch meine Plots eher lückenhaft sein.
Ich kann mich gar nicht daran erinnern ein Projekt gehabt zu haben, das ohne Motivationsloch ab lief.
Argentarys war natürlich der Härtefall, eigentlich schon ad acta, habe ich es nach vielen Wochen, oder waren es Monate Pause noch zu Ende gebracht.
Aber das war ein Einzelfall. Die anderen Sachen, die ich länger als zwei Wochen beiseite gelegt hatte, wurden nie beendet.
Eine Woche einmal an etwas anderes zu denken, halte ich gar nicht für schlecht. Aber ich stimme den anderen auch zu. Wenn man zu lange wartet,
bis man wieder weiterschreibt ist das Gift.
Vielleicht ist es ja motivierend, die Szenen, die einem selbst am besten gefallen, noch einmal zu reflektieren. Dann will man vielleicht wieder mehr,
dass es weiter geht.
Und irgendwann, wenn das Ziel in greifbare Nähe rückt, steigt die Motivation in der Regel auch wieder massiv an.
Aber Anfänge gehen mir immer am leichtesten von der Hand ;).

Linda

Ich muss zugeben, das ist ein Problem, das ich nicht kenne. Ich finde eher Anfänge und erste Drittel nervig ;-) Ich werde nie verstehen, wie man begeistert Anfänge rauskloppen und dann mittendrin versacken kann.   :zensur:
Allerdings achte ich darauf, einen Midpoint, also einen zusätzlichen Wendepunkt ungefähr in die Mitte des Textes zu setzen. Dadurch wird in der Regel einiges durcheinander gewirbelt und die Geschichte gewinnt alleine dadurch Dynamik. Ich bin allerdings auch jemand, der beim Schreiben immer weiß, wohin es geht. Nicht weil ich nun sooo ausführlich jede Szene plotte - aber ich weiß halt gerne, in welche Richtung der Weg verläuft.
Überleg' dir, was würde dir als Autor (und vor allem als Leser) nun an der Stelle Spaß machen, was ist dafür nötig und schau', ob du das mit deinem Plot vereinbaren kannst. 

(huch, schon mein zweiter Workshop-Beitrag in diesem Jahr - ich muss irgendwie ... :40°C:)

Dealein

Ich habe zwar seltene ein Problem in der Mitte, jedoch aber einfach zwischendrinnen. Meine Lösung ist einfach an eine Szene zu denken auf die ich mich schon wahnsinnig freue, die in der Zukunft liegt und dann diese vorziehen und schreiben. Das gibt mir so einen kleinen Motivationsschub, wobei das auch nicht sehr praktisch ist, wenn man zu den Personen gehört, die einfach darauf los schreiben und vielleicht den gesamten Verlauf noch nicht geplant haben . . .  :hmmm:

Alessa

Ich habe auch regelmäßig ab der Mitte Probleme. Der Anfang ist geschrieben, die Charaktere vorgestellt und dann ein Loch: riesig, dunkel und keine Brücke weit und breit. Das resultiert bei mir daher, dass ich bisher immer darauf los geschrieben habe, wenn ich einen Anfang und ein Ende hatte, aber die große Mitte wollte sich mir nicht zeigen. Das Projekt dann liegen zu lassen, endet bei mir damit, dass es nie fertig geschrieben wird. Ich muss weiter daran arbeiten, auch wenn die Motivation bei mir im Keller ist. Bei meinem aktuellen Projekt habe ich das Problem zu umgehen versucht, indem ich die Charaktere einfach laufen gelassen habe. Der Versuch endete damit, dass ich nicht zu dem Schluss kam, wo ich hin wollte. Dann bin ich verschiedene Möglichkeiten durch gegangen, wie es weiter gehen könnte, was einerseits der Leser erwartet, wie es weiter geht und was ich dagegen für einen Midpoint setzten könnte. Ist die Hürde geschafft, läuft es meistens wieder.
Ich habe die Hoffnung, das Problem der Mitte bei meinem neuen Projekt mit einem ordentlichen Plot zu umgehen. Da ich bisher noch am Anfang beim plotten stecke, weiß ich noch nicht, ob es mir gelingt. Von daher bin ich gesannt.

Erdbeere

Oh, das kenn ich nur zu gut. Eigentlich hat man den gesamten Plot, die Figuren sind anständig und machen, was man will, und dann bamm, Loch in der Mitte. Okay, bei mir eher nach 3/5.

Bei mir war das zuletzt im Nano '11-Projekt. Irgendwie war der drive draussen. Ich sass vor dem offenen Dokument, kannte meinen Plot und somit den Weg, den ich nehmen muss, um zum Finale zu kommen, doch es war, als hätte jemand den Pausenknopf gedrückt und meine Figuren wippten wartend auf und ab, wie in einem Computerspiel.
Was mir schlussendlich geholfen hat, war, einen zusätzlichen Wendepunkt ins Spiel zu bringen. Das Fünf-Akt-Prinzip hat sich damals bewährt und mir wurde klar, dass ich einen Akt ausgelassen hatte - nämlich den zweiten und/oder den vierten. Also kurzerhand Plot geändert. Dabei berücksichtige ich auch immer die Devise: Was wäre das schlechteste/schlimmste, was deinem Charakter passieren könnte? Nimm das, und mach es noch schlimmer. Der Charakter hat dann alle Hände voll zu tun und plötzlich bist du aus der Mitte draussen und steuerst auf das Ende zu.

Ary

Danke, ihr Lieben. Das hilft mir schon weiter. Viel neues reinbringen kann ich in die Geschichte nicht, weil ich ein Seitenlimit habe und nicht wer weiß was noch machen kann und alles gern geradlinig behalten möchte - aber immerhin weiß ich jetzt, wie der Hintergrund des Antagonisten aussieht. Ich glaube, der hat mir gefehlt.
Wahrscheinlich muss ich endlich mit dem Bauchschreiben aufhören und mir strukturiertes Plotten angewöhnen. Ich bin beim schreiben einfach eine entsetzliche Chaotin.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Alaun

Oh, oh, oh, kenn ich, kenn ich!  :versteck: Bei mir ist es egal, ob ich alles gut durchplotte oder einfach so aus dem Bauch schreibe. Die Mitte eines Buches ist immer ein Problem. Da hilft bei mir liegenlassen, anderen Leuten zum lesen geben, mal ein paar Tage (oder Wochen ...) was anderes schreiben. Gar nicht schreiben. Schreiben aus tiefstem Herzen hassen. Und dann feststellen, dass ich Lust bekomme, doch wieder weiterzumachen.

Arcor

Mh, ein wirkliches Mitte-Problem kenne ich bisher bei mir nicht. Es ist eher so, dass die Geschichte sich einfach beim Schreiben peu à peu verselbstständigt und ich dann in der Überarbeitung den Anfang immer stark anpassen muss, damit die Geschichte überhaupt wie aus einem Guss wirkt und Sinn ergibt.

Was ich eher kenne, ist, dass ich das Gefühl bekomme, das Ding ist Käse und gehört eigentlich auf den Müll. Das bremst dann aber zwangsläufig auch meine Schreibe, da ich dann wie wild anfange zu plotten und zu grübeln, was ich besser machen könnte.

Deas Idee finde ich bei so einem Motivationsloch übrigens super!  :jau: Man hat doch eigentlich immer 1-2 Szenen vom schon ausgedachten Schluss (oder auch davor), die man ganz toll findet und unbedingt schreiben möchte. Mit denen vor Augen sollte man eigentlich über die gängigsten Motivationslöcher hinwegkommen.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Malinche

Bei mir ist es nicht direkt zielsicherer Mid-Book-Blues, aber ich kenne es, dass ich auch irgendwo steckenbleibe - dabei ist das Ding geplottet, ich mag das Projekt, nur irgendwie ... geht es nicht. Oft überliste ich mich damit, dass ich mich dann selbst überrasche (das ist wahrscheinlich ein bisschen wie der von Linda angesprochene Wendepunkt, nur kleiner und ... weniger geplant): Auftritt einer neuen Figur, die alles auflockert, oder ich gebe den Figuren stärker die Zügel frei und traue mich, sie auch mal vom geplanten Plot weg agieren zu lassen.

Bei meinen Kondorkindern hatte ich so eine Stelle, als ich eine Szene mit einer unglaublich hoheitsvollen Berggöttin geschrieben habe. Es ging nicht. Dann ließ ich sie machen, wie sie wollte, und auf einmal zeigte die Dame Charakter, schiss ihren Götterboten zusammen wie einen Schuljungen und hatte dabei genauso viel Spaß wie ich, die ganz überrascht von der Entwicklung war. Und das Schreiben rollte wieder (und ab der Stelle auch wieder plotgemäß). Die Überraschung muss also nicht immer den ganzen Plot aus den Angeln heben.

Von daher: Vielleicht hilft dir ein Schmankerl im Text, das dir selbst richtig Spaß macht, anstatt einfach den Plot selbst als Pflichtübung herunterzubeten?
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Sanjani

Hallo ihr Lieben,

das Problem der Mitte kenne ich selbst eigentlich nicht. Meine Geschichten bleiben an verschiedenen Stellen hängen, würde ich sagen. Früher habe ich sie einfach aus einem Guss heruntergeschrieben, heute geht das überhaupt nicht mehr. Bei meinen Drachenkriegern war es dann so, dass ich immer das geschrieben habe, was mir gerade im Kopf herumschwirrte und die Löcher dann mit viel Selbstdisziplin zugestopft habe. Bei meinen Traumwächtern ist es etwas anders. Da hänge ich gerade auch in einem Motivationsloch, aber das hat auch damit zu tun, dass der Plot sich mir nicht auftut und noch mit einigen privaten Schwierigkeiten, die mit der Geschichte indirekt zusammenhängen. Insofern akzeptiere ich momentan einfach, dass ich nicht weiterschreiten kann und hoffe, dass ich es kann, wenn meine Situation sich verändert.
Ich finde, aus den vielen Antworten geht sehr schön hervor, dass das Problem an unterschiedlichen Stellen begraben sein kann und deshalb gibt es wohl kein Rezept zur Problemlösung. Ich handhabe es bei Motivationslöchern oder Hängern teilweise auch so wie Dea, dass ich Szenen schreibe, die mir schon im Kopf herumgehen und die ich gerne schreiben möchte. Manchmal stellt sich dann bei Fortschreiten der Geschichte heraus, dass sie nicht mehr oder nur noch abgewandelt hineinpassen, aber um das Motivationsloch etwas zuzuschütten geht es manchmal.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Brigadoona

Ich kenne dieses Problem mit der Mitte (oder besser gesagt mit dem zweiten Drittel) leider auch zu genüge.
Das erste Drittel läuft immer gut. Ich bin voll motiviert und könnte ständig weiterschreiben.
Und dann kommt irgendwann dieser miese Punkt, der mir zeigt, wie viele Seiten ich noch tippen muss und plötzlich erscheint mir die Geschichte leer und langweilig. Ich hangel mich zwar weiter, aber ohne Herz und ohne dem Geschriebenen die nötige Farbe zu verleihen. Es ist ein Graus.
Beim letzten Drittel kommt die Motivation zurück. Immerhin habe ich das Ende im Auge und da sind sie wieder - die Ideen, auf die ich so lange gewartet habe und die ich zur Ausschmückung brauche.