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Modalverben verwenden, ja oder nein?

Begonnen von Czara Niyaha, 29. November 2023, 09:44:22

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Czara Niyaha

Seit Anfang des Jahres schreibe ich mit Papyrus. Viele meiner Fehler waren mir bis dahin gar nicht bewusst. Meine Texte waren voll von Markierungen.  ;) Unter anderem war der Hinweis Modalverben zu vermeiden, wie: dürfen, können, mögen, sollen, wollen und müssen.
Mitunter ist echt schwer auf Modalverben zu verzichten. Manche meiner Sätze lesen sich umständlich, weil ich versuche die "Falle" zu umgehen und die Modalverben möglichst vermeide. Ist das Verwenden von Modalverben tatsächlich Zeichen eines "schlechten" Schreibstils, oder darf man sie trotzdem hier und da benutzen? Ich glaube den meisten Lesern fällt das noch nicht einmal auf. Die stolpern vermutlich eher über meine zurecht geschusterte Formulierung, die versucht mit allen Mitteln diese "Falle" zu umgehen. Ich bin etwas ratlos.  ???
Ich habe eine durchaus berechtigte Kritik von meiner Betaleserin bekommen, dass mein Schreibstil hier und da etwas zu kompliziert ist. Ich versuche eine gesunde Mischung zwischen Einfachheit, angenehmen Lesefluss und Anspruch zu finden...
Wie ist eure Meinung dazu? 
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Rynn

#1
Ich glaube nicht, dass Modalverben grundsätzlich zu verurteilen sind. In vielen Fällen sind sie auch einfach notwendig. Die Empfehlungen von Papyrus sollte man wohl eher dafür nutzen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln und die Verwendung kurz zu prüfen. Denn es gibt Ausdrücke, die den Text unnötig verwässern, vor allem "können" ist da so ein Kandidat. Kann man an dieser Stelle eine andere Formulierung wählen? Ist das Modalverb hier für den Sinn unentbehrlich? Ich habe ja auch schon einige in diesem kurzen Text verwendet, auf die ich eben nicht verzichten konnte, ohne dass der Sinn verfälscht worden wäre. ;D

Wichtig ist einfach nur, einzuschätzen zu lernen, ob es sich um ein Modalverb handelt, das für den Sinn wichtig ist und stehen bleiben muss, oder um eins, das den Text schwächer macht, ohne dass es einen anderen Sinn in den Text bringt.

Vielleicht noch mal ein Beispiel, wie ich das meine. "Ich lese viel, um besser schreiben zu können." hat die fast gleiche Bedeutung wie "Ich lese viel, um besser zu schreiben.". Hier bläht das Modalverb den Satz unnötig auf, man kann darauf verzichten.

Aber "Er musste sich beeilen." hat einen ganz anderen Sinn als "Er beeilte sich." und klingt auch prägnanter als eine merkwürdige Konstruktion wie "Er hatte es dringend nötig/war gezwungen, sich zu beeilen." Dann doch bitte einfach das Modalverb.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Czara Niyaha

Zitat von: Rynn am 29. November 2023, 10:39:06Aber "Er musste sich beeilen." hat einen ganz anderen Sinn als "Er beeilte sich." und klingt auch prägnanter als eine merkwürdige Konstruktion wie "Er hatte es dringend nötig/war gezwungen, sich zu beeilen." Dann doch bitte einfach das Modalverb.

Genau solche komplizierten Sätze kommen bei mir mitunter zustande, wenn ich zwanghaft versuche das Modalverb zu vermeiden, und das macht den Lesefluss kaputt.
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Mindi

#3
Die Modalverben grundlegend zu vermeiden halte ich nicht für sinnvoll. Sie verändern bei der Benutzung  die Bedeutung von Verben. Verzichtet man auf sie, ergibt sich ein anderer Sinn, umschreibt man sie, wirkt es schnell verkrampft.

"Wir müssen gehen" bedeutet etwas anderes als "wir gehen" und ist leichter zu lesen als ein "Es ist von dringender Notwendigkeit, dass wir gehen".

"Ich will arbeiten" hat eine andere Bedeutung als "ich arbeite" und klingt simpler als "Ich vermag mich dem Bedürfnis zu arbeiten nicht länger widersetzen". (Okay, der war mega schlecht  :rofl: )

Dafür sind diese Verben gut. Solche Sätze umständlich umzuschreiben, damit sie das gleiche aussagen, aber auf müssen und wollen verzichten, hilft dem Lesefluss nicht.

Aber es gibt auch Sätze, in denen sie das Verb unnötig abschwächen. Und die gilt es zu erkennen und dort gehören sie auch nicht hin. Wenn ein Satz ohne Modalverben präziser wird und dabei seine Bedeutung nicht verändert, dann raus damit.

Oft stehen sie dann z.b. hinter einem "zu":
Schreiben zu können > Schreiben
Erreichbar sein zu können> Erreichbar sein

(Edith: Ähm, danke Handy, dass du mir die anderen neuen Beiträge nicht angezeigt hast. Hat man davon, wenn man ein Fenster zu lange offen hat :rofl:)
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Yamuri

Ich denke nicht, dass Modalverben ein schlechter Schreibstil sind.

Ich persönlich finde das noch nichtmal bei Adverbien oder dem Gerund. Tatsächlich gefällt mir das Gerund sehr gut und ich finde ein Text klingt poetischer, wenn dort "schweigend" steht anstelle einer umständlichen Umschreibung.

Ein Modalverb kann einen Satz weicher klingen lassen. Es kann also, wenn ich eine weiche Atmosphäre erzeugen möchte, sinnvoll sein ein Modalverb auch dann drin zu lassen, wenn es von der Sinhaftigkeit her eigentlich rausgelassen werden könnte. Ich würde immer den Kontext betrachten und überlegen, wie möchte ich, dass mein Text klingt. Welche Atmosphäre will ich erzeugen?

Hart oder weich, poetisch oder sachlich. Keines von beidem ist deswegen schlecht.

Ich persönlich finde die deutsche Sprache unglaublich hart und grob, wenn sie nicht abgeschwächt wird durch entsprechende Wörter. Daher schwäche ich sie gern ab durch Modalverben, um eine gewisse Weichheit und Sanftheit einzuflechten. Englisch oder Chinesisch empfinde ich als weicher, melodischer und ja, höflicher, schon allein von der Grundtonalität der Sprachen. Sicherlich gibt es in diesen Sprachen auch grobe und unhöfliche Ausdrücke, aber ich vergleiche den Ton der Alltagssprache und der ist im Deutschen meinem Empfinden nach mit einer gewissen Grundhärte ausgestattet, die selbst bei der Vermeidung unhöflicher Ausdrücke durchklingt.

Daher hab ich früher lieber auf englisch geschrieben, weil es weicher ist. Und deshalb verwende ich wohl auch ganz unterbewusst häufig Modalverben. ^^
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Biene

Sowohl die Rechtschreibprüfung als auch die Stilanalyse von Papyrus sollte man mit Vorsicht genießen und sich auf gar keinen Fall sklavisch daran halten. Die haben schon versucht, mir den ein oder anderen Klops unterzujubeln, der jeglichen Sinn aus dem betreffenden Satz entfernt hätte. Habe die Stilanalyse mittlerweile ziemlich eingeschränkt und verlasse mich doch eher auf mein Bauchgefühl.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Paka

Mark Twain hat ja geschrieben: "If you see an Adjective, kill it." Und trotzdem gibt es jede Menge gute Bücher, in denen Adjektive vorkommen.
Ich denke, man muss eben abwägen, wann ein Adjektiv sinnvoll und vor allem gewinnbringend ist, und wann wegbleiben sollte.
Genauso ist es mit den Modalverben.
Gerade eine Liste von acht der am häufigsten aus US-Bibliotheken verbannten Bücher gesehen. Fünf davon stehen in meinem Regal. 👍🏻😇

selkie

Das sehe ich auch so und ich denke, dass jede*r ja auch ein wenig ihren*seinen eigenen Schreibstil hat und wenn alles gleich klänge, wäre das ja auch langweilig. Manchmal möchte ich gerne in einem Buch mit blumigen Beschreibungen schmökern und dann wieder ist mir eher nach etwas Kurzem, Präzisen. Ich denke, man sollte da vielleicht einfach am besten auf das eigene Sprachgefühl vertrauen und schauen, dass es in sich stimmig ist und sich gut liest  :)
For whatever we lose(like a you or a me)
it's always ourselves we find in the sea

(E. E. Cummings)

Nina Louise

Es hat viel mit der persönlichen Wahrnehmung zu tun - aber die ist kein Garant für guten Stil (der Papyrus auch nicht, es ist eine Maschine mit der Aufgabe, dich auf etwas hinzuweisen und das macht sie gut).

In unseren alltäglichen Sprachgebrauch haben sich sehr viele Unsauberkeiten eingeschlichen, wie eben diese Modalverben, z.B.als "Weichmacher". Nicht alle sind überflüssig (wurde hier schon gut erklärt), die meisten aber doch. Ich habe auf meiner Schreibreise festgestellt, dass meine Texte mit jedem Kürzen klarer und besser werden. Und im Gegensatz zu Yamuri empfinde ich das nicht als hart, sondern als wohltuend - aber ich habe auch sonst mit Schnörkeln nichts am Hut.
Unangenehme Härte entsteht, wenn man die Worte nicht gut wählt - wäre das doch nur nicht so verflixt schwierig!  ;D
Fantastische Geschichten aus der Luftschlosserei.

Avery

Kleines Off-Topic zu Beginn: Ich gestehe, dass ich gelesen habe "Moralverderben verwenden, ja oder nein" und dachte, ich joine hier eine Diskussion zur Dark Romance. :rofl:

Aber gut, dann eben doch "nur" Modalverben. ;D  Ich kann mich den meisten hier anschließen und vielleicht noch ergänzen: Viele Formulierungen, die als "handwerklich perfekt" gelten, sind nicht unbedingt leser*innenfreundlich. Letztendlich kommt es immer auf den eigenen Anspruch und die Zielgruppe an. Gerade in der Unterhaltungsliteratur ist es den meisten Lesenden tatsächlich egal, wie "sauber" der Stil ist, solange er sich flüssig lesen lässt und keine groben handwerklichen Fehler (z.B. starke Wortwiederholung) enthalten sind. Ich arbeite zwar nur mit Scrivener & Word, aber was mir letzteres im Bereich Prägnanz anstreicht, ist manchmal auch etwas zu viel des Guten. :)

Petitcreiu

Ich schließe mich den Statements an :) Modalverben sind übrigens eine sehr einfache Möglichkeit verschiedene PoVs zu markieren, wenn man in personaler Perspektive schreibt. Je nach Charakter und emotionalem Zustand verwenden die Figuren mehr oder weniger davon oder andere. Mir scheint übrigens, dass das viele Schreibende intuitiv so handhaben, aber zu strenges Stillektorat (sei es durch Maschine oder Mensch) den Stil vereinheitlicht. Für Lesende wirken dann aber die POVs alle gleich.
,,Das Leben ist verrückt! (...)  Und ich finde das wunderbar. Wer das nicht merkt, verschläft das Schönste."

Hans Bemmann: Stein und Flöte, und das ist noch nicht alles