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Mitschwimmer vs (Möchtegern)-Trendsetter

Begonnen von Kaeptn, 03. Januar 2009, 16:27:56

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Kaeptn

Hallo,

ich frag mich manchmal ob "Fantasie" überhaupt noch gefragt ist. Bin auf der Heyne-Wettbewerbsseite auf "Der Drachenflüsterer" gestoßen (Werbung), wo auch schon kackfrech mit "Eragon schon durchgelesen?" geworben wird. Inhaltsangabe klingt für mich nach Drachenroman Nr. 2500...

Ich meine ok, Fantasie-Romane sind sich per se leider alle sehr ähnlich (sehr gerne Weltrettung, sehr gerne irgendwelche Artefakte die dazu gebraucht werden (und im Idealfall erstmal gefunden werden wollen), eigentlich immer irgendwelche Monster uswusf), ich mache da keine Ausnahme, aber was da momentan an Dracheneiern gelegt wird, da frag ich mich schon, ob man auf der Eragon-Welle wirklich so gut mitschwimmen kann, oder ob nicht letztlich noch die ersten 2-3 Trend-Mitschwimmer das Rennen machen und die anderen Verlage ihre Auftragsarbeiten halt noch raushauen, sich aber im Nachhinein doch ärgern, die überhaupt in Auftrag gegeben zu haben.

Anderer Fall sind diese endlosen Vampir/Dämon/Werwolf/wasweißich-Schmonzetten (wie wäre mit "Ich liebe ein Skelett"), die ja auch schon ganze Regale füllen.

Aber um zu meiner Frage zu kommen: Gibt es Verlage, die eher Mitschwimmer (sprich risikoscheu) sind und andere, die eher Trendsetter sind, in unserem Bereich? Oder ist zufällig immer mal wieder ein anderer der Trendsetter (bzw. der glückliche, der den Zuschlag für eine US-Trendsetter-Lizenz bekommen hat)?

Mara

Vieles was jetzt an Dämonen/Vampire/Werwolf Romanen auf den Markt kommt, gabs schon vor einem Jahr in der USA.
(Ich lese fast nur englischesprachige Romane und kenne mich daher ganz gut auf dem Fantasymarkt in der USA aus)
Momentan werden also die ganzen erfolgreichen US Romane übersetzt.

Ich würde also sagen, das die Verlage damit ein relativ geringes Risiko eingehen, da diese Art von Roman schon vor einem Jahr in der USA sehr erfolgreich war.

Alana

#2
Ich habe kürzlich einen Roman gelesen, da hatte ich den Eindruck, dass krampfhaft versucht wurde, Biss zum Morgengrauen zu kopieren ohne dass es zu sehr auffällt.
Nannte sich Morgenrot, erschienen bei Heyne.
War nicht schlecht, hatte ein paar gute eigene Ideen, klang aber für mich zu sehr nach einer Auftragsarbeit a la : Bitte schreiben Sie etwas für unsere Biss zum Morgengrauen Leser.
Das war auch von einer deutschen Autorin.

Ich habe außerdem das Gefühl, dass erfolgreiche Autoren in letzter Zeit immer häufiger nach alten Schubladen-Skripten ausgequetscht werden. So zum Beispiel bei Jonathan Stroud, dessen hervorgeholtes Skript "Drachenglut" zwar ganz nett war, aber bei weitem nicht an Bartimäus anknüpfen konnte.

Die ganzen Drachenromane, die alle versuchen, Eragon zu kopieren, nerven mich schon lange, zumal ich das "Original", abgesehen vom Alter des Autors, nicht einmal besonders beeindruckend fand.

Alhambrana

Isleya

#3
Die Frage, ob die Verlage lieber auf Nummer sicher gehen und den aktuellen "Trends" folgen, habe ich mir auch schon mehr als einmal gestellt.
Die zwar frustrierende aber dennoch logische Antwort lautet: Ja, zumindest nach dem, was ich bisher so in den Regalen habe stehen sehen. Tatsächlich wird es bei der Auswahl immer schwerer, etwas wirklich originelles und abwechslungsreiches zu erwischen. Aber es ja verständlich, dass die Verlage sich ohne Risiko über Wasser halten wollen, obwohl ich mir auch vorstellen kann, dass ihnen ab und zu selbst bewusst wird, wie langweilig ihr Sortiment gerade ist und dann auch mal einige neue Sachen bringen, die aber schon wieder umwerfend gut sein sollten oder noch besser der allerallerneuesten Trendwelle, die (wie Mara ja schon sagte) aus den USA oder meinetwegen auch von anderswoher herüber schwappt. Nach dem Motto: Schnell draufstürzen, sonst schnappt sich's ein anderer Verlag zuerst. Dann können wir hinterher immer sagen: Wir waren die ersten mit der genialen Idee, etwas vollkommen Neues zu bringen *hust*

Churke

Ganz klar, die Welle wird abgesurft, bis sie nicht mehr trägt, und dann geht man dorthin, wo gerade andere surfen.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Random House ist ein Label mit marktbeherrschender Stellung. Die diktieren, was in die Regale kommt; die machen die Bestseller. Risiken brauchen sie alleine schon deshalb nicht einzugehen, weil es - wirtschaftlich - keine Konkurrenz gibt, die diese Bezeichnung verdient.

Wahrscheinlich werden sie mit dieser Masche irgendwann mal Probleme bekommen. Irgendwann...


gbwolf

Zitat von: Kaeptn am 03. Januar 2009, 16:27:56Aber um zu meiner Frage zu kommen: Gibt es Verlage, die eher Mitschwimmer (sprich risikoscheu) sind und andere, die eher Trendsetter sind, in unserem Bereich? Oder ist zufällig immer mal wieder ein anderer der Trendsetter (bzw. der glückliche, der den Zuschlag für eine US-Trendsetter-Lizenz bekommen hat)?
Du suchst sowas wie das It-Girl des Buchmarkts, die Vogue der Verlagsszene?  ;)
Die US-Trendsetter wird man sicher nur mit (gelegentlichem) Glück bekommen (Rothfuss an Klett-Cotta) und mit Finanzmacht (Random House kann sicher einiges an Geld für Lizenzen bieten).

Für die deutschsprachigen Trendsetter halte ich persönlich Piper, die in den letzten jahren zwischen den Brot-Büchern immer wieder überraschend-anderes gewagt haben und (zum Glück!) noch immer wagen - Thomas Plischke "Die vom Amboss" ist ein solcher Kandidat, Moers hat es in der Vegangenheit bewiesen und auch "Nachtreiter" von Daniela Knor ist nicht ganz Standard.
Innovativ sind natürlich auch Klett-Cotta und Co. und viele Kleinverlage.


In diesem Sinne kralle ich mir den Thread für die Verlagsrubrik und bitte darum, Schmähtiraden gegen die immergleichen Bösen an anderer Stelle abzulassen und sachlich über Trends, Trendsetter udn Auswirkungen zu diskutieren!

Lomax

Zitat von: Die Wölfin am 03. Januar 2009, 17:32:16Die US-Trendsetter wird man sicher nur mit (gelegentlichem) Glück bekommen (Rothfuss an Klett-Cotta) und mit Finanzmacht (Random House kann sicher einiges an Geld für Lizenzen bieten).
Ich denk mal, in dem Statement laufen zwei grundverschiedene Dinge zusammen. Wenn man einen US-Trendsetter kauft, der sich schon etabliert hat, ist man ja kein echter Trendsetter mehr, sondern einer, der auf schon Bewährtes setzt. Die Aussage müsste also eher lauten, "an große US-Autoren kommt man nur mit Glück oder Finanzmacht" ;)
  Echte Trendsetter zu bringen, würde ja bedeuten, dass man neue Ideen bringt, bevor sie sich bewährt haben. Dafür nutzt Finanzmacht nicht viel, weil die Titel dann in der Regel noch billig sind. Da hilft nur Glück, ein gutes Gespür und/oder Mut, Versuchsballons starten zu lassen.

Ansonsten denke ich mal, dass es schwer ist, echte "Trendsetter-Verlage" zu benennen. Jeder große Publikumsverlag mit Vollprogramm versucht natürlich, alle Schienen zu fahren: Man wird dort immer Bücher finden, die Trends bedienen und verlässliche Einnahmen bescheren. Und dazwischen auch Titel, die entweder das Verlagsprogramm abrunden oder auch ganz bewusst als Testballons gestartet werden, um die Trends von morgen auszuloten.
  Bei manchen Verlagen, die wie Klett-Kotta bewusst auf spezielle Nischen setzen, wird man eher etwas Originelles abseits der Massen-Trends finden. Sie deshalb als "mutige Trendsetter" zu bezeichnen, wäre allerdings auch verfehlt. Sie bedienen eben ihre Zielgruppen, und nur selten stoßen sie damit neue Massentrends an. Da findet man im Rahmenprogramm der "üblichen Verdächtigen", die bevorzugt die Trends bedienen, immer noch mehr Versuchsballons, die zum Massentrend von morgen werden. Und Trendsetter zu sein, bedeutet in letzter Konsequenz eben nicht nur, Ungewöhnliches abseits der Trends zu bieten, sondern Trends zu bringen, bevor es welche werden.
  Bei den kleineren und mittleren Verlagen finde ich die Situation sehr unübersichtlich. Viele von ihnen haben sehr dezidierte Vorstellungen und bedienen entweder klar definierte Nischen, oder sie springen besonders deutlich auf etablierte Schienen auf und schneiden sich auch am Rande ihre Scheibe ab. Zwar findet man bei den "Kleinen" dann oft auch Titel, die die großen Verlage vermutlich nie bringen würden - aber oft frage ich mich dann, ob das jetzt wirklich ein Ausdruck von Mut und Innovation war, oder nicht eher ein Versehen ;D Denn man darf ja nicht vergessen, dass bei großen Verlagen meist viele Leute beim Programm mitreden und persönlicher Geschmack sich dadurch nivelliert, während bei kleineren Verlagen ein Einzelentscheider oft eine sehr persönliche Note ins Programm bringen kann, die nur am Rande etwas mit "bedienen" oder "Innovation suchen" zu tun hat.
  Jedenfalls habe ich es sehr selten erlebt, dass irgendwelche Themen aus kleinen Verlagen irgendwann als echte Massentrends wiederkommen und die Autoren mit hochgespült werden. Zumindest nicht im Phantastik-Bereich, bei Krimis ist es wohl anders.

gbwolf

@Lomax: Ich denke, dass dieser Verlage, die amerikanische Trends übersetzen, damit auch Trendsetter im deutschsprachigen Raum sind und einen Trend setzen, dem die deutschen Autoren zumeist folgen, bzw. innerhalb dessen sie ihre Aufträge bekommen oder entsprechend die Titel auf den Trend angepasst werden.
Würden mehr Trends aus dem indischen, chinesischen, japanischen oder wasweißich Sprachraum übersetzt, wären die Vampire evtl. nie hier angekommen (wahrscheinlich schon, aber ein wenig steuern können Riesenverlage da schon, denke ich).

Was ich durchaus vermischt habe ist "Trends setzen" mit "Nicht-Trend-Romane verlegen" und ausprobieren, ob dabei ein Trend herauskommt.


Lomax

#8
Zitat von: Die Wölfin am 03. Januar 2009, 18:16:12Ich denke, dass dieser Verlage, die amerikanische Trends übersetzen, damit auch Trendsetter im deutschsprachigen Raum sind und einen Trend setzen
Nun, die meisten Einzelautoren, die einen Trend begründen, werden schon vorher gekauft. Dass Trends gezielt importiert werden, kommt eher selten vor. Der neu aufgelebte Trend zu den HdR-Romanen beispielsweise kam berechenbar mit den Filmen. Der neue Trend zum Völkerroman auch - aber der erste, trendstiftende Roman dazu waren "Die Orks", und das war ein billig erworbener Titel, der in Deutschland einen Trend begründet hat, den es in den USA nicht gab.
  Harry Potter war hier in Deutschland schon als Lizenz verkauft, bevor er zum Megaseller wurde. In anderen Bereichen: Dan Brown war bei Lübbe auch schon länger im Programm, bevor "Illuminati" und damit ein Trend der Vatikans-Verschwörungsromane so richtig in Schwung kam.
  Solche Beispiele sind durchaus die Regel, denn Trends lassen sich nicht wirklich importieren - auch wenn natürlich bei jedem Trend in den USA der Versuch unternommen wird ;) Aber das Problem sind die Vorlaufzeiten. Wenn man wartet, bis ein Trendpotenzial so offensichtlich zu erkennen ist, dass der Importerfolg mehr oder minder garantiert ist - kann man hier in Deutschland auch nicht mehr zum Trendsetter werden, weil dann schon alle anderen Verlage gleichzeitig auf den Trend springen und es nicht mal mehr die Garantie gibt, dass der Trendsetter-Titel hier in Deutschland als Erstes erscheint.
  Wenn man einen Trend in Deutschland begründen will, muss man zugreifen, bevor das Buch im Ausland auch nur die Chance bekommt, sich zu erweisen. Denn es ist üblich, dass vielversprechende Lizenzen schon vor Erscheinen der Originalausgabe gehandelt werden. Ich habe seinerzeit eine ganze Menge Uncorrected Proofs zum Begutachten bekommen, und auch völlig ungedruckte, englische Manuskripte. Und das ist der Zeitpunkt, zu dem man auch als deutscher Verlag zugreifen muss, möchte man wirklich mit Vorsprung einen US-Trend exklusiv importieren. Bequemes Warten, bis ein, zwei Jahre später jeder weiß, dass das Buch eingeschlagen hat, und bis der Autor dementsprechend teuer ist, das lohnt sich selten.

Also: Wenn ein Trend aus den USA nach Deutschland rüberschwappt, kann man davon ausgehen, dass die wichtigen Lizenzen schon gekauft wurden, bevor man in den USA wirklich wusste, dass ein Trend daraus wird (was natürlich auch heißt, dass eine Menge Titel gekauft wurden, bei denen man nur glaubte, es könne in den USA ein Trend draus werden).
  Hat ein Verlag den Zeitpunkt verpasst, kann er hier auch keinen wirklichen Trend mehr begründen. Zumindest keinen, der dem Verlag noch eine einzigartige Stellung als Trendsetter verschafft und damit die Möglichkeit, die Gewinne des "ersten Ansturms" exklusiv einzufahren und das Marktsegment als "Marke" zu dominieren.

Alana

@Lomax: Danke, das war sehr interessant.
Ich denke, dass das absolut zutrifft.
Obwohl es auch denkbar wäre, dass große deutsche Verlagsgruppen von vornherein ein Vorkaufsrecht bei bestimmten amerikanischen Verlagen haben, so können sie sicher gehen, dass ihnen keiner die Senkrechtstarter vor der Nase wegschnappt.

Kaeptn fragte, ob Fantasy überhaupt noch gewünscht/gekauft/gelesen wird.

Ich denke, dass Fantasy im weitesten Sinne sich immer mehr etabliert.
Ich würde aber gerne mal wissen, ob das bloß ein subjektiver Eindruck ist.

Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass Fantasy immer salonfähiger wird.

Alhambrana

Lomax

Zitat von: Alana am 03. Januar 2009, 22:49:03Obwohl es auch denkbar wäre, dass große deutsche Verlagsgruppen von vornherein ein Vorkaufsrecht bei bestimmten amerikanischen Verlagen haben, so können sie sicher gehen, dass ihnen keiner die Senkrechtstarter vor der Nase wegschnappt.
Nun ja - "Random House" ist ja nicht nur eine deutsche Verlagsgruppe ;D
  Ansonsten, wie gut die US-Verlage internationale Rechte vermauscheln können, hängt nicht zuletzt davon ab, was für Rechte ihnen die Autoren dort abtreten. Und wie wir aus einem anderen Thread wissen, läuft in den USA ja nichts ohne Agenten ;) Und die schauen schon darauf, dass Vorkaufs- und Auslandsrechte nicht umsonst aus der Hand gegeben werden.
Zitat von: Alana am 03. Januar 2009, 22:49:03Ich denke, dass Fantasy im weitesten Sinne sich immer mehr etabliert.
Ich würde aber gerne mal wissen, ob das bloß ein subjektiver Eindruck ist.

Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass Fantasy immer salonfähiger wird.
"Salonfähig" und "etabliert" sind ja zwei dehnbare Begriffe, unter denen so allerhand zu verstehen ist. Wenn man darauf hofft, dass Fantasy literarisch anerkannter wird ... Ich fürchte, da wachsen eher die Gletscher in den Alpen wieder.
  Was allerdings zu beobachten ist: Mit den Bestsellern im Bereich der "Völkerromane" hat man Verkaufszahlen erreicht, die fast um den Faktor 10 über dem liegen, was man vor zehn Jahren noch in den Kalkulationen der Verlage als "Gesamtmarkt aller regelmäßigen Fantasyleser" angenommen hat. Das macht Fantasy ohne Zweifel zu einem Genre von deutlich gestiegener Marktbedeutung.
  Man sollte, wenn man über "Trendsetter" redet, allerdings auch nicht übersehen, was das implizit noch bedeutet: 90% der derzeitigen Fantasyleser kennen das Genre erst seit 10 Jahren. Die erfahrenen Leser, die sich heute über fehlende Innovation beklagen, die neue Trends vermissen und für die nicht alles neu ist, was derzeit so gedruckt wird, sind zur Minderheit in ihrem angestammten Genre geworden.
  Diese nackten Zahlenverhältnisse machen vielleicht auch manches einsichtiger, was manchen derzeit in puncto "Fantasie" und "Wellen bedienen" in den Verlagsprogrammen so unbegreiflich erscheint.

LoneRanger


ZitatIch denke, dass Fantasy im weitesten Sinne sich immer mehr etabliert.
Ich würde aber gerne mal wissen, ob das bloß ein subjektiver Eindruck ist.
Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, dass Fantasy immer salonfähiger wird.

Guten Morgen, schönen Sonntag!

Fantasy ist ein weites Spektrum, das inzwischen jeden Bereich der Literatur erreicht hat und aus kaum einen Genre sind fantastische Elemente wegzudenken. Die Leser stutzen nicht mehr so, wie in einer Geschichte etwas auftaucht, was in den fantastischen Bereich gehört und haben gelernt, es symbolhaft zu deuten. Natürlich gibt es noch die "Old School Fantasy" und die epischen Werke, aber es ist eine ganz andere Diskussion, was aus diesem Sub-Genre wird, als die Frage, welche Entwicklung Urban-Fantasy, Social-Fantasy, Romantic-Fantasy und die Einflüsse durch den japanischen Markt in den nächsten Jahren machen. Wir können zwar nach Amerika schauen, dabei aber im Auge behalten, dass Teile der amerikanischen Medienwelt bereits in japanischen Händen oder zumindest von dort beeinflusst sind.

Und das es eine Entwicklung von "hau-drauf" nach "wie fühlst du dich dabei" gibt, während Andere immer mehr an der Grenze zur unverhohlenen Gewalt kratzen, vollzieht die unterschiedlichen Bedürfnisse der Leser nach. Mir war Moers/Rumo durchgehend um einiges zu brutal. Ich stehe dazu, das ich gerne Jugend-Fantasy lese - weil dort viele Dinge wirklich noch der Fantasie überlassen werden und nicht in schrillen Farben ausgemalt werden. Ich freue mich auf mehr ernsthafte Romantic-Fantasy, ggf. auch ohne Biss in den Hals. Für mich hat dieser Trend den Arbeitstitel 'White Fantasy', ohne (ich betone ohne, weil die Diskussion gerade in einem anderen Forum läuft), also ohne damit ein neues Genre schaffen oder definieren zu wollen. White Fantasy wäre demnach jeder Schreibstil, so heftig wie er auch an manchen Stellen sein muss, oder sein will, der in erster Linie davon ausgeht, das sowohl die Wesen in unserer Welt wie in den anderen Welten eine Seele haben, die genau so verletzt werden kann wie ein Körper und für die es eine Grenze gibt an Ertragbarem. Wir kennen, glaube ich die Grenzen unserer Seele und immer mehr Autoren, Autorinnen berücksichtigen dies wieder. Hier gibt es noch ein weites Land zu entdecken, denn welches Genre ist besser geeignet, die vielfältigen Wünsche und Träume unserer Seele zu beleuchten. Ja, wir hatten die Krieger, ja wir hatten die Geistwesen, der Aspekt des Seins wurde also auch berücksichtigt - bekommen wir jetzt die Seelenwesen?

Bitte, all das ist nicht wirklich Neu, es ist immer mehr oder weniger enthalten gewesen - aber ich sehe zumindest die Möglichkeit einer ansatzweisen, vorsichtigen Verstärkung einer Entwicklung und damit auch eine neue Leserschaft für diesen, unbestritten, nur Teilbereich der Fantasy.

Liebe Grüße

Der LoneRanger 









Grey

#12
Bei White Fantasy denke ich immer an 'christliche' Fantasy ... vielleicht wegen der Ähnlichkeit mit White Metal. Aber das ist keine bewusste Verknüpfung, oder?

LoneRanger

Hallo Grey,

diese Frage musste ja (endlich) jemand einmal stellen. Sagen wir es so: Ich habe den Begriff gebraucht, trotzdem es diese Verknüpfung gibt. Dort geht es aber wohl eher um einen anderen Konflikt: In der Metall-Szene haben viele (die Meisten) Gruppen ein klares Bekenntnis zu einem okkulten oder satanischen Hintergrund. Das hat schon seit der Rock'n'Roll Ära zu Diskussionen innerhalb der etwas fundamentaleren Christenheit geführt, und bestimmte Musik wurde pauschal verteufelt. Das liegt daran, das Fundamentalismus immer dumm ist, aber das bedeutet nicht, das der Glaube an Gott dumm ist, oder?
Luther hat Gassenhauer und Kneipenlieder seiner Zeit zu Kirchenliedern umgetextet. Damals waren Bläserchöre noch absolut Trendy! Cliff Richard hat gesungen: "Why should the Devil have all the good Music (Warum dem Teufel die gute Musik lassen)" und es war klar, das bei Metall die Diskussion bei den "Frommen" wieder von vorne los ging. Die Christen, die auf Metall standen haben die Bezeichnung "White Metall" eher zur Durchsetzung im eigenen Lager gebraucht, und dann erst zur Abgrenzung nach aussen.

Bei Fantasy gab es relativ geringe Wiederstände im fundamentalistischen Flügel, einmal weil Literatur allgemein eher leise daher kommt. Außerdem hat es schon zu früh-pietistischen Zeiten christliche Fantasy gegeben und später hat auch Lewis, auf seinem Weg vom bekennenden Atheisten zum intelligenten Christen einen Weg im angelsächsischem Raum geebnet. Interessant: Walden-Media (Narnia) ist fest in amerikanisch-christlichen Händen.

Das war der grobe Hintergrund, ein absolut interessantes Theam, aber gleich OffTopic, wenn ich so weitermache  :o

Ich persönlich bin von meinem Wertverständnis stark vom Urchristentum (und natürlich dem, was Jesus gelehrt hat) beeinflusst, mache aber um das organisierte Christentum seit einiger Zeit einen sehr grossen Bogen und befinde mich zu den meisten Trends dort im Widerspruch. Es mag sein, das bei meiner Formulierung 'White Fantasy' mein persönlicher Hintergrund eine Rolle gespielt hat. Ich halte aber, Fantasy, wie die Musik, wie andere Künste, für den kreativen Ausfluss eines kreativen Geschöpfes und damit neutral, oder sogar eher "Schöpfungsgemäß". Erst was wir daraus machen, transportiert die Werte, die wir vermitteln wollen, oder den Müll, den wir loszuwerden haben...

White Fantasy (die es ja so gar nicht gibt!!!) ist also für mich auf keinen Fall (!!!) christliche Fantasy.

Viel Text auf eine kurze Frage, gell.

Liebe Grüße

Stefan (LoneRanger)



Lomax

Zitat von: LoneRanger am 04. Januar 2009, 13:12:52Bei Fantasy gab es relativ geringe Wiederstände im fundamentalistischen Flügel, ...
Ähm, du hast aber nicht viel Verbindung zu den freikirchlichen Gemeinden, oder? Dass Fantasy Teufelswerk ist, bekommt man da regelmäßig zu hören. Bekam ich jedenfalls regelmäßig zu hören, als ich mich in den 80ern noch regelmäßig dort umgesehen hatte. Insofern wäre da sicher dasselbe Fundament gegeben, das du für "White Metall" konstatiert hast.