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Schreibt ihr eigentlich über euch selbst?

Begonnen von Grey, 21. Juni 2007, 00:20:54

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LoneRanger

Hallo Tintenzirkel,

nachdem mich die Fragestellung jetzt etwas beschäftigt hat, hier etwas aus meiner persönlichen Senftube:

Ich mische natürlich überall mit, wo ich schreibe. In meinem Alter *räusper* hat sich ein Haufen Lebenserfahrung, eigenes Leid und eigene Freude, Schicksalsschläge und Prüfungen und der ganze andere Mist angesammelt. Da will schon was von raus.

Denkt mal daran, wie es ist, wenn ihr träumt. Ihr habt etwas geträumt und Euch gewundert, das diese Bilder, dieses Thema aus Eurer Seele oder dem Unterbewusstsein kommt. Ihr würdet nicht sagen, dass es mit Eurer Person zu tun hat, aber es kommt genau aus Eurer werten Person heraus. Friedliches Kerlchen das Du bist hast Du im Traum gerade total aggressiv reagiert. Oder Szenerien von Orten und Landschaften ziehen vor Euch auf, in denen ihr nie wart. Egal, ob das nun vom Fernsehen kommt, oder ob es für esoterische oder religiöse Begründungen gibt: Immer ist es Eure Person, die da träumt.

Wenn jetzt hier gefragt wird, inwieweit ihr diese geschätzte, nämlich Eure, Person mit in Eure Geschichten einbringt, dann behaupte ich mal ganz frech: Ihr könnt diese Frage nicht beantworten, weil ihr gar nicht wisst, was da in Euch drin ist oder - ALLES, was aus Euch rauskommt (Fantasy-Phantasie) war auch in Euch drin. Neutral könnt ihr ein Sachbuch über die Käfig-Gewohnheiten von Meerschweinchen schreiben (mehr oder weniger) Dann hört es aber schon auf.

Gerade Fanatsy ist ein Genre, das davon lebt und danach schreit, das Dinge aus Eurer Phantasie herauskommen. Das geht nicht ohne Geist und Seele (wobei das Unterbewusstsein je nach Auffassung zu einem von Beidem gehört) Wer sich sachlich-nüchtern hinsetzt un d Fantasy plottet (Mann nehme 3 Orks, einen Helden, eine schmachtende Geliebte und eine rätselhafte Figur mit magischen Kräften plus noch irgendwas Besonderes) und das dann einfach abzieht, ohne innere Beteiligung, ist mir unheimlich...

Noch eine Behauptung:
Wenn jemand von sich selbst schreibt, oder sich in einem Prota spiegelt, schreibt er/sie nicht von sich selbst, sondern nur von einem idealisierten Bild, das er/sie von sich hat.

So, wie es Menschen gibt, die morgens in den Spiegel blicken und sich ganz toll finden, obwohl der Rest der Menschheit das anders sieht, oder die sich nicht mögen (in sämtlichen Spielarten) und betrübt den Spiegel verhängen - aber viele Menschen mögen sie und sagen: Du bist schön, Du bist liebenswert, so kannst Du nur subjektiv über Dich schreiben. Jeder Mensch hat ein irgendwo, irgendwie verzerrtes Selbstbild. Je mehr wir den Individualismus fördern und als Ideal hinstellen, desto weniger werden diese Verzerrungen innerhalb einer Gruppe, Dorf, Gemeinschaft etc. ausgeglichen.



Meine These/n:
Wir schreiben alle über uns!
Du merkst überhaupt nicht, ob Du gerade etwas von Dir einfliessen lässt oder nicht!
Der ganze Roman bist Du!
Nichts in dem Roman ist wirklich Du

Erwarte heftigen Widerspruch  ;D

Liebe Grüße

Stefan (LR)



Lomax

Tja, lustigerweise war das ein Thema, das bei meinem zuletzt abgegeben Roman tatsächlich mal aufkam. Wenn auch nicht ganz ernst gemeint. Ich fragte, was es denn wohl über einen Leser aussagt, der ausgerechnet diese Figur als Lieblingsfigur nennt. Besagter Leser fragte, was es wohl über mich als Autor aussagt, wenn ich ausgerechnet diese Figur so "sympathisch" rüberbringe. Beim Plündern und Niederbrennen eines Dorfes, beispielsweise ...

Nun ja. Jedenfalls habe ich seither meine bequeme Rückfallposition für solche Fragen gefunden. Ich schreibe Rorschachtests, die viel Projektionsfläche für die Leser bieten. Der Leser findet in meinen Büchern also, was in ihm steckt - nicht in mir ;D
  Denn immerhin kann man mit Worten ja niemals ein Bild oder einen Menschen in allen Facetten beschreiben. Man umreißt nur grobe Skizzen, und was auch immer der Autor sich dabei gedacht hat: Ein Leser muss diesen Rahmen mit eigenem Leben füllen und steckt mindestens ebenso viel von sich selbst in das Buch wie der Autor.
  Und umgekehrt wird der Autor so natürlich auch zum Leser: Wenn er im Buch seine Skizzen umreißt, hat er dabei natürlich auch eine lebendige Vorstellung im Kopf. Das kann auch zu bösen Missverständnissen führen, wenn der Autor aufgrund seiner eigenen Vorstellungen sich zu sehr selbst in dem Buch sieht - und dann beleidigt ist und sich missverstanden fühlt, wenn ein Leser die tatsächlich nur groben Inhalte mit eigenen Interpretationen füllt und die dann dem Autor als "Inhalt des Buches" vorhält.

Romy

Zitat von: LoneRanger am 17. Januar 2009, 12:14:19
Meine These/n:
Wir schreiben alle über uns!
Du merkst überhaupt nicht, ob Du gerade etwas von Dir einfliessen lässt oder nicht!
Der ganze Roman bist Du!
Nichts in dem Roman ist wirklich Du

Erwarte heftigen Widerspruch  ;D

Nee, entschuldige, da kann ich Dir überhaupt nicht widersprechen, weil Du völlig recht hast!  :jau:
Manches fällt einem vielleicht im Nachhinein auf. So habe ich z.B. für ein Romanprojekt meine Figuren erfunden und dachte, dass die mit mir selbst eher wenig zu tun hätten. Später mal (nachdem der Roman geschrieben war) fiel mir auf: Hey, meine beiden Protas und die 2-3 wichtigsten Nebenpersonen sind mir zwar nicht sonderlich ähnlich, aber jeder hat EINE reale Charaktereigenschaft von mir abgekriegt, egal ob nun männlein oder weiblein  :hmhm?: Da kam ich mir dann echt Schizophren vor  ;D


Zitat von: Lomax am 17. Januar 2009, 12:25:19
Besagter Leser fragte, was es wohl über mich als Autor aussagt, wenn ich ausgerechnet diese Figur so "sympathisch" rüberbringe. Beim Plündern und Niederbrennen eines Dorfes, beispielsweise ...

Mir wurde auch schon von mehreren Betas unabhängig voneinander vorgeworfen, dass mein Antagonist viel zu nett dargestellt wäre, unabhängig davon, was er denn grad Böses anstellt ... Ich charakterisiere die dann immer so gut durch, dass man ihnen kaum mehr böse sein kann, für das was sie tun.
Und ich glaube, sowas passiert mir ständig.  ::) Ich will gar nicht wissen, was das über mich aussagt ...  :darth:

Leon

#63
Zitat von: Leon am 17. Januar 2009, 12:02:09
Jeder Autor bringt mehr oder weniger Teile seines Selbst, in seinen Geschichten mit ein.

Gruß
Leon

Hallo LoneRanger

Du darfst gerne meine Aussage als Exposé für deine ellenlange Ausführung nehmen.  ;D

Gruß
Leon

LoneRanger

@ Leon
Exposé oder Prämisse? Dein Zitat ist in etwa die Prämisse meines Textes. Im Exposé würde noch stehen, das ich meine Argumentation am Beispiel von Träumen festmache etc.  Kurz fassen im Alltag ist nicht so mein Ding. Wenn ich Thread-Beiträge bearbeiten würde wie Romankapitel, dann stünde da nur noch ein Viertel an Text. Sollen wir das mal einführen: Betalesen vor dem Posten im Forum?

Ich danke Dir, aber Du hast schon recht: Das war wohl Deine AUssage. Sieh' es mal so: Ich habe Dir nicht widersprochen  8)

Gruß

Stefan (LR)

Leon

Hallo LoneRanger

War doch nicht böse gemeint! Und um Gottes Willen keine Betalesung von Thread-Beiträge, dadurch würde so manch schöne Stilblüte unwiderruflich verloren gehen. Und das wäre doch schade! ;)

Nichts zu danken! Zu einem hat mir dein Text gut gefallen, zum anderen wie Du schon sagst, beide Texte ergänzen sich bestens. ;D

Gruß
Leon

LoneRanger

ZitatWar doch nicht böse gemeint

Hatte ich auch nicht so aufgefasst - ich wirke nur manchmal so  8)

Berry

In vielen meiner eigenen (bisher vor der Öffentlichkeit gut verborgenen) Charaktere stecken Charaktereigenschaften, die ich gerne hätte, bzw. die bei ihnen stärker ausgeprägt sind. Sie handeln, wie ich gerne handelte, denn wenn sie handelten wie ich, wären das alles Würstchen.

Andererseits, so hoffe ich, wird niemand jemals anhand dieser Geschichten ein Charakterprofil von mir erstellen wollen, denn neben obengenanntem haben meine Charaktere auch sehr, sehr schlechte Eigenschaften, die bei mir wahrscheinlich nicht vorzufinden sind. Teilweise lenke ich auch bewusst von mir ab, indem ich eine Eigenschaft von mir ins Gegenteil verkehre, oder ich übernehme Handlungen und Gefühle, die in meinem Umfeld sind oder von denen ich gelesen habe. Mit manchem provoziere ich auch einfach gerne, ohne mir zu überlegen, ob das in mir wiederzufinden ist, oder nicht.

FeeamPC

Bewusst schreibe ich mich nur dann in Geschichten hinein, wenn es Realsatiren werden sollen...

Alles andere fällt in die Kategorie unbewusst. Und bei vielen Geschichten wäre es mehr als peinlich, wenn sich tatsächlich jemand hinsetzen und daraus ein Charakterprofil des Autoren zusammenbasteln würde.

Falckensteyn

Wieder mal eine interessantes Thema, hier. Danke, Grey!  :)

Nun, eigentlich möchte ich es vermeiden, über mich selbst zu schreiben oder vor allem von meinen eigenen Erfahrungen oder Ereignissen zu zehren. Meine Vergangenheit, meine guten und weniger guten Erinnerungen sowie meine Persönlichkeit, geht den Leser nichts an.

Aber damit mache ich mir etwas vor.

Wie vorerwähnt, bin ICH es, der eine Geschichte schreibt, die nur aus meinem Kopf stammt. Da fliesst automatisch sehr viel von mir rein. Charaktere jeglicher Art sind lediglich beschrieben und erzählt, wie ICH sie sehe und empfinde. Dem kann ich gar nicht entfliehen.

Aber trotzdem möchte ich es vermeiden, persönlich Erlebnisse von mir in die Geschichten einzubauen. Die Leutchen sollen ihre eigenen Abenteuer haben und leben. Ob diese eines Tages lesenswert sein werden, das entscheiden andere  ::)

Kürzlich grade habe ich über meine Hauptfigur, Kalon, nachgedacht. Er hat schon ein paar Ähnlichkeiten mit mir. Zumindest, was die Weltanschauung und den Respekt anderen gegenüber betrifft. Aber ich lasse ihn mal so stehen, er muss ja nicht "Thomas von Falckensteyn" heissen.

Liebe Grüsse

Name siehe 4 Zeilen weiter oben  ;)

Shay

Jetzt wollte ich gerade schreiben, daß meine Figuren überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir haben, aber das stimmt ja gar nicht. Nur meine Männer haben keine Ähnlichkeit mit mir, die stellen allerdings 95% meiner Hauptfiguren. Die Frauen haben dagegen nahezu ausnahmslos zumindest gewisse Ähnlichkeit mit mir. Aber irgendwie schreibe ich einfach lieber über Männer.

Churke

Hihi, das erinnert mich jetzt an gewisse Autorinnen... bei denen immer die gleichen mehr oder weniger stereotypen Modell-Traumprinzen auflaufen. :hmmm:

Aber wenn man mit historischen Figuren arbeitet, dann muss man sich schon an seine Vorgaben halten... Wenn ich mir vorstelle, ich wollte eine Biographie über Dr. Helmut Kohl schreiben... :vibes:

fuxli

Eigentlich gebe ich mir ja immer große Mühe, dass die Heldinnen meiner Erzählungen nicht so sind wie ich. Aber im Nachhinein stelle ich dann fest, dass sie zwar völlig anders aussehen, aber doch etwas von mir haben. Ist aber auch logisch, die Figur kann schließlich nur so handeln, wie es der Autor für richtig hält. Und der trifft seine Entscheidungen aus seinen eigenen Erfahrungen heraus. Ich schätze, deshalb gibt es so wenig wirklich überzeugende Schurken.   :hmhm?:

Churke

Zitat von: Fuchsfee am 20. Januar 2009, 15:20:14
Ist aber auch logisch, die Figur kann schließlich nur so handeln, wie es der Autor für richtig hält. Und der trifft seine Entscheidungen aus seinen eigenen Erfahrungen heraus. Ich schätze, deshalb gibt es so wenig wirklich überzeugende Schurken.   :hmhm?:

Möglicherweise hast du dich dann mit der Psychologie des Bösen nicht ausreichend auseinander gesetzt.  ;D

Leon

#74
@ Churke
Das war auch mein Gedanke, aber Du warst eben schneller als ich! ;D

@ Fuchsfee
Auch ich hatte zu Beginn meines schreiberischen Schaffens, meine liebe Not mit den Bösewichten. Heute lasse ich meine Bösewichte all dass tun, was ich nicht tun würde. Und schon klappt es mit dem böse sein. ;)

Da drängt sich glatt eine Frage bei mir auf, wenn der Böse "Bösewicht" heißt, wie heißt dann der Gute? (Gutewicht??) :-[

Gruß
Leon