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Betrunkenes Sprechen

Begonnen von flowrite, 06. Juni 2021, 14:50:29

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flowrite

Ist es ratsam, Dialoge tatsächlich so zu gestalten, durch orthografisches Verfremden in Richtung charakteristischer Aussprachedefizite, dass Inquitformeln wie "lallte sie" verzichtbar sind?

Beispiel: "ick krie' ne Pissa Sasalami'ck un nen Leichnwa'en bidde" statt "Für mich bitte eine Pizza Salami und einen Leichenwagen", lallte sie.

Manouche

Ich persönlich lese lieber die verfremdete Sprache, als "lallte sie".  Da muss ich häufig auch schmunzeln bei solchen Sätzen. Allerdings nur wenn es sich um kurze und wenige Sätze handelt. Bei langen Dialogen stoppt es dann den Lesefluss. Und der Satz darf nicht zu sehr verfremdet sein.

Es gibt einen Satz bei Harry Potter, wenn er ein Mädchen (ich erinnere mich nicht daran wen und auch nicht in welchem Band es war) fragen will, ob sie mit ihm auf den Ball kommt, er sit so nervös, dass er den Satz total vermanscht. Dieser Satz ist bei uns zu einem regelrechten Running Gag geworden:
ZitatWilluballimimir
:rofl:
An die genaue Schreibweise erinnere ich mich nicht, also wir haben ihn vermutlich auch noch abgewandelt, aber als ich ihn das erste mal las, musst ich soo lachen.

Manu_Barget

Ich lese auch lieber die verfremdete Sprache, allerdings gibt es auch ein Zuviel an Verfremdung. Wo da die Grenze liegt, ist sicher von Person zu Person verschieden.
Bei deinem Beispiel wäre es mir persönlich zu viel Verfremdung, da hätte ich jetzt ohne die "Übersetzung" recht lange überlegen müssen – vielleicht macht das im Kontext mehr Sinn, aber wenn ich den Anfang eines Satzes als "Eine Pizza Salami" identifiziert habe, komme ich im Leben nicht drauf, dass danach wirklich "Leichenwagen" gemeint ist und ich das nicht nur falsch verstanden habe :D

flowrite

ja, die richtige Doris machts. Ich meine, verantwortungsvolles Schreiben halt, man muss halt wissen, wann es genug ist, gell.

Spaß beiseite, ja, ist schwierig. Man sollte schon wissen, wie Phonetik funktioniert und welche Lautverbindungen feinmotorisch aufwendiger sind als andere. Ob ein Betrunkener Wagen zu Wa'en vereinfachen würde? Nicht vielmehr Wagen -> Wagng (sagt man ja soweit auch nüchtern, wer sagt schon Wag-e-n) -> Wa'ng. Und der Apostroph als Verkürzte-Orthografie-Marker ist auch ein bisschen lame.

Indigo

Zitat von: flowrite am 06. Juni 2021, 20:38:53
ja, die richtige Doris machts.

Doris :D
Wäre was für die Tintenkleckse. Falls es nicht Absicht oder nen Insider war.


Das Beispiel ist mir persönlich zu extrem. Wirkt auf mich leicht überzogen und damit gehts in Richtung "albern". Würd ich versuchen, anders zu lösen.



Du konntest es weder verhindern, noch kannst du es jetzt ändern.

Yoshii

Mir ist es in dem Beispiel auch zu viel, da würde ich "lallte sie" tatsächlich vorziehen. Die Frage ist ja, ob eine komplette Konversation nötig ist, mit Betrunkenen reden ist ja eh nicht so die reine Freude, oder ob es nur ein kurzer Eindruck sein soll. Bei letzterem finde ich so zusammengezogene Wörter vollkommen ok, eine ganze Unterhaltung würde dazu führen, dass ich den Absatz überspringe oder - bei Wiederholung - aufhöre zu lesen.

Felix Fabulus

Aus meinen Beobachtungen, in sich steigernden Eskalationsstufen:
Gut angeheiterte Menschen versuchen oft, überdeutlich zu sprechen, um zu kaschieren, dass es ihnen schon etwas schwer fällt.
Richtig Betrunkene fangen an zu stottern, reden aber noch einigermassen deutlich.
Sternhagelvollen Exemplaren gelingt es nicht mehr, die Zunge kontrolliert anzuheben. Daraus lässt sich dann schliessen, wie solche Wörter klingen könnten.

Ein ausgeschrieben "betrunkener" Satz kann für mich witzig zu lesen sein, anschliessen ist es mir lieber, die Rede wird paraphrasiert: "Mit Mühe gelang es Antonia, sein Gelalle als Wunsch nach einem weiteren Korn zu deuten."



Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.

flowrite

Danke für eure Beiträge. Da das ein Telefongespräch ist, kann ich die Gegenseite nachfragen lassen, woraufhin die Betrunkene ganz langsam und deutlich wiederholt. Dass dann keine Pizza geliefert wird, sondern die ... nein, ich will nicht vorgreifen.

ZitatFalls es nicht Absicht oder nen Insider war.
War mal einer Chemielehrerin rausgerutscht. Seitdem wars ein Running gag. Ich war so frei schusselig, ihn in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wallrabe

#8
Schließe mich da den anderen an: Es bringt "Atmosphäre" in die wörtliche Rede, wenn der Betrunkene Kauderwelsch spricht - es sollte aber meinem Empfinden nach noch auf Anhieb erkennbar/lesbar sein. An das Harry Potter-Beispiel kann ich mich auch noch gut erinnern, was ein gutes Beispiel ist. Es ist ein kurzer Satz und man kann ihn einfach lesen und es ist direkt ersichtlich, was gemeint ist.

Das Beispiel mit der Pizza von dir, flowrite, wäre mir persönlich bereits viel zu klobig. Ich müsste/musste den Satz erst regelrecht übersetzen und mindestens zweimal drüberlesen, bis ich begriffen hatte, was gemeint ist. Was auch an den Auslassungs-Apostrophen(?) lag, die glaube ich ja teils korrekt sind, aber mich beim lesen zusätzlich irritiert haben. Da es eh Kauderwelsch ist, wäre es vielleicht bei sowas einfach, den falschen Satz auch falsch aussehen zu lassen, wie bei "Willuballmimir", anstatt zu versuchen, einen bereits in Mitleidenschaft gezogenen Satz doch noch orthographisch richtig zu schreiben.

Oder man schreibt es noch abstrakter, dass es zwar noch halbwegs den gedachten Satz repräsentiert, aber SO abstrakt ist, dass es zwar einfach zu lesen ist, aber ohne weiteres keinerlei Sinn ergibt und man es dann auflöst, indem die Gegenseite ggf. übersetzt/paraphrasiert.

Ich erinnere mich an eine Stelle aus einem Point-&-Click-Adventure, wo der Protagonist mit einem Ur-Schotten gesprochen hat, der dann zwar theoretisch Deutsch/Englisch gesprochen hat, dessen Dialekt dann aber gewollt so breit war, dass es quasi unverständlich war für den Protagonisten, der dann aber laut gedacht und dem Spieler die vermutete Bedeutung der Worte des Schotten vermittelt hat.

Koboldkind

Uh, Dialekte und Betrunkenes Sprechen fallen glaube ich unter das gleiche Topic hier  ;D

Noch ein Gedanke, weil ich mir selbst schwer tue mit dem Verballhornen von Wörtern, Vokale oder Satzteile verschlucken und so. (Das würde ich vielleicht auch eher als Spracheigenheit von einem Chara nehmen.) Wie ist es denn mit "Betrunken Wörter suchen"? "Kannst du mir das, also uns ne Runde von, also das da hinter, genau, ne Flasche von dem Johnny, Jacky, ne des daneben - Morgan, was auch immer" So ein Wortgestammel das wir alle kennen, das in der wörtlichen Rede aber quasi nicht vor kommt. Ich finde es eine nette Abwechslung, man kann mit den Charas die Wörter suchen wie "Spiri- Spriti- Spirtu- Alkohol" :)
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

NatNat

Ich schreibe so, wie die Personen sprechen. Nur so entstehen meiner Meinung nach lebendige Dialoge, die man ohne die Nachsätze ("Lallte sie", "sagte sie" etc.) unterscheiden kann.
Genauso halte ich es beim Lesen. Ich liebe es, wenn man dem Besoffenen auch anliest, dass er besoffen ist  ;D

Annie

#11
Zitat von: Manouche am 06. Juni 2021, 17:48:48
Ich persönlich lese lieber die verfremdete Sprache, als "lallte sie".  Da muss ich häufig auch schmunzeln bei solchen Sätzen. Allerdings nur wenn es sich um kurze und wenige Sätze handelt. Bei langen Dialogen stoppt es dann den Lesefluss. Und der Satz darf nicht zu sehr verfremdet sein.

Das geht mir genauso! Ich finde sowas auch sehr amüsant, wenn es richtig gemacht wird. Das verleiht dem Buch etwas lebendiges. Bei dem Buch "Stadt der träumenden Bücher" gibt es ganze Seite, die so gestaltet sind, wie es der Protagonist erlebt. Das macht das Lesen meiner Meinung nach sehr spannend und abwechslungsreich. Man sollte aber tatsächlich auf die Menge und eine ordentliche Auführung achten, sonst wird es zu anstrengend  :buch:

[Edit] In meinem Beispiel war es zwar etwas anderes, aber im Prinzip hatte es einen ähnlichen Effekt.

Ananke

Ich denke auch, in der Kürze liegt die Würze. Immer mal wieder gezielt andeuten, sodass es im Kopf der Leser bestehenbleibt, bringt imo mehr als eine ausführliche Lautmalerei (die dann oft eher ein wenig peinlich wirkt).

Frostschimmer

Ich denke, dabei ist auch wichtig, ob der Protagonist verstehen soll, was der Betrunkene sagt oder nicht. Wenn der selbst nur raten kann, sollte es dem Leser ähnlich gehen. Es kann außerdem echt lustig sein, betrunkene Wortneuschöpfungen zu lesen. :prost: