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Wie lang ist zu lang? (Epic Fantasy)

Begonnen von Elya, 17. November 2020, 15:25:12

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Kaeptn

Interessantes Thema für mich, weil ich von der anderen Seite komme: Ich hab noch nie die 100k ÜBERboten. Das liegt aber auch an meinem Leseverhalten. Damit ich ein Buch mit > 7-800 Seiten auch nur anfasse, muss es mir schon von vielen Leuten SEHR wärmstens empfohlen werden (und im Fall von Dan Simmons Elm Haven, um mal ein Beispiel aus diesem Jahr zu nennen, hab ich z.B. nach 50 Seiten gleich wieder aufgegeben).

Mal abgesehen von den Verlagen, sollte man auch an die Leser denken. Dicke Bücher sind teurer und brauchen mehr Lesezeit. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem 1000 Seiten Wälzer eines Unbekannten oder einem 500 Seiten Wäzer eines mir bekannte Autors, die beide gleich interessant klingen, in wen investiere ich mein Geld und meine Lesezeit, vor allem wenn beides knappe Güter sind?

Natürlich gibt es auch die Leute die lange Bücher lieben und im eBook-Bereich fällt der Preisunterschied ja meist nicht so ins Gewicht, als Selfie kann man das also anders handhaben und da sind Untertitel wie "1000 Seiten Fantasy" ja wohl durchaus verkaufsfördernd. Aber wer an die Verlagswelt denkt, sollte auch an die leider immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne der Normalleser denken.

Wenn die Geschichte nun mal nicht kürzer geht, dann würde ich in erster Linie über einen Mehrteiler nachdenken. DIE sind ja gerade in der Fantasy generell sehr beliebt.

Mara

Je nach dem, wie du das Buch von der Struktur her aufgebaut hast - bestünde vielleicht auch die Möglichkeit, es in zwei Bänden rauszubringen?

Elya

 :winke: Ganz, ganz herzlichen Dank für die vielen lieben und hilfreichen Antworten. In den letzten Monaten habe das zweite Draft editiert und bin heute fertiggeworden. Für den den dritten Editierdurchgang habe ich mir vorgenommen, zuerst auf Exposé-Ebene Kürzungen und Änderungen vorzunehmen und mein Manuskript auf die absolut essentiellen Dinge herunterzureduzieren. Ich muss dazu sagen, dass ich 2 Perspektivträger mit ca. gleichem Wortanteil habe. Eine Reduktion auf lediglich einen Perspektivträger sehe ich nicht, aber sicherlich die Chancen und Möglichkeiten noch Einiges kürzer und knackiger zu schreiben.

Zitat von: Aphelion am 18. November 2020, 21:05:40

Ich würde beim Kürzen nicht nur Szenen, Figuren und Nebenhandlungen hinterfragen, sondern z.B. auch Füllwörter. Wenn du bei 180.000 Wörtern 5 % Füllwörter streichen kannst, dann sind das mal eben 9.000 Wörter weniger. Nur als Rechenbeispiel.

Ein Übermaß an Füllwörter geht oft mit zu langen Sätzen einher. Es geht also nicht nur um die Füllwörter an sich, sondern auch um das, was sie bzgl. des Stils noch so anzeigen: Lesbarkeit, Sprachrhythmus, Satzbau, Präzision der Formulierungen.

Beschreibungen haben oft ebenfalls Potenzial zum Kürzen. Ich versuche z.B., Beschreibungen nicht mehr isoliert zu schreiben, wenn es keinen Grund dafür gibt. Wenn Hildegard auf dem Weg zum Ballsaal zum vierten Mal über den Goldsaum ihres grünen Samtkleides stolpert, dann haben wir eine visuelle Beschreibung, eine Charakterisierung (tollpatschig, nervös, nicht an diese Klamotten gewöhnt), einen Hinweis auf das Milieu/Setting (wohlhabend, altertümlich) und sogar noch einen Teil der Handlung der Szene.

Das ist ein blödes Beispiel, aber solche Verdichtungen von Infos sind in vielen Kontexten möglich. Das Beste: Du verlierst dabei ggf. Wörter, aber eben keine Informationen.

Noch ein paar allgemeine Kürzungs-Tricks, die mir einfallen: Inquit-Formel lassen sich manchmal komplett streichen oder stauchen; Adjektive reduzieren; kleine Handlungsschritte zusammenfassen; an den Szenenübergängen arbeiten bzw. Beginn und Ende der Szene bewusst auswählen.

...ist letztlich aber alles auch eine Frage des Stils.

Wie gesagt, ich kenne deinen Stil nicht. Vielleicht schreibst du auch bereits super präzise und knackig, sodass dir die o.g. Punkte keinen Mehrwert mehr bieten.


Das sind viele, wirklich sehr gute Tipps, hier. Ich merke insbesondere an meinen älteren Kapiteln, das ich dort auch mit weniger Worten das Gleiche aussagen kann. Mein Stil hat sich seit der Anfangszeit schon verändert und ist jetzt deutlich reduzierter und weniger ausgeschmückt. Am schönsten wäre es natürlich, möglichst viel der essentiellen Handlung behalten zu können und durch sprachliche Finessen schon einiges gutzumachen.

Zitat von: Mara am 21. November 2020, 20:59:16
Je nach dem, wie du das Buch von der Struktur her aufgebaut hast - bestünde vielleicht auch die Möglichkeit, es in zwei Bänden rauszubringen?

Das ist eine sehr gute Frage, über die ich auch schon öfter nachgedacht habe. Es gäbe nur eine Stelle in meinem Buch, die sich für einen Cut anbieten würde. Diese liegt aber eher bei 65% des Buches, als bei der Mitte. Mit cleveren Kürzungen im ersten Teil könnte ich es hinbekommen, beide Teile in etwa gleich zu gewichten, aber ich müsste meine Plotstruktur definitiv anders gestalten, wenn an diesem Punkt Schluss wäre. Dafür gibt es dort momentan für den Leser zu viele offene Fragen und zu wenig Resolution, als das ich dort guten Gewissens einen Cut vornehmen könnte. Ich muss dazu sagen, dass mir die Idee auch ein wenig widerspricht, weil es für mich immer eine zusammenhängende, abgeschlossene Geschichte war, aber wenn ich es absolut nicht schaffen sollte auf unter 150k zu kommen wäre es eine Möglichkeit.

Herbstblatt

Hmm... Ich mag lange Bücher, solange etwas passiert und die Handlung voran schreitet, kann es mir gar nicht zu lange sein. Lang ist nicht gleich lang, würde ich sagen... Es gibt Bücher mit 300 Seiten, in denen kaum etwas passiert, sondern nur die Seitenzahl zustande kommt, weil so viel und so genau beschrieben wird, das ist mir dann zu lang(atmig). Spontan fallen mir dazu die Bücher von Stephen King ein, dicke Bücher, die ich wegen der Langatmigkeit nicht zu Ende lesen kann.  :P
Dagegen finde ich Das Lied von Eis und Feuer angemessen, obwohl die Serie so elendslang ist. Keine überflüssigen Ausführungen oder Beschreibungen und in jedes Kapitel hat seine Daseinsberechtigung, weil etwas Wichtiges passiert.

Zitat von: Kaeptn am 20. November 2020, 09:24:26

Mal abgesehen von den Verlagen, sollte man auch an die Leser denken. Dicke Bücher sind teurer und brauchen mehr Lesezeit. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem 1000 Seiten Wälzer eines Unbekannten oder einem 500 Seiten Wäzer eines mir bekannte Autors, die beide gleich interessant klingen, in wen investiere ich mein Geld und meine Lesezeit, vor allem wenn beides knappe Güter sind?


Oh, das gefällt mir, das hilft mir bei der Entscheidung, ob ich meine Manuskripte der bisherigen zwei Bände zusammenführen soll oder nicht.  :D
Jedenfalls interessante Ansicht, so hab ich das als Leser noch nie betrachtet. Ich mag Sammelbände zum Beispiel gerne und kaufe bald mal einen 1000seitigen Wälzer, wenn die Leseprobe und Klappentext für mich ansprechend klingen. Ich gebe auch nicht viel darauf, ob ich von dem Autor schon mal was gelesen hab.


Zitat von: Aphelion am 18. November 2020, 21:05:40



120.000–150.000 Wörter halte ich aber trotzdem für einen guten Anhaltspunkt als Obergrenze. Da ich deinen Stil nicht kenne, folgen ein paar Allgemeinplätzchen:

Ich würde beim Kürzen nicht nur Szenen, Figuren und Nebenhandlungen hinterfragen, sondern z.B. auch Füllwörter. Wenn du bei 180.000 Wörtern 5 % Füllwörter streichen kannst, dann sind das mal eben 9.000 Wörter weniger. Nur als Rechenbeispiel.

Ein Übermaß an Füllwörter geht oft mit zu langen Sätzen einher. Es geht also nicht nur um die Füllwörter an sich, sondern auch um das, was sie bzgl. des Stils noch so anzeigen: Lesbarkeit, Sprachrhythmus, Satzbau, Präzision der Formulierungen.

Beschreibungen haben oft ebenfalls Potenzial zum Kürzen. Ich versuche z.B., Beschreibungen nicht mehr isoliert zu schreiben, wenn es keinen Grund dafür gibt. Wenn Hildegard auf dem Weg zum Ballsaal zum vierten Mal über den Goldsaum ihres grünen Samtkleides stolpert, dann haben wir eine visuelle Beschreibung, eine Charakterisierung (tollpatschig, nervös, nicht an diese Klamotten gewöhnt), einen Hinweis auf das Milieu/Setting (wohlhabend, altertümlich) und sogar noch einen Teil der Handlung der Szene.

Das ist ein blödes Beispiel, aber solche Verdichtungen von Infos sind in vielen Kontexten möglich. Das Beste: Du verlierst dabei ggf. Wörter, aber eben keine Informationen.

Noch ein paar allgemeine Kürzungs-Tricks, die mir einfallen: Inquit-Formel lassen sich manchmal komplett streichen oder stauchen; Adjektive reduzieren; kleine Handlungsschritte zusammenfassen; an den Szenenübergängen arbeiten bzw. Beginn und Ende der Szene bewusst auswählen.


Oh, das gefällt mir auch, das sind sehr nützliche Tipps. Ich hab für Wörter und ihre umgelegte Länge auf ein fertiges Buch überhaupt kein Gespür...  :P


Coppelia

#19
Meine Rohfassung des aktuellen Romans war auch über 150.000 Wörter lang und ich habe schon einiges gekürzt. Vielleicht ist es nur mein persönliches Problem, aber mir war aufgefallen, dass ich (abgesehen von den üblichen Füllwörtern und unnötigem Gelaber) ständig mehrere "Fässer aufmache". Die Emotionen der Figuren und die Konflikte sind oft komplex, obwohl das gar nicht nötig wäre. Meistens würden eine Emotion und ein Konflikt in einer Szene ausreichen. Daher streiche ich dann alles Überflüssige raus und habe wirklich traumhafte "Kürzungszahlen". ::) Der Text wird außerdem stringenter und weniger verwirrend. Dass es Nachteile hat und ich den Anspruch rauskürze, glaube ich nicht. Eher ist immer noch alles zu langatmig und zu komplex. :versteck:
Ich bin jedenfalls optimistisch, dass ich auf die Art auf ca. 130.000 kommen kann, wenn nicht sogar noch weniger.

Arcor

Zitat von: Coppelia am 05. Januar 2021, 05:39:46
Ich bin jedenfalls optimistisch, dass ich auf die Art auf ca. 130.000 kommen kann, wenn nicht sogar noch weniger.
Wenn du auf die Art 20k rauskürzen kannst, musst du mir mal beibringen, wie das geht.  ;)
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Herbstblatt

Ich überarbeite mein Projekt gerade und die Wörter haben sich eher vermehrt als gekürzt.... Es hat jetzt ca 120.000 Wörter.  :P

Zitat von: Coppelia am 05. Januar 2021, 05:39:46
Meine Rohfassung des aktuellen Romans war auch über 150.000 Wörter lang und ich habe schon einiges gekürzt. Vielleicht ist es nur mein persönliches Problem, aber mir war aufgefallen, dass ich (abgesehen von den üblichen Füllwörtern und unnötigem Gelaber) ständig mehrere "Fässer aufmache". Die Emotionen der Figuren und die Konflikte sind oft komplex, obwohl das gar nicht nötig wäre. Meistens würden eine Emotion und ein Konflikt in einer Szene ausreichen. Daher streiche ich dann alles Überflüssige raus und habe wirklich traumhafte "Kürzungszahlen". ::) Der Text wird außerdem stringenter und weniger verwirrend.

Bei mir ist das Gegenteil der Fall... Das Innenleben der Charaktere kommt bei meinem ersten Draft immer viel zu kurz und erst beim Editieren wird das Ganze ausgebaut, ebenso Beschreibungen von Orten, Personen, und so.  :P


Gibt's eigentlich einen Grund, warum hier so viele 150.000 Wörter als absolute Obergrenze sehen?
Wie gesagt, ich hab keinerlei Gefühl, wann etwas zu lange ist und jetzt habe ich endlich einen Richtwert. Ich würde noch gern wissen, was dahintersteckt?

FeeamPC

Mein ganz einfacher Grund: Bücher, die zu dick sind, sind unhandlich und zu teuer. Versuch mal, einen 800-Seiten-Wälzer beim Lesen zu halten, wenn deine Hand einen Rheumaschub hat oder eine Sehnenscheidenentzündung. Oder wenn du einfach nur älter bist und schwere Dinge nicht mehr lange halten kannst, ohne die Zitteritis zu kriegen. Da bist du froh um jedes Buch, das weniger als 300 Seiten hat. Und die Sache mit dem Geldbeutel ist sowieso eindeutig, oder?

Aphelion

Zitat von: Herbstblatt am 06. Januar 2021, 14:53:26
Gibt's eigentlich einen Grund, warum hier so viele 150.000 Wörter als absolute Obergrenze sehen?
Wie gesagt, ich hab keinerlei Gefühl, wann etwas zu lange ist und jetzt habe ich endlich einen Richtwert. Ich würde noch gern wissen, was dahintersteckt?
Vorweg: Ich betrachte 120.000–150.000 Wörter als weichen Orientierungswert für die maximale Länge, nicht als harte Grenze. Denn...

Ästhetik ist kulturell bedingt. Das gilt mMn auch für die literarische Ästhetik. Wenn wir die gegenwärtig am weitesten verbreitete Erzählkultur betrachten, sind Geschichten bis 120–150 tsd. Wörter ungefähr das, was mit gängigen Erzählstrukturen noch als "schön"/"gut" empfunden wird. Deutlich längere Texte brauchen eine andere Struktur, damit sie noch zu den gegenwärtigen allgemeinen Vorlieben passen. Längere und gute Texte sind also nicht unmöglich. Dann sind wir (heutzutage) aber oft beim seriellen Erzählen – und dabei ist es heutzutage durchaus üblich, mehrere Bände zu veröffentlichen.

Das alles lässt selbstverständlich Ausnahmen zu. ;) Kultur und Geschmack ändern sich ständig. Abgesehen davon gibt es abseits vom aktuellen Mehrheits-Urteil auch immer Nischen. Selbst Nischen sind allerdings oft nicht komplett andersartig, sondern nur etwas abweichend.

Natürlich sollte ALLES in einem Manuskript aus einem guten Grund existieren, aber ein Indikator wie die Wortzahl ist für mich einerseits ein guter Anlass, darüber nochmal ernsthaft nachzudenken – ohne mich andererseits völlig verrückt zu machen und nonstop ALLES in Zweifel zu ziehen. (Dann komme ich nämlich mit dem Schreiben nicht weiter. :P)

Judith

Zitat von: Herbstblatt am 26. Dezember 2020, 17:13:55
Hmm... Ich mag lange Bücher, solange etwas passiert und die Handlung voran schreitet, kann es mir gar nicht zu lange sein.
Mir geht es genauso, um hier mal eine Gegenstimme zu den Fans der kurzen Bücher einzubringen. Interessanterweise habe ich nämlich den Gedanken "Oh nein, warum ist das Buch schon aus, ich hätte noch viel länger weiterlesen wollen" fast nur bei dicken Wälzern. Was jetzt nicht heißt, dass ich nicht auch dünnere Bücher liebe, aber dieser Wunsch, das Buch möge noch länger sein, habe ich praktisch nur bei Kloppern von mehr als 600 Seiten, z.B. Ein Lied für Arbonne (Kay), Jenseits von Eden (Steinbeck), Der Graf von Monte Christo (Dumas), Tigana (Kay), Unterleuten (Zeh), Die vier Zweige des Mabinogion (Walton), fast alle Bände von A Song of Ice and Fire (Martin)

Es wird wohl damit zusammenhängen, dass ich in einem längeren Buch die Figuren und die Welt ganz anders kennenlernen kann und irgendwann an den Punkt komme, an dem ich immer noch mehr Zeit mit ihnen verbringen möchte. Insofern sage ich ja aus Lesersicht: Immer her mit den epischen Wälzern, erst recht, seit es E-Books gibt und man dementsprechend beim Lesen nicht mehr Gewichte stemmen muss.
Dass Verlage das anders sehen, ist mir natürlich bewusst, auch wenn ich das schade finde. Meine "Göttersteine" sind derzeit bei gut 250.000 Wörtern und ich bin noch nicht mal annähernd am Ende. Ich wüsste nicht, wo ich hier im großen Stil kürzen sollte, wenn ich nicht einen komplett anderen Roman daraus machen wollte.

Coppelia

#25
Also, ich hbe mittlerweile meinen epischen Dark-Fantasy-Roman "Nebelritter" von ca. 155.000 Wörtern auf fast 130.000 runtergekürzt, und ich habe auch erst etwas über die Hälfte geschafft. Mittlerweile denke ich fast, er wird zu kurz. :P

Für alle, die wissen möchten, wie ich es gemacht habe, habe ich einen Blogartikel über meine Kürzungsmethode geschrieben:
https://www.kaja-evert.de/2021/02/14/wie-dein-text-knackig-wird-tipps-zum-kuerzen/

Viel Spaß für alle, die es interessiert, @Arcor. ;) Die Methode passt sicher nicht für alle, aber bei mir funktioniert es so ganz gut. Wahrscheinlich wegen der Art, wie ich die Rohfassungen schreibe.

Elya

Nach meinem (recht erfolgreichen) Editierdurchgang melde ich mich auch nochmal zurück.  :winke:  Mein Manuskript hatte ursprünglich 185k Worte und ich habe es mittlerweile ohne wirklichen Inhaltsverlust auf 151k gekürzt. Natürlich musste die ein- oder andere überflüssige Szene gehen, aber ich würde sagen, dass ich ich 90% meiner Kürzungen über Line-Level Edits erreicht habe.

Auch wenn man es anfänglich gar nicht für möglich hält, oft lassen sich Sätze zusammenziehen, Beschreibungen kürzen, überflüssige Wörter streichen und knackigere Formulierungen für ausufernde Sätze finden. Dabei gewinnt nicht nur das Pacing, sondern die gesamte Geschichte und ich habe mein Buchbaby mittlerweile guten Gewissens in die Hände einiger Betaleser gegeben und denke, dass es bis zum finalen Edit auch nochmal ein paar mehr Wörter verlieren wird. Es ist also durchaus möglich, eine Geschichte so weit zu verdichten, dass sie (hoffentlich) im Rahmen traditioneller Verlage bleibt - das hier vielleicht als Aufmunterung an alle, die vor dem selben Problem stehen, wie ich damals. Ihr schafft das. :knuddel:


Siara

Mir kamen gerade noch ein paar Gedanken zu den sehr langen Romanen, vorwiegend wegen einiger Dinge, die Brandon Sanderson vor einer Weile in einem Livestream zu zweiten Bänden und dem Aufteilen von Romanen sagte. (Der Meister sehr kurzer Romane also. hüstl) Erste Bände haben natürlich diese Aura des neuen und einer neuen Welt, in die man sich stürzen kann. Allerdings haben sie normalerweise auch die steilste Lernkurve. Und gerade das ist in der Epic Fantasy oft eine Herausforderung für die Autor:innen: Es gibt so verflixt viel Wissen, das der Leser sich erarbeiten muss, um die Geschichte zu verstehen. Die Welt, die Charaktere, fremde Wesen, das Magiesystem, die Intrigen und Beziehungen, Politik, Kultur, ... um das schön und ohne Infodump einzuführen, braucht es vielleicht ein oder zwei Extraszenen. Aber das ist in meinen Augen gar nicht der Knackpunkt.

Mir geht es eher um die Leserseite des Ganzen. Wenn ich mir als Leser die Mühe mache, mir dieses ganze Wissen anzueignen, um in die Welt und die Charaktere einzutauchen, dann soll es sich lohnen. Und wenn der Roman am Ende nur 450 Seiten hat, fühlt es sich ein wenig an, als wäre der Aufwand das Resultat nicht wert. Natürlich lässt sich hier argumentieren, dass viele dieser Infos unter Umständen gar nicht nötig sind, dass Infodump schlechtes Handwerk bedeutet und weniger oft mehr ist. Und das ist wahr. Es lassen sich großartige Fantasyromane schreiben, ohne sich vier Kontinente, zehn neue Kreaturen, fünf verfeindete Völker und tausend unbekannte Gepflogenheiten auszudenken. Aber wenn ich daran denke, welche Romane sich mir atmosphärisch ins Herz geschlichen haben, denke ich an "Kinder des Nebels" oder an "Der Drachenbeinthron". Bücher, die einen wirklich mitnehmen. Sich dort einzuarbeiten, hat Zeit gekostet. Im Drachenbeinthron sind die ersten hundert Seiten kaum mehr, als den Alltag des Protagonisten zu beobachten. Dafür weiß ich die Namen der Charaktere aber auch noch Jahre nach dem Lesen der Romans, und die Welt ist mir lebendig vor Augen. Es wurde viel, viel vorbereitet, um die Geschichte danach voll auskosten zu können.

Sich so sehr darauf einzulassen, lohnt sich meiner Meinung nach nicht, wenn der Roman nur wenige hundert Seiten fasst. Auch kürzere Fantasy-Romane kann ich genießen, und aus Verlagssicht verstehe ich vollkommen, warum sie sicherer und ökonomischer sind. Aber als Leser habe ich damit ein kurzes Vergnügen und vergesse sie wieder. Und wenn das Magiesystem noch so cool war, ärgere ich mich am Ende eher über die Mühe, es mir angeeignet zu haben, als ich mich über die knackige Länge freue. Wenn ich schon in eine Welt eintauche, dann aber auch richtig! Mit mehr Platz und einem langsameren Pacing kann man auf lange Sicht ganz andere Effekte zaubern als mit Kürze. Das, finde ich, sollte man ein bisschen mitbedenken, bevor man seinen Roman koste-was-wolle komprimiert.

Zur Klarstellung: Damit will ich nicht das Kürzen an sich schlechtreden. Gerade stilistisch kann man bei Kürzen eine Menge lernen, glaube ich, und auch dramaturgisch. Und wenn man veröffentlichen möchte, kommt man um Kompaktheit oft wohl leider nicht herum.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

AlpakaAlex

Ich muss sagen, dass für mich persönlich Geschichten über 120 000 Wörter eigentlich zu lang zum lesen sind. Es sei allerdings dazu auch gesagt, dass ich einfach nicht sehr lange Konzentration habe und sehr langsam lese. Deswegen lese ich sehr ungerne Bücher, die gesamt länger als 400 Seiten sind. Denn die Sache ist, dass ich dann häufig der Handlung nicht mehr folgen kann.

Ich finde es leider auch sehr schade, dass in Deutschland die Tendenz zu immer längeren Büchern hingeht. Es ist fast unmöglich - abseits vom Self-Publishing - Bücher in der Fantasy zu finden, die weniger als 350 Seiten haben. Das finde ich sehr ärgerlich. Ich meine, es ist sicher toll für Leute, die gerne lange Bücher lesen ... Aber wo sind meine 250-350 Seiten Bücher?  ???
 

Wintersturm

Als jemand, der bei seinem Hauptprojekt in Teil 1 322k und bei Teil 2 397k hat (und noch sehr lange nicht am Ende ist) und sich gerade durch die Überarbeitung quält, möchte ich anmerken, dass ich die ewig langen Wälzer liebe. Eine richtig ausführliche Geschichte, wo ich die Welt mit allem drum und dran und die Charaktere so vollständig kennen lerne wie es geht ist einfach perfekt für sich. Und wenn man dann den letzten Teil nach Wochen/Monaten (kommt auf die freie Zeit an) durch hat und immer noch mehr davon lesen will, ist doch alles so wie es sollte.
Bei kürzeren Geschichten denke ich mir eher: "Ja, ok, nächste Geschichte", ganz egal wie gut das geschrieben ist. Bei längeren Reihen ist oft das genaue Gegenteil der Fall. Ich brauche eben eine Weile, um reinzufinden, aber wenn ich drin bin, geht es ohne Zurückhaltung ab.
Die kürzeste Geschichte in meinem Regal ist irgendein Einteiler mit etwa 400 Seiten. Wirklich nicht schlecht an sich, aber nichts, wo ich jetzt sagen würde: "Mehr davon!" Danach kommt irgendeine Schmutz-Trilogie mit insgesamt 600 Seiten, übrigens das einzige Mal, wo ich wirklich keine Lust hatte, weiter zu lesen, einfach weil die ohnehin knappe Handlung gerade in Schlüsselszenen einfach komplett zusammenkomprimiert war, dass es im Grunde völlig langweilig war. Ich brauche eben meine Zeit, bis es richtig hinhaut und genauso schreibe ich auch. Na ja, abgesehen, von einem gewissen Nebenprojekt, wo ich gerade mal die 100k beim ersten Teil zusammen bekommen habe, aber das war beim Schreiben auch hart unausgereift.