Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48

Titel: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48
Ich habe ziemlich viele queere Figuren in meinen Büchern, und ich habe ein Problem. Ich weiß nicht recht, wie ich sie bezeichnen soll.

In einem modernen Setting, namentlich einem, das in unserer Welt angesiedelt ist: Kein Ding. Ein schwuler Mann ist schwul, eine lesbische Frau lesbisch. Ich habe kein Problem, die Wörter zu verwenden, und empfinde sie auch nicht als herabwürdigend. Selbst das ehedem despektierliche "queer" wurde längst von der queeren Szene zurückerobert und ist mein liebster Sammelbegriff und der, womit ich mich selbst am wohlsten fühle.

Bloß in historischen Settings mag ich diese Wörter nicht verwenden. Sie sind schlicht und einfach zu modern. Das Wort "schwul" ist in diesem Zusammenhang erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert für männliche Homosexuelle gebräuchlich (die etymologische Geschichte selbst ist lang), und "lesbisch" hat für mich vor allem im Fantasysetting das Problem, das es auf die griechische Insel Lesbos zurückgeht und die Dichterin Sappho, die es beide in meiner High-Fantasy-Welt nie gegeben hat.

Gleichzeitig widerstrebt es mir, mir Fantasiebegriffe für etwas auszudenken, für die es in der deutschen Sprache geläufige und funktionierende Wörter gibt. Ergebnis: Ich verwende überhaupt keine Begriffe für Homosexualität, weder Adjektive noch Nomen. Ich beschreibe vielleicht, dass jemand sich mehr für Männer als für Frauen interessiert, aber ich verzichte darauf, dem Kind einen Namen zu geben. Und auch das kommt mir seltsam vor. Ich meine, die Leser werden mich doch für völlig verdruckst halten, wenn ich nicht einfach schreibe, dass Lorcan schwul ist. Trotzdem, ich bringe es nicht über mich, diese modernen Wörter zu verwenden.

Hat jemand einen Tipp für mich? Mein schwuler Krieger geht gerade ins Lektorat, und ich möchte vorbereitet sein, wenn mein Lektor diesen Eiertanz anspricht.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sprotte am 30. Mai 2018, 01:37:54
Ich benutze die Begriffe in meiner Reihe ebenfalls nicht. Zum einen wegen Lesbos, zum anderen, weil es in unserer Welt lange keine Begriffe für diese Sexualität gab (so wie es das Wort "normal" ja auch erst seit relativ Kurzem gibt), und ich in meinen Fantasywelten keine Hiomophobie habe bzw. thematisiere. "Ist halt so" beschreibt die Haltung der Leute in meinen Geschichten am besten, und deswegen benötige ich kein Label.

Da ich aber auch in etwa (gefühlt) den Prozentsatz z. B. schwuler Männer aus unserer Welt übernehme, müssen meine Helden nicht nur A) herausfinden, ob die Attraktion gegenseitig ist, sondern auch B) ob der Wunschpartner überhaupt schwul und somit erreichbar ist.
Dafür benutze ich gerne die Umschreibung "bevorzugt Männer" beziehungsweise "bevorzugt Frauen".

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Ahneun am 30. Mai 2018, 02:36:45
Du Maja, ich wüsste nur noch Sodomie, widernatürliche Unzucht oder die Knabenschänderei. Wobei ich mich mit allen Begriffen nicht ganz wohl fühle.

LG
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Shedzyala am 30. Mai 2018, 02:49:03
Zitat von: A9 am 30. Mai 2018, 02:36:45
Du Maja, ich wüsste nur noch Sodomie, widernatürliche Unzucht oder die Knabenschänderei. Wobei ich mich mit allen Begriffen nicht ganz wohl fühle.
Wenn wir mal darüber hinwegsehen, dass alles Schimpfwörter sind, hätten wir bei Sodomie dasselbe Problem wie bei lesbisch: Der Name bezieht sich auf eine irdische Legende ;) (Oder war Sodom sogar eine echte historische Stadt? Da bin ich mir grad nicht sicher)

Was mir noch einfallen würde, wäre "gleichgeschlechtlich", auch wenn es sich nicht ganz so pragmatisch einsetzen lässt wie "schwul".
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Maja am 30. Mai 2018, 03:37:59
Sodomie ist eine Bezeichung für Analsex, benannt nach der irdisch/biblischen Stadt Sodom. Ein Sodomist, was früher eine Bezeichnung für Homosexuelle war, ist also jemand, der Analsex betreibt (üblicherweise unter Männern). Historisch ist dieser Begriff auch nur während eines vergleichbar eng abgesteckten Zeitrahmens verwendet worden, oft im Zusammenhang mit Strafverfolgung (Sodomieparagraph). Als Sammelbegriff eignet er sich im Fantasybereich aus zu vielen Gründen nicht, und auch im historischen Roman muss man genau schauen, in welcher Zeit das Buch spielt.

Das Wort "gleichgeschlechtlich" klingt sehr modern und extrem steril. "Lorcal liebte gleischgeschlechtlich" ist ein sperriges Konstrukt als "Lorcan hatte kein Interesse an Frauen". Natürlich gibt es noch das gute alte "homosexuell", das tatsächlich deutlich länger in Benutzung ist als "schwul", aber ich mag in einer Fantasywelt keine irdisch-altsprachlichen Fremdwörter benutzen - das ist einfach ein kultureller Hintergrund, den es in meiner Welt nicht gibt.

Im Fantasyrollenspiel DSA wurde früher der Begriff "elfisch" verwendet, das ist aber auch meines Wissens nach in späteren Editionen nicht mehr so verwendet worden. Ich würde es auch nicht benutzen, weil "Hähä, die Elfen sind alle schwul!" so dermaßen abgedroschen ist - abgesehen davon, dass es in meiner Welt keine Elfen gibt.

Aber ich bin erleichtert zu sehen, dass ich nicht die Einzige mit dem Problem bin.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Ahneun am 30. Mai 2018, 04:00:38
Na ja, es ist eben das Problem, dass im Mittelalter die gleichgeschlechtliche Liebe in der Praxis und nach dem Bekanntwerden dieser, meistens der Tod als Bestrafung folgte. Somit kennt man in der heutigen Zeit eigentlich nur negativ besetzte Bezeichnungen.

Man müsste sich vielleicht in die damalige Zeit hineinversetzen und sich vorstellen, wie würde ich (natürlich heimlich) mit meinem Partner m/w um gehen. Wie findet/fand eine Terminierung eigentlich statt? Wie sah eigentlich so ein erstes Entdecken des anderen Partners aus? Wie kommunizierte man damals als Lesbe oder Schwuler, ohne entdeckt zu werden?

Die Begriffe die ich kenne sind negativ behaftet, weil sie aus der damaligen Zeit stammen. Heute haben wir - zum Glück - andere Zeiten und wir können ohne um das eigene Leben zu fürchten, frei von gleichgeschlechtlicher Liebe sprechen und praktizieren. Zwei sich öffentlich küssende Männer oder Frauen führen schon lang nicht mehr zu einem Aufstand.

Die Frage ist ja;
Welche Begriffe sind uns heute noch von damals bekannt, um eine gleichgeschlechtliche Liebe treffend und kurz zu bezeichnen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Maja am 30. Mai 2018, 05:10:58
@A9
Das ist der Punkt - keine dieser Bezeichnungen stammt aus dem Mittelalter. Sie sind allesamt neuzeitlich. 19. Jahrhundert aufwärts. Die älteste Bezeichnung, die ich kenne, ist englischsprachig und kommt aus der Renaissance, wo schwule Männer als "molly" bezeichnet wurden - ein Haus, in dem sich Männer zum Sex treffen konnten, war ein "molly house". Und ich muss sagen, ich mag das Wort irgendwie, aber es ist ausschließlich im Englischen gebräuchlich gewesen.

Was die Stellung von homosexuellen Männern in mittelalterlichen Settings angeht: Da es hier primär um Fantasy geht, haben wir in unseren selbstgebauten Welten die Möglichkeit, diese Situation selbst zu definieren. Verfolgung und Todesstrafe sind also nicht per se gesetzt - es hat ja auch in unserer Welt in der Vergangenheit Zeiten und Kulturen gegeben, wo homosexuelle Beziehungen als völlig normal wahrgenommen wurden (altes Griechenland, z.B.). In meiner Welt ist Homosexualität nichts Verbotenes, allerdings haftet schwulen Männern das Stigma an, für verweichlicht und unmännlch gehalten zu werden (wo ich das nur her habe?). Das heißt, es wird bei mir sicherlich despektierliche Bezeichnugen geben, aber mir fehlt der neutrale Sammelbegriff.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Coppelia am 30. Mai 2018, 06:00:43
Genau, dass Begriffe auf die irdische Antike (oder so) zurückgehen, ist für mich auch immer ein Kriterium, sie nicht zu verwenden. Das betrifft ja nicht nur "lesbisch", sondern auch viele andere Ausdrücke, "stoisch", "Akademie" usw.

Es gibt im Lateinischen gewisse Adjektive, die Homosexualität bei Männern bezeichnen (können), aber die sind nicht wertneutral und manchmal auch schwer übersetzbar. Weibliche Homosexualität ist in der Literatur ziemlich unterrepräsentiert und wird in allen Beispielen, die mir einfallen, mit abwertenden oder schmerzhaft derben Umschreibungen erfasst.

Ich konnte deinem Post jetzt nicht entnehmen, ob es dir um historische Romane oder Fantasyromane mit historischem Setting geht. Ich kann hier nur zur letzten Sorte etwas sagen. :)

Ich nutze meistens Umschreibungen. Ich halte es nicht für notwendig, Adjektive zu verwenden, nur weil es dem modernen Sprachgebrauch entsprechen würde. Ich finde, damit ist eindeutig genug benannt, worum es geht. Jemand liebt oder bevorzugt Männer/Frauen; das ist in meinen Augen eindeutig. Aber weil Homosexualität in meinem antiken Setting eher misstrauisch beäugt wird, sind diese Umschreibungen oft auch abwertend. (Kessel zeichnet mit Absicht eine gnadenlose Gesellschaft, die alles andere als angenehm oder perfekt ist, und die Abwertung von nicht der dort etablierten gesellschaftlichen Norm entsprechendem sexuellem Verhalten gehört dazu.)
Ein Beispiel aus "Talvars Schuld":
Zitat"Talvar und sein Handlanger, Verim Velmarun, sind gemeinsam aufgewachsen und waren immer unzertrennlich – im Rat, vor Gericht und im Bett. Jeder in der Stadt wusste das. Nach Velmaruns Tod muss die alte Schleiereule recht einsam sein. Seine Ehefrau kann ihm bestimmt nicht geben, was ihm fehlt."
Und derb aus "Schule der Macht":
Zitat,,Tu nicht so. Ich meine deinen Freund, den Selvid. Ihr seid doch ..." Eine obszöne Geste untermalte den Satz. ,,... ein zweiköpfiges Ungeheuer, zusammengewachsen am Arsch."
Beide Sprecher sind übrigens rechte Mistkerle. :P

Die Einführung von "Fantasiebegriffen" fände ich persönlich aber überhaupt nicht problematisch. Warum nicht eine eigene Sappho (die übrigens in der antiken Literatur gar nicht immer als lesbisch gilt) erfinden oder einen eigenen Orpheus? (Homosexualität im Sinn von Knabenliebe wird gern auf Orpheus zurückgeführt) Wenn das kurz erklärt wird, ist es in meinen Augen völlig verständlich und nachvollziehbar und hat außerdem ein authentisches Flair. In meinem antiken Setting habe ich es häufig so gehandhabt, dass ich Sagen etabliert habe, aus denen die Menschen ihre Begriffsverwendung ableiten. So war es einfach auch in der Realität. Ein geteilter kultureller Kontext, vor dem das Alltagsleben stattfindet. In diesem Fall könnte man auch z. B. berühmte Männer- oder Frauenpaare erfinden. Es wäre an sich auch denkbar, dass wir statt "schwul" einen Begriff hätten, der etwa auf Achill und Patroklos zurückgeht. Ist zwar nicht so, aber ich denke, es könnte theoretisch so sein.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Araluen am 30. Mai 2018, 06:10:36
Ich kenne es auch so, dass in historischen Settings drum herum geredet wird. In der Fantasy sind mir hingegen Wortschöpfungen begegnet, die einmal erklärt werden und dann eingängig sind. In Bretts Dämonenzyklus bezeichnen Krasianer (ein Menschenvolk dort) Schwule als Pushting. In dem Fall setzt sich das aus dem krasianischen Wort Push gür Krieger (bitte nicht festnageln) und der weiblichen Endung ting zusammen. Der grundsätzliche Aufbau der krasianischen Sprache war bis dahin bekannt und eingeführt war es etwa so: "Er küsste ihn. Es wusste ohnehin jeder, dass er ein Pushting war."

Vielleicht kannst du ja ähnlich vorgehen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Koriko am 30. Mai 2018, 07:36:00
Ich denke auch, dass man mit Umschreibungen in diesem Fall am Besten fährt. In der Richtung habe ich viele Bücher gelesen, wo das Kind nicht beim Namen genannt wurde, sondern mit ein paar Sätzen oder innerhalb von Dialogen beschrieben wurde. Ist für mich jetzt kein Zeichen von "völlig verdruckst", sondern in einem Fantasy völlig okay. Die modernen Begriffe würde ich nicht unbedingt verwenden, wobei ich ehrlich gesagt nie darüber gestolpert bin, wenn ich einen mittelalterlichen Fantasy gelesen habe. Womit ich nix anfangen kann, sind Fantasiebegriffe dafür - das wirkt auf mich immer hölzern und erst recht verklemmt. Wenn schon, dann wenigstens mit den richtigen Begrifflichkeiten.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Zauberfrau am 30. Mai 2018, 07:51:16
Hieß die gleichgeschlechtliche Liebe im alten Griechenland nicht die "schöne Liebe" ?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Evanesca Feuerblut am 30. Mai 2018, 08:11:29
Ich habe in meiner Arcanepunkwelt "Monosexualität" und "Disexualität" definiert (ersteres bezeichnet Hetero- oder Homosexualität, zweites Bisexualität), konnte das aber nur machen, weil sich die Sprachen in meiner eigenen Welt aus den irdischen Sprachen entwickelt haben und ich daher irdische Fremdwortsilben verwenden darf.

Vielleicht hast du in der Geschichtsschreibung deiner Fantasywelt etwas Passendes? Wenn jetzt ein Dichter namens Wulf die Liebe zwischen Männern besungen hat, so als Beispiel, wäre das dann z.B. die Wulfische Liebe.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Arcor am 30. Mai 2018, 10:07:56
Ich stimme euch bei, dass ich "schwul" und "lesbisch" in mittelalterlichen Fantasy-Settings durchaus problematisch finde. Für mich brechen die Begriffe da schon die 4th Wall, sie sind wirklich einfach zu modern.
Ich bin da am ehesten bei Koriko und finde auch Umschreibungen am effektivsten. Ich finde es nicht unelegant, wenn der Charakter statt "Ich bin schwul" sagt "Ich liebe Männer". Es hat denselben Effekt und über eine solche Formulierung dürfte wohl kaum ein Leser stolpern.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Churke am 30. Mai 2018, 10:26:07
Zitat von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48
Ergebnis: Ich verwende überhaupt keine Begriffe für Homosexualität, weder Adjektive noch Nomen. Ich beschreibe vielleicht, dass jemand sich mehr für Männer als für Frauen interessiert, aber ich verzichte darauf, dem Kind einen Namen zu geben. Und auch das kommt mir seltsam vor. Ich meine, die Leser werden mich doch für völlig verdruckst halten, wenn ich nicht einfach schreibe, dass Lorcan schwul ist. Trotzdem, ich bringe es nicht über mich, diese modernen Wörter zu verwenden.

Möglicherweise zäumst du das Pferd von hinten auf. Die Begriffe, die du wählst - oder meidest - sollen ja genau genommen nicht deine sein, sondern dem Vokabular des Perspektivträgers entsprechen. Entsprechend bist nicht du verdruckst, sondern deine Figur.
Dass man Schwierigkeiten hat, das laut zu benennen, ist historisch sicherlich belegbar. Es geschah, soweit überliefert, abwertend von außen, häufig gar kriminalisierend.
Die Frage wäre also nicht: "Wie soll ich es nennen?", sondern "Wie soll die Figur es nennen?"
Da spielen dann viele Dinge hinein. Wie sieht es die Figur? Welchem Mileu, welcher sozialen Schicht gehört sie an? Ist sie selbst homosexuell?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: der Rabe am 30. Mai 2018, 10:49:55
In meinen Settings wird es meistens nicht groß angesprochen, weil es für die Person selbst normal ist. Heißt, sie muss es ja nicht ständig wiederholen, dass sie schwul/lesbisch/wasauchimmer ist. Und die wenigen Male, die sie es erwähnen muss, um es jemand anderem zu erklären, reichen die "Ich liebe eben nur Männer" oder "Frauen interessieren mich nicht".

Wenn es jemand anders sagt, das hatte ich bei den Cypehrs irgendwo am Anfang: "Hast du vielleicht eine nette Cousine, die nicht vom anderen Ufer ist?"
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 10:51:55
@Churke - einerseits ja - es kommt auf den Perspektiventräger an, (bzw. den Erzähler, muss ja nicht das gleiche sein) vor allem wenn es um die Selbstdefinition geht. Andererseits gibts es ja noch genügend andere Figuren, die irgendwann zu Wort kommen und die werden ebenso wieder andere Begriffe oder Umschreibungen benutzen, je nach persönlicher Einstellung.

Ich halte es auch für eine Frage des Stils, also welche Worte man für den Rest der Erzählung wählt. Sowohl "schwul" als auch "lesbisch" könnte ich mir in einem Fantasysetting durchaus vorstellen, wenn der gesamte Sprachstil eher modern gehalten ist. Die Herkunft von "lesbisch" dürfte auch eher einem geringeren Prozentsatz der Bevölkerung bekannt sein.

Insgesamt finde ich diese etymologischen Überlegungen immer etwas schwierig. Immerhin ist jede Sprache gewachsen und hat immer wieder neue Bestandteile integriert. Wo zieht man da die Grenze, was nimmt man mit, und was nicht?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Arcor am 30. Mai 2018, 11:06:35
Zitat von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 10:51:55
Insgesamt finde ich diese etymologischen Überlegungen immer etwas schwierig. Immerhin ist jede Sprache gewachsen und hat immer wieder neue Bestandteile integriert. Wo zieht man da die Grenze, was nimmt man mit, und was nicht?
Das finde ich auch schwierig. Zum Beispiel hätte ich bei Coppelias Beispielen keine Probleme. Akademie und stoisch würde ich auf jeden Fall verwenden, wenn ich die Wörter brauche, einfach weil sie etwas ausdrücken, für dass ich nicht immer genau gleichwertige Synonyme finde. Phantastische Begriffe mir dazu auszudenken kann super funktionieren, gerade in der Fantasy gibt es ja genug Beispiele, wo die Welt auf Sprache aufgebaut ist (siehe Tolkien). Es muss jedoch nicht immer klappen, und gerade wenn man nur diese Begriffe mit phantastischen Neuschöpfungen umschreibt und sonst kaum eigensprachliche Kreationen hat, dürfte es eher plump als elegant gelöst wirken.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Gizmo am 30. Mai 2018, 12:56:22
Ich habe bei vielen modernen Begriffen bzw. Begriffen, die ihren Ursprung in der irdischen Geschichte haben, kein Problem. Spielt eine Geschichte in einer fantastischen Welt, einer Galaxis weit, weit entfernt usw., sprechen die Wesen dort eine für uns fremde Sprache. Ich sehe es daher so, dass wir in unseren Texten 'Entsprechungen' bieten, um den Sinn des Gesagten widerzugeben, und dies tun wir in unserer eigenen Sprache - mit all ihren gewachsenen Bedeutungen.
Anders ist es z.B., wenn ich wie in meinem Buch mit einer Welt arbeite, die von Menschen bevölkert ist, die von der Erde abstammen. Manche Redewendungen haben sich erhalten, andere werden verschwunden sein. Letztens strich ich die (innere) Bemerkung eines Charakters, seine Ohren seien heiß wie glühende Kohlen. In dieser Welt gibt es nämlich keine Kohle.

Ähnlich halte ich es mit der Bezeichnung gleichgeschlechtlicher Liebe. Theoretisch könnte ich 'schwul' oder 'lesbisch' als überlieferte Begriffe verwenden, aber ich möchte es nicht. Gleichgeschlechtliche Liebe ist in dieser Welt nichts Außergewöhnliches, also wird meistens überhaupt nicht darüber gesprochen. Muss es dennoch explizit gesagt werden, verwende ich Umschreibungen ("Ich liebe Männer / Frauen; Du bist nicht mein Typ; Sie spielt für das andere Team; usw.").
Ich tue das auch, weil ich die negativen Gefühle, die diese Wörter auslösen können - eine homosexuelle Testleserin verbindet das Wort 'lesbisch' bspw. mit einer für sie schlimmen Zeit - nicht in der Geschichte haben möchte. Und wenn es Charaktere gibt, die etwas gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen haben, dann verwenden sie ohnehin meist Schimpfwörter oder Beleidigungen. Wenn mich jemand für feige oder prüde hält, weil ich 'dem Kind keinen Namen gebe', dann ist es eben so. Man kann es nicht allen recht machen, und ich habe meine Gründe.  :)

Etwas Anderes wäre es natürlich, wenn ich mit meiner Herangehensweise jemanden verletzen oder beleidigen würde, denn das ist niemals meine Absicht.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Ary am 30. Mai 2018, 13:16:25
Ich mache es wie Sprotte und benutze keine Begriffe für Homosexualität außer dem schon genannten "bevorzugt Männer/Frauen" oder "interessiert sich nur für Männer/Frauen", wenn das Gesüräch darauf kommt, oder nutze so plastische Be-und Umschreibungen wie Coppi. Auf den Eiertanz und Fantasiebegriffe habe ich nämlich auch keine Lust. Ich habe mal in einem Rollenspiel einen Fantasiebegriff für gleichgeschlechtliche Liebe eingeführt (no pun intended), aber das war mir dann auch zu holperig, und wir haben den Begriff rundenintern wieder gekegelt.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: canis lupus niger am 31. Mai 2018, 13:47:12
Homosexuelle Liebe unter Männern wurde, soweit ich weiß, schon seit der Spätantike "Griechische Liebe" genannt und als die schönste, weil reinste und uneigennützigste Liebe angesehen. Die Verdammung (und damit auch verbale Verunglimpfung) homosexueller Liebe ist eine Erscheinung aus dem jüdisch (und davon abgeleitet dem christlichen und muslimischen) Kontext.

Die christliche Kirche hat lange Zeit alles, was von der Missionarsstellung zwischen Mann und Frau abwich, als Sodomie bezeichnet. Hab kürzlich mal einen hochinteressanten Beitrag darüber gelesen, dass und warum schon im alten Testament, also auch in der jüdischen Glaubenslehre sexuelle Variationen so verpönt waren und nach der Stadt Sodom benannt wurden.

Aufgrund der sprichwörtlichen Verteufelung jeder sexuellen ... hm "Abweichung vom Normalen" waren die meisten Bezeichnungen für Homosexualität und andere Varianten der Liebe tendenziell Schimpfworte, denke ich. Als ich (in GoT) zum ersten Mal den Begriff "Kissenbeißer" hörte, war ich erschüttert über die Gehässigkeit und gleichzeitig beeindruckt von der Farbigkeit dieses Schimpfworts. Sogar ursprünglich sachliche Bezeichnungen erhielten bestimmt im Lauf der Zeit einen abwertenden Klang. Auf der anderen Seite haben Menschen, die sich zu diesen Varianten hingezogen fühlten, vermutlich eher beschönigende Bezeichnungen kreiert.

Da auch ich in meinem aktuellen (pseudomittelaterlichen) Projekt die Homosexualität thematisiere, habe ich mich auch mit geeigneten Synonymen beschäftigt. Das reicht von "Liebhaber von Knaben und Männern" bis zum "sodomitischen Bastardsohn", den zu haben, man meinem Prota vorwirft.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: KaPunkt am 31. Mai 2018, 14:27:49
Ich sehe da ein grundsätzliches Problem mit der Etymologie.
Wenn "lesbisch" oder "Akademie" nicht geht, geht "Fenster" auch nicht, denn das stammt von lateinisch "fenestra". Kaiser geht auch nicht. Stammt von Ceasar. Dieser Argumentationskette folgend, kommt man ganz schnell in den Wald.
Worum es wirklich geht, sind vermutlich die Assoziationen, die ein Begriff auslöst. Wer weiß, dass "Akademie" von "Akademos" kommt und dem heiligen Hain, der ihm geweiht war, in dem Plato (Aristoteles?) sich mit seinen Schülern traf, der den Begriff nicht mehr benutzen, ohne die Verknüpfung zur griechischen Antike zu haben. Selbes gilt für Sappho und die Insel Lesbos. Wer diese Informationen nicht hat, macht diese Verknüpfungen auch nicht.

Ich persönlich orientiere mich in diesen Fällen an zwei Punkten:
1. Ich schreibe über eine fiktive Welt, in der mit großer Sicherheit kein Deutsch gesprochen wird. Mein Job gleicht also eher der eines Übersetzers. Wenn es im Deutschen keinen Begriff gibt, der die Bedeutung hat, die ich für mein Konzept brauche, erfinde ich ein Wort. Das habe ich dann eben mangels Möglichkeit 'nicht übersetzt'.
2. Wenn es ein Wort oder mehrere gibt, die die gesuchte Bedeutung haben, verwende ich eines davon. Ich wähle dann das aus, dass nach meiner Vermutung am nächsten an die von mir gewünschte Assoziation bei möglichst vielen Menschen herankommt. Ob dieser Begriff etymologisch in meiner Welt keinen Sinn macht, ist mir erstmal egal. Relevant wird das erst, wenn die meisten meiner Leser vermutlich wissen, woher dieser Begriff stammt und ihn vor allem mit dieser Herkunft assoziieren.

Vermutlich wissen gar nicht so wenig Leute, dass da mal "was mit meiner schwulen Dichterin auf Lesbos" war, aber das dürfte nicht das erste sein, was ihnen bei dem Begriff "Lesbe" in den Sinn kommt. Viel eher kann ich mir andere Assoziationen vorstellen, die ich in einem Fantasy-Setting vielleicht nicht haben will. (CSD, "Kampflesben" mit Bürstenhaarschnitt, lila Latzhosen - so bescheuert die alle auch sein mögen.) Das wäre für mich eher ein Grund, unter Umständen nach Umschreibungen zu suchen. Einen neuen Begriff würde ich nicht erschaffen, eben weil es mehrere völlig akzeptable in unserer Sprache gibt, die genau das ausdrücken, worum es geht.
Umschreibungen und Slangworte sind ein Zeichen einer lebendigen Kultur und eines gute World-Building. Also würde ich mich da austoben. (Persönlich mag ich immer noch die Formulierung aus einem der ersten Askir-Bände: "Bevorzugt er das Cello oder die Flöte?")

Liebe Grüße,
KaPunkt


Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Coppelia am 31. Mai 2018, 16:24:12
ZitatWenn "lesbisch" oder "Akademie" nicht geht, geht "Fenster" auch nicht, denn das stammt von lateinisch "fenestra". Kaiser geht auch nicht. Stammt von Ceasar. Dieser Argumentationskette folgend, kommt man ganz schnell in den Wald.
Das stimmt. ;D Darüber habe ich schon oft nachgedacht. Wie du schreibst, KaPunkt, dürften sich die Figuren tatsächauch gar nicht auf "Deutsch" unterhalten; man übersetzt quasi nur ihren Text und ihre geesamte Geschichte.
Tatsächlich habe ich den Begriff "Akademie" schon genutzt, weil es im Deutschen wenig Ersatzworte dafür gibt. Aber wenn man einen Begriff gut ersetzen kann, nutze ich ihn gewöhnlich eher nicht. Bei "stoisch" ist das in meinen Augen etwa leicht möglich.
Ich finde aber auch, man muss aufs Bauchgefühl hören. Wenn man das Gefühl hat, ein Begriff zerstört das "Flair" der Geschichte, würde ich ihn nicht nutzen und nach einem suchen, der sich richtig anfühlt.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sprotte am 31. Mai 2018, 16:31:09
Ich bemühe mich, Eigennamen zu vermeiden. Mein Lieblingsbeispiel: Nilpferd und Flusspferd.
Ebenso vermeide ich beispielsweise stoisch, spartanisch, Stentorstimme, Adampsapfel und Achillesferse.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: canis lupus niger am 31. Mai 2018, 16:37:18
Zitat von: Coppelia am 31. Mai 2018, 16:24:12
Tatsächlich habe ich den Begriff "Akademie" schon genutzt, weil es im Deutschen wenig Ersatzworte dafür gibt.
Deshalb habe ich in einer ähnlichen Situation von einer "Hohen Schule" geschrieben.  ;D

Zitat von: Coppelia am 31. Mai 2018, 16:24:12Aber wenn man einen Begriff gut ersetzen kann, nutze ich ihn gewöhnlich eher nicht. Bei "stoisch" ist das in meinen Augen etwa leicht möglich. Ich finde aber auch, man muss aufs Bauchgefühl hören. Wenn man das Gefühl hat, ein Begriff zerstört das "Flair" der Geschichte, würde ich ihn nicht nutzen und nach einem suchen, der sich richtig anfühlt.
Genau so sehe ich das auch. Das hast Du schön formuliert!
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Lothen am 31. Mai 2018, 17:09:22
Ich halte das wie @Gizmo und @KaPunkt: Wenn ein Begriff nicht ganz eindeutig und für alle Leser*innen sichtbar aus einem anderen Sprachraum kommt oder in der Welt einfach nicht passt, dann nutze ich ihn auch.

Die Begriffe 'lesbisch' und 'schwul' habe ich aber in meinen Büchern nie verwendet, muss ich zugeben. Die wären mir einfach vom Klang her zu modern gewesen. Ich hab da immer mit "mag Männer", "mag Frauen", "ist beiden Geschlechtern zugetan" gearbeitet. 'Akademie' und 'stoisch' nutze ich aber trotzdem, in "Opfermond" ist mir auch das Aphrodisiakum reingerutscht und das ist genau einem Leser aufgefallen (einem Zirkler, wohlgemerkt ;D). Wird also alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Ich mache das, ehrlich gesagt, immer nach Bauchgefühl: Klingt es für das Setting stimmig, ist der Ursprung des Wortes klar erkennbar und gäbe es eine simple, für alle gut verständliche Alternative. Daraus leite ich dann ab, ob ich den Begriff nutze oder nicht.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Simara am 03. Juni 2018, 16:21:43
Da ich vorallem historische Fantasy schreibe halte ich mich immer ganz brav an die zur jeweiligen Zeit angebrachten Formulierungen- auch wenn die zum Teil negativ gemeint sind. Natürlich muss man da vorsichtig sein, um dem Leser keinen falschen Eindruck zu vermitteln, aber bisher hatte ich da - zum Glück - nie Probleme mit. Gerade im 19. Jahrhundert kann man auch sehr viel dadurch aussagen, dass man eben nichts sagt. Immerhing war es insbesondere in England "the unspeakable crime" und Berichte aus der Zeit schaffen es sehr geschickt um den heißen Brei herum zu reden, ohne viel Zweifel daran zu lassen, was gemeint ist.

Wenn es um "komplette" Fantasy-Settings geht, habe ich mir bisher nie neue Wörter ausgedacht, sondern es ganz schlicht bei "mag (auch) [hier Geschlecht  einfügen]" belassen. Aber in meinen Settings war es auch bisher meist nicht all zu stark tabuisiert.

Allerdings finde ich es gar nicht so schlimm, wenn man sich Bezeichnungen ausdenkt, so lange sie nachvollziehbar sind. Wenn man sich in der Geschichte so umsieht, gab es einige echt interessante Synonyme für gleichgeschlechtliche Liebe. Das typische Beispiel wäre wohl die aus dem japanischen stammende Wendungen "die Leidenschaft des abgeschnittenen Ärmels", welche eine Referenz auf eine Legende ist. Im westlichen Raum findet man so ein Referenzsystem auch oft, nur meist mit griechischen Sagen (z.B. "sie waren wie Orestes und Pylades" etc.). Wenn ich also für meine Welt neue Begriffe erfinden wollen würde, würde ich es nach einem ähnlichen Schema machen, und Bezugspunkte innerhalb der Welt erschaffen.  :hmmm:
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Koboldkind am 08. Juni 2018, 10:36:13
Ich bedanke mich für all die Gedanken und Inspirationen in dem Thread, es bringt mich zu Überlegungen, die ich in meiner Welt auch noch benennen muss.

Aktuell überarbeite ich eine KG mit einer lesbischen Prota, die schlicht erklärt "Etwas wie mich gibt es nicht". Also ein absolutes Tabu oder wie oben genannt eine unaussprechliche Kriminalität bzw. Abnormailtät. Da ihr Volk eine einzige Gemeinschaft ist, wird sie sich nach dem Ablösen als "nicht gemeinschaftergeben" bezeichnen, was Kennern des Volkes genug erzählt. Alle anderen bekommen noch die Erklärung "Bloß keinen Mann" nachgeliefert.

Bei einem anderen Volk ist Homosexualität anerkannt, weil das Volk genug andere Mechanismen hat, Nachwuchs zu produzieren. Homosexuelle Männer sind sogar geachtet, weil sie keine "Gefahr" mehr darstellen (oder so ähnlich, fertig bin ich da noch nicht). Der Name "Molly" von den Molly Houses gefällt mir sehr, ich denke in diese Richtung wird es bei dem Volk auch gehen.

Auch spannend zu lesen, welche Umschreibungen andere Autoren schon benutzt haben. Letztlich werde ich bei der entsprechenden Szene mich mal zurücklehnen und es fließen lassen. Ich befürchte, das wird beim Zusammentreffen der Völker ordentlich zu denken geben.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Tex am 31. Januar 2019, 20:04:47
Hui. Das ist ein schwieriger Thema, zu dem ich mir auch schon Gedanken gemacht habe. :buch:
Ich sehe das in der Theorie so ähnlich, wie schon ein paar Andere vor mir: In einer High-Fantasy-Welt müsste (meistens) in komplett anderen Sprachen gesprochen werden. Man schreibt also quasi nur die Übersetzung der Geschichte auf. Und deswegen wäre es rein theoretisch auch nicht falsch, "neumodische" Begriffe wie 'schwul' oder "irdische" Begriffe wie 'lesbisch' oder 'Akademie' verwenden. Insbesondere, wenn in der Fantasywelt gleichgeschlechtiche Ehen normal sind, gäbe es mit Sicherheit auch einen eigenen Begriff dafür, den man dann auch in der "Übersetzung" verwenden würde. [Warum ich es trotzdem nicht tue, schreibe ich unten].

Anders ist es, wenn es in dieser Welt, ähnlich wie im europäischen Mittelalter, ein Tabuthema ist. Dann gäbe es vielleicht kein spezifisches oder eben nur ein negativ besetztes Wort dafür. In diesem Fall würde es ein "Übersetzer" also umschreiben.

Ähnlich sehe ich es bei historischen Settings, wie dem europäischen Mittelalter oder Antike. Da wohl kaum einer seinen Text in Mittelhochdeutsch, Indogermanisch, Keltisch oder Latein verfassen wird, ist man auch wieder der "Übersetzer" und kann somit auch moderne Begriffe einfließen lassen, egal wie diese zu dieser Zeit verwendet wurden oder ob es sie schon gab. (Da fällt mir ein Zitatbruchstück ein, das sicher so nicht komplett korrekt ist, aber so etwas aussagt: "Eine Geschichte sagt nichts über die Zeit in der sie spielt, aber alles über die Zeit, in der sie geschrieben wurde").

ABER: Man möchte in einem Text auch eine gewisse Stimmung erzeugen. Also würden wohl wenige Autoren in einem Fantasytext mit mittelalterlichem oder antiken Setting Worte wie 'schwul' oder 'homosexuell' verwenden, obwohl es vielleicht in dieser Welt logisch wäre. Denn damit assoziiert man modernere Zeiten und keine mittelalterliche oder antike Welt.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 01. Februar 2019, 10:08:00
Zitat von: Tex am 31. Januar 2019, 20:04:47Insbesondere, wenn in der Fantasywelt gleichgeschlechtiche Ehen normal sind, gäbe es mit Sicherheit auch einen eigenen Begriff dafür, den man dann auch in der "Übersetzung" verwenden würde.
Würde ich ehrlich gesagt nicht so sehen, im Gegenteil.

Warum gibt es keine eigene Bezeichnung für eine Ehe zwischen einem Arzt und einem Mechaniker? Weil es keinen Grund dafür gibt, diese Art von Ehe von anderen zu unterscheiden - es ist eine ganz normale Standardehe. Worte wie "Schwulenehe" gibt es doch nur, um sie von der "normalen" Ehe abzugrenzen, weil der Unterschied eben in unserer Gesellschaft eine gewisse Bedeutung hat.

Wenn in einer Gesellschaft hingegen der Umstand der Mann-Mann-Ehe genauso unbedeutend ist wie die Arzt-Mechaniker-Ehe, dann hast du gute Chancen, daß es dafür erst gar keinen gesonderten Begriff gibt.

Ein für mich recht schönes Beispiel ist die Hintergrundwelt der Elder Scrolls Spiele. Du wirst in keinem Spiel je eine Bezeichnung für Homosexualität finden, oder eine spezielle Erwähnung, daß ein Paar homosexuell ist - obwohl es jede Menge gleichgeschlechtliche Ehen gibt. Da spricht die Auftraggeberin halt einfach davon, daß man doch bitte ihre Frau retten möge - ohne erst einmal in Erklärungen abzuschweifen, daß sie ein lesbisches Paar wären.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Tex am 01. Februar 2019, 10:52:31
ZitatWarum gibt es keine eigene Bezeichnung für eine Ehe zwischen einem Arzt und einem Mechaniker? Weil es keinen Grund dafür gibt, diese Art von Ehe von anderen zu unterscheiden - es ist eine ganz normale Standardehe. Worte wie "Schwulenehe" gibt es doch nur, um sie von der "normalen" Ehe abzugrenzen, weil der Unterschied eben in unserer Gesellschaft eine gewisse Bedeutung hat.
Das sehe ich etwas anders. Dein Beispiel träfe nur dann zu, wenn in dieser Welt alle bisexuell wären. Denn die Partnerfindung ist (zumindest in den Gesellschaften, in denen es keine absolut offenen Ehen gibt) eine der wichtigsten Dinge, die den Menschen ausmachen. Geht also (salopp gesagt) jemand in dieser Welt auf Partnersuche in eine Bar, wird es wichtig sein, zu sagen, ob er homosexuell oder heterosexuell ist. In dieser Welt, in der beide Orientierungen normal sind, wird man das so häufig sagen müssen, dass eigene Begriffe dafür entstehen. Die Arzt-Mechaniker-Ehe hingegen hat deswegen keine eigene Bezeichnung, weil es (nicht pauschal, aber wohl in den meisten Welten,) eher ungewöhnlich sein wird, dass Massen von Ärzten durch die Bars ziehen und jedem erzählen, dass sie nur auf Mechaniker stehen.
Der Arzt-Mechaniker-Ehe-Begriff entsteht also deshalb nicht, da er zu beliebig ist, während Begriffe wie 'schwul', 'lesbisch' oder Ähnliches eben durch die häufige Verwendung entstehen werden. Natürlich kann es sein, dass man in dieser Welt nicht zwischen "homosexuell als Mann = schwul"<-> "homosexuell als Frau = lesbisch" <-> "heterosexuell egal welchen Geschlechts" unterscheidet, sondern nur zwischen "homosexuell <-> heterosexuell" oder nur "steht auf Männer <-> steht auf Frauen". Aber finge man jetzt an, all diese Feinheiten zu beachten, müsste man den Text in einer extra auf dieses Volk zugeschnittenen Sprache schreiben.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 01. Februar 2019, 11:28:52
So läuft Partnerfindung im Normalfall aber nicht ab - niemand geht in eine Bar und fragt den potenziellen Geschlechtspartner "Hey du, bist du auch schwul?" - da wird geflirtet, und ob die beiden kompatibel sind ergibt sich im Laufe des Abends, ohne daß auch nur ein einziges Mal das Wort "schwul" fällt.

Die geschlechtliche Ausrichtung ist genauso eine Präferenz wie beispielsweise die, ob man Anal-, Oral- oder Vaginalsex bevorzugt. Trotzdem ist niemand "oralsexuell", es gibt keine "Oralehe", niemand macht sich Gedanken um die politisch korrekte Bezeichnung für "Orale". Klar, für die Partnerfindung ist es wichtig, aber es hat keine gesellschaftliche Bedeutung, und damit nicht die Notwendigkeit, ein ganzes Konglomerat an Begrifflichkeiten zu finden, um diese Präferenz deutlich von "der Norm" abzugrenzen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: AlpakaAlex am 01. Februar 2019, 11:42:23
Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 11:28:52
So läuft Partnerfindung im Normalfall aber nicht ab - niemand geht in eine Bar und fragt den potenziellen Geschlechtspartner "Hey du, bist du auch schwul?" - da wird geflirtet, und ob die beiden kompatibel sind ergibt sich im Laufe des Abends, ohne daß auch nur ein einziges Mal das Wort "schwul" fällt.
Nun, als bisexuelle Person kann ich dazu sagen: Ich gehe für gewöhnlich auf Partnersuche in LGBTQ* Bars, also letzten Endes Gay Bars. Weil es eben nun einmal sonst schwer wird zu sehen, mit wem ich überhaupt potentiell flirten kann. Gerade wenn eine Gruppe dennoch eine verhältnismäßige Minderheit ist. Wofür es eine Abgrenzung braucht und daher auch eine Bezeichnung.

Wenn ich daran denke, welche Gesellschaften historisch recht akzeptant gegenüber LGBTQ* waren, so hatten die meisten von ihnen doch zumindest einen Begriff für homosexuelle Menschen (und meistens, wenn sie trans* freundlich waren, getrennte Begriffe für Transmann, Transfrau und Nicht-Binär). Nicht unbedingt in lesbisch/schwul unterteilt, aber durchaus einen Begriff für Menschen, die (auch) Interesse an Personen des eigenen Genders hatten.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Tex am 01. Februar 2019, 12:07:49
@PBard : Auch für die "Norm" gibt es Begrifflichkeiten. Und gerade, dass du diese Beispiele aufzählen kannst, zeigt doch, dass es Begriffe dafür gibt. Jede öfter auftretende Präferenz kann man benennen, solange sie kein zu starkes Tabuthema ist.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 01. Februar 2019, 12:15:14
Zitat von: NelaNequin am 01. Februar 2019, 11:42:23Weil es eben nun einmal sonst schwer wird zu sehen, mit wem ich überhaupt potentiell flirten kann.
Auch das ist doch bei uns sozial bedingt - weil es trotz aller Offenheit heute noch immer ein Tabu ist, einen heterosexuellen Menschen "anzuschwulen".

In einer Gesellschaft, in der das kein Thema ist, hast du doch das Problem nicht. Du flirtest jemanden an - entweder derjenig geht darauf ein (Bingo!) oder eben nicht (egal, ob derjenig einfach nicht homo-/bisexuell ist, oder weil deine Frisur und Augenfarbe einfach nicht ansprechend sind).

Zitat von: NelaNequin am 01. Februar 2019, 11:42:23Gerade wenn eine Gruppe dennoch eine verhältnismäßige Minderheit ist. Wofür es eine Abgrenzung braucht und daher auch eine Bezeichnung.
Leute, die auf Rothaarige stehen, sind auch eine verhältnismäßige Minderheit - trotzdem brauche ich keine Abgrenzung dafür, weil die Vorliebe für Rothaarige in unserer Gesellschaft vollkommen belanglos ist.

Zitat von: NelaNequin am 01. Februar 2019, 11:42:23Wenn ich daran denke, welche Gesellschaften historisch recht akzeptant gegenüber LGBTQ* waren, so hatten die meisten von ihnen doch zumindest einen Begriff für homosexuelle Menschen (und meistens, wenn sie trans* freundlich waren, getrennte Begriffe für Transmann, Transfrau und Nicht-Binär). Nicht unbedingt in lesbisch/schwul unterteilt, aber durchaus einen Begriff für Menschen, die (auch) Interesse an Personen des eigenen Genders hatten.
Und genau da liegt für mich der Knackpunkt. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen "Akzeptanz" und "Normalität". Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der wir an "Akzeptanz" arbeiten, aber von "Normalität" sind wir weit entfernt.

Zitat von: Tex am 01. Februar 2019, 12:07:49@PBard : Auch für die "Norm" gibt es Begrifflichkeiten. Und gerade, dass du diese Beispiele aufzählen kannst, zeigt doch, dass es Begriffe dafür gibt. Jede öfter auftretende Präferenz kann man benennen, solange sie kein zu starkes Tabuthema ist.
Benennen, klar - aber das ist dann wieder das Beispiel mit dem "steht auf Männer".

Es gibt keine "Oralsexuellen", sondern Menschen, die auf Oralsex stehen.
Wäre dann nicht das äquivalent in einer solchen Gesellschaft:
Es gibt keine "Homosexuellen", sondern Menschen, die auf gleichgeschlechtlichen Sex stehen.


[Edit]*kommt mit den sexuellen Spielarten durcheinander* ;D

[Edit2]Die Frage, ob in einer komplett egalitären Gesellschaft Begriffe für Transmänner und Transfrauen existieren würden, find ich übrigens interessant. Für irgendwie geartete Präferenzen wäre das ja vollkommen egal (sag ich jetzt mal ganz naiv als pansexuelles nonbinäres Wesen ;D), aber vielleicht wäre es für den Transformationsprozeß in einer solchen Gesellschaft wichtig genug, sich abzugrenzen? Keine Ahnung. :hmmm:
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Tex am 01. Februar 2019, 12:44:18
Dann fält es aber selbst bei der kompletten, geschichtlich durchgehenden Akzeptanz unter den Zufall, ob ein Wort entsteht. Und selbst wenn kein Wort dafür in der Sprache dieses Volkes entstanden ist, ist man als Autor immernoch der "Übersetzer", der unsere Sprache und somit auch unsere Begriffe verwendet. Ansonsten müsste ich für ein Seefahrervolk ja auch 40 Worte für "Welle" erfinden.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 01. Februar 2019, 12:55:08
Zitat von: Tex am 01. Februar 2019, 12:44:18Dann fält es aber selbst bei der kompletten, geschichtlich durchgehenden Akzeptanz unter den Zufall, ob ein Wort entsteht.
Ganz meine Rede ... ;)

Zitat von: Tex am 01. Februar 2019, 12:44:18Und selbst wenn kein Wort dafür in der Sprache dieses Volkes entstanden ist, ist man als Autor immernoch der "Übersetzer", der unsere Sprache und somit auch unsere Begriffe verwendet. Ansonsten müsste ich für ein Seefahrervolk ja auch 40 Worte für "Welle" erfinden.
Genau darum geht es doch in diesem Thread - als Autor von Fantasy stehst du vor der Herausforderung, daß es bestimmte Begrifflichkeiten vielleicht in deiner Welt nicht gibt - und wie gehst du jetzt damit um, einerseits ohne den Leser zu verwirren, andererseits aber ohne mit der Stimmung der Welt zu brechen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: AlpakaAlex am 01. Februar 2019, 12:57:44
Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 12:15:14
Auch das ist doch bei uns sozial bedingt - weil es trotz aller Offenheit heute noch immer ein Tabu ist, einen heterosexuellen Menschen "anzuschwulen".

In einer Gesellschaft, in der das kein Thema ist, hast du doch das Problem nicht. Du flirtest jemanden an - entweder derjenig geht darauf ein (Bingo!) oder eben nicht (egal, ob derjenig einfach nicht homo-/bisexuell ist, oder weil deine Frisur und Augenfarbe einfach nicht ansprechend sind).
Würde ich so nicht sagen. Denn wenn du prinzipiell schon einmal eine 8 in 10 Chance hast, dass di*erjenige prinzipiell - ohne Charakterzüge oder sonst etwas einzuberechnen - nicht an dir interessiert ist, macht es das Flirten sehr frustrierend. Wenn du keine eigenen Räume hast, um als Homosexuelle*r auf Partnersuche zu gehen, musst du erst einmal diese 2 in 10 finden, die aufgrund von Gender Interesse an dir hätten und unter diesen dann noch diejenigen, mit denen du ansonsten kompatibel bist. Da ist es ein enormer Vorteil, die 8 in 10, die herausfallen, direkt im Vornherein ausfiltern zu können.

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 12:15:14
Und genau da liegt für mich der Knackpunkt. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen "Akzeptanz" und "Normalität". Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der wir an "Akzeptanz" arbeiten, aber von "Normalität" sind wir weit entfernt.
Ich rede hier speziell von ein paar polynesischen Kulturen, die sexuell sehr offen waren und homosexuelle Kontakte als "normal" akzeptiert haben, teilweise sogar ewig homosexuelle Eheschließungen (oder das etwaige Äquivalent) erlaubt haben - selbst wenn meistens Ehen in diesen Gesellschaften eher selten waren.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Fianna am 01. Februar 2019, 13:12:26
Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 10:08:00
Zitat von: Tex am 31. Januar 2019, 20:04:47Insbesondere, wenn in der Fantasywelt gleichgeschlechtiche Ehen normal sind, gäbe es mit Sicherheit auch einen eigenen Begriff dafür, den man dann auch in der "Übersetzung" verwenden würde.
Würde ich ehrlich gesagt nicht so sehen, im Gegenteil.

Warum gibt es keine eigene Bezeichnung für eine Ehe zwischen einem Arzt und einem Mechaniker? Weil es keinen Grund dafür gibt, diese Art von Ehe von anderen zu unterscheiden - es ist eine ganz normale Standardehe. Worte wie "Schwulenehe" gibt es doch nur, um sie von der "normalen" Ehe abzugrenzen, weil der Unterschied eben in unserer Gesellschaft eine gewisse Bedeutung hat.

Man könnte natürlich auch andere Dinge sprachlich abgrenzen, z.B. eine Ehe mit großem Altersunterschied, wenn Partner aus verschiedenen Religionen heiraten oder wenn in verschiedenen gesellschaftlichen Schichten geheiratet wird (vielleicht sind die politischen und gesellschaftlichen Rechte in einer Fantasywelt mit einem bestimmten Status verbunden, was zu Sonderfällen führt, wenn zwei Leute aus verschiedenen 'Schichten' heiraten).

Grundsätzlich stimme ich aber eher mit PBard überein: solange man es abgrenzt, ist das ein Hinweis darauf, dass es noch nicht als Normalität angesehen wird.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Tex am 01. Februar 2019, 13:19:42
Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 12:55:08

Zitat von: Tex am 01. Februar 2019, 12:44:18Und selbst wenn kein Wort dafür in der Sprache dieses Volkes entstanden ist, ist man als Autor immernoch der "Übersetzer", der unsere Sprache und somit auch unsere Begriffe verwendet. Ansonsten müsste ich für ein Seefahrervolk ja auch 40 Worte für "Welle" erfinden.
Genau darum geht es doch in diesem Thread - als Autor von Fantasy stehst du vor der Herausforderung, daß es bestimmte Begrifflichkeiten vielleicht in deiner Welt nicht gibt - und wie gehst du jetzt damit um, einerseits ohne den Leser zu verwirren, andererseits aber ohne mit der Stimmung der Welt zu brechen.
Dazu habe ich aber doch schon meine Meinung geschrieben: Ich muss mich unserer Sprache und unserer Gesellschaft anpassen. Schreibe ich im mittelalterlichen Setting, werde ich vielleicht weniger bis keine Anglizismen verwenden, aber ich kann mich auch nicht komplett dem Sprachstil einer mittelalterlichen Welt oder noch spezifischer der Sprache eines Fantasyvolks anpassen, da ich eher selten mittelhochdeutsch oder elbisch schreiben werde.
Ich als Autor einer High-Fantasy-Welt bin also nur der jetzt schon oft erwähnte "Übersetzer" oder eben derjenige, der diese Welt von der Unsrigen aus betrachtet. Insofern muss ich also der Logik wegen Dinge, die in meiner Welt nicht benannt werden können, aus Dialogen und dem Verlauf der Geschichte heraushalten, aber kann oder muss sie sogar in Beschreibungen durch unsere Sprache darstellen.

Habe ich also eine solche wie oben genannte Welt, wäre es unlogisch, wenn ein Charakter explizit erwähnt, dass jemand anderes homosexuell oder heterosexuell ist. Das heißt aber nicht, dass ich es nicht irgendwo erwähnen kann.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 01. Februar 2019, 18:17:37
Zitat von: NelaNequin am 01. Februar 2019, 12:57:44Würde ich so nicht sagen. Denn wenn du prinzipiell schon einmal eine 8 in 10 Chance hast, dass di*erjenige prinzipiell - ohne Charakterzüge oder sonst etwas einzuberechnen - nicht an dir interessiert ist, macht es das Flirten sehr frustrierend. Wenn du keine eigenen Räume hast, um als Homosexuelle*r auf Partnersuche zu gehen, musst du erst einmal diese 2 in 10 finden, die aufgrund von Gender Interesse an dir hätten und unter diesen dann noch diejenigen, mit denen du ansonsten kompatibel bist. Da ist es ein enormer Vorteil, die 8 in 10, die herausfallen, direkt im Vornherein ausfiltern zu können.
Naja, das ist aber ein Problem, das sich nicht auf sexuelle Ausrichtung beschränkt. Ich behaupte mal, mit meinen Hobbies, Vorlieben, Weltanschauungen und meinem kindlichen Gemüt wären 20% utopisch ... ;D

Orte, an denen sich Gleichinteressierte treffen können, sind ja auch eine gute Sache - auch für "ganz normale" Gemeinsamkeiten.

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 12:15:14Ich rede hier speziell von ein paar polynesischen Kulturen, die sexuell sehr offen waren und homosexuelle Kontakte als "normal" akzeptiert haben, teilweise sogar ewig homosexuelle Eheschließungen (oder das etwaige Äquivalent) erlaubt haben - selbst wenn meistens Ehen in diesen Gesellschaften eher selten waren.
Offtopic: Hast du da zufällig irgendwelche Links? Das klingt sehr interessant, gerade auch aus Weltenbau-Sicht.

Und wie gesagt, ich will ja auch gar nicht behaupten, daß es keine Begriffe für Homosexualität und Transgender geben kann - nur die Behauptung, daß es sie in solchen Kulturen geben MUSS finde ich einfach unhaltbar.

Zitat von: Tex am 01. Februar 2019, 12:44:18Habe ich also eine solche wie oben genannte Welt, wäre es unlogisch, wenn ein Charakter explizit erwähnt, dass jemand anderes homosexuell oder heterosexuell ist. Das heißt aber nicht, dass ich es nicht irgendwo erwähnen kann.
Als Autor kannst du sowieso erst einmal alles machen, was du für richtig hältst. Wer das Gegenteil behauptet, den kannst du getrost ignorieren, denn selbst ungeschriebene Regeln sind dazu da (meisterlich) gebrochen zu werden. ;D

Die Frage ist halt in diesem Fall, was ist die Wirkung auf den Leser? Ich persönlich würde mich vermutlich durch "schwul" und "lesbisch" nicht aus dem Lesefluß herausreißen lassen - bei "homosexuell" sieht das schon wieder anders aus. Das ist ein Wort, das ich in einer High Fantasy Welt genauso wenig erwarte wie "Elektrizität". Das KONZEPT der Elektrizität kommt natürlich oft in der Fantasy vor, wird dann aber ja auch meist anders umschrieben.

Wobei auch das rein individuell ist. Andere Leser würden sich vermutlich an beidem nicht stören (und vielleicht sogar den Eiertanz um den Begriff herum als nervtötend empfinden).
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: AlpakaAlex am 02. Februar 2019, 12:14:49
Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 18:17:37
Naja, das ist aber ein Problem, das sich nicht auf sexuelle Ausrichtung beschränkt. Ich behaupte mal, mit meinen Hobbies, Vorlieben, Weltanschauungen und meinem kindlichen Gemüt wären 20% utopisch ... ;D

Orte, an denen sich Gleichinteressierte treffen können, sind ja auch eine gute Sache - auch für "ganz normale" Gemeinsamkeiten.
Und auch normale Gemeinsamkeiten haben für gewöhnlich Namen. ;)

Die Sache ist halt ... Wenn ich sage ich jetzt mal eine weibliche Partnerin suche. Suche ich eine Partnerin, offen für nicht-binäre Partner mit weiblichen Körper ist - und dazu noch meine Interessen teilt. Und da wäre halt ein Ansatz eben schon wichtig.

Zitat von: PBard am 01. Februar 2019, 18:17:37
Offtopic: Hast du da zufällig irgendwelche Links? Das klingt sehr interessant, gerade auch aus Weltenbau-Sicht.
Links ist schwer. Leider bietet das Online Space dazu sehr wenig. Ich kann dir allerdings ein paar Bücher dazu empfehlen, wenn Interesse besteht. Ich brauche aber ein paar Tage um die Titel wieder zusammenzusuchen, da ich nicht alle im Haus habe.

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Belgerog am 20. Februar 2019, 14:42:45
Hallo zusammen,

ich habe eine Romanreihe zuhause die das Thema ebenfalls behandelt.

Von Lynn Flewelling die Schattengilde Reihe.

Kurz zum Thread aus dem Inhalt:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Alles in allem sehr interessant.

Gruß Belge

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: PBard am 21. Februar 2019, 06:45:51
Zitat von: Belgerog am 20. Februar 2019, 14:42:45Von Lynn Flewelling die Schattengilde Reihe.
Interessant - ich hab bei Gesprächen zum Thema schon lange nicht mehr an die Reihe gedacht, obwohl diese ganz oben mit dabei ist bei meinen liebsten Büchern.

Und das ist ein gutes Zeichen. Eben weil nie über "schwule" Personen geredet wird, und im Mittelpunkt der Beziehung auch nicht die Geschlechter stehen, auch wenn gleichgeschlechtliche Liebe für einen der beiden etwas komplett Neues ist. Das waren damit für mich auch nie Bücher "über Schwule/Bisexuelle" sondern Bücher "über Spione". :ätsch:

Auf jeden Fall in meinen Augen ein gutes Beispiel dafür, wie man statt unserer modernen Ausdrücke organisch in die Welt integrierte Möglichkeiten nutzen kann.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Kunstmut am 26. Oktober 2019, 07:29:22
ZitatBloß in historischen Settings mag ich diese Wörter nicht verwenden.

Vielleicht habe ich hier tatsächlich was aus sprachlicher Sicht. Zwei Beispiele, die nützlich sein könnten. Wobei Beispiel 2 tatsächlich eine aus etymologischer Sicht rationale Möglichkeit darstellt.

Beispiel 1: Lieder aus Benediktbeuern (Carmina Burana). Zeitraum 11. bis 13. Jahrhundert.

Diese Texte beinhalten neben dem üblichen religiösen Geblubber, derben Späßen, Saufgelagen, Tanz, Musik und Heiterkeit sehr viele Liebeslieder. Als erster literarischer Kniff wird nicht Prosa verwendet, sondern Lyrik, um damit von vornherein auf das Irreale hinzuweisen, sodass man sich alles Erdachte erlauben kann. Kommt nicht in Frage für den Prosatext eines Romans. Sexszenen oder generell romantische Szenen immer in Versform zu erzählen, während der Rest in Prosa läuft, wäre sonderbar. Der zweite Trick ist jedoch meines Erachtens interessant. Und zwar wird alles Dargestellte - ähnlich wie moderne Satire - extrem übersteigert. Also, wenn man schon das "Tabu" bricht, dann doch bitte richtig und mit Umfang. Das heißt, in deinem Roman fällt nie das Wort schwul, aber der Protagonist umarmt, küsst, liegt und steht nackt mit anderen Männern herum, es gibt gute Laune, Seufzen, Klagen, ein übersteigertes wohliges Leiden, dass der gesamte Roman homosexuell schreit, ohne, dass es extra noch mal erwähnt wird. Ich denke, dass ist aber nicht der gewünschte Weg aus dem Dilemma, weil ja in unserer postmodernen Welt alle ganz heiß sind auf Understatement, Subtilität, Fragmente und Grenzüberschreitungen. Da wirkt so eine Übersteigerung eines ekstatischen Homo-Bi-+-Casanova schnell wie ein Schelmenroman.

Beispiel 2: Der Fall von "Gentleman Jack" Anne Lister (1791-1840)

Von der Zeitspanne her auch recht modern, wenn man sich aber die Biographie anschaut, dürften viele Mechanismen auch locker Jahrhunderte vorher gegriffen haben, da bekanntlich vor der Industriellen Revolution und vor der kolonialistischen Welteroberung und Unterdrückung der Welt durch uns Europäer die Abläufe langsamer waren. Ich meine, wir jammern jetzt schon rum, wenn jemand 16 Jahre Kanzlerin ist. Wie muss sich das anfühlen, wenn man sein gesamtes Leben mit der Lebenszeit eines einzigen Königs, Kaisers, Kalifen verbringt? Daher bin ich überzeugt davon, dass Listers Vorgehensweise auch für frühere Zeiten vorstellbar ist. Es gibt jedoch den Wermutstropfen, dass sie dank Erbe und Ländereien ein reicher Mensch war und dadurch extravagante ökonomische Freiheiten besaß. Wer in seinem eigenen Landhaus / Castle wohnt, der kann seine eigenen Diener zum Schweigen bezahlen und sich in den eigenen vier Wänden sexuell alles erlauben. Aber auch hier ist interessant, dass Lister sehr früh anfing, auch und gerade auswärts. Und im späteren Leben sowieso auch auswärts bei Reisen sexuell aktiv wurde. Oft wurden Reisen sogar dadurch ausgelöst, von Love Interest A Abstand zu gewinnen und sexuell aktive Zeit mit Love Interest B, C, D und so weiter zu verbringen.

Anne Lister hat ein sehr langes Tagebuch verfasst, dessen ausführliche Passagen über die erotischen Begierden und Abenteuer in Geheimschrift verfasst sind (Mischung aus Algebra und Altgriechisch). Auffällig ist als erstes die gesamte Geheimnistuerei. Es werden also viele Briefe geschrieben und sexuelle Aktionen werden in sicheren Räumen abgehalten, in denen einen niemand überraschen oder erwischen kann. Verblüffend dabei: Weil Männer offensichtlich schon seit Anbeginn der Zeit Piraten, Glücksspieler, Säufer, Schläger, Machos und Teufel sind, die alles mit ihrer Gewalt zerstören, wurde es als vernünftig angesehen, wenn zwei Frauen Zeit miteinander verbrachten. Kein Mann heißt schließlich auch keine Vergewaltigung und damit keine Schwangerschaft. Problematisch wird es in dieser Geschichte, wenn diese beiden Gleichgeschlechtlichen immer wieder zusammen finden. Zunächst kann man die Verbannung durch die eigene Familie noch ertragen, aber im gesamten Umfeld aller anliegenden Dörfer vom Ruf her ruiniert zu sein, ist dagegen ein massives Problem, da politische wie ökonomische Probleme auftauchen. Wobei Lister den Vermögens-Bonus hatte. Ist man reich, müssen alle zähneknirschend und mit Bauchschmerzen Zugeständnisse machen.

Doch selbst in den Tagebüchern gibt es nicht nur ausführliche Beschreibungen der erotischen Aktionen im Bett oder woanders, sondern eben auch Umschreibungen. Da Lister wohl in das lesbische Schemata eines Butch-Charakters fällt, wird sie, meine ich, synonym als Fred bezeichnet. Fällt das unter Kosename oder unter strikte Geheimhaltung, falls jemand Liebesbriefe mitliest? Dann nämlich würde ja als Adressat ein Mann auftauchen. Umgekehrt könnte man sich vorstellen, dass sich ein schwuler Mann als Codewort einen Frauennamen gibt und vielleicht mit dem anderen schwulen Mann explizit über seine weiblichen Reize, Körperteile oder Angewohnheiten im Charakter spricht. Oder er lässt Passagen über klischeehaft weibliche Interessen einfließen, die im sozialen Konstrukt namens Gesellschaft gerade normative Gültigkeit in den ungeschriebenen Gesetzen der moralischen Sittlichkeit haben. Um Außenstehende, aber auch Familie und Freunde zu täuschen, falls ein Brief abgefangen oder ein Gespräch gehört wird. Lister schreibt in Rückblenden dann auch nicht, dass sie tollen Sex mit einer anderen Frau hatte, sondern es wird erwähnt, dass nach emotionalen, langen und angespannten Gesprächen schließlich eine gute Umarmung oder ein besonders guter Kuss erfolgte.

Als philologischen Schlüssel sollte man also Geheimniskrämerei und Umschreibungen für Offensichtliches verwenden. Man kann sich ja die Lage von schwulen Männern in Russland, Saudi-Arabien, Iran, Nordkorea, China und so weiter vorstellen. Da wird doch alles über Versteckspiele ablaufen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass dann für Begriffe wie "Liebe", "Sex", "Ehe" und so weiter möglichst unscheinbare Worte Verwendung finden. Vermutlich passen auch die Berufe dazu. Zwei Anwälte oder Mönche oder Handwerker, die Partner sind, oder zusammen am selben Ort dienen, lehren, arbeiten, üben, was auch immer. Das würde doch niemand mitbekommen. Und wenn einem die Angst im Nacken sitzt, wird man selbst in intimen Momenten nicht fahrlässig, sondern genießt vermutlich schweigend, nur um später wieder auf Umschreibungen zu vertrauen, weil man das Muster so gewohnt ist.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: KaPunkt am 26. Oktober 2019, 12:26:11
Okay.
Ich bin angepisst. Auf verschiedenen Ebenen. Das vergeht auch wieder, aber jetzt gerade schreib ich einfach mal was. Weiterlesen auf eigene Gefahr.

Erstmal fände ich es echt hilfreich, wenn du, @Kunstmut , es schaffen würdest, deine Aussagen auf das wesentliche zu beschränken.
Und gelegentlich mal einen Absatz einzubauen.

Dein Schreibstil hat auf mich vor allem einen Effekt: Ich lese nicht weiter. Weil es redundant und selbstverliebt klingt. Nicht, als wolltest du mir etwas erklären, sondern als möchtest du vor allem in deiner eigenen Bildung baden. Bei jedem einzelnen deiner Beiträge überfliege ich nach spätestens drei Sätzen nur noch. (Und muss mich dann zwingen, genauer hinzuschauen, wenn ich denke "Das kann er nicht so gemeint haben.") ... falls ich nicht einfach abbreche, weil mir meine Lebenszeit zu schade ist. Ist das der Anspruch, den du an dein Schreiben hast?
Daraus folgt natürlich außerdem, dass ich manche Feinheiten deiner Aussagen durchaus übersehen haben könnte.

Im Folgenden interpretiere ich wohlwollend, was du geschrieben hast. Zum Abschluss sage ich dir vielleicht noch, wie ich es beim ersten Lesen verstanden habe und warum es mich so anpisst.

Lies es nicht, wenn du gerade keine Kraft für Kritik hast, die vielleicht nichtmal neutral oder konstruktiv ist, und schlimmer als das oben.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

[/spoiler]

Liebe Grüße,
KaPunkt

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Rewa Kasor am 28. Oktober 2019, 08:22:22
Zitat von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48
Bloß in historischen Settings mag ich diese Wörter nicht verwenden. Sie sind schlicht und einfach zu modern.

Moin Moin!
Wenn die ganze Erzählsprache sich an der Handlungszeit orientiert, passen solche Begriffe tatsächlich nicht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, absolut korrekt in der Umgangssprache einer historischen Epoche zu schreiben. Ob ich das würde lesen mögen wage ich auch zu bezweifeln.

Mein Rat: Konsequent schreiben. Entweder historisch korrekt (viel Spaß bei der Recherche  ;) ) oder eben in der aktuellen Umgangssprache.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Kunstmut am 10. November 2019, 03:32:53
Es tut mir leid, dass ich den Thread nutze, um auf KaPunkts Beitrag vom 26. Oktober 2019 zu antworten, da er vom Ausgangsthema abdriftet. Ich bitte dennoch um Nachsicht, weil ich es für angemessen halte, kurz und sachlich auf einen, wie ich finde, emotional aufgeladenen persönlichen Angriff auf meine Person zu reagieren. Um zu demonstrieren, dass ich Toleranz lebe und nicht in diese menschliche Mode verfalle, gegen andere zu giften, wenn etwas nicht so ist, wie ich es gerne selber hätte - mache ich das sachlich. Vielleicht kann ich Mitleser damit von meiner Freundlichkeit überzeugen. Falls nicht, war es wenigstens den Versuch von Diplomatie wert.

Ich versuche, möglichst kurz und pragmatisch zu antworten, um den Lesevorlieben von KaPunkt entgegenzukommen. Daher werde ich nur kurz auf die Zitate reagieren.

ZitatIch bin angepisst. Auf verschiedenen Ebenen. Das vergeht auch wieder, aber jetzt gerade schreib ich einfach mal was.

Wäre ich ein zynischer Mensch würde ich den Gebrauch von Umgangssprache nutzen, um einen infantilen "Toiletten-Witz" zu machen. Mache ich aber nicht. Ist doch schön, wenn es wieder vergeht. Dann muss man sich jetzt doch nicht drüber aufregen. Ich schreibe auch öfter einfach mal was. Das sind dann gerne auch mal längere Texte. Vieles, vermutlich so die Hälfte, lösche ich aber wieder, bevor es jemand anderes lesen kann, weil es meinen Ansprüchen nicht genügt.

ZitatErstmal fände ich es echt hilfreich, wenn du, @Kunstmut , es schaffen würdest, deine Aussagen auf das wesentliche zu beschränken.
Und gelegentlich mal einen Absatz einzubauen.

Sag mir bitte nie wieder, wie ich schreiben soll. Danke. Hier geht es schließlich nur um ein paar läppische tausende Worte in einem Forum. Bei einem 700 Seitenroman, bei dem man 200 Seiten wegen Redundanz wegstreichen kann, bin ich ganz bei dir. Hier nicht. Außerdem mache ich Absätze. Ich komme beim Zählen auf 5 Absätze. Den kurzen Satz am Anfang und die beiden Linien, die mit "Beispiel" anfangen, zähle ich nicht als Absatz. Warum soll ich Absätze machen, wenn schon Absätze da sind? Verstehe ich nicht.

ZitatDein Schreibstil hat auf mich vor allem einen Effekt

Auf dich. Auf mich nicht. Was andere dazu sagen, weiß ich nicht. Anderssein ist aber erlaubt?  :wache!:

ZitatNicht, als wolltest du mir etwas erklären, sondern als möchtest du vor allem in deiner eigenen Bildung baden.

Ich erkläre nichts. Dafür müsste ich Experte auf einem Fachgebiet sein und alle anderen Schüler, die keine Ahnung haben. Außerhalb von Institutionen, in denen Menschen durch Mühlen von Seminaren gepresst werden, kommt diese Situation im realen Leben so gut wie nie vor. Ich schreibe Beiträge. So wie jeder andere auch. Ob das für andere eine Erklärung, eine Meinung, erhellend, verdunkelnd, hilfreich, nicht helfend, seriös, unseriös, ein Lesevergnügen oder Zeitverschwendung ist, kann ich, und darf ich auch nie beurteilen. Dafür ist die Öffentlichkeit da. (Oder Forums-Teilöffentlichkeit). Außerdem bin ich so eine arme, kleine, unwissende Leuchte ... das ... das ... nennst du schon Bildung?! Ich bin eine Kakerlake, unbedeutendes Geziefer im Angesicht der Tatsache, dass es Bibliotheken gibt. Was ich schreibe sind subjektive Beiträge, die von meinem super begrenzten Erfahrungshorizont ausgehen. Um in Bildung zu baden, müsste ich erstmal die Absicht haben, mich in irgendetwas sonnen zu wollen. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und übrigens ist Bildung nur eine Ware im Kapitalismus, ein Gut, das man erwirbt, um mit Schein naive Menschen blenden zu können - damit man Schindluder treiben kann. Bildung ist ohne Bedeutung. Respekt habe ich nur vor Wissen. Zum Beispiel eine Ärztin, die gelernt hat, genau herauszufinden, welche Krankheit ich gerade habe und welches chemische Mittel dagegen am meisten Wirkung zeigt - davor habe ich Respekt. Aber weder wird sich die Ärztin in ihrem Wissen baden, ist schließlich ihr Beruf, noch werde ich anfangen, das irgendwie zu überhöhen. Warum will jemand in seiner Bildung baden? Außer Dummheit fällt mir kein Grund ein.

ZitatBei jedem einzelnen deiner Beiträge überfliege ich nach spätestens drei Sätzen nur noch. (Und muss mich dann zwingen, genauer hinzuschauen, wenn ich denke "Das kann er nicht so gemeint haben.")

Erst schreibst du, dass mein Schreibstil auf dich den Effekt hat, dass du nicht weiterliest. Jetzt gibst du zu, dir jeden einzelnen Beitrag anzuschauen und "genauer hinzuschauen". Warum verschwendest du deine Lebenszeit damit, meinen Müll durchzulesen? Kapier ich gerade nicht, sitze auf dem Schlauch, und der Wein darin ist leider auch schon alle. Menno. Ich meine vieles so, wie ich es sage, und noch mehr meine ich vieldeutiger, wobei es mir bei meinem tollpatschigen Umgang mit Sprache immer wieder gelingt, Mehrdeutigen zu schaffen, die ich selber gar nicht bemerke. Wenn ich etwas hasse, dann ist es Interpretation von Dingen. Zehn Leute, ein Text, zehn verschiedene Meinungen.

ZitatZum Abschluss sage ich dir vielleicht noch

Wie überaus großzügig von dir. Danke. Dafür, dass du mich offensichtlich so sehr hasst, ist das eine große Geste. Ich weiß das zu respektieren. Vor allem, da du offensichtlich komplett andere Ansichten hast und du gerade Lebenszeit geopfert hast. Ich hätte es auch durchaus verstanden, wenn du wie die meisten Menschen da draußen in der Welt einfach nichts, gar nichts, geschrieben hättest. So kann ich wenigstens antworten, auch wenn ich dir ganz dringend davon abrate, weiter Zeit mit mir zu vergeuden, denn deine ganze Art im Stil verrät mir, dass unsere Wellenlängen so unterschiedlich verlaufen, wie das nur möglich ist zwischen Menschen.

Zitat
Lies es nicht, wenn du gerade keine Kraft für Kritik hast, die vielleicht nichtmal neutral oder konstruktiv ist, und schlimmer als das oben.

Wieso brauche ich Kraft? Alles, was ich brauche, ist mein Gehirn und etwas Zeit. Aber ernstgemeinte Kritik an deiner Kritik: Denkst du wirklich es ist schlau und vorteilhaft, Kritik zu schreiben, die "vielleicht nichtmal neutral oder konstruktiv ist"? In diesem Fall hast du Glück, weil ich automatisch möglichst neutral und konstruktiv antworte. Mit anderen Menschen hättest du jetzt ohne Not einen Konflikt gestartet und eine emotional aufgeladene Antwort provoziert. Nicht alle Menschen reagieren darauf so gelassen wie ich. Das nur am Rande. Aber ich bin sicher, du hast sicher schon tausende Seiten an Kommunikations- und Psychologieratgebern gelesen und weißt das alles besser als ich, weswegen du dir von mir sowieso nie etwas sagen lassen würdest. Ich bin eben kein Mensch mit Gefühlen. Ich bade nur in Bildung, bin selbstverliebt und redundant. Nicht der Rede wert, durchgelesen zu werden  :)

Zu deinen 4 Punkten:

Zu Erstens: Wenn du meinen Beitrag noch mal ganz liest - bis zum Ende liest - wirst du feststellen, dass ich nicht so simpel agiere, alles auf einen einzigen Vorschlag zu bündeln, der dann umgesetzt werden muss. Ich nehme ein mir zufällig bekanntes Beispiel - Anne Lister - und umschreibe im Absatz 4 (beginnend mit "Doch selbst in den Tagebüchern gibt es") was man machen könnte (nicht muss), anstatt "schwul" oder "lesbisch" als Worte zu verwenden. Zum Beispiel spezielle Kosenamen oder Vokabeln, die andere Vokabeln ersetzen und dabei einen neuen Bedeutungshorizont erlangen. Zum Beispiel "guter Kuss" anstelle von "Sex". Zufällig kannte ich dieses Beispiel mit den subtilen Wortumschreibungen. Hätte ich es nicht gekannt, hätte ich keinen Beitrag geschrieben. Einfach nur mal etwas so dahin schreiben, erscheint mir sinnlos.

Zu Zweitens: Falsch. Das ist kein "endloser Absatz". Das ist ein Textkrümel - 192 Worte, wenn WriteMonkey richtig liegt. 192 Worte ist nicht ewig, sondern eine lachhafte Banalität. Es dauert länger, sich ein Glas Wasser einzuschenken, als das zu lesen. Und man kann es überspringen. Ich bin nur so höflich meinen kompletten Gedankengang darzulegen, bevor wieder jemand sagt: Kunstmut, du sprichst in Rätseln. Man kann übrigens nie wissen, wer sonst noch alles mitliest. Manchmal bekommt ein Leser durch Nebensätze in einem Absatz inmitten eines Textes diesen einen Gedankenblitz oder die Assoziation zu etwas Kreativem. Vielleicht bringt das irgendjemandem etwas. Ich will niemanden beeindrucken, ich bin nicht beeindruckend, das Einzige, auf das ich all meine Eindrücke konzentriere ist der Text und mit ihm die Sprache, gehüllt in eine Form, die mich nicht zornig macht.

ZitatWillst du wissen, wie viele Sprachwissenschaftler oder Historiker in diesem Forum rumspringen? (Ich bin keiner von Ihnen).

Nein, will ich nicht wissen. Wieso auch? Solange man Geschichten schreibt, geht man immer vom allgemeinen Leser und dann vom Genreleser im Speziellen aus. Phantasie ist keine exakte Wissenschaft.

Zu Drittens:
Zitaterschließt sich mir nicht.

Mir schon.

Zu Viertens:

ZitatGeheimniskrämerei und Umschreibungen sind genau dann ein sinnvolles Mittel, wenn Homosexualität - oder irgendetwas anderes - in der Gesellschaft geächtet ist.

Ja, ach, Potzblitz, Weihrauch und Kamelle nochmal. Darum geht es doch. Wenn eine Gesellschaft, speziell in diesem pseudo-europäischen-Mittelalter/Neuzeit offen ist, kann man auch so vorgehen, wie Markus Heitz im vierten (?) Band von Die Zwerge und auch mal eben Polygamie einsetzen, ist dann normal und macht in bestimmten Fantasyregionen kein Problem. Bestimmte Schwierigkeiten mit Vokabeln tauchen dann auf, wenn wir keinen Fantasy-Hintergrund haben, sondern einen historischen oder besser, pseudo-historischen-Hintergrund. Entweder gibt es die Vokabeln nicht, oder sie haben andere Bedeutungen. Was werden wohl Feministinnen über das neutrale Wort "Weib" im historischen Roman sagen? Um so etwas geht es, wie kann man sprachlich auf die Sprachpolizei unserer Zeit reagieren, die dich verleumdet, sobald ein Wort nicht politisch korrekt und gewünscht ist? Entweder hast du den Sinn vom Thread nicht verstanden oder wir werden ewig aneinander vorbei reden oder ich lese Bücher, die du vermutlich schon in den Container oder Ofen geworfen hast. (Wenn du schon "pissig" auf meinen Text bist, dann müsstest du bei einigen Büchern, die älter als 30 Jahre sind vor Empörung in Ohnmacht fallen.) Ja, ich bin so ein böses, unwürdiges Stück Dreck von Mensch, das unzeitgemäße Sachen liest und den Mainstream nicht beachtet.

ZitatAber die andere Ebene ist die sprachliche Realität der Welt. In dieser Realität wird ein Wort benötigt

Halt. Stopp. Nicht so schnell. Das ist nur eine These. Wer sagt denn, dass in der sprachlichen Welt unbedingt sofort ein Wort benötigt wird? Das mag nicht allen gefallen, aber es gibt auch Texte und ganze Schreibschulen, die absichtlich vage bleiben um universal besser verstanden zu werden. Muss einem nicht gefallen klar. Kann man und darf man hassen. Aber ich bin zum Beispiel eher ein Fan von dem östlichen subtilen Umgang zweier Liebender, wo man nie so genau weiß, was eigentlich Sache ist, als diese affige westliche "Ich liebe dich", dass dann für jeden Idioten erklärt wird. Das ist so wie das obligatorische Erklären am Ende eines Krimis, damit man auch ja nicht selber mitdenken muss, während der Fall gelöst wird. Man könnte es die Skala der Bequemlichkeit nennen. Als Beispiel führe Kvothe und Denna aus The Kingkiller Chronicles an. Es ist offensichtlich, dass zwischen beiden Charakteren tiefe Gefühle vorhanden sind, aber es wird einem eben nicht mit voller plakativer Wucht ins Gesicht gedrückt. Oder anderes Beispiel, weil ich neulich Interview mit einem Vampir gelesen hatte. Da gibt es auch erotisch amouröse Untertöne zwischen Louis und Armand am Ende. Hätte da auch nur einer angefangen von wegen: "Oh, mein Liebster, ich liebe dich ja so innig und bemerke, wie sich meine sexuelle Gesinnung zur Bisexualität erweitert, nachdem ich zuvor eine pädophile Neigung zu einer Frau im Mädchenkörper hatte." Hätte ich schallend gelacht. Mir ist es bei Twilight auch irgendwann auf den Keks gegangen, wie oft dieses "schiefe Lächeln" erwähnt wurde. Für manche Menschen muss man Baustellenschilder aufstellen, weil der Anblick einer Grube samt Bagger noch zu undeutlich und nicht nachvollziehbar oder klar erkennbar ist.

ZitatNoch kürzer zusammengefasst sagst du also, mit Bezug auf die konkrete Frage: "Der Eiertanz ist völlig okay."

Das sage ich nicht. Würdest du bitte - und ich bitte freundlich - mit dieser ekelhaften Angewohnheit aufhören, anderen Leuten Sätze zu unterstellen, die so nicht geschrieben wurden?

ZitatKuck mal. Ein Satz.

"Kuck" macht vielleicht der Kuckuck. Ich gucke, oder schaue, auf diesen Bildschirm und dachte bis gerade eben, ich reihe Smarties in Tetrisformation aneinander   :vibes:


PS: Wenn Maja meinen Beitrag nicht liest oder liest und für unwichtig hält, ist das doch mein Problem. Damit habe ich dann Zeit vergeudet. Damit kann ich leben. Wieder was im Beitragschreiben gelernt, sonst wird man doch nie besser, wenn man gar nichts schreibt. Und ich wollte etwas schreiben, weil ich Gedanken hatte, die raus wollten. Wenn dich so ein Text schon wütend macht, dann hast du eine miserable Kontrolle über deine Emotionen. Außerdem spamme ich hier nichts. Du kannst locker easy über meinen Beitrag hinwegsehen, kannst ihn lesen oder nicht lesen. Falls du ihn doch liest, kannst du immer noch entscheiden, nicht auf den aus deiner Sicht wohl Unfug zu antworten. Spart dir doch Zeit und Nerven. Ansonsten kannst du mich immer noch auf die Blockliste setzen, falls du so einen Hass auf mich haben solltest. Ist mir überhaupt nicht verständlich, warum man sich die Mühe macht, mit Wut im Bauch zu schreiben. Wie soll da etwas Positives und Erbauliches bei herauskommen?

Manchmal hochachtungsvoll

kunstmut


PPS: Ich entschuldige mich nicht dafür und verteidige sogar mein Recht darauf, anstelle von Chats und tausend Ein-Satz-Beiträgen einen Beitrag mit tausend Sätzen zu schreiben. Ich bin anders und werde das mit dem Tintenschimmer an meinen Klauen immer wieder aufs Neue erkämpfen.




Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Rewa Kasor am 10. November 2019, 10:16:50
Zitat von: Kunstmut am 10. November 2019, 03:32:53
Es tut mir leid, dass ich den Thread nutze, um auf KaPunkts Beitrag vom 26. Oktober 2019 zu antworten, da er vom Ausgangsthema abdriftet.

Moin moin, lieber Kunstmut!

Das muss dir wirklich nicht leid tun! Es klingt ja fast, als wolltest du dich entschuldigen. Du hast dich über den Post von KaPunkt geärgert, hast diesen Ärger zwei Wochen lang gehegt und gepflegt und jetzt musst du einfach mal Dampf ablassen. Das kann ich voll und ganz verstehen. Ich war früher auch so. Okay, inzwischen bin ich erwachsen geworden und habe begriffen, dass man damit nur Lebenszeit verschwendet und Falten am Po bekommt. Aber es geht hier nicht um mich sondern um dich und deshalb:

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute! Besonders wünsche ich dir, dass du dich in Zukunft nicht so viel ärgerst und das Leben mehr genießen kannst. Das Leben kann nämlich wirklich schön sein und es ist es wert, genossen zu werden. Viel Erfolg dabei!  :winke:

Liebe Grüße
Rewa
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Alana am 10. November 2019, 12:58:10
Anders sein ist in einem Forum voller Autoren nichts besonderes. Hier im Tintenzirkel gibt es sehr viele Menschen, die "anders sind" und ja, ich persönlich verstehe das als etwas Gutes. Aber anders sein ist nur dann positiv, wenn es mit Respekt und Rücksicht für andere einhergeht. Kritikfähigkeit ist eine Tugend, keine Schwäche. Es ist sehr menschlich, dass man im ersten Moment auf die Barrikaden gehen und sich gegen alle Vorwürfe verteidigen möchte, aber besser ist es, zuzuhören und zu versuchen, zu verstehen, warum man jemandem auf den Schlips getreten ist und wie man das vielleicht in Zukunft vermeiden kann. Ein Forum ist für mich nicht dazu da, meine Meinung in die Welt zu stempeln, sondern für die Diskussion und den Austausch mit anderen, was auch dazu führen kann, dass man einsieht, Unrecht gehabt zu haben, oder seine Meinung ändert. Und das kann eine sehr wertvolle Erfahrung sein.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Kunstmut am 13. November 2019, 23:44:35
Hi Rewa,

Danke für die freundlichen Worte! Ich habe mich extra betont diplomatisch ausgedrückt, weil mir bereits vorher klar war, dass Kapunkts unmögliche Formulierungen wie:

"Ich bin angepisst"
"Weiterlesen auf eigene Gefahr."
"Nicht, als wolltest du mir etwas erklären, sondern als möchtest du vor allem in deiner eigenen Bildung baden."
"Zum Abschluss sage ich dir vielleicht noch"
"Lies es nicht, wenn du gerade keine Kraft für Kritik hast, die vielleicht nichtmal neutral oder konstruktiv ist"

als respektvoller Umgang gilt. Ich könnte wetten, dass Kapunkt keine oberlehrerhafte Belehrung per interner PM bekommen hat, die komplett einseitig ist. Ich bin hier das Opfer, drücke mich betont höflich und diplomatisch aus, um vielleicht eine Entschuldigung zu bekommen. Persönliche Angriffe gehen gar nicht. Und jeder Mensch ist für die eigenen Emotionen verantwortlich, da kann ich auch nichts machen bei Sätzen wie

"Und was mich wirklich, wirklich wütend gemacht hat" (Andere sind nicht für die eigenen Emotionen verantwortlich. Das kommt durch Empathie. Geht also immer von einem selber aus. Und mit Ruhe und Contenance kann man gelassen bleiben.)

Das ist nicht meine Wut, ich bin dafür nicht verantwortlich, das ist logisch nicht haltbar. Inhaltlich kann man mir gerne in allen Punkten widersprechen. Mir aber mit Gefühlen zu kommen und mir zu unterstellen, wie ich gewisse Dinge meinen würde, weil andere das so empfinden, anstatt es zu schlussfolgern - ist - nunja - sehr merkwürdig. Ich verwende keine Fäkalsprache und ich attackiere niemanden persönlich. In keinem einzigen Beitrag.

Und wenn ich jetzt schon aufgefordert werde, in einem Literaturforum wenig zu schreiben, Ironie und Sarkasmus wegzulassen, dann muss ich mir ernsthaft überlegen, ob das hier das richtige Forum für mich ist, wenn es Andersdenkende ausschließt, wenn zuviel Phantasie vorhanden ist. Wir sind hier ein bisschen überempfindlich, kann das sein?

Außerdem musste ich mich entschuldigen. Wenn ich das nicht getan hätte, hätte man versucht mir die komplette Schuld für Nichtigkeiten in die Schuhe zu schieben. Was jetzt sowieso passiert ist. Ich kann nur betonen, dass ich so höflich schreibe, wie ich kann. Palastetikette von weiblichen "Obermotzen" (die dürfen "motzen" und müssen sich nicht höflich verhalten, oder was? :D) beherrsche ich leider nicht.

"hast diesen Ärger zwei Wochen lang gehegt und gepflegt und jetzt musst du einfach mal Dampf ablassen."

Nein, das stimmt nicht. Ich war die ganze Zeit nicht online, sonst hätte ich früher darauf geantwortet. Nächstes Mal antworte ich bei sowas nicht mehr, wenn ich trotz maximaler Höflichkeit eine interne Rüffelmail bekomme, die meine Seite der Medaille nicht einmal ansieht und mich deshalb über Dinge belehrt, über die man mich nicht belehren muss, weil ich es bereits weiß. (Wer das jetzt als Arroganz ansieht, sollte mal bitte darüber nachdenken, warum ich, ein schüchterner, introvertierter Mensch all die Ratgeber gelesen habe, nur um dann "pissig" von der Seite angemeckert zu werden. Ich werde Kapunkt auf meine Blockliste setzen und gut ist es von meiner Seite aus).

Da hier Gefühle mehr zählen als Logik, möchte ich anmerken, dass ich das "Gefühl" habe, dass man mich nicht ernstnimmt. Oder wo bleibt die Kritik an Kapunkts "pissiger Wut"  - einer Umgangsform, die ich nicht als höflich einstufe. Und meine Verteidigung mit Humor gegen diesen Rant - Stichwort Kuckuck - jetzt so auszulegen, dass ich mich über Rechtschreibfehler lustig mache, ist unverschämt und dreist. Kapunkt darf also emotional aufgeladen draufhauen und ich werde gezielt mit Mobbingtaktik angegriffen, wenn ich mein Menschenrecht auf verbale Selbstverteidigung ausübe? Also bitte, das ist Satire und kann ich nicht ernstnehmen.

Auf die interne Mail werde ich nicht antworten, da sie einseitig ist. Ihr könnt ja gerne eine Umfrage mit mindestens 100 Leuten machen, indem es über die Verständlichkeit meines Stils geht. (Nicht den Geschmack oder die ästhetische Wirkung). Ich wette, dass ich verständliches Deutsch schreibe. Und wie mehrfach wiederholt: Beim Inhalt kann man mir gerne widersprechen, anstatt mir mit der Brunnenvergiftung zu kommen, ich wolle irgendjemanden belehren. Was Blödsinn ist. Widersprecht mir auf der Sachebene, aber lasst meine Person aus dem Spiel.

"Ich wünsche dir alles erdenklich Gute!"

Danke!  :)

"dass du dich in Zukunft nicht so viel ärgerst und das Leben mehr genießen kannst"

Ich ärger mich überhaupt nicht. Da sind wir bei den kruden Interpretationen, die dabei herauskommen, wenn Leute Gefühle und Empfindungen anstelle von Logik verwenden. Ich bin völlig entspannt. Nur, wenn Formulierungen kommen wie oben aufgelistet, widerspreche ich sofort und versuche mich mit Humor über diesen Quatsch lustig zu machen. Speziell, wenn mein Schreibstil angegriffen wird, der mir wichtiger ist als meine Hautfarbe, mein Geschlecht oder meine Lebenszeit. Nur, weil andere intolerant sind und mich umformen wollen, muss ich mich dem nicht beugen. Wenn Kapunkt mich deshalb nicht mehr lesen mag, ist das übrigens ihr gutes Recht. Ich schreibe für alle, aber nicht für jeden  ;D

PS: Das Wort "sollte" eher als Vorschrift, denn als Vorschlag zu sehen, ist erneut eine These, die gar nicht bewiesen ist. Für mich ist "sollte" ein Vorschlag. Ich verwende absichtlich nicht Worte und Phrasen wie "man muss" oder "man macht das so und so". Über diesen Punkt könnt ihr gerne auch einen extra Thread aufmachen. Finde es nämlich spannend, wie verschieden wir die Welt sehen. Offensichtlich ist mein Himmel bei euch die Erde  ;D

"Das Leben kann nämlich wirklich schön sein und es ist es wert, genossen zu werden."

Weiß ich doch. Und mach ich auch. Mit lecker Plätzchen und Hagebuttentee  :flausch:
Liebe Grüße an alle diplomatisch gesinnten Menschen!

PPS: Toleranz ist nicht, dass nur andere mich kritisieren dürfen, ich einknicken und umfallen muss und mich dann der Sichtweise der anderen beugen muss. Das ist dann keine Diskussion mehr, sondern autoritärer Gestus, etwas, das ich überhaupt nicht leiden kann. Und mit Unterstellungen, die auf Gefühltem basieren und mit Vorschriften, wie ich zu antworten habe, erreicht ihr keine höfliche Konversation, liebe Kapunkt, liebe Rosentinte, sondern fordert Gehorsam ein, den ich nicht geben kann. Ich bin ein freier Mensch!  :)

Ich antworte übrigens öffentlich, weil ich so hintenrum Geschichten nicht mag. Und ich mag auch keine einseitigen Darstellungen.

Ich bin vorerst raus. Schöne Adventszeit an alle! Vielleicht lässt die Klimakatastrophe ja noch ein wenig Schnee da.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Grey am 14. November 2019, 00:02:27
Hallo Kunstmut,

es ist spät und es gibt keine Möglichkeit, diese Antwort heute noch mit dem Team abzustimmen, daher heute nur dies: Du magst kein "hintenrum", wir mögen keine öffentlichen Schlammschlachten. Die Nachricht, die du von uns bekommen hast, bezog sich nicht nur auf diesen Thread und hat in ihrem Inhalt nichts mit dem Geschlecht der Moderatoren zu tun, sondern damit, was uns inhaltlich und formal an deiner Art zu kommunizieren aufgefallen ist, und das nicht nur einmal, aber in diesem Forum ist es üblich, solche grundlegenden Moderationen nicht am öffentlichen Pranger kundzutun. Wir hätten das gern intern mit dir geklärt und das Ergebnis dann ggf. offen mit dem Forum kommuniziert.
Darüber hinaus und dementsprechend: Bitte keine wilden Vermutungen darüber, wie und ob wir mit KaPunkt über *ihre* Art der Kommunikation in diesem Fall gesprochen haben.

Vielen Dank und gute Nacht
Grey
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Rewa Kasor am 14. November 2019, 00:17:37
Was hat mich nur geritten, überhaupt etwas dazu zu schreiben?  :wums: 
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Graukranz am 25. September 2021, 15:49:59
Ich verwende «schwul» und «lesbisch» auch nicht (weil ich die Wörter aus verschiedenen Gründen nicht besonders mag), und verwende Umschreibungen.
Die Frage, die ich mir stelle: wenn es in einer Welt, in der Homosexualität normal ist, einen Begriff dafür gibt, müsste es dann nicht auch einen Begriff für Heterosexualität geben (also nicht nur einen Begriff für einen Mann, der Männer mag, sondern auch einen für einen Mann, der Frauen mag)?
Wenn zwei Eigenschaften völlig gleichgestellt sind, gäbe es (in meiner Vorstellung) auch zwei Begriffe dafür. Oder sehe ich das falsch?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Zit am 25. September 2021, 19:21:19
Gute Frage. :hmmm: Wenn alle Beziehungen gleichwertig sind, unabhängig des Genders der Personen, ist dann eine sprachliche Trennung notwendig? Ich meine, wir leben in einer Welt, die sehr binär und hetero denkt. Dinge dann anders zu bezeichnen, die dieser Norm nicht entsprechen, ist notwendig, um halt Norm von Nicht-Norm abzugrenzen. Nur was ist, wenn die Norm eben nicht hetero und binär ist? Ist es da wirklich notwendig, das sprachlich abzugrenzen, wenn es in den Köpfen keine/ andere Grenzen gibt?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Graukranz am 25. September 2021, 20:57:21
Darüber habe ich auch lange nachgedacht, und am Anfang war ich deiner Meinung, Zit. Ich glaube mittlerweile aber, es würde nicht ausschliessen, dass es in so einer Welt Begriffe dafür gibt, es müsste dann aber wie gesagt Begriffe für alle Fälle geben (so wie für andere Eigenschaften, die Personen beschreiben, auch).

Wenn sich in einer Szene Personen A und B über Person C unterhalten, können sie einige Wörter benutzen, die C beschreiben, ohne eine Wertung abzugeben: «Sie/Er ist sehr neugierig/selbstsicher/zurückhaltend/vielseitig/spontan etc.»
Und jetzt sagen wir, Person B hat ein Interesse an Person C. Dann könnte Person A so etwas sagen wie: «Vergiss es. Sie/Er steht auf Frauen/Männer.»
Anstatt der Umschreibung gäbe es dann einen wertfreien Begriff.

Das wäre zumindest meine Vorstellung davon. Weitere Meinungen würden mich aber sehr interessieren. Wie sich Sprache entwickelt, ist ein spannendes Thema.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 25. September 2021, 21:25:15
Ich glaube, dass man irgendwie darüber sprechen würde, denn die Unterscheidung wird ja trotzdem wichtig, selbst wenn alle Sexualitäten gleichwertig sind. Für die Partnerwahl und allem, was dazu gehört (Dating-Apps, Vorlieben, über den eigenen Typ reden, Freund*in will einen verkuppeln, ich stehe auf jemanden, aber steht die Person auch auf mich?), wird das immer relevant bleiben, auch ohne Wertung. Ich kann mir vorstellen, dass es keine richtigen Begriffe dafür gibt und es umschrieben wird, aber Begriffe machen die Welt manchmal einfacher, also gibt es vielleicht doch welche. Aber letztendlich wird diese Unterscheidung immer bestehen bleiben, einfach weil manche Menschen nur auf Frauen stehen, manche nur auf Männer und manche auf alle Geschlechter. Das ändert sich ja nicht.

Worüber ich aber nachdenken würde, ist wie dann zwischen Sexualitäten unterschieden wird. Zwischen Homo- und Bisexualität wurde lange nicht so streng unterschieden wie jetzt. Lesbische und bisexuelle Frauen waren alle Frauen, die Frauen lieben, das hat sie miteinander verbunden. Was würde in so einer Gesellschaft also die Leute miteinander verbinden? Wann würden sie welche Unterscheidungen treffen? In welchen Räumen bewegen sich Menschen? Unterscheiden die sich je nach Sexualität?  Welche Unterscheidungen machen dann überhaupt noch Sinn? Das sind dann wahrscheinlich auch die, die sprachlich von Bedeutung sind.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blaustein am 16. Januar 2022, 22:58:02
Wahnsinnig spannendes Thema!
Hat mich zum Nachdenken gebracht: Was ja schon Maja im OP festgestellt hat, war, dass Wörter wie "schwul" oder "queer" ursprünglich negativ konnotiert waren und dann von der Community "zurückerobert" wurden. Ich habe das sprachgeschichtlich jetzt nicht weiter überprüft, möchte aber auch mal das Gegenbeispiel von "gay" bringen. Dieses hieß ja ursprünglich einfach "fröhlich". Ich finde, das lädt schon ein zu einem recht simplen Lösungsvorschlag: Einen Euphemismus benutzen (heiter, kuschlig, lustig, zärtlich, etc.)! Das ist natürlich nicht wertneutral, aber man muss sich eh überlegen, unter welchen Umständen ein wertneutraler Begriff für Homosexualität und andere Orientierungen überhaupt in die eigene Welt passt.

Aber etwas anderes war mir eigentlich wichtiger: Sprache durchläuft ja verschiedene Entwicklungsphasen. Paladin, Pfalz, Palast - alle drei Wörter stammen vom lateinischen "palatium" ab, haben nur zu unterschiedlichen Entwicklungsphasen der heutigen deutschen Sprache und ihrer Vorläufer Eingang in diese gefunden.

Damit kann man spielen! Wenn die Fantasy-Kultur heute Schwule und Lesben akzeptiert - war das schon immer so? Hat man sie früher geteert und gefedert und sie mussten sich ihre Gleichstellung bitter erstreiten? Haben sie so einen Triumph dann damit gefeiert, dass sie sich frühere Beschimpfungen zueigen gemacht haben?

Ich folge hier auch der Grundvorstellung, dass selbst in einer Gesellschaft, die schon immer alle erdenklichen Orientierungen gekannt hat, Kategorien erfunden werden müssen bzw. ein Bewusstsein für gewisse Unterschiede entwickelt werden muss: Sicher, man begrüßt jemanden nicht mit "Hi, bist du hetero?" genauso wenig wie man ein Gespräch startet mit "Hi, bist du vergeben?" Aber an irgendeinem Punkt, wenn es darum geht, passiert zwischen uns jetzt etwas oder nicht, muss das kommuniziert werden: "Tut mir leid, ich bin vergeben", "Sorry, ich bin schwul"... So. Das sind jetzt die Begriffe, die uns historisch gewachsen sind. In einer Gesellschaft, in der die Liebe zwischen Männern nie ein Tabu war, könnte die Antwort in dieser Dating-Situation wirklich einfach heißen: "Sorry, ich liebe nur Männer."

Nur um der Abwechslung willen vielleicht noch eine kleine Unterscheidung: Man führt die Griechen gerne als Beispiel für gleichgeschlechtliche Beziehungen an - es war aber eine ganz andere Geschichte, ob ein Mann hin und wieder einen anderen Mann vernascht hat, oder ob er als Konsequenz daraus nie eine Frau geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt hat oder sogar auf die Idee gekommen ist, einen Mann zu ehelichen. Denn ein Mann muss Oberhaupt eines oikos werden - und in dieses Haus gehört eine Frau (nicht meine Meinung, altgriechische Gesellschaft in a nutshell). Es beschädigt deine Männlichkeit nicht, Sex mit einem Mann zu haben, aber einen heiraten zu wollen, ist Unrecht.
Man könnte sich also auch eine Gesellschaft vorstellen, in der intime Beziehungen aller Art zwar bekannt sind (nicht unbedingt nur solche, die von Männern ausgehen), aber sehr strikte Vorstellungen und Regeln für monogame Beziehungen bestehen.

Ich habe tatsächlich schon einmal zwei Nebenfiguren kreiert, die für einen kurzen Zeitraum ein schwules Pärchen gewesen sind - aber in einem Dorf, am Rande der Zivilisation, wo man a) kein Wort und b) keinen Platz für sie hatte.

Die grundlegende Frage, ob nicht aus der frühen Entwicklung menschlicher Gesellschaften fast notwendig strikte Geschlechterrollen und damit einhergehend Formen der Queerphobie (benutze ich das richtig?) entstehen müssen - zumindest zwischenzeitlich - führt in diesem Thread vielleicht vom Thema weg, ist aber von einem Worldbuilding-Standpunkt sehr interessant, finde ich.

Insgesamt finde ich aber, dass das eine tolle Leitfrage ist, um seine Worldbuilding noch weiter zu verfeinern und noch spannendere Charaktere und Konflikte zu schreiben.

PS: Kleiner Disclaimer. Natürlich betreffen solche Überlegungen reale Menschen da draußen im Jahre 2022 und wann immer das hier gelesen wird. Wenn ich sage "spannend", "toll", "interessant", dann sage ich das nicht aus Verspieltheit, sondern aus dem Motiv heraus, ernsthaft durchdachte Figuren und Welten zu erschaffen. Ich habe nur beim Thema "Sklaverei in Fantasy" gesehen, dass so etwas auch schonmal missverstanden wurde und möchte hier nicht gleich am ersten Tag einen Bauchklatscher in den leeren Swimming-Pool performen ;D
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Alana am 18. Januar 2022, 00:15:09
@Blaustein Wir begrüßen es im Prinzip, dass alte Threads wieder belebt werden und besonders, wenn neue Mitglieder sich gleich rege am Forum beteiligen.

Ich möchte aber, da dies ein sensibles Thema ist, und wir wollen, dass sich alle Mitglieder hier wohlfühlen können, eine Anmerkung dazu machen, wie in so einem hochsensiblen Thread diskutiert werden kann, damit niemand verletzt wird.

:wache!: AN ALLE: BITTE GENAU LESEN (CN: Rassismus, Diskriminierung)

Die Existenz von Rassismus und Diskriminierung wird in diesem Forum nicht infrage gestellt oder verharmlost, es werden keine Grundsatzdiskussionen darüber geführt, was Rassismus ist. Diskussionen, die in diese Richtung gehen, Menschen ihre Rassismuserfahrungen vielleicht sogar absprechen, sowie Whataboutism, Tone Policing etc. werden hier im Forum nicht geduldet. (Wir arbeiten bereits an neuen Diskussionsregeln und einem Glossar, bis dahin hilft Google euch, falls ihr diese Begriffe nicht kennt.) Alle Mitglieder bemühen sich, sich so auszudrücken, dass niemand verletzt wird und entsprechen den Wünschen anderer, wie diese angesprochen und behandelt werden möchten (z.B. Neo-Pronomen).

Dabei gilt: Fehler machen wir alle, das ist unvermeidlich, aber auf den guten Willen kommt es an, und man kann aus den Posts sehr gut herauslesen, ob jemand sich wirklich Mühe gibt oder gedankenlos oder sogar provozierend schreibt. (Letzteres führt unter Umständen zum sofortigen Ausschluss aus dem Forum.)

Speziell für Threads wie diesen bedeutet das:

Bitte verzichtet im Bezug auf Rassismus und Diskriminierung auf bildhafte Beispiele, die andere triggern und verletzen könnten. Warnungen im Sinne von Content Notes sind zusätzlich erwünscht, befreien euch aber nicht von der Verantwortung, euch sensibel auszudrücken.

Bitte seid euch bewusst, dass Rassismus, Homophobie und Diskriminierung keine abstrakten Plotwerkzeuge sind, die man aus Spaß einsetzen sollte, oder weil sie das Worldbuilding vertiefen, sondern etwas, das auch Menschen in diesem Forum und andere Mitlesende tagtäglich betrifft, und das man daher mit sehr viel Vorsicht und Feingefühl handhaben muss. Wenn ihr darüber nachdenkt, sie in eure Romane einzubauen, dann informiert euch am besten vorab sehr genau darüber, überlegt auch mehrmals, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, eure Welt darzustellen, und diskutiert das hier im Thread mit dem nötigen Fingerspitzengefühl, denn genau dafür ist er da. Um die Anfangsfrage zu diskutieren und wie man diese so feinfühlig wie möglich umsetzen kann.

Maxime, die ihr im Hinterkopf haben solltet: Jede*r soll alle Threads lesen können, ohne verletzt oder getriggert zu werden.

Und zum Schluss auch an dich @Blaustein: Ein Disclaimer unter einem Post, der sagt, dass man mit dem Post niemanden verletzen will, verhindert nicht, dass das passiert. Im schlimmsten Fall wirkt er sogar abwiegelnd oder provozierend. Bitte gebt euch lieber Mühe bei der Recherche vor dem Posten und achtet schon beim Verfassen der Posts darauf, dass ihr niemanden mit euren Worten verletzt.

Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob ein Post oder eine Antwort verletzend sein könnte, schreibt uns vor dem Posten gerne an, wir versuchen, euch eine Einschätzung zu geben und zu helfen.

Wir behalten das Thema im Auge, wir überlegen auch noch, ob dieser Thread lieber ins Archiv sollte, und sind dankbar für Hinweise, sollte es in eine ungute Richtung abdriften. Bitte zögert auch nicht, euch jederzeit an uns zu wenden, wenn ihr euch angegangen oder verletzt fühlt. Wir helfen, vermitteln, hören zu.  :knuddel:


ACHTUNG:

Bitte diskutiert diese Moderation von mir nicht in diesem Thread, sondern schreibt mir gern eine PM, wenn ihr Fragen und / oder Anmerkungen habt. Gebt mir auch gerne Rückmeldung, damit wir unsere Moderation weiter verbessern können. Danke!

Hier soll nun wieder zum Thema diskutiert werden.

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Ananke am 24. Juni 2022, 14:16:13
Wurde hier schon das Wort 'Schwurbruder' erwähnt? Das ist ein mittelalterliches Konzept, das in der Praxis so ziemlich das Gleiche umschreiben dürfte. :)
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwurbruderschaft
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 23. August 2022, 19:02:35
Hallo Maja.

Zitat von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48Gleichzeitig widerstrebt es mir, mir Fantasiebegriffe für etwas auszudenken, für die es in der deutschen Sprache geläufige und funktionierende Wörter gibt. Ergebnis: Ich verwende überhaupt keine Begriffe für Homosexualität, weder Adjektive noch Nomen. Ich beschreibe vielleicht, dass jemand sich mehr für Männer als für Frauen interessiert, aber ich verzichte darauf, dem Kind einen Namen zu geben. Und auch das kommt mir seltsam vor. Ich meine, die Leser werden mich doch für völlig verdruckst halten, wenn ich nicht einfach schreibe, dass Lorcan schwul ist. Trotzdem, ich bringe es nicht über mich, diese modernen Wörter zu verwenden.

Ein antiquierter Begriff für "homosexuelle Person" ist "Urning". Hört sich besser an, aber ob das überhaupt jemand kennt?



Zitat von: Maja am 30. Mai 2018, 00:59:48Hat jemand einen Tipp für mich? Mein schwuler Krieger geht gerade ins Lektorat, und ich möchte vorbereitet sein, wenn mein Lektor diesen Eiertanz anspricht.

Vermutlich zu spät für Deinen Roman, aber möglicherweise stellt sich auch Anderen das Problem.

Zu "Urning" sagt auch die Wikipedia etwas: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Heinrich_Ulrichs#Urninge_und_Dioninge

Der Duden kennt den Begriff auch, und dazu auch noch "Uranist".

Begegnet ist mir der Begriff "Urning" ein einziges mal, und zwar in einer Geschichte von Wolfgang Borchert. Ich musste extra nachschlagen, weil ich den Begriff auch nicht kannte. Von daher hört sich das zwar besser an, aber ob es verstanden wird?

Bei "Uranist" hätte ich spontan an einen Astronom mit Spezialgebiet "Uranus" gedacht, und unter Betrachtung des Kontextes ein "ich bin im falschen Film-Feeling" bekommen. Wo bei ich ein "Ich bin im falschen Film-Feeling" nicht schlimm und gelegentlich sogar reizvoll finde.

Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 14. September 2022, 11:59:02
Hallo zusammen,

Ich greif' das Thema wieder auf, weil ich (natürlich) vor derselben Problematik stehe.
Obwohl ich die Beiträge alle durchgelesen (die extrem langen teilweise überflogen) habe,
bin ich dennoch nicht fündig geworden.

Nach mehrmaligen erfolglosen Google-Recherchen habe ich kein Wort gefunden, dass "gutdeutsch",
"alt" und "neutral" klingt, um Homosexualität mit einem Adjektiv zu beschreiben. Für meinen Roman bin ich nach wie vor auf der Suche nach einem passenden Wort oder einer passenden Wortkreation. Allerdings wäre mir für die mittelalterliche Epoche etwas eingefallen.

Der erste Begriff wäre "knabig" (Definition: Ein Mann, der lediglich für andere Männer romantisches/sexuelles Interesse hegt - ungeachtet der Beziehung zueinander; ODER der "Dom"/"Top" (aus dem BDSM) bzw. in japanischen Boy-Love-Mangas/Animes der "Seme" ist.)



der zweite Begriff ist "knechtig" (Definition: Mit diesem Adjektiv würde ich einen Mann bezeichnet sehen, der sich in der Position des "Pub" (BDSM) oder "Uke*", " wiederfindet und/oder als solcher beschrieben werden soll.)

*Uke: (Im Kampfsport) passiver, empfangender oder (wenn man das Manga-Anime-Genre aufgreift) der "devote" Part einer homosexuellen (Männer)beziehung.

_____________________________

an dem weiblichen Pendant arbeite ich noch..
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Skalde am 14. September 2022, 13:35:10
Ich habe wirklich so gut wie gar keine Ahnung von dem Thema, aber eins fiel mir beim Lesen Deiner Vorschläge auf.

"Knabig" ist ja wahrscheinlich von Knabe abgeleitet. Knabe bezeichnet aber in erster Linie einen Jungen, also ein Kind. Was wohl keine besonders glückliche Assoziation und wahrscheinlich alles andere als gewollt ist.

Hast Du es mal mit einem zusammengesetzten Phantasiewort probiert, z.B. aus dem Lateinischen (oder welche Sprache auch immer für Dein Projekt passt)? Also beispielsweise "amare" für "Liebe" und "vir" für "mann" = Viramare.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Paka am 14. September 2022, 13:57:24
Ich habe jetzt auch nur überflogen, was hier so steht, aber habt ihr mal die Darkover-Reihe von Marion Zimmer-Bradley gelesen? Da ist das Konzept ,,schwul" auf jeden Fall bekannt (wenn auch von der Mehrheit der Bevölkerung eher geduldet oder belächelt). MZB hat dafür einen eigenen Begriff (Ombredin) eingeführt (wobei Bredin geschworene Brüder/Busenfreunde sind). Das fällt natürlich leicht, weil häufig Wörter aus den Sprachen Darkovers erwähnt werden.
Interessanterweise kommen Lesben, wenn ich mich recht erinnere, überhaupt nicht vor.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Fianna am 14. September 2022, 14:20:43
Das ist nicht richtig; bei den Freien Amazonen von Darkover gab es ziemlich viele Figuren, die mit Frauen oder auch mit Frauen Bindungen eingegangen sind.
(Ich hatte mal einige Kurzgeschichtenbände; zumindest dort war nicht immer klar, ob die Bindung an eine andere Frau eine generelle Präferenz ist oder ob sie bi oder pan sind.)
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 14. September 2022, 15:06:20
Zitat von: Blutfeder am 14. September 2022, 11:59:02Der erste Begriff wäre "knabig" (Definition: Ein Mann, der lediglich für andere Männer romantisches/sexuelles Interesse hegt - ungeachtet der Beziehung zueinander; ODER der "Dom"/"Top" (aus dem BDSM) bzw. in japanischen Boy-Love-Mangas/Animes der "Seme" ist.)

Ich habe da genau wie Skalde die Assoziation mit einem Knaben, also einem männlichen Kind. Schwule Männer werden oft beschuldigt, eine Gefahr für Kinder darzustellen. Der queeren Bewegung wird generell oft vorgeworfen, sich auch für Pädophile einzusetzen. Deshalb finde ich den Begriff unglücklich.

Zitat von: Blutfeder am 14. September 2022, 11:59:02der zweite Begriff ist "knechtig" (Definition: Mit diesem Adjektiv würde ich einen Mann bezeichnet sehen, der sich in der Position des "Pub" (BDSM) oder "Uke*", " wiederfindet und/oder als solcher beschrieben werden soll.)

*Uke: (Im Kampfsport) passiver, empfangender oder (wenn man das Manga-Anime-Genre aufgreift) der "devote" Part einer homosexuellen (Männer)beziehung.

Der Begriff geht mit vielen heteronormativen Vorstellungen von Beziehungen einher. Heteronormative Rollenbilder werden oft auf schwule Beziehungen übertragen. Es gibt die Vorstellung, dass es immer einen forschen, aktiven, männlichen Teil und einen devoten, passiven, weiblichen Teil gibt.

Ich glaube, man könnte den zweiten Begriff benutzen, wenn das die Vorstellung ist, die man in dieser Gesellschaft von Beziehungen zwischen Männern hat, aber dann sollte man das auch entsprechend reflektieren.

Generell steht hinter den Begriffen auch immer die Frage, wie Sexualität und Queerness in dieser Gesellschaft gesehen wird. Unsere Vorstellungen von Sexualität und Queerness sind noch ziemlich jung. Die strenge Trennung von ,,schwul" und ,,bi" ist jünger als meine Eltern. Welche Begriffe benutzt werden drückt auch viel darüber aus, wie Queerness in dieser Gesellschaft gesehen wird.

Den Begriff ,,Viramare" von Skalde finde ich sehr schön, deshalb will ich ihn mal als Beispiel aufgreifen, um zu erklären, was ich aus diesem Begriff über Queerness in dieser Gesellschaft herauslesen würde: ,,Amare" für Liebe als Bestandteil des Begriffs gefällt mir deshalb so gut, weil der Fokus hier nicht auf Sex und Sexualität liegt, sondern auf der Liebe. Schwulsein wird oft auf die sexuelle Komponente reduziert, aber Viramare als Begriff lenkt den Fokus mehr auf die Gefühle, die zwei Männer füreinander haben können. Liebe assoziiere ich viel mehr mit Partnerschaft, Zuneigung und Zärtlichkeit. Das sind Assoziationen, die schwulen Männern oft verwehrt werden. Das lässt mich annehmen, dass die Gesellschaft eine eher positive Haltung gegenüber schwulen Männern hat.

Viramare klingt wie ein Äquivalent zu ,,men loving men", das oft verwendet wird, um alle Männer zu meinen, die sich von Männern angezogen fühlen, also zum Beispiel auch bisexuelle und pansexuelle Männer. Deshalb würde ich mich fragen, ob es da überhaupt eine Trennung gibt. Vielleicht wird der Begriff für alle Personen verwendet, die Männer lieben? Auch Frauen? Das klingt noch viel mehr danach, als wäre Homosexualität eine völlige Selbstverständlichkeit in dieser Welt. Man kann völlig gleichwertige Begriffe konstruieren, die ,,Frauen lieben" oder ,,alle lieben" meinen.

Ich hoffe, es wird klar, was ich meine: Was genau ich benenne und wie ich es benenne zeigt wie darüber, welche Vorstellungen die Gesellschaft über diese Dinge hat.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 14. September 2022, 16:56:45
@Skalde: Da wo ich herkomme (Österreich), versteht sich unter ,,Knabe" dasselbe, wie unter ,,Jungs". Oftmals verwendet man es für jüngere Personen, muss aber nicht. Im Dialekt gibts auch das ,,Bua" (Bub), was grundsätzlich auf ein Kind hinweist, aber genauso häufig unter Männern verwendet wird. Den Ausdruck ,,alter Knabe" oder ,,alter Junge" kennt vielleicht der eine oder andere?

,,Viramare" klingt an sich natürlich sehr schön, hat aber für mich keinen deutschen klang. Des weiteren gibts zB. die bekannte Pferderasse ,,Knabstrupper". Im Grunde hatte ich tatsächlich den Begriff ,,Knabe" mit dem (klischeehaften) Bild eines Hengstes im Kopf. XD Eine Alternative wäre ,,burschig", aber da find ich persönlich die Assoziation mit dem Knabi-Hengst besser.



@Mondfräulein
Mh. Naja.. also eine Unterstellung beinhaltet mein Begriff bestimmt nicht. Es gibt nunmal gewisse Begriffe, die sich etabliert haben. Die genannten Beispiele wie ,,Dom" und ,,Sub" bezeichnen zB. keine Geschlechter. Man kann nicht darauf schließen, wer welche ,,Rolle" hat.

Und, wie du schon sagst, die Gesellschaft drückt aus, was sie davon hält. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man im Mittelalter ,,Viramare" verwendet hätte.. so edel es auch klingt.

,,Knabig" ist man, ,,knechtig" wird einem unterstellt. Oder man begibt sich selbst in die Rolle  :hmmm:

Das sind halt Begriffe, von denen ich mir vorstellen könnte, dass man sie im Mittelalter verwendet hat.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: pyon am 14. September 2022, 17:20:46
@Blutfeder
ich glaube, das große Problem mit dem Mittelalter wird sein, dass Homosexualität zu dieser Zeit eben vorwiegend negativ behaftete war. Das müsste damals unter "Sodomie" gelaufen sein, bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege und wurde auch damals schon verfolgt - bei der Präsenz, die die Kirche zu dieser Zeit hatte, kann ich mir nicht vorstellen, dass da nichts passiert ist. Außerdem wird man sicherlich auch die ein oder anderen lateinischen Begriffe dafür gehabt haben (weshalb Viramare oder Ähnliches sicherlich auch möglich wäre) und im Volksmund wurde das wahrscheinlich eher umschrieben. So wie das auch heute noch vorkommt. Einer Bekannten kann ich nicht abgewöhnen von "der anderen Seite" zu sprechen. Vielleicht findest du so etwas für einen Roman, also eine nette Umschreibung? Das "knabig" hat bei mir nämlich auch irgendwie diesen komischen Beigeschmack, der das ganze in eine Richtung drängt, in die ich dir echt nicht empfehlen würde zu gehen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Barra am 14. September 2022, 17:29:29
Ich schließe mich an: Ich würde "Knabenliebe" heutzutage nicht benutzen und auch nicht lesen wollen, auch nicht mit dem Verweis: Alter Knabe.
Die Frage ist: Ist dein Projekt Historie-Mittelalter oder Fantasy-Mittelalter. (Beim Ersteren siehe Pyons Beitrag.) Im Zweiterem hast du viel mehr Möglichkeiten und kannst auch ruhig nicht "alt gut deutsch" klingende Wörter nehmen. (Wortwanderungen gibt es ja nicht erst seit dem Denglisch.)

Aber wenn du "alt Deutsch" anfangen möchtest: DWDS (https://www.dwds.de/wb/schwul) kann ich da empfehlen. Da wird das Wort schwul etymologisch vom Wortstamm: schwül hergeleitet und hat seine heutige Bedeutung erst sehr viel später erhalten. Also wäre eine Möglichkeit statt einem "alten Knaben" einen "warmen Bruder" zu nennen.
Hinweis: Warmer Bruder ist aber auch schon mit einer entsprechenden Wertung belegt!
Lesben hingegen lehnen sich an das Griechische: Lésbos an - hier eine andere Wahl: Sappho/ sapphisch.
(siehe Startpost)

Zu erkennen hier: ein "Adjektivwort" mit germanischer Wurzel vs ein Eigenname (Insel/ Dichterin).

Vielleicht könnten die Figuren in deiner Welt sich etwas ähnliches selbst ausgedacht haben: zwei  (in deiner Welt) berühmte Leute, die dafür einstanden. (Ich weiß ja nicht, ob das in deiner Welt geduldet ist, normal ist, verpönt ist.) Oder eben so was wie: schwül ableiten und für beide etwas Neues erfinden. So etwas wie "zwei Blätter eines Zweigs" "XY ist von einem Zweig mit AB" "AB ist zweigig." (das wäre für beide Geschlechter anwendbar). Nur so als Vorschlag, sich etwas "aus der Natur" zu suchen, was das ausdrückt, was du möchtest. Und wie du es möchtest: vornehm (Normal), bedeckt, spotthaft, herablassend (Sünde?)?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 14. September 2022, 18:04:51
@Mondfräulein hat mich auf eine (aus meiner Sicht) tatsächlich geniale Idee gebracht. Zwar löst sie nicht mein Begriffsproblem, aber der Lösungsansatz gefällt mir tatsächlich sehr sehr gut. Vielen Dank dafür an dieser Stelle. "Männer liebend" oder "Frauen liebend" ist ein echt klasse Ansatz. In etwa zwei Jahren habe ich vielleicht ein zufriedenstellendes Wort kreiert.  ???  ;D


@Barra
Ich schreibe nicht im Mittelalter, sondern in der Gegenwart bzw. in der (nahen) Zukunft. Das Ganze spielt sogar auf unserem schönen Kontinent. Die Begriffe, die ich suche, sollen "animalisch" und "naturnah" klingen. Bei mir gibt es Shape Shifter, die sich in Tiere verwandeln können. Die beiden vorgeschlagenen Begriffe sind mir heute Morgen in den Sinn gekommen. Vermutlich doch eine schlechte Idee.

Zusammenfassend gesagt suche ich nach Begriffen, die keiner Wertung unterliegen, weil die Moral meiner Roman-Reihe sein soll, dass alles ,,vom (modernen) Menschen beeinflusste" ohnehin ,,schlecht" ist. Sozusagen wird die von mir geschaffene Spezies mit jeder Art von ,,humanoider Gesellschaft" kurzen Prozess machen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 15. September 2022, 21:06:49
@pyon
Vielen Dank für deinen Gedankenanstoß, ich nehme ihn mir auf jeden Fall zu Herzen. Was meinst du mit
Zitat von: pyon am 14. September 2022, 17:20:46@Blutfeder
Das müsste damals unter "Sodomie" gelaufen sein, bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege und wurde auch damals schon verfolgt - bei der Präsenz, die die Kirche zu dieser Zeit hatte, kann ich mir nicht vorstellen, dass da nichts passiert ist.
?

Auf die (röm.-kath.) Kirche bezogen, würde die anklagende Definition von ,,knabig" passen, wie die Faust aufs Auge.. XD
Und das ist kein Vorwurf, den ich mir aus den Fingern sauge..  das Thema wird tatsächlich von Leuten so geschildert/behandelt, die Theologie studieren.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: pyon am 16. September 2022, 14:27:42
@Blutfeder
Achso, vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Danke fürs Nachfragen.

Du hast immer vom Mittelalter gesprochen, also ging ich irgendwie davon aus, dass deine Geschichte auch Tendenzen zum Mittelalter hat. Homosexualität lief im Mittelalter unter "Sodomie". Aber das hat schon diesen negativen Kontext im Wort - wie auch dieses "knabig" - ich meine, sollte damals ja bewusst so sein, weil man verbreiten wollte, dass es etwas "Schändliches" war.
Aber das ist auch das große Problem dabei. Jene Wörter, die Homosexualität umschreiben, haben oft diesen negativen Unterton. Ich bin der Meinung, dass man gerade im Fantasy Bereich und vor allem als Autor*innen die Möglichkeit hat und nutzen sollte, dem ganzen einen schönen und positiven Unterton zu geben und es damit auch einfach zu dem zu machen, was es ist: Liebe - und das ist doch etwas Positives.  ;D
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 16. September 2022, 14:40:53
Zitat von: Blutfeder am 14. September 2022, 16:56:45@Mondfräulein
Mh. Naja.. also eine Unterstellung beinhaltet mein Begriff bestimmt nicht. Es gibt nunmal gewisse Begriffe, die sich etabliert haben. Die genannten Beispiele wie ,,Dom" und ,,Sub" bezeichnen zB. keine Geschlechter. Man kann nicht darauf schließen, wer welche ,,Rolle" hat.

Dom/Sub wie sie im BDSM-Kontext verwendet werden beinhalten erstmal keine Geschlechterrollen. Aber natürlich hat nicht jede Beziehung so eine Dynamik. Was ich aber meinte, ist dass gleichgeschlechtlichen Beziehungen oft unterstellt wird, auch eine klassisch-heteronormative Dynamik zu haben, ein Mann ist der männliche Mann und ein Mann ist der weibliche Part. Das ist die Assoziation, die der Begriff bei mir geweckt hat, denn so wie du ihn beschreibst, geht es ja auch darum, eine Beziehung zwischen zwei Männern in einen devoten und einen dominanten Part aufzuteilen.

Zitat von: pyon am 16. September 2022, 14:27:42Aber das ist auch das große Problem dabei. Jene Wörter, die Homosexualität umschreiben haben oft diesen negativen Unterton. Ich bin der Meinung, dass man gerade im Fantasy Bereich und vor allem als Autor*innen die Möglichkeit hat und nutzen sollte, dem ganzen einen schönen und positiven Unterton zu geben und es damit auch einfach zu dem zu machen, was es ist: Liebe - und das ist doch etwas Positives.  ;D

Das sehe ich auch so! Klar, man kann auch negative Wörter benutzen, wenn die Welt das entsprechend sieht und man dann auch entsprechend mit der Thematik umgeht. Aber wenn ich Fantasy schreibe, dann gibt es keinen Grund, warum ich mich für eine homophobe Gesellschaft entscheiden muss. Wenn es Magie und Drachen gibt, dann kann die Gesellschaft auch Queerness akzeptieren und als selbstverständlich ansehen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12
@pyon
Die Frage ist nur, ob ich etwas ,,Schändliches" erst anders nennen muss, um ihm den negativen Beigeschmack zu verpassen. Oder ob es nicht effektiver ist, es vom Tabu-Thema zum Alltag zu machen. Dazu braucht es aber wesentlich mehr, als nur ein ,,neutrales" Wort. Dazu braucht es Vorbilder, wenn nicht sogar ,,Helden". Was ich zB. an unserer Gesellschaft überhaupt nicht ausstehen kann, ist der Drang, alles schönreden zu müssen. Oder über alles meckern zu müssen. Find ich beides unnötig. Neutral sollte das Ziel sein. Alles weitere ergibt sich zwangsläufig aus dem Kontext.



@Mondfräulein
Bei manchen Charakteren spielt die sexuelle Orientierung eine Nebenrolle, sodass ich sie gar nicht erwähnen brauche - oder eben nicht benennen muss. Bei anderen ist es jedoch notwendig, dem Ganzen mehr Raum zu geben. Meistens handhabe ich es so, dass die sexuelle Orientierung kaum eine Rolle spielt. Bei einem meiner Lieblingscharaktere sind seine sexuellen Präferenzen jedoch ein Stilmittel.
Ich denke, dass jeder Mensch, der auch nur annähernd unvoreingenommen ist, weiß, wie es in (homosexuellen) Beziehungen wirklich läuft. Nämlich genauso individuell, wie in allen anderen auch. Dennoch kann man alles und jeden in ein Klischee drängen. Viel wichtiger ist, welche Geschichte man erzählt.

Meiner Meinung nach gibt es einen schmalen Grad zwischen ,,politisch korrekt" und ,,überempfindlich". Egal ob es um die sexuelle Orientierung, die Gleichberechtigung, das Gendern, oder was auch immer geht. Zu viel ist genauso nervig, wie zu wenig. Das ist meine Sicht der Dinge.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Zit am 18. September 2022, 15:57:24
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12@pyon
Die Frage ist nur, ob ich etwas ,,Schändliches" erst anders nennen muss, um ihm den negativen Beigeschmack zu verpassen.

Pyon schrieb, dass man eigene, positiv (oder eben neutral) besetzte Wörter verwenden sollte und eben nicht die negativ geprägten. Natürlich, wer Homosexualität ablehnt wird das auch bei neuen Wörtern tun. Es setzt aber ein Zeichen von dir und deiner Welt nach außen, wenn du positive Wörter verwendest (eben dass es in deiner Welt positiv ist). Ich versteh gerade deine Argumentation nicht.

Edit:

Die Frage, wie neue Wörter aufgenommen werden, ergibt sich aus dem Kontext. Wenn du also ein eigenes Wort dafür erfindest oder ein anderes Wort mit neuer Bedeutung ausstattest, hängt es von deiner Welt und deinen Figuren ab wie sie damit umgehen. Wenn du allerdings Wörter verwendest, die bereits negativ vorbelastet sind, wird es sehr, sehr schwer, die zu reclaimen und positiv umzudeuten bzw. kann es dir auch passieren, dass diese Umdeutung gar nicht bei Leser*innen ankommt und es weiterhin negativ aufgefasst wird.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 17:13:44
@Zit
Und genau da ist das Problem.
Ich hab zwar (konstruktive) Kritik für meine Kreationen bekommen, jedoch gab es bislang keinen besseren/passenderen Vorschlag.

Wenn die Geschichte entsprechend erzählt wird, macht man sogar aus einem negativen (alten) Wort, erwas Positives. Es reicht meiner Meinung nach nicht aus, ,,nur" ein ,,gutes" (positives) Wort zu finden. Aber es wäre viel geholfen.

Von daher fände ich es sinnvoller, Vorschläge einzubringen, anstatt bereits angenommene Kritik noch weiter auszubauen.

Ich suche noch immer nach einem (deutschen oder deutsch klingenden) Wort. Ideen? ???
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: pyon am 18. September 2022, 17:27:48
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12@pyon
Die Frage ist nur, ob ich etwas ,,Schändliches" erst anders nennen muss, um ihm den negativen Beigeschmack zu verpassen. Oder ob es nicht effektiver ist, es vom Tabu-Thema zum Alltag zu machen. Dazu braucht es aber wesentlich mehr, als nur ein ,,neutrales" Wort. Dazu braucht es Vorbilder, wenn nicht sogar ,,Helden". Was ich zB. an unserer Gesellschaft überhaupt nicht ausstehen kann, ist der Drang, alles schönreden zu müssen. Oder über alles meckern zu müssen. Find ich beides unnötig. Neutral sollte das Ziel sein. Alles weitere ergibt sich zwangsläufig aus dem Kontext.

Moment. Moment.
Ich habe gerade das Gefühl, wir weichen von dem ab, worum es geht - bzw. worum es mir gegangen ist, als ich den ersten Post verfasst habe. Und ich habe das Gefühl, dass mir gerade etwas unterstellt wird, das ich so nicht gesagt habe bzw. auch niemals so sagen würde. Wo sind wir beide denn falsch abgebogen?  :hmmm:  Du hat ein Wort für Homosexualität gesucht, dass "gutdeutsch", "alt" und "neutral" klingt (So deine Worte im ersten Post) und dich dann auf das Mittelalter bezogen. Ich wollte dir aber nur auf den Weg geben, dass die Begriffe für Homosexualität diesen negativen Unterton haben, der auch in dem von dir vorgeschlagenem "knabig" und "knechtig" steckt und gerade wenn man Freiheiten hat, kann man dem ganzen doch auch den positiven Unterton geben, den das Wort mMn verdient hat. Oder ein neutraler Unterton. Es kommt halt ganz auf die Welt darauf an, die du darstellen willst. Es kann ja auch von Ort zu Ort / Land zu Land unterschiedlich sein.

Ich meine, ich schreibe gerade zum ersten Mal Romantasy mit einem M/M-Couple und ich hab mich dafür entschieden, das gar nicht zu thematisieren, weil das in der Welt einfach normal ist. Ich will einen Fantasy-Roman schreiben in dem es um Liebe geht, egal in welcher Form. Deshalb gibt es bei mir auch keine negative Konnotation für Homosexualität.

Wie gesagt, es kommt halt sehr darauf an, wie die Welt aussieht, in der eine Charaktere leben. Aber mich würde es halt freuen, wenn wir von diesem ständig negativen Unterton wegkommen würden. Aber das ist nur mein persönliches Empfinden.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: Im Mittelalter war "Minne" eine Art von Liebe. Also steht dir eigentlich nichts im Weg, dir ein vollkommen neuen Wort auszudenken. Sie wurde unterteilt in "hohe" und "niedere Minne", was - grob gesagt - mit dem Stand der Frau zu tun hatte, die eben angebetet wurde. Du kannst dir so etwas auch für deine Welt überlegen und Adjektive nutzen, die für deine Welt eben passen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 18. September 2022, 18:54:52
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Ich denke, dass jeder Mensch, der auch nur annähernd unvoreingenommen ist, weiß, wie es in (homosexuellen) Beziehungen wirklich läuft. Nämlich genauso individuell, wie in allen anderen auch. Dennoch kann man alles und jeden in ein Klischee drängen. Viel wichtiger ist, welche Geschichte man erzählt.

Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen. Aber es ist auch völlig in Ordnung, das nicht zu wissen. Ich möchte das sehr ungern als selbstverständlich voraussetzen, weil das Leute davon abhält, ehrlich zu fragen, sich zu informieren und die Bereitschaft zu entwickeln, dazuzulernen. So etwas nicht zu wissen, ist sonst nämlich sehr schnell mit Scham verbunden, dabei wollen wir doch, dass die Leute zuhören und dazulernen.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Meiner Meinung nach gibt es einen schmalen Grad zwischen ,,politisch korrekt" und ,,überempfindlich". Egal ob es um die sexuelle Orientierung, die Gleichberechtigung, das Gendern, oder was auch immer geht. Zu viel ist genauso nervig, wie zu wenig. Das ist meine Sicht der Dinge.

"Politisch korrekt" ist ein rechter Kampfbegriff.

Wie nervig diese Themen sind hängt aber auch sehr davon ab, wie sehr man davon betroffen ist und welche Grundhaltung man zu diesen Themen hat. Wer homophob ist, ist von gleichgeschlechtlichen Pärchen in Büchern oder Filmen viel schneller genervt. Wer selbst queer ist, kann vielleicht gar nicht genug davon bekommen. Es gibt deshalb kein objektives "zu wenig", "genug" und "zu viel".
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mindi am 18. September 2022, 19:09:37
@Blutfeder
Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?
Oder ist es das nicht?
Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden - ist es in der mittelalterlichen Welt deines Romans absolut normal, dass ein Mensch einen anderen unabhängig des Geschlechts lieben kann und dass es keine negativen Auswirkungen für ein gleichgeschlechtliches Paar gibt? Dann würde ich dem vermutlich keinen Begriff geben, auch keinen deutschen, sondern es einfach nur zeigen. Dadurch wird es zu neutralem Terrain. Wenn ein Mann von seinem Ehemann spricht, oder eine Frau von ihren Ehemännern. (Ja, Mehrzahl.)
Und selbst wenn sich beispielsweise zwei Frauen über Paul unterhalten, eine ihn attraktiv findet oder was auch immer - dann könnte die andere genauso sagen "Mach dir keine Hoffnungen, Paul liebt Männer." Das ist genauso kurz und prägnant wie "Paul ist schwul" "Paul ist knabig" (Ich finde dieses Wort auch furchtbar und denke dabei zuerst, dass damit eine pädophile Störung angedeutet wird). Falls es nicht um Liebe geht "Paul begehrt Männer".
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 18. September 2022, 19:17:44
@Mindi: Ich glaube, grundsätzlich kann das genauso gut funktionieren. Ich würde das von der Welt an sich abhängig machen. Wird hier überhaupt über Sexualität und Sex geredet? Wenn ja, auf welche Weise? Wie geht man generell damit um? Welche Haltung hat man zu Sex und Sexualität allgemein? Dann ergibt es sich aus dem Weltenbau heraus, ob man einen Namen dafür braucht oder nicht.

Aber ja. Gute Repräsentation kann auch funktionieren, ohne dass man explizit einen Namen dafür hat. Besonders wenn es völlig selbstverständlich ist, kaufe ich es der Welt oft ab, dass sie keinen extra Namen dafür haben, einfach weil sie ihn nicht brauchen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:11:53
Da das Gespräch gerade etwas destruktiv wird und das nicht mein Ziel war, bin ich so frei und komme auf mein Anliegen zurück.

@Mindi
Ich brauche einen Begriff, weil ich ihn einfach haben will. Es ist für mein Worldbuilding notwendig, eine eigene Sprache zu kreieren. Die Übersetzung ins Deutsche kann und darf gelegentlich selbstgebastelte Worte enthalten.

Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Genauso verhält es sich mit gewissen Verben oder Adjektiven in meiner Geschichte. Für mich sind sehr viele Begriffe wichtig, die das Handeln, Wahrnehmen und Empfinden beschreiben. Der Grund dafür: In meiner Story gibt es einen Ort, an dem nie ein Mensch gelebt hat und auch keiner leben kann. Es gibt demnach unzählige Begriffe, die ich einfach erfinden muss.

Da es is meinem Universum keine (menschliche) Gesellschaft gibt, und die Moral von der Geschichte ist, dass ,,der Mensch" nur ,,schlechtes" gebracht hat, gibt es keine Vorurteile/Ablehnungen oder was auch immer.

Dennoch macht es bei meinen Wesen einen Unterschied, was sie tun und warum sie es tun. Wir haben in unserer ,,Menschensprache" für den Akt des Geschlechtsverkehrs nur einen Begriff bzw. mehrere Synonyme, die beinahe dasselbe ausdrücken. Mir fallen akut jedoch 3 verschiedene Motivationen für den Akt ein, ohne auch nur an die sexuelle Orientierung zu denken. Und ich habe vor, weil das in meiner Welt nunmal wichtig ist, für solche Feinheiten verschiedene Begriffe zu finden.

Im besten Fall etablieren sie sich in unserer Gesellschaft. Das würde, bei wahrheitsgemäßer Verwendung, viel (Liebes)kummer und Drama ersparen.



@pyon
Hast du eine Idee für ,,eingedeutschte" Wortkreationen? Mein Roman spielt in der Gegenwart bzw. nahen Zukunft. Wie du schon sagst, würde ich mein Projekt gerne nutzen, um mehr Verständnis und Akzeptanz (oder zumindest Toleranz) ,,unters Volk" zu bringen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 18. September 2022, 21:29:41
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:11:53Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Wir können uns etwas drunter vorstellen, weil wir die Bücher gelesen haben. Auf Englisch ("apparate"/"disapparate") finde ich die Begriffe tatsächlich sehr viel weniger originell, weil man sofort an "appear" und "disappear" erinnert wird. Vielleicht ist der Ursprung das latinische "apparere", aber da müsste ich spekulieren.

Worauf ich hinaus will: Bedien dich ruhig an anderen Sprachen. Das tun viele, wenn sie Sprachen erfinden. Tolkien hat das auch getan (sagt zumindest der Spielfilm). Klingonisch borgt sich viele Wörter aus allen möglichen Sprachen. Vielleicht kann man ja auch aus althochdeutschen Wörtern etwas zusammensetzen?
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:35:10
Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 21:29:41
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:11:53Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Wir können uns etwas drunter vorstellen, weil wir die Bücher gelesen haben. Auf Englisch ("apparate"/"disapparate") finde ich die Begriffe tatsächlich sehr viel weniger originell, weil man sofort an "appear" und "disappear" erinnert wird. Vielleicht ist der Ursprung das latinische "apparere", aber da müsste ich spekulieren.

Worauf ich hinaus will: Bedien dich ruhig an anderen Sprachen. Das tun viele, wenn sie Sprachen erfinden. Tolkien hat das auch getan (sagt zumindest der Spielfilm). Klingonisch borgt sich viele Wörter aus allen möglichen Sprachen. Vielleicht kann man ja auch aus althochdeutschen Wörtern etwas zusammensetzen?

In diesem Fall finde ich ,,weniger originell" tatsächlich maximal erstrebenswert.
Mein Anliegen poste ich hier, weil mir bis jetzt eben kein passender Begriff eingefallen ist. Und ich bastle nun schon eine ganze Weile an meinem Projekt  :hmmm:
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 18. September 2022, 22:11:04
Hallo Mindi und Mondfräulein

Zitat von: Mindi am 18. September 2022, 19:09:37Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?
Oder ist es das nicht?

"Normal" ist alles in einem Bereich mittig unter der Gausglocke (oder halt da wo eine andere zum Problem passende Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ihren Erwartungswert definiert).
Wo diese Stelle ist, sagt die Statistik der Welt.
Wie weit Abweichungen von dieser Mitte toleriert werden, sagt etwas über die Toleranz dieser Welt aus.

Aber: Selbst wenn es normal ist, werden für die unterschiedlichen Fälle unterschiedliche Begriffe existieren.
Sobald unterschiedliche Begriffe existieren, werden diese Begriffe eine Wertung beinhalten, und wenn es nur winzige Nuancen sind.

Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 18:54:52
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Ich denke, dass jeder Mensch, der auch nur annähernd unvoreingenommen ist, weiß, wie es in (homosexuellen) Beziehungen wirklich läuft. Nämlich genauso individuell, wie in allen anderen auch. Dennoch kann man alles und jeden in ein Klischee drängen. Viel wichtiger ist, welche Geschichte man erzählt.

Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen.

Da muss ich Mondfräulein zustimmen. Wenn ich als heterosexueller Cis-Mann ("Vollhete") nur alle paar Jahre mal mit homosexuellen (bzw. mir überhaupt als homosexuell zu erkennenden/bekannten) Personen Kontakt habe, habe ich immer nur Momentaufnahmen von wenigen homosexuellen Leuten in einem engen Zeitfenster. Meine Psyche neigt dazu, dieses dann auf andere "homosexuelle Fälle" zu extrapolieren, und das ist halt selten wirklich zutreffend, wenn ich vermute, dass das Verhalten homosexueller Leute genauso streut wie das heterosexueller Leute.
Die Medien kippen dann nochmal was dazu, und fertig ist eine Suppe......Ok, Medien vermitteln mir als sowieso etwas abseits stehnder Person ein gewisses "Gefühl" für Trends und "Zeitgeist", aber solche Gefühle sind halt nicht immer zutreffend. Trotzdem extrapoliere ich natürlich auch Trends und Zeitgeist auf andere Gruppen, wobei mir aber schon klar ist, dass das schief gehen kann.

Und das ist jetzt unabhängig davon, ob ich unvoreingenommen bin, oder nicht. Die Psyche urteilt immer, auch wenn sie wegen Informationsmangels besser nicht urteilen sollte.

Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 18:54:52"Politisch korrekt" ist ein rechter Kampfbegriff.

In Diskussionen verwenden sie oft Begriffe und stellen sie in einen komplett anderen Zusammenhang. Das macht dann, das man mit ihnen diskutieren kann und spricht aber über komplett unterschiedliche Dinge. Wenn man das nicht bemerkt, gerät man schnell in einen ungewollten Konsens. Diese Eigenschaft teilen sie mit Sekten.
Begriffe werden dann glitschig und schwer greifbar wie zappelnde Fische.

Zitat von: Mindi am 18. September 2022, 19:09:37"Paul ist knabig" (Ich finde dieses Wort auch furchtbar und denke dabei zuerst, dass damit eine pädophile Störung angedeutet wird).

Meine erste Assoziation wäre "knauserig" gewesen. Bei Erkennen der Dissonanz mit dem Kontext dann ein "oh, ich bin falsch abgebogen" Feeling.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 22:26:47
Zitat von: Sparks am 18. September 2022, 22:11:04Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen.

Da muss ich Mondfräulein zustimmen. Wenn ich als heterosexueller Cis-Mann ("Vollhete") nur alle paar Jahre mal mit homosexuellen (bzw. mir überhaupt als homosexuell zu erkennenden/bekannten) Personen Kontakt habe, habe ich immer nur Momentaufnahmen von wenigen homosexuellen Leuten in einem engen Zeitfenster. Meine Psyche neigt dazu, dieses dann auf andere "homosexuelle Fälle" zu extrapolieren, und das ist halt selten wirklich zutreffend, wenn ich vermute, dass das Verhalten homosexueller Leute genauso streut wie das heterosexueller Leute.
Die Medien kippen dann nochmal was dazu, und fertig ist eine Suppe......Ok, Medien vermitteln mir als sowieso etwas abseits stehnder Person ein gewisses "Gefühl" für Trends und "Zeitgeist", aber solche Gefühle sind halt nicht immer zutreffend. Trotzdem extrapoliere ich natürlich auch Trends und Zeitgeist auf andere Gruppen, wobei mir aber schon klar ist, dass das schief gehen kann.

Und das ist jetzt unabhängig davon, ob ich unvoreingenommen bin, oder nicht. Die Psyche urteilt immer, auch wenn sie wegen Informationsmangels besser nicht urteilen sollte.
[/quote]


Ich verstehe natürlich, was du meinst. Aber würdest du dann tatsächlich über dieses Thema schreiben oder darauf in deinen Geschichten näher eingehen? Was ich meine ist, dass ich mir schwer damit täte, den Vorgang zu beschreiben, wenn eine Mechanikerin einen Motor auseinander/zusammen baut. Ich hab nämlich absolut keinen Tau davon.

An der Stelle gibts für mich zwei Optionen: Entweder ich praktiziere ,,tell" statt ,,show". Oder ich informiere mich und recherchiere, bevor ich die Szene schreibe.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 18. September 2022, 22:51:30
Hallo Blutfeder.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:35:10In diesem Fall finde ich ,,weniger originell" tatsächlich maximal erstrebenswert.
Mein Anliegen poste ich hier, weil mir bis jetzt eben kein passender Begriff eingefallen ist. Und ich bastle nun schon eine ganze Weile an meinem Projekt  :hmmm:

Du befindest Dich in einem Dilemma. Wenn Du Schwierigkeiten hast einen Begriff zu finden,  dann wird dieser gesuchte Begriff selten verwendet, sonst wäre er Dir vermutlich geläufig. Aber Seltenes ist irgendwie automatisch auch immer "exotisch", mindestens aber "ungewöhnlich".

Ich verstehe schon Dein Bestreben, sehr nahe am "Mainstream" zu bleiben, um in einer Art Tarnung andere Verhaltensmuster zu etablieren, ohne das es einer mitbekommt.

Aber das ist halt aus zwei Gründen problematisch:

1) Unsere Sprache orientiert sich an unseren Gewohnheiten. Für andere Gewohnheiten hat unsere Sprache dann eben auch Begriffe, deren Verwendung automatisch das Anderssein unterstreicht.

2) Machst Du das nicht, und würdest Mindis Vorschlag oben: "Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?" folgen, und das einfach mit üblichen Begriffen (der Normalität?) zu bezeichnen aber dem Leser anhand des Kontextes das "schwulsein" kenntlich machen, würdest Du durch diese Dissonanz ein surrealistisches Feeling erzeugen.

Das muss keinen schlechten Roman ergeben, ganz im Gegenteil, das kann gut funktionieren, aber ob das zu Deinem didaktischen Plan noch passen würde, kann ich nur mutmaßen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: der Rabe am 18. September 2022, 22:55:42
Hej Blutfeder, weil du meintest, du hättest gerne was Altdeutsches (o.ä.) habe ich mal mein etymologisches Wörterbuch gewälzt, vielleicht kannst du damit was anfangen. Es hat folgende Herleitungen, die für dich vielleicht interessant sind:

Kerl hat sich zwar erst im neuhochdeutschen so richtig durchgesetzt, aber es stammt über mittelhochdeutsch ,,Karl[e]" (Mann, Ehemann, Geliebter) von der germanischen Wurzel ,,ger-" (reif, alt, morsch werden) ab. Verbindung gibt es zu griechisch ,,gérōn" (Greis) und ,,gēras" (Alter). (Verbindung zu Geriatrie)

Mann ist ein Wort, das sich über die Zeit wenig verändert hat. Es gibt Gotisch ,,manna" und Indogermanisch ,,manu-" oder ,,monu-" zurück.

Knecht, Mittelhochdeutsch für ,,Knabe, Junggeselle, Bursche" und ähnliches was quasi das Gegenteil vom Kerl ist. (und der englische ,,knight" leitet sich davon ab) Verbindung zu Westgermanisch ,,knehta-", ebenfalls ,,Knabe, Jüngling", ,,das vielleicht eigentlich ,,Knüppel, Stock, Klotz" bedeutet". Heißt, Genaues weiß man nicht, oder damals nicht, mein Wörterbuch ist ziemlich alt. Hinweis auf das Wort ,,knechten", also unterdrücken.


Ich möchte darauf hinweisen, dass es mir jedenfalls wichtig wäre, auch ein Wort für die weibliche gleichgeschlechtliche Liebe zu finden. Ich habe in den letzten Monaten selber viel gesucht und festgestellt, dass es ungleich mehr Wörter für Männer, die sich weiblich geben oder kleiden gibt, als umgekehrt, und ich muss sagen, dass mich das wurmt, dass die andere Seite irgendwie immer unter den Teppich gekehrt wird. Darum hier der Service für dich auch für folgende Wörter (und nimm hier meine Entschuldigung entgegen, falls du dafür schon ein Wort hattest, bzw. das kein Thema ist. Was ich dann wieder etwas schade fände ...):

Weib: Mittelhochdeutsch ,,wip", Althochdeutsch ,,wīb", kennen wir aus Englisch ,,wife". Herkunft ist unsicher, eventuell gehört es zu Indogermanisch ,,uei-b-" mit der Bedeutung ,,(sich) drehen, umwinden, umhüllen, schwingend bewegen", aus dem sich Wörter wie altindisch ,,vēpatē" (regt sich, zittert", lateinisch ,,vibrare" (zittern) entwickelt haben. Vielleicht auch das Wort Weide. Also entweder die, die umhüllt ist (z.B. als Braut) oder die, die sich im Haushalt hin und her bewegt.

Frau kommt über Mittelhochdeutsch ,,vrouwe" und Althochdeutsch ,,frouwe" von einem germanischen Wort für ,,Herr", das im Gotischen ,,frauja" lautete. (altsächsisch ,,frōio" und altenglisch ,,friega" (Herr) Verbindung zur Göttin Freyja bzw. Gott Freyr) Hier gibt es eine Verbindung zu indogermanisch ,,pro-", was von der Bedeutung her Sachen wie ,,vorwärts, voran, der*die Erste, Vorderste" hervorgebracht hat. Verbindung gibt es hier auch zu ,,Fürst". Also, eine sehr hochstehende weibliche Person, angesehen usw.

Magd kommt von Mittelhochdeutsch ,,maget" (Mädchen, Jungfrau, dienendes, unfreies Mädchen), über Althochdeutsch ,,magad" (gleiche Bedeutung), Gotisch ,,magaϷs" (Jungfrau) und kommt erstaunlicherweise von einem gemeingermanischen Wort für ,,Knabe, Jüngling", das sich nur in Altsächsisch ,,magu" oder Gotisch ,,magus" (jeweils Knabe) wiederfindet.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 18. September 2022, 23:01:52
@Sparks
Wie @Mondfräulein vorgeschlagen hat, wäre es am einfachsten, einen übergeordneten Begriff zu finden, der für alle Geschlechter anwendbar ist. Nämlich sollte der Begriff für Frauen und Männer derselbe sein, die ,,auf Männer stehen" bzw. ,,die auf Frauen stehen".
Das macht es insofern einfacher, weil ich mit 2 (statt 4) Begriffen das Auslangen fände. Dennoch fehlen mir die Begriffe, egal wie viele an der Zahl.  :wums:  :rofl:

Mit Mainstream hat das Ganze nicht viel zu tun, denke ich. Es sei denn du meinst etwas anderes, als das Thema der Begriffsuche?



@der Rabe
Wow, vielen herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. An dem einen oder anderen Begriff bin ich tatsächlich schon ,,vorbei gekommen".

Ursprünglich wollte ich 4 Begriffe kreieren, 2 für Männer und 2 für Frauen. Das hat sich aber, wie oben schon erwähnt, zum Glück etwas reduziert. Tatsächlich bin ich nach beiden Begriffen gleichermaßen auf der Suche. Für einen wäre ich schon sehr dankbar, weil sich dann der zweite bestimmt leichter herleiten lässt.

In meiner Sprache hätte ich schon zwei Begriffe, allerdings weiß ich noch nicht, ob ich sie behalten werde.

heandt - an Männern interessiert
siandt - an Frauen interessiert
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 18. September 2022, 23:05:36
Hallo Blutfeder

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 22:26:47Ich verstehe natürlich, was du meinst. Aber würdest du dann tatsächlich über dieses Thema schreiben oder darauf in deinen Geschichten näher eingehen? Was ich meine ist, dass ich mir schwer damit täte, den Vorgang zu beschreiben, wenn eine Mechanikerin einen Motor auseinander/zusammen baut. Ich hab nämlich absolut keinen Tau davon.

Zugegeben, in dem Punkte habe ich es mir im bisherigen (Schreib)Leben immer sehr leichtgemacht, weil ich immer nur als Beobachter etwas beschrieben habe.
Und wenn ich etwas beschrieben habe, wovon ich keine Ahnung habe, ist der ebenso keine Ahnung habende Leser (meistens) auf dem gleichen Stand wie ich, und einem fachkundigen Leser ist auch klar, dass ich keine Ahnung habe.
Ich versuche aber immer, meinen Beobachterstatus klarzustellen.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 22:26:47An der Stelle gibts für mich zwei Optionen: Entweder ich praktiziere ,,tell" statt ,,show". Oder ich informiere mich und recherchiere, bevor ich die Szene schreibe.

Mmmh. Auf mein obiges geschriebenes bezogen bedeutet dass, ich erzähle wie ich etwas "zeige" (bzw. mache).
Eine etwas abstrakte herangehensweise. Manchmal klappt es, manchmal nicht.
Aus der "Ich"-Perspektive ist die Chance dass es klappt noch am größten, weil das dann nicht ganz so abstrakt ist.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Mondfräulein am 18. September 2022, 23:19:35
Ich habe keinen besseren Vorschlag, aber ich wollte einwerfen, dass man im Prinzip jedes schön klingende Wort nehmen kann, das man will. Die Begründung kann man sich später zusammenreimen. Zum Beispiel das Wort "lesbisch": das kommt von "Lesbos", der Name einer griechischen Insel, auf der die Dichterin Sappho gelebt hat, die viele Gedichte über die Liebe zwischen Frauen geschrieben hat. "Sapphic" wird im englischsprachigen Raum oft als Begriff für Frauen, die Frauen lieben genutzt. Ich kann also in meinem Fantasyroman eine ähnliche Geschichte erfinden und den Begriff, den ich nutze, auf eine Person oder einen Ort oder so etwas zurückführen.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: der Rabe am 18. September 2022, 23:25:42
*g*
Falls du noch was brauchst, wie wäre es dann mit folgenden:

Gleich -> mhd. ,,gelīch", ahd. ,,galīh", got. ,,galeiks". (engl. ,,like")
Anders -> mhd./ahd. ,,ander", got. ,,anϷar" (engl. ,,other"); altind. ,,ántara-h"
Beide -> mhd., ahd. ,,beide" oder ,,bēde" (engl. ,,both"), verm. aus ,,bē de" bzw. ,,beidiu" und daraus ,,ambhou"

Sorry für die Kürze. Muss ins Bett.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 18. September 2022, 23:34:52
Hallo Blutfeder

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 23:01:52Wie @Mondfräulein vorgeschlagen hat, wäre es am einfachsten, einen übergeordneten Begriff zu finden, der für alle Geschlechter anwendbar ist. Nämlich sollte der Begriff für Frauen und Männer derselbe sein, die ,,auf Männer stehen" bzw. ,,die auf Frauen stehen".
Das macht es insofern einfacher, weil ich mit 2 (statt 4) Begriffen das Auslangen fände. Dennoch fehlen mir die Begriffe, egal wie viele an der Zahl.  :wums:  :rofl:

Tja. Entweder Du nimmst halt etablierte Begriffe, mit allen Ungenauigkeiten und Vorurteilen und ungewolltem Kontext, den diese Begriffe mit sich herumschleppen, oder Du lässt Dir etwas komplett neues einfallen.

Bei neuen Begriffen bist Du (scheinbar) von allen Ungenauigkeiten und Vorurteilen und ungewolltem Kontext befreit, aber der Leser kann ersteinmal nichts damit anfangen, und das bedeutet, dass Du es ihm irgendwie beibringen musst. Die Chance ist leider groß, dass der Leser dann den neuen Begriff, egal wie vorsichtig Du vorgehst, einfach mit etablierten Begriffen übersetzt, und, schwupps, tauchen wie ein Springkasper dadurch die alten Ungenauigkeiten, Vorurteilen und der ungewolltem Kontext wieder auf.

Auch Sprache hat eine gewaltige Trägheit und widersetzt sich Veränderungen.

Vieleicht funktioniert es, wenn Du es nicht erklärst, sondern dem Leser die Bedeutung erst so nach und nach klarwerden lässt. Vieleicht kannst Du dem Leser so etwas langsam und schonend beibringen, und vieleicht aktzeptiert der homophobe Leser ja einen schwulen Charakter, wenn er ihn zuerst einmal schätzen gelernt hat, und er dann anschliessend merkt, dass der schon die ganze Zeit schwul war....Das Problem ist, dass es auch ein Timing Problem ist, und es gibt auch bei Lesern "schnell" und "langsam" Merker.....

Wegen der Anzahl der Begriffe: Die ist bei etablierten Begriffen fast egal, weil es existieren für die vier Fälle schon mindestens vier Begriffe.
Wenn Du Dir neue einfallen lassen musst, sind vier statt nur zwei natürlich doppelte Arbeit.....

Aber siehe dazu Mondfräuleins Beitrag:
Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 23:19:35Ich habe keinen besseren Vorschlag, aber ich wollte einwerfen, dass man im Prinzip jedes schön klingende Wort nehmen kann, das man will.



Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 23:01:52Mit Mainstream hat das Ganze nicht viel zu tun, denke ich. Es sei denn du meinst etwas anderes, als das Thema der Begriffsuche?

Ich wollte das ganze sehr allgemein und abstrahiert darstellen. Weil diese Probleme eben auch allgemein sind, und nicht nur das Gebiet "queere Sexualität" betreffen.
Das ist mir anscheinend nicht geglückt.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 19. September 2022, 08:08:42
@Sparks
Sobald ich auf das Thema zu sprechen komme, werde ich den Leser zwangsläufig mit den Unterschieden der Begriffe konfrontieren. Das geht gar nicht anders, weil einer meiner Charaktere (in unserer Sprache ausgedrückt) Heteroromantisch und pansexuell ist. Im Gegensatz zum Menschen ist der Akt bei Tieren oftmals Mittel zur Kommunikation. Beispielsweise ein männliches Wesen, das ein anderes Männchen (sexuell) dominiert. Man würde nie in die Verlegenheit kommen, diesen Chara als ,,schwul" zu bezeichnen.

Im Gegenzug habe ich einen weiblichen Charakter, die heterosexuell und biromantisch ist.

Man kann mit Klischees und Vorurteilen nur aufräumen, wenn man sie bricht und neu zusammensetzt. Ich will von diesem Schwarz-weiß-denken weg. Nur weil ich einmal mit einer Frau schlafe oder sie küsse, bin ich noch lange nicht lesbisch. Unser Sprachgebrauch gibt jedoch keinen anderen Begriff her.



@der Rabe
Ich bin von deinem Wissen wirklich beeindruckt. Absolut unsagbar. Und du motivierst mich dazu, mir ein Exemplar des Duden anzuschaffen. Wesentlich besser, als das Internet dafür zu nutzen. Ich bastel gedanklich schon weiter. Vielen Dank!
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sparks am 19. September 2022, 17:48:28
Hallo Blutfeder.

Zitat von: Blutfeder am 19. September 2022, 08:08:42Im Gegensatz zum Menschen ist der Akt bei Tieren oftmals Mittel zur Kommunikation. Beispielsweise ein männliches Wesen, das ein anderes Männchen (sexuell) dominiert. Man würde nie in die Verlegenheit kommen, diesen Chara als ,,schwul" zu bezeichnen.

Hast Du Dich jetzt irgendwie vertippt? Der Geschlechtsakt ist doch aus den gleichen Gründen (und anderen) auch bei Menschen eine Kommunikation.

Fast allen Vergewaltigungen (sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen) liegt das Bedürfnis Macht auszuüben zugrunde. Sexuelle Bedürfnisse sind dafür eigentlich kein ernst zu nehmender Grund. Das hat ja auch irgendwann mal zu einer strafrechtlichen Neubewertung von Vergewaltigungen geführt. Eine Quelle kann ich Dir jetzt nicht angeben. War die persönliche Mitteilung einer Psychologin in einer Diskussion.

Abgesehen davon:
Nach Schulz von Thun kann man nicht "Nicht Kommunizieren", weil auch das Verweigern der Kommunikation eine Kommunikation ist.


Zitat von: Blutfeder am 19. September 2022, 08:08:42Man kann mit Klischees und Vorurteilen nur aufräumen, wenn man sie bricht und neu zusammensetzt. Ich will von diesem Schwarz-weiß-denken weg. Nur weil ich einmal mit einer Frau schlafe oder sie küsse, bin ich noch lange nicht lesbisch. Unser Sprachgebrauch gibt jedoch keinen anderen Begriff her.

Das ist ja auch richtig. Aber Du dürftest viele Leute damit einfach überfordern. :)


Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Blutfeder am 20. September 2022, 04:29:59
@Sparks
Ich spreche eindeutig nicht von Vergewaltigungen. Mit solchen Aussagen wäre ich verdammt vorsichtig. Zum einen wäre das die Verherrlichung einer Straftat, zum anderen gibt es unter Tieren Vorgehensweisen, die sich die meisten Menschen nicht einmal vorstellen können.
Zum Thema Tatmotiv eines Vergewaltigers: Die meisten Opfer von Vergewaltigungen sind tatsächlich das Objekt der (sexuellen) Begierde des Täters. Wusstest du, dass diese Straftat am häufigsten innerhalb einer Beziehung verübt wird? Ich schenke (Kriminal)Statistiken grundsätzlich wenig Glauben, aber bei solchen Fragen dienen sie als guter Anhaltspunkt.

Naja gut, aber die meisten Menschen sind auch mit den alltäglichen Problemen des (mitteleuropäischen) Lebens überfordert.  :rofl:
Der Entertainment-Faktor ist bei solchen Charakteren auf jeden Fall gegeben.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Fianna am 20. September 2022, 07:15:49
Es geht bei Vergewaltigungen nicht um Begierde, auch nicht bei Beziehungstaten, sondern um Kontrolle, Macht, Dominanz.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Maubel am 20. September 2022, 09:05:26
 :wache!:

Wie @Fianna bereits geschrieben hat, geht es bei Vergewaltigungen nicht um sexuelle Begierde. Darüber müssen wir in diesem Forum nicht diskutieren.

Da dieses Thema für Betroffene sehr verletzend ist und außerdem am Threadthema vorbeiführt, möchte ich euch @Blutfeder und @Sparks bitten, diese Diskussion zu beenden und zum etymologischen Thema zurückzukehren.
Titel: Re: "Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem
Beitrag von: Sandschlange am 22. September 2022, 16:10:55
Hallo an alle!

Ich habe mir jetzt so ziemlich alle Beiträge durchgelesen und auch, wenn ich glaube, etymologisch nichts beitragen zu können, will ich auf die Möglichkeit eingehen, auf bestimmte (differenzierende) Begriffe zu verzichten, die ja schon häufiger genannt worden ist. Ich glaube aber auch, dass das nur möglich ist - und auch das wurde schon genannt oder angeschnitten - wenn in der (Fantasy-)Welt, die man aufbaut, jede Form der Sexualität als normal angesehen wird. Ich glaube zwar - und das müsste man jetzt nachprüfen, denn es wurde mir erzählt - dass es auch in Japan keine Begriffe dafür gibt, aber das hat wohl eher damit zutun (wenn es denn stimmt), dass es ein Tabuthema ist.

Wenn ich sage, dass auf differenziertende Begriffe im Bereich Sexualität verzichtet werden kann, dann meine ich das nur in dem Fall, in dem es kein Tabu-Thema ist. Ein gutes Beispiel dafür wäre die Serie Arcane. Dort wird in einer Szene gefragt: "Wen bevorzugst du?" - die Frage ergibt sich aus dem Plot heraus, die Selbstverständlichkeit mit der die Frage gestellt wird und die Reaktion der befragten Figur zeigt deutlich, dass die Antwort gesellschaftlich irrelevant ist und nur für den Plott Bedeutung hat. Die Macher der Serie selbst haben gesagt, dass sie keine Notwendigkeit sahen, dass sie eine Fantasywelt schaffen wollten (das ist kein wörtliches Zitat), in der es egal ist, wer wen liebt. Kurz gesagt: Die Serie Arcane schafft es Sexualität und auch Gender(-kritisch) zu sein, indem sie Geschlechterrollen und Vorstellungen aufbricht, ohne dass sie die Themen explizit behandelt. Es zeigt sich alleine durch die Interaktion der Charaktere und die Struktur der Gesellschaft und dabei ist es trotzdem kein Tabuthema. Es ist einfach so normal, dass es verschiedene Menschen gibt die verschiedene Menschen lieben und es ist auch so normal, dass es verschiedene Geschlechter gibt, das eben nicht darüber gesprochen werden muss. Trotzdem kommt die Botschaft beim Zuschauer an. Das zumindest war mein persönlicher Eindruck.

Problematisch wird es natürlich dann, wenn man von einer Fantasy-Welt schreibt, in der es diese Probleme sehr wohl gibt. Insbesondere wenn man eine ganze Welt aufbaut. Ich weiß auch nicht, ob da eine Differenzierung über Begriffe genug sein kann. Man hat ja auch eine eigene Geschichte, eigene Gründe, weshalb diese Begriffe entstanden sind, wieso überhaupt differenziert wird. Ich persönlich glaube nämlich, dass Begriffe erst dann entstehen, wenn man Dinge voneinander unterscheiden will und/oder wenn man sich von etwas anderem abgrenzen will (also um zu zeigen: So wie du bin ich nicht). Kann auch sein, dass ich damit völlig falsch liege, aber für mich ist das ein Grund, weshalb ich eher auf die erste Strategie zurückgreifen will - also keine Begriffe, weil die Notwendigkeit sich nie ergeben hat.

Ich hoffe diese kleinen Ausführungen helfen irgendjemandem weiter. :)