• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Erstickt der Buchmarkt an sich selbst?

Begonnen von Kaeptn, 22. Januar 2020, 08:25:06

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Kaeptn

Hallo,

nachdem ich die meisten meiner Zahlen für 2019 zusmmen habe, bin ich schon ziemlich ernüchtert. 2019 hab ich mit 8 Büchern am Markt (von denen bei 3 der Verlag nicht zahlt) weniger verdient, als 2014 mit nur dreien, noch dazu in einem Winz-Verlag, von denen 1 erst Mitte des Jahres rauskam.
Mein Selfie-Neuling verkaufte sich abseits von Preisaktionen so gut wie gar nicht, hat noch nicht mal die Hälfte der Cover- und (sehr günstigen) Lektorats-Kosten wieder drin. Aktuell war das eBook nach nur 8(!!) Tagen ohne Verkauf bei Amazon schon auf Rang 7979 im Bereich Fantasy. Heißt im Umkehrschluss - mindestens 8000 Fantasy-eBooks haben sich in den 8 Tagen genauso oft oder eben häufiger verkauft, als meins, 8000. Bei eBooks insgesamt steht es bei Rang 160.000. Ein Wahnsinn.

Jeden Tag erscheinen Dutzende neue eBook und vor allem: kaum eins verschwindet. eBooks bleiben ewig, buhlen ewig um Käufer. Klar die neuen kriegen mehr Aufmerksamkeit als die alten, aber nach wenigen Monaten ist man auch in dieser Flut versunken. Dazu stagniert der eBook-Markt auch noch bei seinem einstelligen Marktanteil am Gesamtmarkt, während also das eBook-Angebot immer weiter wächst, hält die Nachfrage nach eBooks da nicht mehr mit.

Ich weiß noch, wie zu Beginn der Selfpublisher-Zeiten Goldgräberstimmung herrschte. Endlich sind die Gatekeeper weg, hieß es, endlich kann jeder in die goldene Veröffentlichungs-Stadt rein ohne die hohen Hürden, die das Selbstverlegen in den 0er-Jahren (oder noch früher) noch auferlegte.
Und jetzt?
Jetzt ist die Veröffentlichungs-Stadt total überfüllt. Ein paar Leute haben Wohnungen in den tollen Sichtbarkeits-Vierteln ergattert und verteidigen sie mit möglichst vielen Neuveröffentlichungen, andere haben sich die Wohnungen durch viel Engagement in Social Media erkämpft. Manch einer hat seine Wohnung aber auch schon wieder verloren und die meisten der immer noch in Scharen in die Stadt strömenden hausen auf der Straße, betteln mit Preis- oder gar Kostenlos-Aktionen um Aufmerksamkeit. Ein paar schaffen es so noch in die höheren Kreis, aber die Masse der Self-Publisher versumpft irgendwo in der Beinahe-Bedeutungslosigkeit.

Amazon ist clever. Sie locken weiter mit 70%, aber wer sichtbar sein will, muss mittlerweile eigentlich die Werbemöglichkeiten nutzen und einen Gutteil seiner Einnahmen auf diese Weise an Amazon abdrücken. Damit kann man zwar seine Verkäufe signifikant steigern (hab's ausprobiert), bei mir blieb aber am Ende kaum mehr Geld übrig, weil das Mehr an Gewinn zu 80% von den Werbekosten aufgefressen wurde (und dann kommt noch Mwst obendrauf, wenn man Kleinunternehmer ist, die sieht man dann erst auf der Abrechnung, nicht in den Kosten/Umsatz-Statistiken!). Wenn das Schule macht, werden noch dazu die Click-Preise bald stark ansteigen und sich die Sache somit auch nicht mehr lohnen. Amazon lacht sich ins Fäustchen, verdient dann einen Haufen Geld OHNE überhaupt was zu verkaufen.

Wohin soll das noch führen, frag ich mich? Wenn in dem Tempo weiter veröffentlicht wird, ersticken wir doch alle in dem Angebot, wird ein eBook in 4-5 Jahren schon nach 2 Tagen ohne Verkäufe in den Niederungen der Verkaufsränge verschwinden. Und in der Selfie-Szene wird propagiert, man solle möglichst schnell neue Bücher nachschieben, damit man sichtbar bleibt - was die Angebotsflut nicht nur weiter verschlimmert, sondern der Qualität der Bücher auch nicht unbedingt guttut - und dem Spaß am Schreiben (zumindest bei mir) sowieso nicht.

Ganz ehrlich, ich will die Gatekeeper zurück. Aber wie das gehen soll, ist mir schleierhaft. Selbst wenn Amazon alle eBooks älter als x Jahre mit weniger als y Verkäufen im Jahr rausschmeißen würde, könnten die betroffenen Autoren sie ja einfach neu veröffentlichen, zur Not mit neuem Titel. Und wieso sollte Amazon das überhaupt tun? Wie oft sich welches Buch verkauft, ist denen ja wurst, hauptsache der Gesamtumsatz stimmt.

Mal ganz abgesehen von den äußeren Einflüssen, wie Netflix, Videospielen, um sich greifender Leseunlust, denke ich, der Buchmarkt macht sich im Moment einfach selber kaputt, erstickt quasi an sich selbst.

Wie seht ihr das? Was meint ihr, was man tun könnte?

Trippelschritt

Ich sehe das ähnlich, und Libri und KNV haben entsprechend reagiert.
Was die Verkaufszahlen angeht, habe ich die gleichen Erfahrungen gemacht.
Selfpublisher haben es schwer. Sie schaffen es, wenn sie sich als Marke aufbauen. Aber da muss man wissen, wie das geht, und es kostet viel Zeit, die dann beim Schreiben wieder fehlt.

Nachdem die Büchse von Andorra (ist das nicht ein wunderschöner Begriff? Hörte ich gestern im Fernsehen) geöffnet wurde, habe ich nur die Hoffnung, dass der Markt das von selbst regelt. Für Kleinverlage und Selfpublisher weht ein rauer wind zur Zeit.

Trippelschritt

Steffi

#2
Ganz ehrlich, ich bin nicht sicher, ob man etwas tun muss?

Der Markt an Fantasy-Literatur ist dank E-Books und SP unendlich größer und vielfältiger geworden, haben wir uns das nicht alle gewünscht? Natürlich ist es schwerer geworden, sich heute als Autor*in auf dem Markt zu positionieren, das sollte aber niemanden überraschen - schließlich bedeuet vereinfachtes Selfpublishing, dass jeder veröffentlichen darf. Dass mehr Leute den Mut fassen, ihre ungewöhnlichen Romane nicht erst den Umweg über Verlagsabsagen gehen zu lassen, sondern das Buch direkt anzubieten.

Ich bin Kleinverlagsautorin, meine Bücher wurden noch nie sonderlich gut verkauft weil die Konkurrenz eben so groß und stark ist. Das ist aber nicht der Fehler der anderen, sondern meiner - weil ich es nicht genug vermarktet habe, weil ich dachte, "das wird schon so laufen" und weil ich vielleicht einfach nicht das geschrieben habe, das Leute gerne lesen. Ich weiß noch, dass ich in jungen Jahren viel Fantasy gelesen habe, die ich heute nicht mehr anrühren würde, einfach, weil nichts anderes da war. Heute gibt es für jeden ein Plätzchen, der will, und das bedeutet, dass sich neue Möglichkeiten von Genres und Untergenres auftun, dass es Leute gibt, die divers und ungewöhnlich schreiben können, wie sie wollen, und eben dadurch ggfs. auch Leser abgreifen, die sonst aus der Not ein anderes Buch gekauft hätten.

Man kann jetzt darüber lamentieren, dass früher alles besser war, aber ehrlich: Ich wünsche mir die Zeiten nicht zurück. Ich mag die bunte Buchwelt und ich wünsche mir, dass sie noch bunter wird. Mein eigenes Stück vom Kuchen wird dadurch vermutlich zu einem Krümel werden, aber das ist nicht die Schuld der anderen Autor*innen und ganz sicher nicht die Schuld der Leser.
Sic parvis magna

Marta

Um ehrlich zu sein, bin ich komplett gegenteiliger Meinung. Hör's dir mal an, du kannst mir ja gern widersprechen.  ;D

Ich denke nicht, dass der Buchmarkt an sich selbst erstickt. Das impliziert einen begrenzten Raum, in dem er ersticken könnte. Der ist nur bei bedruckten Büchern gegeben, aufgrund von Druckkosten, Lagerkosten, begrenztem Raum in den Buchläden usw. Der E-Book-Markt, von dem du sprichst, ist unendlich. Und das halte ich für sehr gut.

Es gibt mehr Raum für Experimente, die Möglichkeit, unbekannte ältere Bücher zu lesen, die Möglichkeit, Nischen-Zielgruppen zu bedienen. Ein Leser, der eins deiner Bücher mag, kann sich gleich deine gesamte Backlist kaufen. Und keins der Bücher ist als E-Book je vergriffen oder wird nicht mehr nachgedruckt oder hat sonst eine der x Hürden, die zwischen dir und dem Leser (und seinem Geld) stehen.

Dass E-Books ewig bleiben, finde ich super. So kann ich auch in 20 Jahren noch Geld damit verdienen. Mit einem gedruckten Buch wäre das schwer. Die meisten verschwinden doch nach spätestens einem Jahr aus den Buchläden und werden irgendwann auch nicht mehr nachgedruckt.

Auch als Leserin profitiere ich von der "Ewigkeit" der E-Books. Ich habe letztens einen lesbischen Pulproman aus den 50ern gelesen, an den ich sonst nie gekommen wäre. Aber der Rechteinhaber hat beschlossen, das eher unbekannte Buch als E-Book zu veröffentlichen. Finde ich gut. Wie hätte ich das Buch sonst lesen können? Gar nicht. Ich hätte zufällig in einem amerikanischen Antiquariat darauf stoßen müssen. Wahrscheinlichkeit, dass das passiert: gering. Das Angebot ist so viel größer und bunter geworden. Und ja, auch schrecklicher. Aber das nehme ich lieber in Kauf als die Alternative.

Zitat2019 hab ich mit 8 Büchern am Markt (von denen bei 3 der Verlag nicht zahlt) weniger verdient, als 2014 mit nur dreien
Wenn der Verlag 2019 bei drei Büchern nicht zahlt, hattest du 2014 drei Bücher, mit denen du Geld verdient hast, und 2019 fünf. Also minus die drei, bei denen der Verlag nicht zahlt. Dann wundern mich die Zahlen nicht. Vor allem, wenn ein Teil der 2019er Bücher schon über fünf Jahre auf dem Markt ist. Was bei den Lesern gut ankommt und was nicht, ist bis zu einem gewissen Grad leider einfach Glück.

ZitatGanz ehrlich, ich will die Gatekeeper zurück.
Ich nicht. Dann wäre meine Autorenkarriere auf einen Schlag vorbei und ich müsste mir wieder einen "richtigen" Job suchen. Aber klar, meine Meinung ist davon geprägt, dass der E-Book-Markt, so, wie er gerade ist, sehr gut für mich funktioniert. Wenn er das für dich nicht tut, verstehe ich deinen Frust.

Sascha

Ich war grad am Überlegen, ob ich das, woran ich jetzt sitze, vllt. als lange Reihe im SP rausbringe statt drei dicke Wälzer in einem schwer zu ergatternden Verlag. Wenn ich das so lese ... sinnlos.
Denn wer hat schon die Zeit für "richtiges" Marketing? Neben Brotjob und Familie geht das nicht. UNd den Brotjob braucht man, solange über die Bücher kein Geld reinkommt. Teufelskreis.
Also, Geld verdienen als Autor kann man dann wohl knicken, wenn man nicht von einem großen Verlag aufgebaut wird. Und das schaffen die wenigsten. Schade, eigentlich.
Vielfalt am Buchmarkt ist ja das eine, aber es kann halt auch jeder veröffentlichen, der kaum der deutschen Sprache mächtig ist. Ob das der Qualität so gut tut? (Ja, auch in großen Verlagen erscheinen manchmal Sachen, bei denen ich das Gruseln kriege. Aber doch vergleichsweise weniger. Und ich meine hier wirklich das Sprachliche, Handwerkliche. Inhalte sind dann ja noch Geschmackssache.)

Ah, da kam Marta. Bei Dir klappt das? Okay, aber Du hast auch keinen Brotjob, kannst also wesentlich mehr Zeit reinstecken.

Steffi

@Sascha: @Marta braucht keinen "Brotjob" weil sie sich beim Schreiben und Marketing voll reinhängt und darum vom Schreiben leben kann.  ::)

Die Diskussion um die Qualität des SPs führen wir gefühlt, seit ich 2004 diesem Forum beigetreten bin. Natürlich gibt es unter den SPlern (und unter Verlagsautoren!) richtigen Müll. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, da Gatekeeping zu betreiben.

Wer mit dem Schreiben Geld verdienen will, dem bleibt immer noch der Weg über einen Publikumsverlag, wo es Vorschüsse und im besten (!) Fall Marketing gibt. Aber da wird sich dann auch wieder beschwert, dass die Großverlage keine ungewöhnlichen Stoffe nehmen, und dass man so mainstreamig schreiben muss ... ::) ::) ::)
Sic parvis magna

Dämmerungshexe

Ich sehe das irgendwo in der Mitte - SP und die Vielfalt, die es Autoren und Lesern eröffnet finde ich sehr gut. Ich denke auch dass das auf Dauer dazu beitragen kann "den Markt" zu vergrößern - sprich neue Leute fürs Lesen zu begeistern.
Wo ich das Problem sehe ist nicht "der Markt" als solcher, sondern, die Art wie er strukturiert ist und dass eben trotz aller "Freiheit" noch eine gewisse Gatekeeper-Mentalität vorherrscht - "Qualität nur bei Verlagen" "Topseller-Listen" "Das muss man gelesen haben" "Nummer 1 bei Amazon" ... Eigentlich sind das alles Mittel, um das, was schon Geld bringt noch besser verkaufen zu können, anstatt allem die gleichen Chancen zu geben (sowohl Autoren, etwas zu verkaufen, als auch Lesern, etwas zu entdecken) - solange es um Gewinnmaximierung für die Gatekeeper geht, werden Autoren immer das Nachsehen haben.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Arcor

Zitat von: Steffi am 22. Januar 2020, 10:23:54
@Sascha: @Marta braucht keinen "Brotjob" weil sie sich beim Schreiben und Marketing voll reinhängt und darum vom Schreiben leben kann.  ::)
Stimmt genau, aber das zeigt eben auch sehr anschaulich, wie SP funktioniert und "für wen" es etwas ist: Nämlich für jemanden wie @Marta, die - soweit ich das von Außen beurteilen kann - schnell viel in guter Qualität schreiben (also neuen Content liefern) kann, ihre Zielgruppe sehr gut kennt und deren Interessen trifft, sich gut selbst disziplinieren/zum Schreiben bringen kann und ein Händchen für Marketing hat (oder den Willen, sich da reinzufuchsen).
Für all das braucht es, weil man eben dafür Zeit braucht, auch den Mut, sich voll auf das Abenteuer SP einzulassen, weil es eben "nebenher" nicht gut funktioniert. Wer diesen Mut nicht hat und die Sicherheit eines geregelten Einkommens braucht oder wer auch sonst einfach langsam schreibt, kommt im SP, so wie es aktuell ist, wohl ziemlich schnell unter die Räder und ist dann entsprechend gefrustet.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Steffi

Zitat von: Arcor am 22. Januar 2020, 11:09:20
Zitat von: Steffi am 22. Januar 2020, 10:23:54
@Sascha: @Marta braucht keinen "Brotjob" weil sie sich beim Schreiben und Marketing voll reinhängt und darum vom Schreiben leben kann.  ::)
Für all das braucht es, weil man eben dafür Zeit braucht, auch den Mut, sich voll auf das Abenteuer SP einzulassen, weil es eben "nebenher" nicht gut funktioniert. Wer diesen Mut nicht hat und die Sicherheit eines geregelten Einkommens braucht oder wer auch sonst einfach langsam schreibt, kommt im SP, so wie es aktuell ist, wohl ziemlich schnell unter die Räder und ist dann entsprechend gefrustet.

Da stimme ich dir voll zu. Wer vom Schreiben leben will, der muss wahnsinnig viel Arbeit und Zeit hinein stecken. Das gilt für SPler ebenso wie für Verlagsautoren.

Wer das - aus welchem Gründen auch immer - nicht leisten will oder kann (und dabei schließe ich mich selbst ein), der hat es deutlich schwerer, auf dem Buchmarkt gesehen zu werden. Ich verstehe den Frust, aber es nutzt überhaupt nichts, irgendwem - und sei es der Buchbranche - den schwarzen Peter zuzuschieben.
Sic parvis magna

FeeamPC

Es ist nicht der Buchmarkt alleine, der im Umbruch ist. Es ist der komplette Medien- und Informationsbereich, in dem sich derzeit die Kunden noch orientieren, hier probieren, da probieren, in dem einige Haifische herumschwimmen und Mist bauen, der dann entweder anderen den Weg zum Erfolg versperrt oder der frustrierte Leser mit Vorurteilen vollstopft, einige Muränen sind dabei, die gnadenlos jedes Schlupfloch für illegales Abfischen nutzen, auch durch Klickfarmen und ausspielen der Amazon-Bedingungen, und ganz viele kleine Fische, die nicht wissen, in welche Richtung sie schwimmen müssen. Wozu, wenn wir ehrlich sind, fast alle hier im Tintenzirkel gehören, egel, ob Verlagsautoren, Selfpublisher, Verleger oder unveröffentlichte Autoren.
Aber, bei allem Mist, der sich anhäuft: Ohne diesen Umbruch würde ich weder Autorin noch Verlegerin sein, und ich denke, das geht einigen ähnlich.

Mindi

Zitat von: Sascha am 22. Januar 2020, 10:14:19
Also, Geld verdienen als Autor kann man dann wohl knicken, wenn man nicht von einem großen Verlag aufgebaut wird. Und das schaffen die wenigsten. Schade, eigentlich.

Wobei das auch andersherum geht. Erfolg im SP, der zu einem Verlagsvertrag führt und dadurch noch mehr Sichtbarkeit. Wobei das auch wieder bei dem "Phänomen" ist, dass auch @Dämmerungshexe bereits beschrieben hat: Dass die, die sich gut verkaufen, weiter gepusht werden, damit sie noch mehr verkaufen können. Bei Marah Woolfs Angelussage ist mir das letztes Jahr z.B. aufgefallen. Erschienen im SP, mittlerweile bei Piper als Taschenbuch erhältlich.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Vidora

Ich sehe, was du meinst. Ich finde die Flut an Neuerscheinungen krass, aber ich möchte die Gatekeeper trotzdem nicht zurück, weil für mich das Positive überwiegt. Dass jeder veröffentlichen kann, schafft eine Bühne für mehr Themen- und Ideenvielfalt, was ich sehr begrüße. Dass gleichzeitig natürlich auch viel trashiges Zeug auf dem Markt herumschwimmt, ist eine Begleiterscheinung, die mich zwar immer mal wieder frustriert, mit der ich aber leben kann. Vielleicht wären ein paar mehr Filtermöglichkeiten und eine bessere Kategorisierung bei Amazon gute Schritte, das ganze zumindest übersichtlicher zu machen und das, was einem gefallen könnte, leichter zu finden.

Ich bin zwar bei einem Kleinverlag, aber konzentriere mich vorrangig auf SP und bin auch eine von denen, die oft veröffentlichen (ca. 6 Romane im Jahr plus vielleicht mal eine Novelle oder Kurzgeschichte). Für mich funktioniert es. Ich habe meinen Brotjob gekündigt, um mich der Sache wirklich widmen zu können und bin noch nicht verhungert, aber ich stimme zu 100 Prozent zu, dass das nicht für jeden funktionieren wird.

Auf die weitere Entwicklung des Buchmarktes bin ich sehr gespannt.

Snöblumma

Zitat von: Steffi am 22. Januar 2020, 11:14:37
Wer das - aus welchem Gründen auch immer - nicht leisten will oder kann (und dabei schließe ich mich selbst ein), der hat es deutlich schwerer, auf dem Buchmarkt gesehen zu werden. Ich verstehe den Frust, aber es nutzt überhaupt nichts, irgendwem - und sei es der Buchbranche - den schwarzen Peter zuzuschieben.

Ich würde hier vehement widersprechen. War das nicht schon immer so, dass man es sich leisten können musste, Kunst in welcher Form auch immer zu produzieren? Hatten nicht auch früher viele Schriftsteller/Künstler wohlhabende Eltern (die Herren Mann, z.B.), einen lukrativen und/oder jedenfalls sicheren Brotjob (ein gewisser Herr namens Goethe, oder auch ein Gottfried Benn, etc. etc.), einen Mäzen (so ungefähr jeder Maler, der für einen bestimmten Landesherren arbeitete)? Wie viele Menschen früher im Traum nicht daran gedacht haben, Kunst zu schaffen, weil sie es sich schlicht nicht leisten konnten, sondern zusehen mussten, wie sie ihr täglich Brot verdienten, werden wir nie erfahren. Und wie viele eben für den Hausgebrauch ein bisschen gedichtet / gemalt / gestickt / etc. haben, auch das werden wir mangels Reichweite nie herausfinden.

Um zum Thema des Buchmarktes zurückzukommen: Ich sehe das ein wenig zweischneidig - die Möglichkeiten sind grandios, es geht wahnsinnig schnell, etwas zu veröffentlichen, und die Flut wächst. Es ist schwerer geworden, sich ein Buch auszusuchen, weil man so viele Möglichkeiten hat (dafür findet man auch endlich etwas, das zur eigenen Nische passt), niemand kontrolliert von Vornherein die Qualität. Gerade die Qualität bei vielen SP-Büchern leidet aus meiner Sicht wirklich, und da nehme ich meine eigenen Machwerke nicht aus. Der Markt honoriert ein gutes Lektorat jedenfalls in Viellesergenres nicht unbedingt, solange die Story stimmt, also streicht man das als erstes. Aber noch jedes Buch hat durch ein gutes Lektorat gewonnen, von daher: Ja, ich glaube ziemlich fest daran, dass die Qualität von SP-Büchern im Schnitt schlechter ist als die von Verlagsbüchern, v.a. in handwerklicher Sicht.

Andererseits: Der Markt honoriert diese Feinheiten eben nicht. Also schließe ich daraus, dass diese Feinheiten vielleicht nicht in alle Genres das sind, was die Leute suchen. Warum also nicht akzeptieren, dass der ein oder andere "Mangel" eben nur von Fachleuten erkannt wird, der großen Masse an Lesern, die unterhalten wollen werden, schlicht egal ist? Das ist eben eine andere Art von Kunst, die man hier schafft. Nicht die "große", verkopfte Kunst, sondern Unterhaltungs-Kunst. Schöne Abende für diejenigen, die einfach mal abschalten wollen, was schwer genug zu schaffen ist. Für die kunstvolleren Bücher dagegen findet sich eine andere Nische, die eben noch kleiner ist (und vermutlich auch nie größer war, weil der Anteil an Menschen, die einfach nur abschalten wollen, vermutlich schlicht höher ist als der Anteil an Menschen, die in ihrer alltäglichen Lektüre mehr erwarten).

Was mich eher immer wieder verblüfft, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Literaturschaffende sich selbst ausbeuten, und das m.E. vollkommen ohne Grund. Die meisten SPler-Rechnungen gehen am Ende des Tages vermutlich nur auf, weil die Krankenversicherung des Lebenspartners da ist, die Altersversorgung über irgendeine andere Quelle läuft, etc. etc. Sprich: Die Preise sind nicht vernünftig kalkuliert, sondern eher Liebhaberei. Warum? Weil alle so günstig anbieten, klar. Aber wenn diese ominösen "Alle" insgesamt vernünftig kalkulieren würden, dann wäre es nie zu dieser Dumping-Preisentwicklung gekommen. Schließlich braucht der Markt auch Contentlieferanten, von daher ist eine gewisse Marktmacht in der Masse ja durchaus vorhanden.

Ich für mich persönlich finde die Möglichkeiten, die SP bietet, wahnsinnig spannend. Klar, ich schaffe es nicht, neben dem Brotjob etwas aufzubauen, von dem ich leben könnte. Aber immerhin versauern meine Geschichten nicht in der virtuellen Schublade, sondern haben die Chance auf wenigstens ein paar Leser. Das ist mehr, als ich ohne SP bekommen könnte. Und andersherum finde ich immer wieder Bücher, die mir wirklich gefallen, und muss nicht das lesen, was Marketingabteilungen in großen Verlagen gerade toll finden. Ja, die Bücher verschwinden in der Masse, aber immerhin sind sie in der Welt (ob das nun die Welt bereichert oder nicht, das mögen andere entscheiden - aber ich finde es schön, dass die Möglichkeiten für Bücher da sind). Ich muss mich eben damit abfinden, dass es immer ein Hobby bleiben wird.

Ob man etwas gegen die Bücherflut tun sollte? Ich denke, es wird sich schon selbst regulieren. Die Leser brauchen Orientierung, wollen die für sie jeweils passenden Bücher finden, ohne lange zu suchen, und ein gewisses Qualitätsniveau wollen Leser normalerweise ebenfalls vorfinden, sonst wird es abgestraft. Von daher glaube ich, wird der Markt sich schon zurechtruckeln, wir leben eben in einer Phase, in der alles neu ist und keiner so recht weiß, wie er diese Möglichkeiten wirklich nachhaltig nutzen kann, die sich bieten. Wenn, dann eher von Autorenseite: Zusammenhalten, sich organisieren, keine Dumpingpreisstrategien unterstützen, Kollegen nicht bewusst schädigen, etc. etc. Das ist viel hilfreicher als nach Regulierung zu rufen. Weil: Ohne Autoren kann selbst Amazon nicht.




Steffi

Zitat von: Snöblumma am 22. Januar 2020, 12:06:56
Zitat von: Steffi am 22. Januar 2020, 11:14:37
Wer das - aus welchem Gründen auch immer - nicht leisten will oder kann (und dabei schließe ich mich selbst ein), der hat es deutlich schwerer, auf dem Buchmarkt gesehen zu werden. Ich verstehe den Frust, aber es nutzt überhaupt nichts, irgendwem - und sei es der Buchbranche - den schwarzen Peter zuzuschieben.

Ich würde hier vehement widersprechen. War das nicht schon immer so, dass man es sich leisten können musste, Kunst in welcher Form auch immer zu produzieren?

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, inwiefern das meiner Aussage widerspricht?

Sic parvis magna

Snöblumma

Ich hatte dich so verstanden, als wäre das in deinen Augen etwas neues, dass man nicht vom Schreiben leben kann. Und das ist es für mich gerade nicht. Es wird halt auch nicht besser, aber das steht auf einem anderen Blatt.