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Dicke Figuren beschreiben

Begonnen von Mondfräulein, 11. März 2015, 19:27:25

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Churke

Ich habe den Eindruck, das Problem bei diesem Thema ist, dass man eine Figur als "dick" beschreiben und dabei krampfhaft jede negative Konnotation vermeiden will. "Dick" ist eine neutrale Bezeichnung. Wenn das vom Autor oder Leser als negativ empfunden wird, lässt sich das kaum durch Euphemismen oder Verniedlichungen umschiffen. Was ich damit sagen will: Wenn eine Figur "dick" ist, wird sie nicht dadurch dünn, dass ich mich um diese Bezeichnung herumdrücke.

Ich denke, ob die Statur als positiv oder negativ aufgefasst wird, hängt eher mit der Wertung durch den Perspektivträger zusammen. Meine Oma schimpfte immer auf "den fetten Kohl" - natürlich ging es ihr nicht um des Kanzlers Leibesfülle. Einen anderen Politiker mit der selben Figur hätte sie im Wortsinne ganz anders "gesehen".

Tigermöhre

Zitat von: Mogylein am 12. März 2015, 10:30:51
Ansonsten finde ich das Adjektiv "breit" noch sehr eindeutig.

Als ich die Tür öffnete, stand meine breite Freundin Melanie vor der Tür. Ich versank in ihrer weichen Umarmung und ließ die angestauten Tränen laufen.

Ich muss sagen, da würde ich eher an eine völlig zugekiffte Melanie denken, als an eine dicke.

Hast du sonst mal nachgesehen, wie andere Autoren damit umgehen?
Mir fallen spontan zwei Bücher ein, in denen es sehr dicke Nebencharaktere gibt, die ich nicht negativ beschrieben fand. (Das 5. Ayla-Buch und die Belgariad-Saga von David Eddings)

Szazira

In der Kunst gibt es die Umschreibung "Rubensfigur", welche sich auf den Maler Rubens bezieht. Aber das ist abhängig von Bildungsgrad und Interesse, ob man den Ausdruck kennt.
"Sehr weibliche Rundungen" können auch eine Beschreibung für eine Dame mit gehobenen Kleidergrößen sein, die noch dazu gut aussieht.
Oder "die paar Pfunde zuviel saßen genau an den richtigen Stellen um ihre Weiblichkeit eindrucksvoll zu betonen."

Bei Männern bin ich irgendwie gerade einfallslos.

Generell kann dir ALLES als negativ ausgelegt werden, egal wie du es schreibst. Unsere Gesellschaft hat einfach eine Fettphobie. Es ist ja schon bezeichnend, dass jemand mit Größe 42 als dick gilt :pfanne:.

Hanni

Zitat von: Tigermöhre am 12. März 2015, 13:05:41

Hast du sonst mal nachgesehen, wie andere Autoren damit umgehen?


Bei Carlos Ruiz Zafón bin ich gestern auf die Formulierung gestoßen: "Sie hatte einen Hintern von den Ausmaßen eines Fiat Seicento." Das ist eigentlich gar nicht schlecht, denn durch diese Übertreibung kann sich der Leser keine Person vorstellen, die nur die berühmten paar Pfunde zu viel hat, und gleichzeitig ist es (meines Erachtens) überhaupt nicht negativ, sondern im Gegenteil, augenzwinkernd und kreativ.

Was mir bei George R.R. Martin irgendwann mal aufgefallen ist (da hab ich jetzt keine Textstelle parat), dass er Figuren, egal ob männlich oder weiblich, von einer gewissen Körperfülle gerne ganz lapidar als "fat" bezeichnet und das aber als so selbstverständlichen Teil der Beschreibung einbaut, dass es auf mich überhaupt nicht negativ wirkt, sondern eben einfach nur ganz neutral als Beschreibung der Figur. Aber das mag bei unterschiedlichen Lesern auch unterschiedlich wirken...

AutorinAZ

Vielleicht wäre auch ein Ansatz, die Figur mit einer bekannten, dicken Persönlichkeit zu vergleichen (soweit möglich) oder mit einem Berufsbild, das typischer Weise für dicke Personen steht.
z.B. Beth Ditto,  dem alternden Gerard Depardieu, Tine Wittler, Melissa McCarthy,  Kevin James, Ottfried Fischer
z.B. gut genährter Mönch; einem Koch, dem man seine Liebe zum Essen ansieht; ein Konditor, der selber sein bester Kunde ist

ZitatIhre Figur war mit Tine Wittler vergleichbar. Vielleicht etwas mehr Persönlichkeit.

Er glich mehr einem gut genährten Mönch als dem propagandierten Schönheitsideal.

Ein gut genährter Mönch könnte sich hinter ihm verstecken.

Ich könnte mir auch folgende Formulierungen vorstellen:
"ihre/seine starken Ringe um der Taillie/Hüfte"
"stark ausladende Hüfte"
"baumstarke Oberarme"
"Oberarme so kräftig wie die Oberschenkel"
"stark gerundete Formen"




Sturmloewin

Ich glaube, da gibt es zwei (Haupt-)Möglichkeiten: 1.) einfach das Wort "dick" verwenden und so beiläufig und neutral wie möglich in die Beschreibung einfließen lassen.
2.) Wie hier schon genannt, Details, Metaphern oder Vergleiche verwenden um deutlich zu machen, welche Ausmaße die Figur hat. Hierbei würde ich aber ehrlich gesagt die mit Klischees besetzten Körperpartien tendenziell eher außen vor lassen und eben von einem "gewaltigen Hintern" oder "massigen Oberarmen" sprechen. Denkbar wären auch Sätze wie: "Die Oberschenkel rieben sich beim Gehen aneinander und die Jeans war an der Stelle schon ganz zerschlissen" oder: "Ein breites Lächeln erschien über seinem Doppelkinn." Solange du diese Aussagen zwischen "nette Sätze" packst, dürfte das eigentlich kein Problem sein.
So when the world knocks at your front door
Clutch the knob tightly and open on up
And run forward and far into its widespread, greeting arms
With your hands outstretched before you
Fingertips trembling, though they may be
--- Anis Mojgani "Shake the Dust"

Thaliope

Das mit den baumstarken Oberarmen bringt mich auf die eigentlich recht klassische Idee, positiv besetzte, vielleicht ungewöhnliche Metaphern zu verwenden.

Wie eine große Bärin, warm, weich und Geborgenheit spendend
Rund wie ein Karamellbonbon
Quietschvergnügt und nudelrund
Er war in jeder Form riesig,wie ein Berg, den nichts aus der Bahn werfen kann, und hatte eine ungemein beruhigende Ausstrahlung



Franziska

Ich habe dieses Problem auch immer wieder. Die Formulierung dick finde ich auch etwas negativ. Es ist einfach ziemlich schwer das so zu formulieren, dass sich niemand angegriffen fühlt. Thalis Vorschläge finde ich sehr gut. Dann kann man sich das auch gut vorstellen. Vergeliche mit realen Personen gehen ja nur, wenn es kein HF ist. Sonst kann man die Leute ja auch mit anderen Figuren vergleichen. Neben xy war sie doppelt so umfangreich. xy sah neben ihr geradezu zierlich aus oder irgendso etwas.

Churke

Na ja, also...
Man sollte die Figuren doch einfach mal in ihrer Rolle betrachten.

https://www.google.com/culturalinstitute/asset-viewer/judith-and-holofernes/oQF3gDEYNkutBA?hl=de&projectId=art-project

Wir halten fest: Abgesehen von anatomischen und perspektivischen Merkwürdigkeiten ist Judith nicht gerade ein Hungermodel. Vielleicht stand Holofernes (das ist der Spargeltarzan, der gerade den Kopf verliert) auf dick & dustig.  :hmmm:
Kunsthistoriker versuchen Judith als Selbstporträt Artemisia Gentileschis zu deuten. Dicke Malerin trägt dick auf oder so ähnlich. Aber wenn ich mir das so anschaue, ist Judith die Metzgerin beim Schlachtfest, und genauso müsste man sie auch beschreiben.

Kati

Aber Frauen wurden im Barock so gut wie immer als etwas rundlicher dargestellt. Das hat weniger mit Artemisias Idee hinter dem Bild zu tun und viel mehr mit Schönheitsidealen vergangener Epochen, die sich eben heute in die andere Richtung hin geändert haben. Das besondere an Artemisias "Judith" ist nicht unbedingt ihre Figur. Sie hat eine für den Barock sehr typische Figur (Rubens wurde auch schon erwähnt, dessen Judith sieht nicht viel anders aus). Das besondere ist die schiere Gewalt, die das Gemälde darstellt und, dass Artemisia ihre Judith während der Tat nicht hübsch lächeln lässt wie viele andere Maler, die sich das Motiv ausgesucht haben, sondern man sieht ihr die Anstrengung und den Hass auf Holofernes richtig an. Und die Dienerin (selber Körperbau wie die Judith übrigens) hält Holofernes auch noch fest. Sie steht nicht wie sonst ängstlich daneben, sie hält ihn fest, sie hilft Judith skrupellos. Das ist sehr ungewöhnlich und viele Kunsthistoriker haben lange darauf bestanden, dass das Bild eigentlich von Artemisias Vater stammt, weil sie nicht glauben wollten, dass eine Frau das gemalt haben soll. Hat sie aber. Genau deshalb ist es auch so wichtig für die Kunstgeschichte. Und ein Selbstportrait ist Artemisias Judith viel eher in der Hinsicht, dass sie damit ihre eigene Vergewaltigung verarbeiten wollte, wegen der sie aus Rom fortgehen musste. Nicht in dem Sinne, dass sie eine dicke Frau malen wollte, weil sie selbst dick ist. Das sind barocke Schönheitsideale und nichts weiter.

So, das sollte jetzt nicht in eine kunsthistorische Analyse ausarten und wir sollten das an dieser Stelle auch nicht diskutieren, aber ich wollte es nicht ganz so stehen lassen. Um mal den Bogen zurückzuschlagen: Die "Rubensfigur" benutze ich nicht so gern um Figuren damit zu beschreiben, weil das wieder nur auf einen bestimmten Typ Frau passt. Die meisten Frauen von Rubens sind auch gar nicht richtig dick in dem Sinne, sondern irgendwo in der Mitte, nach heutigen Standards vielleicht irgendwo zwischen 42 und 46. Mein Problem damit ist aber, dass es oft hergenommen wird, um dickere Frauen als begehrenswert oder so zu beschreiben und das wollte Mondfräulein ja gerade nicht machen. Ich finde aber auch Thaliopes Vorschläge echt gut, weil man damit ja auch gleich charakterisieren kann. Unter einem Karamellbonbon stelle ich mir eine herzliche, liebe Person vor, unter der Bärin eher eine Kämpfernatur, die aber gleichzeitig sehr treu und eine gute Freundin ist. Ich denke, ich werde in meinem Fall mit solchen Metaphern arbeiten. Man muss es ja auch nicht ständig wieder erwähnen, das wäre auch nicht zielführend, einmal herausstellen, dass die Person dick ist, reicht ja.

Mondfräulein

@Churke: Ich finde deine Kommentare hier leider weder konstruktiv noch in irgendeiner Art und Weise zielführend, vielmehr kommen sie mir sehr abwertend der ganzen Diskussion gegenüber vor. Ja, ich will dick "krampfhaft" in ein positives Licht rücken und wenn du das nicht so siehst, dann kannst du deine Meinung gerne haben, aber doch bitte nicht diese sonst sehr konstruktive Diskussion unterbrechen. Und bei einem Bild, das sogar zweifach von einer (versuchten) Vergewaltigung (Holofernes versucht, Judith zu vergewaltigen und Artemisia wurde selbst vergewaltigt) handelt, davon zu sprechen, dass Holofernes eben "auf dick und lustig stand"... ehrlich, das geht gar nicht und wenn hier solche Kommentare kommen, dann würde ich mich gerne aus der Diskussion ausklinken, denn sowas vertrage ich nicht.

@Alle anderen: Das waren schon viele konstruktive Kommentare und danke dafür. :knuddel: Besonders den von Thaliope mag ich, aber auch, einzelne Körperteile wirklich genauer zu beschreiben. Das Problem ist leider auch, dass mir nur ein Buch einfällt, in dem ein dickes Mädchen positiv beschrieben wurde, aber in diesem Buch erzählt sie aus ihrer Perspektive und dadurch ist das schonmal leichter. Außerdem geht es im Buch die ganze Zeit um ihr Übergewicht und wie sie beginnt, damit klar zu kommen.

Mir ist es auch nicht so wichtig, dass es allgemein nicht negativ ausgelegt werden kann, als dass es von dicken Leuten nicht negativ ausgelegt wird. Wenn jemand trotzdem findet, dass meine Protagonistin hässlich ist, nur weil sie dick ist, dann sollen sie das machen, das kann ich sowieso nicht ändern. Aber es soll für die, die da nicht solche Vorurteile haben nicht so wirken, als wäre es negativ, dick zu sein. Insofern habe ich auch nichts gegen das Wort dick, mir fällt es nur immer schwer, das in einem Satz richtig einfließen zu lassen.

@Lothen: Das freut mich sehr. :vibes:

Churke

Zitat von: Mondfräulein am 13. März 2015, 14:25:08
@Churke: Ich finde deine Kommentare hier leider weder konstruktiv noch in irgendeiner Art und Weise zielführend, vielmehr kommen sie mir sehr abwertend der ganzen Diskussion gegenüber vor.
Und immer gleich ein Grund, persönlich zu werden...

Wenn eine Figur dick ist, ist sie dick. Das kann man weder wegbeschreiben noch wegdiskutieren. Das ergäbe auch keinerlei Sinn, schließlich hat der Autor die Figur absichtlich so gemacht. Wenn der Autor selbst dazu steht, dass seine Figur dick ist (und zwar ohne das ständig allen unter die Nase reiben zu müssen) dann wird sich die positive Reflexion beim Leser von selbst einstellen. Aber was ich hier an Vorschlägen gelesen habe, das geht zum Teil... gar nicht.

Und, bitte, wenn du im Buch Judit einen einzigen Hinweis findest, dass Holofernes ein Vergewaltiger ist, dann zeig ihn mir.


Thaliope

#42
@Churke: Ich glaube, ich verstehe  zwar, was du meinst, und würde dir in vielen anderen Zusammenhängen recht geben, aber ich glaube, es ist hier vielleicht doch nicht so einfach.

Voraussetzung für diese Diskussion ist ja, dass Dicksein in dieser Gesellschaft sehr stark negativ belastet ist. Die starken Vorerwartungen der Leser würden, meiner Einschätzung nach, die simple "positive Reflexion", von der du sprichst, aufwiegen bzw. unwirksam machen.
Deshalb müsste man als Autor, wenn man Denken und Wahrnehmung bei den Lesern zum Positiven verändern will, vielleicht zu anderen Mitteln greifen.

Dabei geht es nicht darum, irgendwas wegzudiskutieren, sondern neue Wege der Beschreibung zu finden, die nicht negativ besetzt sind. Weil die Art, wie man über etwas spricht, Einfluss darauf haben kann, wie man es wahrnimmt.

Shin

1. Wenn du bei einem empfindlichen Thema gebeten wirst, nicht hilfreiche Bemerkungen zu lassen, ist deine Reaktion, nochmal drauf zu hauen, obwohl das Thema vom Threadstarter gerade rund 'abgeschlossen' wurde? Wirklich?

2.
Zitat von: Churke am 13. März 2015, 15:43:05
Wenn der Autor selbst dazu steht, dass seine Figur dick ist (und zwar ohne das ständig allen unter die Nase reiben zu müssen) dann wird sich die positive Reflexion beim Leser von selbst einstellen.
Zitat von: Churke am 12. März 2015, 11:33:36
"Dick" ist eine neutrale Bezeichnung. Wenn das vom Autor oder Leser als negativ empfunden wird, lässt sich das kaum durch Euphemismen oder Verniedlichungen umschiffen.
Was denn nun?

3. Wir haben kapiert, dass dicke Charaktere dick sind. Wir wollen, dass dicke Charaktere dick sind. Dein Satz klingt wie eine Entschuldigung. Als wäre es schlimm oder ein Fehler dick zu sein und der Autor müsse sich dafür rechtfertigen.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Maja

#44
Ein Punkt, der mir hier bislang in der Diskussion ein bisschen kurz gekommen ist, ist der der Perspektive. Ich lese hier sehr viel aus Sicht der Autoren, und da bin ich erleichtert, dass sich hier im Forum niemand negativ über Dicke äußerst - klar, die dicke Tante [ich] würde demnejngen auch die Ohren abreißen, wenn ich hier sowas lesen müsste. ;)

Aber wir schreiben üblicherweise nicht aus Sicht der Autoren, sondern aus Sicht der Figuren, und genau so, wie unsere Perspektivträger Arschlöcher sein können, Frauenfeinde, Homophob, geistig minderbemittelt etc., ist es auch möglich, dass wir es mit Perspektiven von Personen zu tun haben können, die selbst keine Dicken mögen. Die Gründe dafür, warum das so sein könnte, möchte ich hier nicht näher erörtern, weil es ein Thread zu sprachlichen Fragen ist und nicht zur Psychologie der Doofen, aber genau wie es in der Natur solche Leute gibt, können sie auch in unseren Geschichten auftreten.

Deswegen denke ich, sollte es in diesem Thread nicht nur um Formulierungen gehen, die Übergewicht positiv darstellen, sondern auch um die Frage, wie man einen dicken Menschen beschreiben kann, aus Sicht von jemandem, der Dicksein als wenig positiv betrachtet (das muss nicht per se eine negative Person sein - denkbar ist z.B, auch ein Jugenbuch aus Sicht eines magersüchtigen Mädchens), ohne dass die Dicken unter den Lesern das Buch heulend und frustiert in eine Ecke schmeißen.

Für mich ist "dick" ein generisches, beschreibendes, nicht wertendes Wort. "Fett" ist dicker als einfach nur dick und beinhaltet für mich üblicherweise wenig Körperspannung. Dick, aber mit mehr Körperspannung (Bauch ragt vor, aber hängt nicht) würde ich als "stattlich" bezeichnen. Alles, was "schwabbelig" beinhaltet (beschreibend, lautmalerisch, etc) hat in meinen Augen einen negativen Beiklang.

Aber nicht jede dicke Frau hat eine Rubens-Figur: Eine Rubens-Figur hat nicht nur diejenige, die runde Schenkel, pralle Hüften, ein leichtes Bäuchlein und kleine Brüste ihr eigen nennt. Rubens-Frauen gegenüber stehen die Wuchtbrummen, die Hintern und einen großen Busen mit eher flachem Bauch verbinden. Dicker Bauch, dicke Brüste und dicke Schenkel könnte man mit der Venus von Willendorf vergleichen. Ist die Frau vollbusig und eher kräftig bis muskulös gebaut, könnte man sie als Wallküre bezeichnen, ich denke aber, das ist inzwischen aus der Mode.

Mein eigentliches Problem mit der Diskussion setzt deutlich grundsätzlicher ein: Weswegen ist es so wichtig, die Dicken in ihrer ganzen Dickheit zu beschreiben? Wie relevant ist, wie dick oder dünn jemand ist? Reicht es nicht, bei der Beschreibung beiläufig zu erwähnen "Er/sie war eher/ziemlich dick"? Warum muss man sich dann auch noch in der Beschreibung von Grübchen, Armen, Kinnen, Bäuchen ergötzen? Wenn nicht dünne in der gleichen Akribie beschrieben werden (Rippen, eingefallene Wangen, etc) fühle ich mich als Dicke vorgeführt. Und ich finde es persönlich auch eher peinlich, wenn ein Autor mir mit dem Holzhammer vermitteln möchte, dass er mit Dicken wie mir kein Problem sieht. Wenn der Körperbau einer Person nichts zur Wahrheitsfindung beiträgt, ob dick oder dünn, muss ich dann darauf herumreiten?

An der Stelle will ich dem Autor sagen "Hör mal, ob ich dick oder dünn bin ist meine Sache, geht dich einen Scheißdreck an, und ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten". Viele Dicke sind nicht glücklich mit ihrer Figur, und entgegen landläufiger Meinnug hat das nicht nur etwas mit dem Ansehen von Dicken in der Gesellschaft oder Fatshaming zu tun. Und ich fühle mich nicht wohler in meiner Haut, nur weil mir ein Autor durch überpositive Beschreinungen vermittelt, dass er Dicksein nicht negativ findet. Es ist für mich eine Grundvoraussetzung, dass die Autoren, die ich lese, mich als Menschen nicht ablehne - das wäre ja noch schöner! Aber es ändert nichts an meinen gesundheitlichen Problemen, daran, dass ich keine Treppe mehr hochkomme, dass ich Angst vor Diabetes haben muss, etc.

Deswegen nehme ich es Autoren nicht übel, wenn ein Perspektivträger eine fiktive dicke Figur mit negativen Worten schildert - wenn ich davon ausgehen kann, dass der Autor selbst das anders sieht. Verkrampf positive Beschreibungen um jeden Preis hingegen empfinde ich als peinliche Anbiederei. Und wenn ich durch übergroßen Enthusiasmus bei der Beschreibung von Körperrundungen den Eindruck vermittelt bekomme, der Perspektivträger hat einen Fettfetisch (Menschen, der den übergewichtiger Frauen sexuell erregt), weiß ich nicht, ob ich das so viel positiver finde.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt